Das schwarze Element - Folge 4 - Nicole Böhm - E-Book
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Das schwarze Element - Folge 4 E-Book

Nicole Böhm

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Beschreibung

Die Welt von Kala und Daniel wird auf eine harte Zerreißprobe gestellt. Die mysteriöse Stimme hat sie fest in ihrem Griff, ihr Anwesen wird zum Schauplatz dieser alles verzehrenden Macht. Während die beiden wie Marionetten agieren, steht nicht nur ihr eigenes Schicksal auf dem Spiel, sondern auch das der anderen Seelenwächter. Rose sieht sich mit den Geistern ihrer Vergangenheit konfrontiert. Gemeinsam mit Akil begibt sie sich auf eine letzte Reise zu Matthew. Sie will Abschied nehmen. Doch das Wiedersehen nimmt eine unerwartete Wendung. Rose wird mit Tatsachen konfrontiert, die nicht nur ihr Leben verändern könnten – nein, auch das ihrer Welt. Anna und Jess begeben sich auf eine ebenso gefährliche Reise, um Jaydee aus seiner Vision zu reißen. Gemeinsam treten sie in eine fremde Finsternis, in der sie ein Wesen erwartet, mit dem sie nicht gerechnet hätten.

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Inhaltsverzeichnis

Das schwarze Element3

1. Kapitel5

2. Kapitel10

3. Kapitel16

4. Kapitel20

5. Kapitel22

6. Kapitel28

7. Kapitel31

8. Kapitel36

9. Kapitel41

10. Kapitel48

11. Kapitel55

12. Kapitel60

13. Kapitel66

14. Kapitel72

15. Kapitel76

16. Kapitel83

****88

17. Kapitel89

18. Kapitel100

19. Kapitel106

20. Kapitel113

21. Kapitel119

22. Kapitel124

23. Kapitel135

24. Kapitel145

25. Kapitel150

26. Kapitel158

27. Kapitel167

****176

28. Kapitel177

Impressum185

Das schwarze Element

Eine Geschichte aus der Welt der Seelenwächter

Von Nicole Böhm

Das schwarze Element

Teil 4

Von Nicole Böhm

1. Kapitel

Daniel starrte auf die Titaniumklinge in seiner Hand. Und auf das Blut.

Das viele, viele Blut.

Er zitterte, seine Sicht verschwamm. Sein Element rauschte mit der Kraft eines Tornados durch seinen Körper – und dann war da dieses Lachen. So hell und klar und eindringlich. Noch nie in seinem Leben hatte er etwas Derartiges gehört. So viel Befriedigung, so viel Freude, so viel Grauen.

Nur am Rande bekam er mit, was er überhaupt tat. Seine Seele schien nicht länger in seinem Körper zu wohnen. Alles fühlte sich fremd an. Seine Muskeln schmerzten, sein Arm pochte, sein Magen, sein Gesicht.

Sie hatten gekämpft. Er und Kala. Wie Tiere waren sie aufeinander losgegangen. Und dann war es passiert. Er hatte ihr die Klinge ins Herz getrieben.

Daniel zuckte und starrte auf ihren Körper, unter dem sich eine viel zu große Blutlache ausbreitete. Das Lachen in seinem Inneren schwoll an, dehnte sich über seine Seele aus und ließ ihn noch mehr erbeben.

Du bist großartig. Ich bin so stolz auf dich.

So stolz.

So stolz.

So stolz.

Er presste eine Hand gegen seine Schläfe, verteilte das Blut auf seiner Haut.

Blut.

Kalas Blut.

Kurz glomm ein klarer Gedanke in ihm auf. Eine Warnung, ein Ruf, eine Bitte, etwas zu tun. Sein Element wollte, dass er half.

Du kannst ihr nicht mehr helfen. Lass sie sterben.

»N-nein.« Daniel klopfte sich gegen den Schädel, um diese fremde Stimme aus seinem Kopf zu bekommen. Doch sie hatte sich in ihm eingenistet und verpestete ihn mit ihrer dunklen Magie. Wie benommen beugte er sich über Kala und fühlte nach ihrem Puls.

Er war da. Schwach, aber sie lebte. Daniel hatte nicht ihr Herz durchstoßen!

»Den Elementen sei Dank!«

Töte sie jetzt. Tu es für mich.

Daniel sah zu dem Messer, das er fest umschlossen hielt. Prues Messer. Kala hatte ihm gestanden, was sie getan hatten. Der Organhandel, das Serum, Lionsgate. Alles hinter dem Rücken der Seelenwächter. Kala. Jon. Tamira. Prue. Sie hatten sich auf diesen Deal mit den Menschen eingelassen.

Sie ist böse. So, so böse.

Er starrte auf seine Freundin, mit der er unendlich viele Kämpfe bestritten hatte. Seite an Seite. Vertrauen im Vertrauen.

Bestrafe sie! Sie hat es verdient. Sie verraten dich ständig. Lassen dich zurück. Schließen dich aus. Niemand will dich!

Zitternd umschloss er den Dolch fester. Er spürte die Wahrheit hinter diesen Worten. Den Schmerz und die Angst, dass diesd real wurden.

Jetzt. Jetzt. Jetzt. Töte sie! Töte alle!

Kala stöhnte schwach, ihre Lider flatterten auf, schlossen sich wieder. Eine Wunde wie diese würde sie nicht allein heilen können. Zudem war sie bereits geschwächt gewesen, als sie vorhin in sein Zimmer gekommen war; sie hatte ihre Seelenenergie einem Schattendämon verfüttert.

Tu es!

Aber sie waren Freunde. Seelenwächter. Sie schützten Leben und zerstörten es nicht.

Ihr seid Feinde. Sie hat die andere Seite gewählt.

Es kostete ihn unsägliche Mühe, die Waffe loszulassen und sich zu erheben. Er taumelte zu seinem Einbauschrank, riss eine Tür auf und durchwühlte die unteren Fächer nach dem heilenden Sirup. Er fand eine der Flaschen, zerrte sie so energisch heraus, dass eine zweite umkippte und zu Bruch ging. Daniel ignorierte es, wollte zurück zu Kala.

Nein. Lass sie sterben. Du machst das gut.

»I-ich … k-kann … nicht.« Er keuchte und taumelte. Noch nie hatte ihn etwas so viel Kraft gekostet, wie diese paar Schritte hinter sich zu bringen.

Er ließ sich neben ihr auf den Boden sinken, entkorkte die Flasche und schob eine Hand unter Kalas Nacken. Sanft hob er ihren Kopf, spürte dabei das Verlangen, nach dem Messer zu greifen und es ihr ins Herz zu rammen. Spucke sammelte sich in seinem Mund, so befriedigend fand er den Gedanken. Er wollte sie töten. So, so sehr.

Daniel schluckte heftig, setzte die Flasche an ihre Lippen und flößte ihr die ersten Tropfen ein. Kala trank, hustete, trank wieder. Tränen rannen über Daniels Wangen. Er wischte sie nicht weg, half seiner Freundin, den heilenden Sirup zu sich zu nehmen, um die Wunde zu heilen, die er zu verantworten hatte.

Auf einmal bäumte Kala sich auf, ihr gesamter Körper krampfte. Schaum und Blut drangen aus ihrem Mund, sie zitterte und würgte.

»Was?«

Er schaffte es gerade so, sie zur Seite zu rollen, dann erbrach sie den Sirup und noch mehr Blut. Daniel atmete zitternd ein. Kala rollte sich krampfend zusammen und wurde immer blasser.

»Scheiße, scheiße, scheiße.«

Sie wird sterben. Du kannst nichts mehr tun.

Daniel schüttelte sich, sprang ein weiteres Mal auf und taumelte zur Tür. Das Lachen der Frau begleitete ihn nach draußen. Er stolperte auf den Flur. Ein ersticktes Hilfe drang aus seiner Kehle, aber seine Stimme war viel zu schwach. An den Wänden nach Halt suchend, torkelte er den Gang hinunter.

Er brauchte einen Erdwächter, wenn er Kala retten wollte.

So schnell er nur konnte, irrte er weiter und weiter, bis er vor Kristjans Tür innehielt. Ohne zu zögern hämmerte er gegen die Tür. »Mach auf!«

Der kalte Schweiß rann ihm über die Schläfe und seinen Rücken hinab. Sein Herz raste, seine Muskeln brannten, seine Seele glühte. Genau wie sein Element. Das Feuer, das ihm normalerweise Trost und Ruhe spendete, schien ihn dieses Mal innerlich zu verglühen. Alles war verdreht. Er hatte Kala fast umgebracht, sie konnte keinen Sirup trinken, lag nun sterbend in seinem Zimmer.

Nur wegen ihm!

Er ballte die Hand zur Faust, wollte wieder gegen die Tür hämmern, doch ehe er sie berühren konnte, schossen zwei dunkle Flammen aus seinen Fingern. Das Holz zischte und kokelte, es entstand eine Stichflamme, und kurz darauf löste es sich komplett in Asche auf. Daniel machte einen Satz nach hinten, starrte auf seine Faust. Auf der Haut hatten sich Brandblasen gebildet, es stank nach verkohltem Holz und Fleisch. Ein brennender Schmerz raste seinen Arm hinauf und ließ sein Herz erbeben. Das war das erste Mal, seit er ein Seelenwächter war, dass ihm sein Element schadete!

»Ey, hast du sie noch alle?!«, rief Kristjan. Daniel blickte hoch und sah ihn aus seinem Bett springen. Nackt. Und erregt. »Was soll das denn, du Arschloch?«

Daniel blinzelte, spähte an ihm vorbei ins Zimmer. Dort lagen Lucas und Coralie. Auch sehr nackt.

»T-tut mir leid«, stammelte Daniel.

Kristjan schnappte sich eine Hose von einem Stuhl und schlüpfte rasch hinein. Die beiden anderen zogen sich ebenfalls an. »Du hast doch einen Vollschaden!«

»Ich brauch dich! Jetzt.«

»Was?«

»Kala ist verletzt. Ich kann sie nicht heilen und sie sich auch nicht.«

»Was redest du denn da? Was ist passiert?«

»Ich brauche Hilfe!«, wiederholte Daniel. »Kala stirbt!«

»Wo?«

»Sie ist in meinem …«

Ein grelles Lachen ertönte in seinem Schädel. Er fasste sich an die Schläfen, schüttelte seinen Kopf.

Nimm auch ihn. Verbrenne ihn! Verbrenn sie alle.

Daniel donnerte mit der Faust gegen den Türrahmen und das Holz fing Feuer. Erschrocken wich Kristjan zurück. Die Flammen waren nicht rot-orange wie üblich, sondern tiefschwarz.

»Hey«, rief nun auch Lucas und eilte auf Daniel zu. »Beruhig dich mal, ja?«

»Helft Kala!«, zischte Daniel. Sein eigenes Feuer schmerzte ihn. Er taumelte, wich zurück, wollte weg und hierbleiben und alles zerstören. »In meinem Zimmer! Bitte.«

»Ich seh nach.« Coralie schob sich an Kristjan und Daniel vorbei.

Halt sie auf.

Daniel wollte sie packen, aber in dem Moment kam Lucas ihm zuvor. Er hielt ihn am Arm fest, und sofort strömte eine Woge aus Ruhe und Gelassenheit durch ihn. Lucas als Wasserwächter nahm oder gab Emotionen. Sie blickten sich an. Auf einmal riss Lucas schlagartig die Augen auf und seine Hände zurück, als hätte er sich ebenfalls verbrannt.

»Irgendwas stimmt nicht mit ihm. Ich glaub, du solltest auch nach Kala schauen.«

»Kommst du hier klar?«

»Ja.«

Kristjan folgte Coralie den Flur hinunter.

Nein, lass das nicht zu!

Daniel schüttelte sich, gab einen verzweifelten Laut von sich und hätte sich am liebsten die Haut vom Körper gerissen. »Lass mich in Ruhe!«

»Wir kriegen das hin, ja?«, sagte Lucas beschwichtigend. »Was auch immer du genommen hast, es sollte bald vorbei sein.«

»Ich hab nichts …!« Weiter kam Daniel nicht, denn in dem Moment glommen wieder Flammen von seinen Händen und stürzten sich nach vorne. Auf Lucas.

»Weg!«, brüllte Daniel, ehe er seine Magie entließ. Lucas reagierte zum Glück blitzschnell, sprang zur Seite, und eine Feuerkugel schoss auf die Stelle, an der er eben gestanden hatte. Daniels Haut brannte.

»Es tut mir leid!«, schrie er unter Tränen – und dann entfesselte er noch mehr seiner Kraft.

2. Kapitel

Matthew

»Matt! Du bist wieder da!«

Mein Bruder riss mich an sich, noch ehe ich richtig durch die Tür gekommen war. Ich hatte keine andere Wahl, als in seine Arme zu sinken und die Augen zu schließen. Nach wie vor spürte ich die Nachwehen des Mindblowers. Grelle Lichtblitze tauchten in meinem Blickfeld auf und lösten einen beißenden Schmerz in meinem Schädel aus. Ich fühlte mich, als hätte ich die letzten drei Tage auf einer wilden Technoparty mit Ecstasy und zu lauter Musik verbracht. Mein Körper vibrierte, meine Haut juckte. Und dann schossen mir immer wieder die Gedanken quer, die der Mindblower zurückgebracht hatte.

Rose lebte.

Sie war eine Seelenwächterin.

Sie bekämpfte Schattendämonen.

Sie benutzte Magie.

Vincent drückte mich fester, sodass mir für einen Moment die Luft wegblieb. Er zitterte vor Aufregung und übertrug es direkt auf mich.

Wir hielten uns. Bebten und atmeten. Sein Herzschlag an meinem. Wie seit unserer Geburt. Vincent und ich. Die unerschütterliche Einheit.

»Es tut mir leid«, flüsterte ich.

»Was genau?«

»Alles.« Mir tat es leid, dass uns die Justiz getrennt hatte. Dass ich all die Jahre unschuldig im Knast saß. Dass ich dachte, Rose wäre tot, obwohl sie lebte. Dass sie nicht gekommen war, um mich zu entlasten. Dass Vincent gegangen war, um zu genesen. Der Schmerz. Der Kummer. Das Blut. Das Leid.

Es war zu viel.

Ich verlor mich in Vincents Umarmung. Zeit existierte nicht mehr. Unsere Welt hatte sich auf uns reduziert, genau wie früher, wenn wir uns unter der Bettdecke Geheimnisse anvertrauten oder als wir nach dem Tod unserer Eltern auf uns gestellt waren. Vincent war in die Schatten gegangen, ich ins Licht. Nun hatten sich unsere Rollen vertauscht, denn ich hatte das Gefühl, dass ich orientierungslos in einem finsteren, tiefen Abgrund stand.

Ich hatte keine Ahnung, wie lang wir uns festhielten oder wer von uns zuerst den anderen losließ. Irgendwann rieb ich mir über die Augen, die Stirn und versuchte zu begreifen, was in meinem Leben passierte. Auf dem Rückflug von San Francisco nach Chicago hatte ich mit Bishop alles durchgekaut. Ich hatte ihm von Rose und mir erzählt. Von der zarten Bindung, die wir im Trailerpark geknüpft hatten und die so jäh zerrissen war, bis hin zur Begegnung am Hafen.

»So eine verfickte Scheiße«, hatte er geantwortet und damit den Nagel auf den Kopf getroffen.

»Komm rein.« Vincent deutete mit einem Nicken ins Innere. Ich folgte ihm ins Haus. Mein Blick fiel auf den Tisch, wo ich vor ein paar Stunden mit ihm gesessen hatte. Das Paket mit dem Fotoequipment, das er mir geschenkt hatte, lag noch dort. Ich trat näher, nahm eine der Kameras in die Hand und betrachtete sie von allen Seiten. Früher hätte mich das entspannt. Mich hinter einem Sucher zu verstecken und die Welt durch diese kleine Linse zu sehen, war wie eine Meditation gewesen. Aber nun kam es mir vor, als läge ein ganzes Leben zwischen dem Matthew von damals und dem von heute.

»Ich wollte dich mit meinem Geschenk nicht überrumpeln«, sagte Vincent hinter mir.

»Ich weiß. Du hast alles richtig gemacht. Ich hab überreagiert.«

»Du musst das natürlich nicht annehmen. Ich kann sie zurückgeben.«

Ich legte die Kamera zurück auf den Tisch und schüttelte den Kopf. »Ich hab gerade keine Ahnung, was ich will, Vinc. In den letzten Stunden sind verrückte Dinge passiert, die alles verändern.«

Und von denen ich ihm erzählen musste.

Ich hatte Bishop gesagt, dass ich Vincent einweihen würde, denn es konnte keine Realität geben, in der ich vor ihm geheim hielt, was mit Rose passiert war. Zudem wusste Amy ja auch über die Seelenwächter Bescheid.

»Ich muss dir einiges erzählen.« Ich drehte mich zu meinem Bruder um und erstarrte. Um Vincent hing eine Art dunkler Nebelschleier. Er waberte um seinen gesamten Körper und verdichtete sich um seinen Kopf. Seine Augen wirkten auf einmal tiefschwarz. Vincents Haut sah blasser aus als sonst. Lebloser. Ich schüttelte mich, trat näher.

»Was ist los?«, fragte er. »Du glotzt mich an, als wäre ich ein Außerirdischer.«

Ich fasste an seine Wange, die sich warm und vertraut anfühlte.

»Matt? Geht es dir gut?«

»Was ist das?«

»Was ist was?«

Ich blinzelte erneut, packte Vincent an den Schultern und zog ihn mit mir vor den nächsten Spiegel. Gemeinsam starrten wir hinein. Der Schleier blieb, wirkte aber durch das Glas nicht mehr ganz so stark.

»Was ist denn?«, fragte Vinc erneut.

»Du … du siehst das nicht?«

»Was?«

»Dieses … Deine Augen.«

Wir lehnten uns näher an den Spiegel, ich starrte Vincent an und er betrachtete sich selbst.

»Was ist damit?«

»Sie sind schwarz.«

»Ja, die Farbe hat sich verdunkelt, seit ich mit der Behandlung angefangen hab, aber das muss dir doch schon aufgefallen sein.«

»Nicht so.«

»Ich hab keine Ahnung, von was du redest, Mann.«

»Ich auch nicht.« Ich blickte mich um, betrachtete die Gegenstände um mich herum, aber nirgendwo war dieser Schleier zu erkennen. Nur über Vincent.

»Es kann Nebenwirkungen haben«, hatte Bishop zu mir gesagt. »Früher hatte ich keine Angst im Dunkeln.«

Ich kniff mir in den Nasenrücken. War es das? Hatte der Mindblower etwas mit meinen Augen gemacht, als groteskes Spiegelbild zu dem, was Vincent passiert war? Könnte ich auch blind werden?

Ich schauderte bei dem Gedanken.

»Redest du bitte mal mit mir, Matt?«

»J-ja. Wir sollten uns setzen. Ist Amy da?«

»Sie duscht.« Seine Wangen färbten sich einen Tick röter und ich rollte mit den Augen.

»Habt ihr gerade gevögelt?«

»Was?!« Er schnappte nach Luft. »Ich … Das ist nicht … Wir haben keinen …«

»Es ist ziemlich offensichtlich, dass ihr es miteinander treibt.«

»Red nicht so darüber.«

»Dann macht ihr eben Liebe, was weiß ich.«

»Es ist keine Liebe, ich bin nicht in sie …« Er schüttelte den Kopf, lachte nervös. »Ich bin nicht verknallt, okay?«

»Aber du schläfst mit ihr.«

Er atmete geräuschvoll ein, seine Schultern spannten sich an. »Schlimm?«

»Kommt drauf an, ob es dir Spaß macht oder das ein Teil der Studie ist, der dir nicht gefällt. Denn wenn dem so wäre, werde ich ihr persönlich den …«

»Sie zwingt mich zu gar nichts! Es ist einfach passiert.«

»Okay.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Tut es dir denn gut?«

Ein Grinsen erschien auf seinen Lippen.

»Also ja«, antwortete ich für ihn.

»Es ist echt fantastischer Sex.«

»Na, dann ist doch alles klar, oder?«

»Ja, schon. Sie wollte nicht, dass du davon erfährst. Niemand sonst weiß es, weil es sehr unprofessionell ist.«

Ich seufzte, trat zu der Vitrine an der Wand und holte die Whiskeyflasche und zwei Gläser heraus.

»Schockiert dich das jetzt so sehr, dass du trinken musst?«, fragte Vincent.

»Was?«

»Das mit Amy und mir.«

Ich musste grinsen. »Wie gesagt, solange du glücklich bist, ist alles gut. Du hast so viel Scheiße erlebt. Erst das mit unseren Eltern, dein Unfall, dann die Behandlung, die dir so zugesetzt hat.« Mein Knastaufenthalt … »Du hast dir das verdient.«

»Danke. Das … bedeutet mir viel.« Er zeigte auf die Flasche in meiner Hand. »Dann hat der Drink damit zu tun, warum du zwei Tage weg warst?«

»Ja. Willst du auch einen?«

»Kommt drauf an. Haben du und Bishop krumme Dinger gedreht?«

»Im Ernst?«

»Hey, ich kenn den Typen nicht und du bist … anders, seit du aus dem Knast draußen bist.«

Ich öffnete den Mund, weil ich widersprechen wollte, aber Vincent musterte mich mit zusammengepressten Lippen und sorgenvoll in Falten gelegter Stirn. Er hatte Angst, mich zu verlieren, und das schnürte mir regelrecht die Kehle zu. »Du hast recht. Ich bin anders. Aber es liegt nicht an dir! Ich bin nur überfordert mit der Situation.«

Er stieß die Luft aus, wirkte allerdings nicht richtig erleichtert.

»Ich würde weder dir noch mir so etwas wieder antun. Einmal Knast hat gereicht.«

Er fuhr sich durch die Haare und stieß dabei einen kehligen Laut aus. »Das hätte einfach nie passieren sollen.«

»Nein. Hätte es nicht.« Ich stellte die Gläser ab und goss mir und Vincent ein.

»Ich darf nicht viel Alkohol trinken, wegen meiner Behandlung.«

»Gut, dann spar ihn dir auf.« Ich leerte meinen Drink zur Hälfte und genoss das Brennen in meiner Kehle. »Was ich dir gleich sagen werde, stellt alles auf den Kopf, was du je geglaubt hast. Es wird wild und abgefahren –und ich schätze, du wirst denken, dass ich übergeschnappt bin. Aber das bin ich nicht.«

»Du machst mir ein bisschen Angst.«

Ich trank den Rest aus, goss mir sofort wieder nach, und dann begann ich zu erzählen.

Angefangen bei der merkwürdigen Freundschaft, die ich mit Bishop teilte, bis hin zu dem Moment, als mir der Mindblower sprichwörtlich das Hirn durchgefegt hatte.

3. Kapitel

»Ich. Töte. Euch. Ich. Töte. Euch. Ich. Töte. Euch …«

Anna starrte auf das Notizbuch, in dem Jaydee wie von Sinnen diese Worte aufschrieb. Der Stift flog nur so über das Papier, Seite um Seite kritzelte er voll, blätterte um, schrieb weiter, blätterte um.

»Jaydee.« Sie berührte ihn sanft am Arm, aber er reagierte nicht. Sein Atem kam abgehackt, seine Augen hatten sich nach hinten verdreht, und seine Finger krampften so sehr um den Stift, dass die Knöchel weiß hervortraten. Anna bekam Gänsehaut, dehnte ihre Sinne aus und trat innerlich einen Schritt nach vorn in seinen Geist. Doch alles, was sie sah, war eine finstere, undurchdringliche Mauer.

Vermutlich waren das seine Schutzbarrieren, die er sich über die Jahre aufgebaut hatte. Jaydee wollte die Magie der Seelenwächter so gut wie möglich von seinem Leben fernhalten.

Mit einem Fluch auf den Lippen kehrte sie zurück. Sie brauchte Jess, die vorhin losgegangen war, um für Anna nach der Firma Lionsgate im Internet zu recherchieren. Da sie selbst keine Technik verwenden konnten, half Jess ihnen manchmal aus, wenn sie etwas aus der Menschenwelt benötigten. Zum Glück dauerte es nicht lang, bis Anna sie spürte. Jess und sie hatten schon immer eine enge Bindung zueinander gehabt.

Komm sofort her, es ist etwas mit Jaydee, sandte sie in Gedanken aus.

Er gab ein kehliges Stöhnen von sich, und auf einmal hörte er auf zu schreiben. Genauso plötzlich, wie er angefangen hatte. Ein dünner Blutfaden rann aus seiner Nase. Anna war sofort bei ihm, legte eine Hand auf seinen Arm und flüsterte seinen Namen. Er riss erschrocken die Augen auf, schnappte nach Luft und fixierte sie. Anna reagierte einen Ticken zu spät, denn auf einmal warf er sich auf sie und presste sie zu Boden.

Sofort schlossen sich seine Finger um ihre Kehle und drückten zu. Sie rang um Atem, packte seine Unterarme und wollte ihn von sich zerren, aber sie schaffte es nicht. Jaydee müsste ihr als Mensch eigentlich körperlich unterlegen sein, doch er bewegte sich kein Stück!

»Jay-Jaydee«, keuchte sie und bemühte sich, bei Bewusstsein zu bleiben. Sie boxte ihm gegen den Arm, er verstärkte den Druck seiner Finger und würgte ihr die Luft ab. Ihre Sicht verschwamm. Sie blinzelte, rief ihr Element wach und konzentrierte sich darauf, wegzuteleportieren. Der bekannte Sog entstand in ihrer Mitte, aber anstatt sie zwischen die Welten zu reißen, stoppte er irgendwo in ihrem Körper.

»Ihr seid der Elemente nicht würdig!« Jaydees Stimme klang dunkel und grollend. »Ihr gehört mir!«

Anna starrte ihm fest in die Augen, in der leisen Hoffnung, ihn so zu erreichen. Sie dehnte ihre Sinne ein weiteres Mal nach seinem Geist aus, doch sie kam nicht an ihn heran.

»Ihr werdet sterben!« Jaydee verstärkte den Druck, alles tanzte vor Annas Augen. Sie atmete verzweifelt ein, registrierte eine Bewegung am Rand ihres Sichtfelds, und dann tauchte Jess hinter Jaydee auf. Sie packte ihn an den Schultern, versuchte, ihn von Anna zu zerren, doch auf sie reagierte er ebenfalls nicht. Jess fluchte, legte ihre Hände um seine Schläfen und schloss die Augen. Er zuckte und erstarrte.

Endlich ließ der Druck um Annas Kehlkopf nach. Sie atmete gierig die Luft ein, bewegte sich unter Jaydee, bis sie genügend Spielraum bekam, um sich zu befreien. Jess hielt ihn weiter fest, er schwankte, kippte nach vorn und wäre auf Anna gestürzt, wenn sie nicht rechtzeitig zur Seite gerollt wäre.

Jess atmete tief durch und blickte zu Anna. »Alles in Ordnung?«

»Was hast du gemacht?« Ihre Stimme klang kratzig und rau.

»Seinen Geist gelähmt. Es wird nicht lange anhalten, aber ich hab Beruhigungsmittel im Schrank da vorn.«

Anna stand schwankend auf. Der Raum drehte sich und ihre Beine hatten Mühe, sie zu tragen.

»Geht es?«, fragte Jess.

»Ja.« Keuchend torkelte sie zum Schrank, während Jess beruhigend auf Jaydee einredete.

»Obere Schublade.«

Anna öffnete sie, holte ein kleines Kästchen heraus, wo vorbereitete Spritzen lagen. Sie nahm eine, kehrte damit zurück und reichte sie Jess.

Sofort drückte sie den Inhalt in Jaydees Oberarm. Er zuckte kurz, knurrte leise, doch er regte sich nicht mehr. Jess seufzte erleichtert und hockte sich neben ihn auf den Boden. »Jetzt schläft er erst mal.«

Anna rieb sich über ihren brennenden Hals. »Gut vorbereitet.«

»Das war seine Idee. Manchmal steht er ein wenig … neben sich.«

»Aber er … Hat er dich auch schon …?«

»Nein. Er tut mir nichts, doch er hat Angst davor. Das Mittel hier zu haben, beruhigt ihn. Abgesehen davon hab ich viel an meinen Fähigkeiten gearbeitet und kann seinen Geist für einen Moment einfrieren. Es kostet mich Kraft, aber nun bin ich froh, dass wir es geübt haben. Was ist denn passiert?«

»Ich weiß nicht.« Anna schluckte erneut gegen das Brennen in ihrer Kehle an. Da sie nicht viel reden konnte, schickte sie Jess die Bilder der vergangenen Minuten per Gedanken.

»Mein Gott.« Jess nahm das Notizbuch und las die letzten Worte, die er geschrieben hatte: »Ich. Töte. Euch. Alle. Ich. Töte. Euch. Alle. Ich. Töte. Euch. Alle.«

Obwohl Jaydee Anna nicht mehr würgte, hatte sie das Gefühl, dass ihr sämtliche Luft aus dem Körper wich. So sehr hatte sie gehofft, dass derartige Bedrohungen sie nie mehr heimsuchen würden. Aber offensichtlich hatte die Welt gerade andere Pläne.

»Ich sag Akil und Will Bescheid. Sie sollen herkommen.«

»Ich bleib bei ihm.« Jess strich sanft über Jaydees Stirn. Er war jetzt so ruhig, dass es fast schon gespenstisch wirkte.

Anna nickte, eilte nach draußen und griff nach ihrem Amulett. »Ich möchte mit Will sprechen.« Ein Kribbeln schoss durch ihren Arm und ihre Seele. Ihr Element antwortete umgehend, eine Windböe strich über ihre Haut, suchte Geäst und Blätter, um die Verbindung zu Will herzustellen.

Anna atmete erleichtert durch, gab sich dieser alten Magie hin, doch die Äste und Blätter fielen wieder in sich zusammen und hinterließen nur einen leichten Luftzug auf ihrer Haut. Will antwortete nicht.

Sorge wuchs in ihrem Herzen, aber sie musste ruhig bleiben. Dass er nicht reagierte, konnte alles Mögliche bedeuten. Möglicherweise war er im Gespräch mit jemandem oder er schlief. Es war mitten in der Nacht, vielleicht war er sogar auf eine Jagd gegangen. Sie schüttelte den Kopf, probierte es bei Akil, aber auch diese Verbindung klappte nicht.

»Wo seid ihr, Jungs?« Sie blickte in den sternenklaren Nachthimmel über sich und bekam Gänsehaut.

Ihre Unruhe wandelte sich in ein hässliches, quälendes Ziehen. Irgendetwas braute sich gerade zusammen, und Anna hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie darauf reagieren sollte.

4. Kapitel

Schmerzen. So viele Schmerzen.

Kala schlug die Augen auf, hustete, würgte, schnappte nach Luft. Sie wollte atmen, aber sie konnte nicht.

Sie wollte aufstehen, aber sie konnte nicht.

Sie wollte sprechen, aber auch das war ihr nicht mehr möglich.

Ihr Körper brannte, genau wie ihr Element. Alles war verkehrt. Alles war falsch.

Heilung war Zerstörung. Feuer war Wut. Wasser war Ertrinken. Luft war Verlieren.

Nichts war mehr dort, wo es hingehörte.

Nichts hatte Kontrolle.

Nichts übernahm sie.

»Kala!«

Eine Stimme weit entfernt. Ein Leben außerhalb ihrer Reichweite.

Sie wollte schlafen. So gern schlafen.

»Bei allen Elementen, Kristjan.«

Noch eine Stimme. Coralie. »Heil sie!«

Hände. Wärme. Kälte. Zerstörung. Es war falsch.

»Ich kann nicht.«

»Wieso kannst du nicht?«

»Weil mir mein Element nicht gehorcht. Ich … ich kann nicht mehr heilen.«

Nichts würde kommen.

»W-was kann ich tun?«

Lärm. Schreie. Flammen. Hitze. Tod.

»Was ist da draußen los?«

»Daniel kämpft gegen Lucas. Prue ist auch da. Sie und Tamira zerren Leute aus ihren Zimmern und gehen auf sie los. Alle drehen durch!«

»Kontaktiere Akil. Sofort!«

»Hab ich versucht, aber ich erreiche niemanden!«

»Dann reite hin! Tu irgendwas!«

Es war längst zu spät.

Sie alle würden das Nichts.

Tropf. Tropf. Tropf.

5. Kapitel

Rose

Mit zitternden Händen zurrte ich den Gurt an Petes Sattel fest. Mein Herz wummerte heftig gegen meine Rippen. Mir war übel und schwindelig. Eigentlich hätte der Besuch bei meinem Element mir Kraft geben sollen, doch ich hatte das Gefühl, dass ich nun noch aufgeregter war.

»Du hättest mehr Zeit gebraucht.« Akil hatte seine Stute Flosi bereits gesattelt und wartete geduldig, bis ich fertig war.

»Vermutlich. Aber die Unruhe war zu groß. Trotz Kraftplatz. Es war, als würde ständig etwas an meiner Seele zupfen und mich auffordern, loszugehen.«

Akil hatte mich vor Kurzem zu meinem Element begleitet, damit ich mich von den vergangenen Strapazen erholen konnte.

»Ich hatte das Gefühl, als wäre Matthew mit mir da drin. Als würde er neben mir stehen und darauf warten, dass ich mich ihm zuwende.« Was natürlich unmöglich war.

Nach unserer letzten Begegnung hatte ich ihm sofort die Erinnerung an mich genommen. Damit er sein Leben ohne mich in Ruhe weiterleben konnte. So wie es sein sollte.

Ich wünschte, ich könnte auch mir die Bilder nehmen, die ich in seinem Geist gesehen hatte. Denn nun wusste ich, wie es ihm in den letzten Jahren ergangen war. Ich wusste von dem Mord, für den er beschuldigt worden war, den er aber nicht begangen hatte. Ich wusste um den Horror im Knast, der Trennung von seinem Bruder und dass ich Schuld an all dem trug.

Matthew hatte die Hölle durchlebt, weil ich zu feige gewesen war, mich meiner Verantwortung zu stellen.

»Wo fangen wir an, nach ihm zu suchen?«, fragte ich. »Sollen wir ans Lagerhaus, wo ich ihn getroffen habe? Ich besitze leider keine persönlichen Gegenstände mehr von ihm, sonst hätte Will einen Suchzauber wirken können.«

»Tja, also, was das angeht, hab ich einiges rausfinden können.« Akil trat neben mich und öffnete den schiefen Knoten, den ich gerade festgezogen hatte. Routiniert band er ihn neu und rückte den Sattel in die richtige Position. »Ich hab die Zeit genutzt, als du bei deinem Element warst, und mich ein wenig umgehört.«

»Echt?«

»Klar. Ich hab doch gesagt, dass ich dir helfe, oder nicht?«

Ich lächelte. Die Wärme in Akils Blick vertrieb ein wenig die Aufregung.

»Ich war in England. Bei Misses Whitewell, um genau zu sein. Hab sie mir noch mal vorgeknöpft und sie dieses Mal richtig befragt.«

Meine Kehle wurde trocken. Etwa ein halbes Jahr nachdem ich zu den Seelenwächtern gekommen war, hatten er und ich einen Ausflug in den Trailerpark gemacht, um nach Matthew und Vincent zu sehen. Sie hatten nicht mehr dort gewohnt, daher waren wir unverrichteter Dinge abgezogen. Damals meinte Akil, dass es das Beste für mich wäre, nicht zu tief in meiner Vergangenheit zu graben, doch heute bereute ich es zutiefst. »W-was hat die Whitewell gesagt?«