Das Straßen-Baum-Fest - Errerd Elias - E-Book

Das Straßen-Baum-Fest E-Book

Errerd Elias

0,0
4,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Das Buch „Das Straßen-Baum-Fest“ dokumentiert ein Jahr des Protests in Offenburg gegen die geplante Fällung von über 160 Bäumen in der Weingartenstraße und Moltkestraße. Mit viel Engagement haben Bürgerinnen und Bürger Widerstand geleistet, um die Bäume zu retten und gleichzeitig eine Diskussion über Stadtentwicklung, Klimaschutz und demokratische Teilhabe anzustoßen. Es beleuchtet die komplexen Auseinandersetzungen mit der Stadtverwaltung, die Rolle der Bäume für das Stadtklima und die Bedeutung öffentlicher Räume für eine lebenswerte Zukunft. Ein Plädoyer für den Erhalt von Natur in unseren Städten.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



1

Konferenz für Urban Transformation Design

Band 1

Das Straßen-Baum-Fest

Ein Jahr Protest in Offenburg

2

3

Konferenz fürUrban Transformation Design

Band 1

Straßen-Baum-Fest

Herausgeber*innen

Felicitas SchäbitzJasmin WalterSylvia FröhlichElias ErrerdVolker KerstingFridolin KochRalph Fröhlich

Verlag

Scoutladen GmbH & Co. KG - Sitz: Offenburg

Weingartenstr. 35, 77654 Offenburg

Registergericht: Amtsgericht Freiburg HRA 705769

Persönlich haftende Gesellschafterin:

Scoutladen Verwaltungs GmbH - Sitz: Offenburg

Registergericht: Amtsgericht Freiburg HRB 719054

Geschäftsführer: Ralph Fröhlich

Druck

FLYERALARM GmbH, Alfred-Nobel-Str. 18, 97080 Würzburg

Fotos

Uwe Nestlen, Armin Krüger, Ralph Fröhlich

ISBN 978-3-946988-94-6

4

Unverhältnismäßig.

Überzogen. Der Untergang der Ci-typartner. Demokultur wie in Frei-burg. Mit vielen Begrifflichkeiten haben sowohl die Stadt Offenburg, als auch einige Redakteure der lokalen Presse versucht, das Stra-ßen-Baum-Fest als angemeldete Versammlung zu verunglimpfen oder gleich ganz von der Straße zu vertreiben.

Dabei ist es im Nachgang vor allem eines. Eine Veranstaltung mit einer völlig entspannten Atmosphäre, bei der sich Menschen verschiedenster Schichten und Milieus begegnen und das Gespräch miteinander su-chen. Das Straßen-Baum-Fest ist eine Plattform für die Auseinander-setzung mit unseren Bäumen, dem Klima, unserer Mobilität, der Demo-kratie. Weitere Schwerpunkte sind Wirtschaft & Arbeit, Soziales sowie

Bildung & Kultur.

All das bringt Menschen auf die Straße und fordert auf, den öffent-lichen Raum mit neuen Augen zu erleben.

Die Konferenz zur Schönheit und Lebensfähigkeit der Stadt (Deut-sches Institut für Stadtbaukunst) schreibt dazu in ihrer neuesten Ver-öffentlichung:

Wer Straße hört, denkt an Verkehr. Das ist nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig. Denn die Stadtstraße dient zwar dem Verkehr, aber nicht nur dem Autoverkehr. Sie wird auch von Fußgängerinnen und Fußgän-gern, vom Radfahrerinnen und Rad-fahrern, der Straßenbahn und an-deren Verkehrsmitteln genutzt. Zum anderen bildet der Verkehr in der Stadtstraße nur eine Funktion neben vielen anderen: dem Einkaufen, dem Flanieren, dem Festefeiern, der De-

Prolog

5

monstration, dem Zusammentreffen und vielem mehr... Die Stadtstraße bildet das Rückgrat des öffentlichen Raums. Sie erschließt die Häuser der Stadt und ist gleichzeitig ihr „sozia-ler Raum“. Plätze sind selten. Straßen sind überall. Die Gestalt der Straßen-räume bestimmt das Gesicht und die Atmosphäre einer Stadt. Stadtstra-ßen sind die Lebensorte des Alltags und die Bühnen großer gesellschaft-licher, politischer und kultureller Er-eignisse.

Die Geschichte des Straßen-Baum-Fest ist lange und mühsam mit ei-nigen grandiosen Höhepunkten. Es startet im Mai 2023 mit der lapi-daren Mitteilung in der BZ, es wür-den in der Weingartenstraße und Moltkestraße von Offenburg über 160 Bäume gefällt, um mehr Platz für Rad- und Gehwege zu schaffen. Ein Irrsinn, der sich selbst mit einem Anruf bei der Stadtverwaltung

nicht so einfach aufklären lässt.

Nach einem Blick in die vorliegen-den Pläne (siehe Ratsinfosystem der Stadt Offenburg) bewahrheitet sich dies allerdings. Elias und Ralph beschließen, dies direkt an den Bäumen im Straßenraum zu visua-lisieren. Eindrücklich ist nun zu er-kennen, wie viel mächtige Bäume von den geplanten Fällungen be-troffen sind. Stadtverwaltung und Gemeinderat wiegeln ab und beto-nen ihr Mantra, es sei ja noch nichts beschlossen. Dennoch unterschrei-ben über 25.000 Menschen die Pe-tition „164 Bäume fallen für Klima-schutz und breitere Radwege“.

Der Weg in die Öffentlichkeit ist vor allem mit Kreidespray markiert. Jeder im Plan zu fällende Baum be-kommt sein gelbes Kreuz, seine Nummer. Es sind tatsächlich 128 Bäume und schon 27 leere Baum-

6

quartier, die betroffen sind.

Mit der Kreide sprühen wir alle Pla-nungsquerschnitte auf Fahrbahn, Gehweg und Radweg. An vielen Stellen wird offensichtlich, dass die meisten Bäume nur wegen 30 cm weichen müssen. Alles wird ein we-nig breiter, vor allem die Fahrbahn.

Wir gehen mit unseren Fragen dazu in den Gemeinderat. Dort erklärt unser Oberbürgermeister, wir se-hen das alles viel zu einfach und es sei komplexer, als wir denken. Was wollen auch ein Künstler und ein In-genieur von Bäumen, Verkehr und Stadtbaukunst verstehen? Wir kom-men wieder, stellen neue Fragen. Eines Tages steht eine Frau im Pu-blikum auf und bittet den OB, das Gespräch mit uns zu suchen. Nun sind wir schon zu Dritt im Team (Fe-licitas, Elias, Ralph). Wir lernen wei-tere Menschen kennen, diskutieren

viel mit dem ADFC und der BI Molt-kestraße. Schnell merken wir, das uns unterschiedliche Dinge wichtig sind, aber wir auf demselben Weg sind.

Auch unsere Herangehensweise unterscheidet sich. Die einen su-chen das Gespräch, die anderen üben lieber den zivilen Ungehor-sam. Hauptsache unsere Bäume bleiben im Blick.

Im Juli 2023 sitzen wir mit über 400 Menschen im Gemeinderat. Wohl-weislich ist diese Sitzung in der Reithalle angesetzt. Es geht um un-sere Petition um den Erhalt der Bäu-me. Die Fraktionen überbieten sich in ihren Versprechen, nur ja keinem Baum ein Haar zu krümmen. Die Bürgermeister winden sich „ja aber die Sicherheit“ und denken dabei an die Leichtigkeit des Verkehrs. Heraus kommt eine wachsweiche

7

Formulierung, an die keiner so rich-tig glauben mag.

Danach ist eine heiße Sommer-pause, alle genießen den Schatten unserer Bäume und verhalten sich still. Im September 2023 sind wir zu einem Projektbegleitgremium mit den Stadtplanern eingeladen. Zwei Stunden werden wir mit den aktuellen Planungen eingelullt. Verändert hat sich nichts, es sind immer noch dieselben Bäume zum Fällen markiert. Unsere Redezeit in diesem Gremium müssen wir erst erstreiten.

Erste Regel Stillschweigen und bloß nicht erzählen, wie mies die Pläne noch immer sind. Nicht mit uns, wir veröffentlichen die Unterlagen so gut es geht und markieren die ge-fährdeten Bäume jeweils deutlich mit einem roten X.

Das bringt nun alle Gemeinderäte

und auch die Menschen, die bisher unsere Verbündeten waren gegen uns auf. Das zweite Projektbegleit-gremium eskaliert gleich zu Be-ginn. Alle verlassen den Raum und wollen nicht mehr mit uns arbeiten. Erst als wir zusagen, die aktuellen Pläne von unserer Website zu neh-men, können wir uns an die Arbeit machen, diesmal die Pläne zu be-werten und zu kommentieren.

Zu Verfügung stehen uns rote und grüne Karten. Am Ende des Abends ist alles Rot und kaum Grün. Der Stadtverwaltung wird langsam klar, dass sie an den Bürger*innen und auch am Gemeinderat vorbeipla-nen.

Als nächstes steht eine Öffentlich-keitsinformationsveranstaltung an. Ein sperriges Wort, das vor allem eines richtig beschreibt. Es wird wieder viel informiert und wenig

Prolog

8

zugehört. Immerhin erhalten wir kurz Redezeit und können unsere Sicht der Dinge schildern.

Im Januar 2024 spitzen sich die Dinge wieder zu. Noch immer sind alle Bäume in der Realität mit ro-ten Kreuzen und bunten Herzen markiert. Der Druck aus der Öffent-lichkeit auf den Gemeinderat ist so hoch, dass alle am liebsten die Planungen einfach stoppen wür-den und alles in die Tonne drücken würden. Dann würde es jedoch auch keine besseren Radwege und schon gar keine Verkehrswende geben. Der Rat einigt sich auf den Kompromiss, die Weingartenstraße auf 2026 zu vertagen und nur noch die Hauptvariante der Moltkestra-ße weiter zu verfolgen. So würden nur noch 7 Bäume gefällt, aber 80 Parkplätze verschwinden. Gewon-nen hätten die Baumretter und der ADFC. Wir fürchten, dass dies aber auch niemand so entscheiden will, wenn im November 2024 der Bau-beschluss ansteht.

Wir streiten weiter mit der Stadt. Nicht nur um die Bäume, sondern nun auch über die demokratischen Instrumente, welche die Freiheits-stadt Offenburg versucht klein zu halten, oder gar nicht erst mit Leben füllen möchte. Demonstra-tionen werden mit rechtswidrigen Auflagen belegt, Widersprüche ge-schickt umgangen.

Wir fertigen einen Demokratie-Check für Offenburg an. Von 19

Punkten zu Partizipation und Trans-parenz ist aus unser Sicht nur ein einziger erfüllt. Da sind uns die um-liegenden Städte weit voraus und haben Offenburg als Wiege der De-mokratie hinter sich gelassen.

Zwischenzeitlich füllen wir unsere Versammlung, das Straßen-Baum-Fest mit Leben. Wir gewinnen Men-schen, die unsere Ideen, unsere Sichtweise unterstützen. Wir arbei-ten ganze Themenfelder auf. Unser Oberbürgermeister wollte es ja etwas komplexer und nicht zu ein-fach haben.

Bei allen Schwierigkeiten bleiben wir am Ball und weiter zivil unge-horsam. Protest ist nicht einfach und schon gar nicht gewünscht. Aber was wäre unsere Demokratie ohne den Protest. Gemeinsam eine Gesellschaft zu bilden ist ein ste-tes Aushandeln. Und genau da soll unser Straßen-Baum-Fest ansetzen.

Prolog

9

Städte für Menschen

Gehl, ein dänischer Architekt und Stadtforscher, legt in seinem Werk den Schwerpunkt darauf, wie städtische Umgebungen nach menschlichen Maßstäben gestaltet werden können. Er argumentiert, dass Städte vor allem den Bedürfnissen der Menschen, die in ihnen leben und arbeiten, gerecht werden sollten, statt sich primär an ästhetischen oder architektonischen Idealen zu orientieren. Gehl betont die Bedeutung von Gehwegen, Radwegen, öffentlichen Plätzen und anderen Ele-menten des öffentlichen Raums, die Begegnungen fördern und eine hohe Lebensqualität unterstützen.

“Menschliche Maßstäbe” in der Stadt-planung und Architektur beziehen sich auf die Gestaltung von Umgebungen, die sich primär an den Bedürfnissen, Proportionen und Verhaltensweisen

der Menschen orientieren. Es geht da-rum, städtische Räume und Strukturen so zu gestalten, dass sie für Menschen zugänglich, komfortabel und nutzbar sind.

Menschliche Proportionen: Gebäude und Räume sind in einer Größe und Skala gestaltet, die sich an der mensch-lichen Physiologie und Bewegung ori-entiert.

Begehbarkeit: Städte sollten so gestal-tet sein, dass Menschen sie leicht zu Fuß oder mit dem Fahrrad erkunden können, ohne ausschließlich auf moto-risierte Transportmittel angewiesen zu sein.

Soziale Interaktion: Räume sollten Möglichkeiten für soziale Interaktio-nen und Gemeinschaftsbildung bieten, beispielsweise durch Plätze, Parks und Straßencafés.

Sicherheit und Komfort: Elemente wie Beleuchtung, Beschilderung und Mo-biliar sollten dazu beitragen, dass sich Menschen sicher und wohl fühlen.

Zugänglichkeit: Alle Menschen, un-abhängig von Alter, Fähigkeiten oder sozialem Hintergrund, sollten gleich-berechtigten Zugang zu städtischen Räumen und Dienstleistungen haben.

Jan Gehl betont, dass Stadtplanung, die solche menschlichen Maßstäbe berück-sichtigt, zu einer höheren Lebensqua-lität und nachhaltigeren städtischen Umgebungen beiträgt.

Titel:Städte für Menschen

Autor:Jan Gehl

Verlag:Jovis Verlag GmbH

ISBN:978-3-86859-897-1

Lesetipp Stadtentwicklung

10

Das Programmheft

11

Das Programmheft

12

Die Oststadt als Orts-mitte denken

Die Oststadt von Offenburg ist ein geplanter Stadtteil aus der Gründer-zeit. Östlich der Bahnlinie schließt die Oststadt an das Stadtzentrum an und reicht inzwischen über die ehemalige Kaserne bis zu den Orts-teilen Fessenbach, Zell-Weierbach und Rammersweier heran.

Seit 1880 ist ein gut durchmisch-ter, multikultureller Stadtteil mit ca. 9.000 Einwohner*innen ent-standen. Mit dem Abzug der fran-zösischen Armee konnte 1995 mit der Kaserne ein wichtiger Teil der Oststadt zu einem kulturellen Zen-trum, dem Kulturforum entwickelt werden.

Die frei werdenden Wohnungen boten günstigen Wohnraum und sorgten für eine gute soziale Durch-mischung.

Seit 1900 war die Weingartenstraße von einer großzügig geplanten Al-lee geprägt. Viele kleine Geschäfte und Werkstätten hatten sich im Quartier angesiedelt. Heute würde man von einer 15-Minuten-Stadt sprechen. Alle Bereiche des tägli-chen Bedarfs waren abgedeckt und fußläufig zu erreichen. Motorisier-ten Verkehr gab es ja noch nicht. Das Leben fand im öffentlichen Raum statt.

In der Nachkriegszeit werden die Straßen allerdings dem Verkehr preis gegeben. Die Menschen und damit auch die kleinen inhaberge-

Das Quartier