Das Tagebuch der Sabrina B.  Erster Teil - Thomas Scherz - E-Book

Das Tagebuch der Sabrina B. Erster Teil E-Book

Thomas Scherz

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Beschreibung

Thomas Scherz, 1937 in Leipzig geboren, lebt im Süden Deutschlands. Die Handlungsorte des Buches sind München und Mallorca. Sie werden beim Lesen des Buches Raum und Zeit vergessen und mit der Heldin in ein neues Leben eintauchen. * Der Inhalt des Buches ist ein feines Geflecht aus Dichtung und Wahrheit. So oder so hat es sich oder könnte es sich, zumindest so ähnlich, zugetragen haben, denn ……… Roman-Autoren haben die - Lizenz zum Lügen -. poetis mentiri licet. sagte schon Plinius der Jüngere vor 2000 Jahren. * Copyright by Thomas Scherz München 11837 * Impressum: Thomas Scherz 80336 München (Germany) Email: [email protected] * Dieses Buch einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes ist ohne die Zustimmung von Thomas Scherz unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. * Der Gesamt-Liebesroman besteht aus zwei getrennt erscheinenden Teilen. Der Heldin des Buches habe ich den Namen Sabrina gegeben, Sabrina Boghère. In dem Buch wird Sabrina ihr ein-und-vierzigstes Lebensjahr beginnen. Für viele Frauen - Die - Hemmschwelle. Für sie beginnt hier das Leben. Mit Vierzig ist die Zeit des Show-business oft schon Vergangenheit. Vieles, was bis dahin wichtig war verliert um diese Zeit seine Zwanghaftigkeit. Frau weiß, was sie will. Sie werden eine Frau kennenlernen, die in der Mitte ihres Lebens den Mann ihres Lebens findet. Ohne Tabu schildert sie ihre Erfahrungen, Gedanken, Gefühle, Träume, Sehnsüchte, Wünsche und auch ihre Ängste. Da zum Leben, außer Arbeiten und Schlafen, Essen und Trinken, auch Liebe, Erotik und Sexualität gehören, werden sie durch und über die Beschreibungen von Sabrina Boghère neben der Schilderung der Realität auch die im Land der Phantasie verborgenen Höhen und Abgründe einer Frau kennenlernen. Diese sind, vieleicht in anderer Gestalt, auch in Ihnen verborgen. Sie fördern die Phantasie und die Kreativität. Ohne Liebe, Erotik und Sexualität, Phantasie und Kreativität herrscht Stillstand und dadurch sterben die Sehnsüchte, es sterben die Wünsche, es sterben die Lebensziele, die Ideale, der Sinn des Lebens. Wenn Sie meinen, Sie seien zu alt, über den Dingen stehend, jenseits aller Sehnsüchte, ja, dann lesen Sie das Buch nicht. Sabrina Boghère meidet diese Sackgasse und erlebt … wie die in ihr schlummernden Lebens-Geister wieder erwachen. Mallorca, 25.April 2000 Thomas Scherz

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Veröffentlichungsjahr: 2013

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Thomas Scherz

Das Tagebuch der Sabrina B. Erster Teil

Schmetterlinge sterben nicht

Ich widme dieses Buch allen Leserinnen und Lesern, denn für sie habe ich es geschrieben. Ich danke meiner Partnerin I.B für die vergangenen 25 Jahre und ihre Unterstützung beim Schreiben dieses Buches. Ich danke dem Support-team von Bookrix für die professionelle Hilfe. BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Buenas tardes Mallorca

 

Noch 35 Minuten. Das dauert und dauert. Warten. Was soll`s. Ich habe ja Urlaub.

Ich trinke den Rest des Kaffees. Was heißt Kaffee. Na ja, etwas übertrieben für diese braune Brühe. Wie der dritte Filterdurchlauf. Eine Schande für diesen Preis. Hauptsache … Kohlemachen. Ich drücke meine Zigarette aus, stehe auf, hänge mir meine neue, schwarze Umhängetasche über die Schulter, nehme mein Handgepäck und ärgere mich, dass ich es nicht mit dem Koffer aufgegeben habe. Ich brauche ja doch Nichts daraus. Jedes Mal mache ich den gleichen Fehler, jedes Mal denke ich zwar vorher daran, aber dann -, Scheiß-Alzheimer. Vergiss es, was soll`s. Jeder hat seine Macke, oder ist es das Alter?

 

Die Bodenstewardess kontrolliert meine Bordcard. Nettes Mädchen, nette Figur, das muss man ihr lassen. Schönes, glänzendes schwarzes Haar und die leuchtenden schwarzen Augen, sehr natürlich, fast exotisch, die Kleine. Warum nur werden Manche von der Mutter Natur so verwöhnt. Spüre ich da Neid? Nein. Na ja. Wie wird sie in zwanzig Jahren aussehen? Aber jetzt..., mein Herr Sohn würde sich wieder den Hals verrenken. Hasenjagd wäre angesagt.

 

Ich stelle mich mit dem Rücken zum Fenster und betrachte meine Mitreisenden. Ich weiß nicht warum sich manche nicht normal verhalten. Bin ich nicht normal oder sind die es nicht? Die da drüben, - aufgedonnerte alte Ziege. Der Mann neben ihr scheint ihr Lover zu sein. Er ist bestimmt zehn Jahre jünger. Entweder sie hat Nachholbedarf - oder - sie kann nicht alt werden. So wie der um sie rumwuselt. Vieleicht hat sie Geld, und er muss was dafür tun. Geschieht Ihm recht.

Oder die da. Haha. Eine Figur wie ein Sumo-Ringer. Mit Schmuck behangen wie ein Weihnachtsbaum. Die Kette könnte mir auch gefallen. Ob die echt ist? Na ja, ist doch egal. Diese goldenen Stöckelschuhe. Laufen muss sie auch noch lernen. Diese prall sitzenden lila Leggins sind ja abartig. Diese feisten Cellulitis-Schenkel. Die Beulen und Dellen kommen so richtig schön zur Geltung. Und diese kurze, pinkfarbene Bluse, dieser protzige goldene Gürtel um die Taille. Was heißt hier Taille, die weiß gar nicht, was das ist. Wie kann man nur. Hat die keinen Spiegel Zuhause? Wo nehmen solche Menschen nur ihr Selbstbewusstsein her.

Und dieser Typ neben den zwei älteren Damen, die verschämt und verschüchtert neben der Tür stehen und sich krampfhaft an ihren großen Handtaschen festhalten als würden sie den Inhalt von Fort Knox verteidigen. Sie scheinen das erste Mal zu fliegen. Der Typ ist ein richtiger Fiesling, zum abgewöhnen. Er steht da wie ein Erdmännchen auf Brautschau. Seine Klamotten scheinen zwar teuer gewesen zu sein, aber die machen aus diesem Gammelfleisch-Paket auch keine Götterspeise. Brrr. Sportliche Figur wie ein ..., na ja ... Ein dümmliches Grinsen über dem Doppelkinnansatz, aber Sonnenbrille, obwohl es draussen nießelt. Wenn ich mir vorstelle...... ? Nein, lieber nicht.

Seine gierigen Blicke schweifen lauernd umher, ziehen die Frauen mit den Blicken aus und man merkt direkt, dass er in seiner Phantasie mit seiner Beute alles das tut, was er in der Wirklichkeit nie erreicht. Wer lässt sich schon mit so einem Schmierlappen ein? Ich merke direkt, wie ich mich innerlich schüttele. Entsetzlich. Jetzt schielt er auch noch dämlich, nein, herrlich, lüstern zu mir herüber. Na warte, du One-night-stand-gieriger Idiot, Dir zeig ich`s. Heiß machen? Das kann ich besser. Man sollte solchen Typen eigentlich mit Nicht-Beachtung begegnen, aber mir sind solche Geier furchtbar zuwider.

Ich lehne mich mit dem Oberkörper etwas zurück, verlagere mein Gewicht auf das linke Bein, winkle das rechte Knie, locker, leicht nach außen gedreht, etwas an und sehe ihn, lasziv lächelnd, aufreizend an. Ich lenke meinen Blick auf das Versteck seines Grottenolms und dann auf seine silbernen Schuhe. Igitt. Mit dem Daumen und dem Mittelfinger der rechten Hand streichle ich betont langsam über mein Kinn, von außen zur Mitte, - Mist, schon wieder so ein stacheliges Hexenhaar. Muss ich nachher gleich rausreißen. Gut, dass ich die Pinzette dabei habe. Weiter. Ich lege meinen Kopf etwas zurück und, lasse die Hand langsam tiefer sinken. Mit dem Mittelfinger streiche ich über den Hals bis zum zweiten Blusenknopf. Ich drehe spielerisch an dem Knopf und lasse meine Hand weiter nach unten gleiten bis zum nächsten Knopf zwischen meinen Brüsten, der, leicht den Stoff spannend, die Bluse zusammenhält. Schon ein bisschen eng, ob die beim Waschen eingelaufen ist?

Ich lasse meine Blicke langsam von seinem Punching-Ball-Gesicht tiefer über seine Hühnerbrust und Bierbauch wandern, bis dahin, wo er seine Hose schließt. Gelangweilt und uninteressiert lasse ich meinen Blick einen Atemzug dort, zucke verächtlich lächelnd mit den Mundwinkeln und sehe dann gelangweilt auf seinen Hals. Ich grinse noch verächtlicher und, - er schrumpft zusammen, dieser Zwerg, dieser Idiot, dieses Nichts, dieser dämliche, oh nein, herrliche, geile Typ. Männer! Sie sind doch alle gleich. Großer Schwanz, kleines Hirn. Was die sich einbilden, auf was denn? Wenn wir Frauen nicht wären, was wäre denn dann? Was wäre dann mit ihren Trieben, mit ihrem ständigen Ich-bin-der-Größte-Gehabe. Ja, was bliebe ihnen denn dann noch? Fräulein Faust mit ihren fünf Töchtern. Zum Kotzen. Na ja, es lohnt sich eigentlich gar nicht darüber nachzudenken. Ha, genauso wie Antoine, dieser großspurige Blender und dabei keine Ahnung von Frauen. Männer! Das Überflüssigste was es gibt. Sie haben kein Hirn, sie denken nur schwanzgesteuert. Hach, hab ich eine Wut auf diese Neandertaler. Ich verstehe gar nicht warum ich jetzt so wütend bin. Penisneid? Freud lässt grüßen. Freud? Das war auch nur ein Mann. Alles hat mit Sex zu tun. Der suchte nur das, von dem er keine Ahnung hatte. Zuhören und aufgeilen. Sonst war da bestimmt nicht viel. Ich habe in einer Psychozeitung ein Bild von ihm gesehen. Zum Abgewöhnen. Wenn ich mir so einen Typ im Bett vorstelle. Zum Lachen.

Was ist nur mit mir los? Warum bin ich denn heute so aggressiv? War wohl ein bisschen viel, die letzte Zeit. Na ja, man wird eben älter. Scheiße. Krieg ich etwa schon wieder meine Tage. Sie snd doch erst nächste Woche. Hab ich Tampons dabei? Du bist eine dumme Kuh. Warum ereiferst du dich? Ach, was soll das Alles? Was kommt, kommt. Kann ich auch nichts machen. Wichtig ist, ich bin frei.

Seit drei Monaten genieße ich meine Freiheit. Allein! Ein wunderbares Gefühl. Keine ekligen Socken mehr, die rumliegen. Keine Unterhosen, die sich in fremden Betten breitmachten. Keine Alkoholfahne am Abend im Schlafzimmer. Keine gierigen Hände, die nach mir greifen, wenn ich abends zu müde bin oder keine Lust habe. Keine Demütigungen mehr, keine Lügen, keine Versprechungen, die sowieso Versprechungen bleiben. Gott sei Dank habe ich das hinter mir und ich werde mich nie mehr ........

- Die Passagier des Flugs 5115 mit der Hapag Lloyd nach Palma de Mallorca werden gebeten sich ..., Mein Gott, ich träume hier und ... Hoffentlich hat es keiner gemerkt. Das Krächzen des Lautsprechers geht in der hektischen Aufbruchstimmung der Passagiere unter. Warum drängeln die nur alle so. Die Plätze sind doch reserviert.

Am Eingang des Flugzeugs liegen Zeitungen und Zeitschriften und ich nehme mir, entgegen meiner sonstigen Art, eine von den Frauen-Zeitschriften. Es steht zwar höchstwahrscheinlich, wie immer nur oberflächliches Bla-Bla drin, aber es vertreibt die Zeit. Für zwei Stunden reicht es. Allein diese Themen. - Sex in der Mittagspause -, - Die neue Sommerdiät -, - Wie angle ich mir den Mann fürs Leben -. Ha, sie können ja meinen Alten haben. Ich hab' ihn rausgeschmissen, diesen Parasiten. Hab ihn einfach aus dem Nest geworfen, diesen Kuckuck, der seine Eier immer in fremde Betten legt.

 

Mein Platz ist in der letzten Reihe, Fensterplatz. Fensterplatz? Ich sehe noch mal auf meine Bordcard. Richtig. Aber da hat sich schon die Sumo-Ringerin mit den goldenen Stöckelschuhen breitgemacht. Als ich ihr sage, dass das mein Platz ist wird sie auch noch pampig. Na, so eine blöde Kuh.

„I habet ekstrisch gsacht - Fenschterblatz -. I sitzad hier und i bleibet hier“. A Schwääääble. Ach du meine Güte. Auch das noch. Das hat mir noch gefehlt.

Die Stewardess ist sowas wohl schon gewöhnt. Sie macht das sehr diplomatisch. Wie schnell es ihr gelingt diesen Kalorienbomber zur Aufgabe zu überreden. Gut gemacht. Mühsam und ächzend stemmt die ihren Lustkiller aus dem Sitz. Es ist faszinierend zuzusehen wie sich Fett verformen lässt. Flugpreise sollten pro Kilo berechnet werden. Die braucht ja Platz für zwei. Dieses Riesen-Spätzle müsste dann bestimmt das Doppelte bezahlen.

 

Die Startgeschwindigkeit drückt mich gegen das Rückenpolster und irgendwie fühle ich mich trotzdem erleichtert, als der Flieger abhebt.

 

Ich zünde mir eine Zigarette an und promt fängt das Weib neben mir an zu zetern ob ich denn jetzt schon rauchen müsste. Dabei raucht sie auch. Ich habe vorhin die Schachtel in ihrer Tasche obenauf liegen sehen. Ich sehe sie nur an. Das genügt. Geschockt hält sie Ihren Mund. Scheinbar habe ich wieder diesen Blick, der Eisberge entstehen lässt.

 

Das Bordessen wird serviert und... es ist dieses Mal recht gut. Das letzte Mal war es grausam. Neben mir schmatzt das Walross, als hätte es tagelang nichts zu essen bekommen. Wie die alles in ihren gierigen Schlund stopft. Dadurch wird sie noch abstoßender. Na ja, diese zwei Stunden werden auch vergehen.

 

Weit unter uns liegt die Schweiz. Der Mount Blanc. Genf, die Provence, Südfrankreich, das offene Meer. Ich schlage das Revolverblatt für Frauen auf und lese oberflächlich darin herum. Nichts Neues, alles aufgewärmtes Zeug. Sommerloch.

 

Da unten liegt Menorca. Strahlend blauer Himmel trifft sich am Horizont mit dem blauen Meer, auf dessen weiter Fläche der Wind kleine silbrige Schaumkronen vor sich her tanzen lässt. Zwei kleine weiße Segelboote ziehen ihre weißen Gischtspuren durch das Blau.

 

Das Horoskop für die kommenden vier Wochen fesselt meine Aufmerksamkeit. Im Prinzip glaube ich nicht an diese Deutung der Sternkonstellationen. Aber wenn man sie liest, beeinflussen sie doch die Gedanken und Gefühle, jedenfalls so lange, wie man sich damit beschäftigt.

 

Ich suche die Jungfrau. Ha - hier. Für die IV. Woche steht folgendes:

Beruf: Der Beruf ist zur Zeit weit weg. Beruf? haben sie Recht.

Gesundheit: Körperlich sollten Sie sich mehr Erholung gönnen. Seelisch sollten Sie Ihre aufgestauten Aggressionen durch Harmonie ersetzen. Entspannen Sie sich. Okay, werde ich befolgen.

Liebe:  So glücklich wie in den letzten drei Wochen waren Jungfrauen schon lange nicht mehr. Liebe? will ich nicht. Dummes Gefasel, ich will allein sein.

Spruch des Monats: Das Glück ist wie eine Insel in einem Meer von Tränen. Ja ja, aber meist ist diese Insel überschwemmt.

 

Unter uns liegt Kap Formentor. Das Flugzeug legt sich in eine Linkskurve und ich sehe auf meiner Seite nur das Blau des Himmels. Langsam verliert es an Höhe und fliegt jetzt geradeaus, Richtung Süden. Unter uns erkenne ich ganz klar sonnenüberflutete Felder, Obstplantagen, einzelne Fincas. Hier scheint jeder Bauernhof einen Pool zu haben. Das Blau des Pool-Wassers hebt sich auffallend von dem wenigen Grün und den verschiedenen Brauntönen der Felder ab. Eine einzelne Wolke wirft, wie gelangweilt, ihren Schatten auf die Erde. Im Westen taucht die Sonne die Berge in gleißendes Licht. In der Ferne, zum Greifen nah, sehe ich Inka. Direkt unter uns Manacor. Dazwischen kleinere Dörfer, Straßen auf denen Autos wie kleine Insekten dahin huschen. Das Flair, die Mentalität des Südens, die von dem Allem ausgeht, fängt mich ein. Das gewohnte Hochgefühl, das sich immer einstellt, wenn ich die Insel sehe, breitet sich in mir aus. Nur dieses Mal ist irgendetwas anders. Ein inneres Kribbeln, ein seltsames Gefühl der Erwartung, der Spannung. Es ist so als würde ich zurück kommen an einen gewohnten, geliebten Ort, andererseits als würde ich etwas Verlorengegangenes wieder entdecken.

 

Eine weite Rechtskurve, und jetzt liegt unter uns die Bucht von Palma de Mallorca. Immer tiefer sinkt das Flugzeug. Die Landeklappen stellen sich schräg, und im Tiefflug schweben wir dem Flughafen entgegen. Unter uns Hotels, Straßen, Autos, die weißen Segel der Windräder auf den Wasserpumpen, zum Greifen nah.

Sicher setzt das Flugzeug auf, rollt aus und hält nach einigen Minuten. Die Neckermänner klatschen. Sie sind scheinbar froh, dass sie noch leben. Die Gangway wird heran gerollt und an das Flugzeug angeschlossen. Ein Geschnatter und Gedränge in dem Gang, wie jedes Mal, als würden sie etwas verpassen.

Die Dicke stemmt sich aus ihrem Sitz ohne mich eines Blickes zu würdigen und bückt sich, um Ihre Handtasche, die runtergefallen war, aufzuheben. Sie muss natürlich die Erste sein. Soll sie. Meinetwegen. Sie hat vielleicht sonst Nichts.

 

Die Tür öffnet sich, und wie jedes Mal verabschieden die Flugbegleiter die Passagiere.

„Auf Wiedersehen. Schöne Urlaubstage. Wir freuen uns wenn Sie wieder mit uns fliegen“.

Ich trete hinaus auf die Gangway, atme tief ein und aus und fühle mich Zuhause. Die Luft flimmert, Wärme, Sonne, Meer.

Meine Haare wehen in dem warmen Wind. Ich wende ihm mein Gesicht entgegen und genieße den ersten Atemzug des vertrauten Geruchs der Insel. Eine Welle voller Harmonie und positiver Gefühle trägt mich die Stufen der Gangway hinunter. - Mallorca.

Mallorca ist für mich die Insel des Glücks in einem Meer von Tränen.

Buenas tardes Mallorca, te quiero.

 

 

Monika

 

Na endlich. Ich muss aufpassen, dass ich ihn erwische. Mensch, kannst du nicht aufpassen. Rempelt sich rücksichtslos durch die wartenden Menschen auf eine Gruppe gleichaltriger Halbmänner zu. Ihre T-Shirts müssten auch mal wieder gewaschen werden. Sind wohl noch vom letzten Jahr. Der Aufdruck zeigt ihr Ziel.

- Buenos dias Matthias, wir sind wieder da, am Ballermann 6 wie jedes Jahr -. Ballermänner. Saufbolde. Jetzt grölen sie auch noch dieses Lied. Geh`n die mir auf die Nerven. Na ja. Jedem Tierchen sein Plaisierchen.

 

Endlich. - Er ist da.

Ich nehme den Koffer vom Transportband und stelle ihn auf den Kofferkuli. Nichts wie weg hier. Alles da? Okay.

Die Glastüren ziehen sich seitlich zurück und. Gott sei Dank, ich stehe in der Empfangshalle.

Suchend sehe ich mich um. Reiseleiter mit Schildern ihrer Unternehmen halten Schilder hoch. Tui, Jahn, Hetzel, Tjeareborg. Ein Stelldichein der Touristenjäger. Touristen, das Geschäft der Insel. Was wären die wohl ohne Touristen?

Menschen. Wartende Menschen und eilig sich durch die Menge drängende. Schreiende Kinder. Wie kann man nur mit einem Säugling in den Urlaub fahren, hat ja keiner was davon. Genervte Eltern, gröhlende Vereine. Ein Sprachgewirr aus Spanisch, Englisch, Deutsch. Überwiegend Deutsche. Benehmen ist Glücksache. Manchmal muss man sich schämen Deutsche zu sein. Zuhause auf Ausländer schimpfen. und hier benehmen sie sich wie die Horden Dschingis-Khans. Ich möchte nicht wissen was die Mallorquiner denken.

 

Niemand für mich da? Monika wollte mich doch abholen. Sie wird schon kommen. Auf die ist Verlass. Sie hat bestimmt viel zu tun.

Verflixt, wer zieht mich denn da am Kleid? Ah, „ich glaube, Sie ......“ Jetzt sehe ich ihn. Der schwarzhaarige Knirps steht da, sieht mich mit seinen dunklen Kulleraugen, mit schräg gelegtem Kopf, von unten fragend an und sagt, „hola Sabrina, yo soy Ramon“. Natürlich, Ramon, der kleine Sohn meiner Freundin Monika. Ist deeeeer groß geworden. Drei Jahre müsste er jetzt sein. Vor zwei Jahren war ich das letzte Mal hier. Da lag er noch in den Windeln. Wie die Zeit vergeht. Ich nehme ihn auf den Arm, ganz schön schwer der kleine Kerl und drücke ihn an mich. Fragend, neugierig betrachtet er mich, dreht seinen Kopf und sieht sich suchend um wedelt mit dem rechten Arm und ruft, „aqui, mama. Aqui“.

Monika. Gut sieht sie aus. Die wird auch nicht älter. Trotz Ihrer vierzig, mein Gott, … vierzig! Da geht sie ja schon stark auf die fünfzig. Dafür geht sie aber gut für fünfunddreißig durch. Für meine neun-unddreißig sehe ich aber auch noch ganz gut erhalten aus, … sagt man jedenfalls. Ob die es alle ehrlich meinen? Ist mir auch egal. Was interessieren mich Andere. Die Ehe scheint Ihr gut zu bekommen. Elf Jahre sind die beiden zusammen, oder sind es zwölf?

Lachend kommt sie auf mich zu. Schimmern da etwa Tränen? Wir umarmen uns wortlos. Es ist wie immer. Wir brauchen Nichts zu sagen. Wir wissen, was die andere denkt und fühlt. Seltsam, so war es von Anfang an. Hab ich nie wieder erlebt.

Ich spüre Ihre Freude über das Wiedersehen. Eine echte Freundin, ohne Wenn und Aber.

„Hola, willkommen auf Mallorca. Ich freue mich wahnsinnig dich wiederzusehen. Paco konnte leider nicht mitkommen. Er ist noch in seinem neuen Büro. Er hat zurzeit viel Arbeit, aber wir holen ihn gleich ab“.

Ramon, der die ganze Zeit fragend zu uns aufgesehen hatte fasst nach meiner Hand und stellt sich neben den Koffer auf den Wagen. Ich hake mich bei Monika unter und wir schieben ihn auf den Ausgang zu. Die Türen gehen auf, und wir stehen vor dem großen Parkplatz voller Busse und Touristen. Zielstrebig geht Monika auf dem Besucherparkplatz zu einem roten Fiesta.

„Ein neues Auto“? frage ich sie.

„Ja, seit einem Jahr. Mit den Kindern war der Jeep nicht das Richtige“.

Ramon will unbedingt nach vorn. Monika zeigt nur nach hinten auf den Kindersitz. Maulend, und betont umständlich, zwängt er sich hinein. Ich schließe seinen Gurt und setze mich nach vorn.

 

Die Sonne blendet ganz schön. Wo ist denn nur wieder meine Sonnenbrille? Langsam schlängeln wir uns durch die Touristen, die ihre Busse suchen. Fleischbagger, die die weißen Fleischmassen zu den Hotels transportieren. Endlich! Endlich sind wir auf der Autobahn. Viel hat sich nicht verändert. Zwei, drei neue Hotelburgen. Die lernen auch nicht aus ihren Fehlern. Sonst ist alles beim Alten.

Monika biegt ab. Can Pastilla? Ich sehe sie fragend an. Sie lacht.

„Lass dich überraschen“. Am Rui-Center halten wir in der Alleemitte auf dem Parkstreifen unter einem Baum. „

„Der Hitze wegen“ sagt sie. „Komm, steig aus, ich zeige dir schnell das Büro. Paco wird sicher schon warten“. Ramon an der Hand steigt sie die Treppen hinauf und wir gehen unter den Arkaden um das Viereck des Innenhofs. Neben dem Medical-Center ist das Büro. Paco erwartet uns schon.

Ein gemütliches Büro. Viele Blumen, dazwischen zwei Schreibtische, eine Besucherecke vor den zwei großen Fenstern, nett gemacht. Man spürt die Handschrift einer Frau. Paco umarmt mich aufrichtig erfreut. „Hola, Sabrina, schön, dass du da bist“. Er sieht sich um. „Einen Moment noch. Anrufbeantworter anstellen, Computer aus, fertig, wir können“.

 

„Wir fahren schon vor, Paco nimmt das Firmenauto“, sagt Monika und fährt zurück zur Umgehungsstraße. Am Kreisel von Arenal biegen wir ab und fahren die breite Straße nach Son Veri. Hier ist kaum Verkehr. Wir halten uns rechts und biegen dann nach links in eine Reihenhaussiedlung ein. Eine schöne ruhige Gegend. Es sind keine Menschen zu sehen. Sie machen scheinbar alle Siesta. Ich sehe auf meine Uhr. Es Ist ja schon halb drei. Vor dem Haus Nummer 16, muss ich mir merken, halten wir an. Ramon, der schon die ganze Zeit unruhig hin und her zappelt, mit seinem kindlichen Spanisch ständig plappert, will raus.

Ich nehme mein Handgepäck aus dem Kofferraum. Monika schließt den Wagen ab, und wir gehen die paar Stufen zum Haus hinauf. Paco ist auch da. Er geht an uns vorbei und öffnet die Tür.

Es ist wirklich eine hübsche Wohnung. Typisch Monika. Die Möbel sind …, ja, die könnten mir auch gefallen. Mir sind die Bilder etwas zu surrealistisch, aber die Gesamtwirkung ist gut. Es passt alles. Das ist schon etwas Anderes als Pacos alte Junggesellenwohnung.

„Wir haben das Haus im Herbst gekauft. Die Hälfte von Monikas Erbschaft war damit weg. 16 Millionen Pesetas“ sagt Paco.

„Ist doch nicht schlecht, oder“ unterbricht ihn Monika.

„Komm ich zeig dir den Rest des Hauses“. Die Küche ist groß und hell, die Gästetoilette mit Dusche, hier hat jemand gedacht. Ramon wieselt durch die Wohnung ist aber, gegen vorher, verdächtig leise. Ich deute auf ihn und sehe Monika fragend an.

„Silvia schläft“ sagt sie lachend, „unser kleines Teufelchen“.

Silvia, sie hatte ich ganz vergessen. Die Familie Garcia ist ja seit meinem letzten Urlaub grösser geworden. Damals war Monika im achten Monat. Wann war das, im Mai vor zwei Jahren? Arme Monika. Dieser dicke Bauch, ein Kreuz wie ein Raubritter und dann diese Wahnsinnshitze. Dreißig, vierzig, fünfundvierzig Grad in der Sonne, brutal.

Leise gehen wir die Treppen hinauf in den ersten Stock.

„Schau mal“ sagt Monika, „das ist Pacos Arbeitszimmer und das hier ist unser Schlafzimmer. Entschuldige, die Betten sind noch nicht gemacht. Ich hatte heute Morgen keine Zeit“.

„Sieht ja aus wie nach einem Sportfest“ flüstere ich ihr lachend zu. Sie wird doch tatsächlich noch rot, genau wie früher. Schelmisch lachend sagt sie leise:

„Ja, Paco ist immer noch Leistungssportler. Gott sei Dank mehr Leistung als Sportler“.

 „Das hier ist Ramons Zimmer, der räumt einfach nicht auf. Ich glaube ich muss mal wieder ein Machtwort sprechen. Und das hier ist unser Teufelchen“. Es ist wirklich ein süßes Teufelchen. Blonde Haare, ein Gesicht wie ein kleiner Engel. Sie steht in ihrem Kinderbett. Als sie mich sieht ist Ramon vergessen. Während sie Ihrer Mutter die Arme entgegenstreckt, sieht sie mich weiter unverwandt an, natürlich noch etwas scheu, fragend, neugierig, aber nicht fremdelnd.

Zusammen gehen wir wieder hinunter. Monika hat Silvia auf dem Arm, Ramon hängt sich von hinten um meinen Hals, die Beine um meine Taille geschlungen. Paco hat in der Zwischenzeit drei Eiskaffèe gemacht. Er hat den großen runden Tisch auf der Terrasse gedeckt. Die Kinder bekommen frisch gepressten Orangensaft. Monika holt noch einen Teller voll Ensaimadas. Igitt, ist das Zeug süß. Aber mit dieser Aprikosenmarmelade schmeckt es super.

 

Die Zeit vergeht mit Erzählen. Zwischendurch verschwindet Paco, er muss noch zu einem Touristenempfang in ein Hotel. Lachend wünsche ich ihm viel Spaß. Er verzieht leidend das Gesicht.

„Trabajo, solo mucho trabajo“.

 

Es ist zwanzig Uhr dreißig, als Paco wiederkommt. Gut gelaunt verkündet er, „heute gehen wir essen“.

„Wohin“ frage ich, obwohl ich es schon ahne.

„Natürlich zu Enrice. Ich habe ihn eben getroffen und er freut sich darauf dich wiederzusehen“. Das glaube ich gern. Enrice ist ein Filou.

 

Als wir das Lokal betreten ist es bis auf zwei Deutsche Paare noch leer. Kurz nach uns kommt noch ein weiterer Gast, der sich an dem Tisch auf der gegenüberliegenden Seite neben der Tür niederlässt. Er sieht nicht wie ein Tourist aus und er benimmt sich wie ein Einheimischer. Paco scheint ihn zu kennen. Nach einem - hola - hin und einem zurück, wechselt er mit ihm einige Worte auf Spanisch. Da ich mich gerade mit Ramon beschäftige, nehme ich ihn nur ganz nebenbei wahr. Außerdem sprechen beide so schnell, dass ich es nicht verstehe.

 

Wir setzen uns an den zweiten Tisch links neben der Tür vor das Weinregal. Paco setzt Ramon auf seinen Stuhl und räumt alles, was auf dem Tisch steht aus der Reichweite von Silvia, die auf Monikas Schoss sitzt und ihre Finger überall hat.

 Draußen, direkt vor dem Lokal, hält knattern ein Mofa. Enrice. Er hat noch einige Sachen aus dem SYP-Supermarkt geholt. Ich sehe nur, dass obenauf ein durchsichtiger Beutel mit Garnelen liegt.

„Hola, va bien“? Er tut ganz überrascht und geht an unserem Tisch vorbei zur Küche und kommt dann mit Mama Maria an unseren Tisch. Man merkt, dass sich die beiden freuen. Küsschen rechts, Küsschen links, herzlich, wie üblich. Es ist so als wäre ich erst gestern hier gewesen.

Fragend sieht mich Enrice an.

„Wie ist es mit deinem Spanisch“? Ich kratze alle meine Spanisch-Kenntnisse zusammen und bestelle für uns alle das Essen. Natürlich gibt es die üblichen Entradas, Weißbrot, Aioli, die selbsteingelegten Oliven aus der eigenen Plantage. Na ja, es wird wohl ein größerer Garten sein. Er legt mir seine große Hand auf die Schulter und fragt

„Aqua con gas sin hielo?“ Er hat es nicht vergessen.

„Si“ sage ich lachend. Er geht, während er sich im Lokal umsieht, in die Küche um mit Mama Maria unser Essen zu bereiten.

Oliven, Vino tinto, Weißbrot, das frische Wasser. Langsam fühle ich mich immer mehr wie Zuhause.

 

Meine Seezunge war Spitze, mit extra viel Knoblauch. Nur an das viele Olivenöl muss ich mich erst wieder gewöhnen. Außerdem war es, wie immer, viel zu viel. Enrice meint immer, ich würde zu dünn sein. Wenn der wüsste, wie mich meine kleinen Fettpölsterchen stören.

 

Der Abend vergeht so schnell. Ich kann es nicht fassen, dass es schon halb zwölf ist. Nicht mal die Kinder haben mich gestört. Es gab ja auch viel zu erzählen. Zum Abschluss gab es noch einen Hierbas. Das Zeug ist zwar furchtbar süß und klebrig, schmeckt aber nach mehr. Es ist gefährlich. Man spürt die Wirkung meist zu spät.

 

Plötzlich steht der kurz nach uns gekommene Gast an unserem Tisch, begrüßt Monika, für die er auch kein Unbekannter zu sein scheint, nickt mir kurz zu und fragt Paco etwas auf spanisch, von dem ich nur sehr wenig verstehe, aber doch so viel, dass er von mir spricht. Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich ihn ganz gedankenverloren betrachtet habe. Blöde Kuh. Sieht ja ganz gut aus, der Knabe, aber nein. Erstens habe ich genug von Männern, zweitens, so schön ist er nun auch wieder nicht, drittens, nie im Urlaub. Außerdem grinst er mir zu selbstsicher. Macho. Er verabschiedet sich von Paco und Monika und streicht Ramon über den Wuschelkopf. Dann sieht er zu mir und sagt in einwandfreiem Deutsch

„Ich wünsche Ihnen eine wunderschöne Zeit auf der Insel. Wir werden uns bestimmt wiedersehen“. Als ich ihn daraufhin fragend ansehe, orakelt er zweideutig „die Insel ist klein. Man trifft sich, ich weiß es“. Arroganter, eingebildeter Schnösel. Solche Typen gibt es überall. Aber nicht mit mir. Ich wende mich Ramon zu, der müde ist und anfängt zu quengeln.

Der Typ dreht sich zu Enrice um, der an unsern Tisch kommt, und verabschiedet sich von ihm.

„Adios Enrice, hawluego“. Dann sieht er noch einmal zu uns, und ich habe den Eindruck, dass er mich am Schluss den Bruchteil einer Sekunde länger ansieht als die anderen. Mit einem allgemeinen Adios verlässt er das Lokal. Enrice ruft ihm noch ein - Adios Wolfgang - nach. Wolfgang, ja, der Name passt zu ihm. Wolfgang, der Wolf im Schafspelz.

Paco bittet um die Rechnung. Während Mama Maria die Schmierzettel von Enrice sortiert und rechnet, stellt uns dieser eine halbvolle Flasche Brandy auf den Tisch. Dann kommt er mit drei halbgefüllten Tassen Espresso und füllt diese mit dem Brandy bis zu Rand auf. Hui, wie soll ich denn nachhause kommen? Warm fließt der Carajillo bis zu meinen Zehenspitzen. Gut. Daran kann man sich gewöhnen.

 

Wir verabschieden uns von Enrice und Maria.

„Wann kommst du“? fragt mich Enrice, „mañana“? Als ich den Kopf schüttle fragt er „pasado mañana“?

„No“ sage ich bedauernd, „ich wohne in einem kleinen Hotel in Colonia Sant Jordi, und da ist der Weg zu weit“. Monika nimmt die Kinder an die Hand und geht zum Auto. Enrice steht in der Tür und winkt uns nach.

„Adios“.

 

Am Haus von Monika und Paco angekommen steigt Monika mit den Kindern aus. Wir verabschieden uns, weil Paco mich noch zu meinem Hotel fahren muss.

„Ich rufe dich morgen an. Ich will aber erst einmal ausschlafen und danke für Alles“. Die Kinder sind so müde, dass sie fast einschlafen. Ich streiche ihnen kurz über die Köpfe, umarme Monika und steige zu Paco in das Auto.

Der fährt wieder. Schlimm. Auf diiiesen Nebenstraßen. Wenn uns da einer entgegenkommt. Aber er kennt sich hier aus. Verflixt, jetzt spüre ich den Alkohol. Ich vertrage gar nichts mehr. Und müde bin ich, wird Zeit, dass ich ins Bett komme.

 

Ich schrecke aus meinem Dämmerzustand auf.

„Na, gut geschlafen“? fragt Paco lächelnd. „Komm Sabrina, ich bring dir deine Sachen aufs Zimmer. Hoffentlich gefällt dir das Hotel, das ich ausgesucht habe“.

Wie in Trance folge ich ihm. Mein Gott, bin ich ko. Wer schminkt mich ab? Paco stellt mir den Koffer und das Handgepäck in das Zimmer, streicht mir zum Abschied über den Kopf und sagt, „Buenas noches Sabrina, schlaf gut“.

Wie ich ins Bett gekommen bin, - weiß ich nicht mehr.

 

 

 

Der erste Urlaubstag

Schweißgebadet wache ich, aus einem furchtbaren Alptraum gerissen, auf. Mein Herz trommelt gegen meine Rippen wie ein Presslufthammer. Meine Atmung klingt wie das Geräusch eines riesigen Blasebalgs. Ich fühle mich noch richtig hilflos und ausgeliefert. Langsam kommt mein Körper wieder zur Ruhe. Langsam kehrt mein klares Denken zurück und die Erinnerung an diesen bösen Traum wird immer klarer. Es ist so als würde ich ein Märchenbuch aufschlagen und die Märchen-Figuren würden lebendig.

Ich fühle, dass ich gefangen bin. Ich fühle die Enge, die Dunkelheit und höre das gleichmäßige Schlagen einer riesigen Glocke, das meinen ganzen Körper erschüttert. Ich will schreien, aber mein Hals ist wie zugeschürt. Ich höre mein gequältes, klägliches Schreien, mähhhhh, mähhhhhh.

Vor mir öffnet sich eine Wand meines Gefängnisses. Ich erkenne das Innere einer großen, alten Standuhr, deren Tür offen steht und ich hocke verängstigt in dem alten Kasten. Vor mir steht ein großer struppiger Wolf. Seine Augen blitzen boshaft, gierig und gemein. Seine großen Pfoten mit den spitzen Krallen greifen nach mir. Das riesige Maul, aus dem der Geifer tropft, die spitzen Zähne, entsetzlich.

„Sieben auf einen Streich, komm, zier dich nicht wie eine Jungfrau, gleich ist alles vorbei. Gleich feierst du Wiedersehen mit deinen Geschwistern, - ich weiß es“.

Heißer, stinkender Atem weht mir wie eine Nebelwolke aus seinem Rachen entgegen und ich fühle mich ihm, vollkommen hilflos ausgeliefert. Ich spüre den brutalen Griff seiner gierigen Pfoten und fühle mich geschändet. Ich spüre die Spitzen seiner langen Zähne, und - es wird hell.

Ich schwitze vor Angst. Oh Gott, war dieser Traum schrecklich. Wie kann man nur so etwas träumen? Was soll denn das bedeuten? Ich und in einem Märchen. Nichts ist in meinem Leben märchenhaft. Außerdem, ich bin doch keine kleine dumme Ziege.

Was man so alles träumt, Seltsam, irre. Mein Unterbewusstsein schlägt Kapriolen. Wenn ich das Monika erzähle, die lacht sich schief.

 Ich stehe auf und schenke mir aus der Flasche Fanta naranja, die auf dem Tisch steht, ein Glas voll und gehe, während ich einen Schluck trinke, zum Fenster und sehe hinaus.

Ein silbrig-nebliger Schimmer liegt über dem Wasser der Bucht vor Colonia Sant Jordi. Es ist windstill. Weit am Horizont stemmt sich die Sonne aus ihrem Wasserbett und wirft ihre ersten blitzenden Strahlen, wie etwas suchend, über das Wasser.

Nicht weit vom Strand entfernt dümpelt ein Segelboot auf dem Wasser. Es ist alles so ruhig, dass ich die kleinen Wellen zu hören glaube, die in gleichmäßigem Rhythmus gegen den Bootsrumpf schwappen.

Langsam steigt die Morgensonne höher und höher und überflutet alles mit ihren rotgoldenen Strahlen. Wie abertausende Glühwürmchen tanzen kleine silbrige Schaumkronen über das Meer. Kleine weiße Häuser schälen sich längs des Küstenhalbkreises aus dem Dunkel der Nacht und der Schrei einer Möwe begrüßt den Tag. Fasziniert und wie gebannt betrachte ich das Erwachen eines neuen Tages.

 

Ich gehe ins Bad und sehe auf meine Armbanduhr, die ich dort abgelegt hatte. Halb sechs. Wahnsinn. Ich werde noch einmal ins Bett gehen. Ich habe Urlaub und niemand drängt mich hier.

Ich ziehe die Vorhänge ganz zurück und öffne die Türen zum Balkon ganz weit. Das Bett ist noch warm von meinem Körper. Ich ziehe das dünne Hemd aus und werfe es übermütig in die Mitte des Zimmers. Das Höschen folgt. Ich will frei sein. Nichts soll mich einengen. Ich kuschle mich unter das dünne Laken, sodass nur noch der Kopf heraus sieht.

 

Das Bild des kleinen Segelbootes, das auf dem Wasser schaukelt taucht in meinen Gedanken auf. Und langsam trägt mich das Boot mit wunderschönen weißen Segeln, die der aufkommende Wind bläht, in die unergründlichen Tiefen des Schlafs.

 

Eine Fee schwebt durch den Raum und ihr weiter, golden schimmernder Umhang streift mein Gesicht wie der Hauch des Flügelschlags eines Schmetterlings. Ich fühle wie der seidige Umhang meine Brüste streift, immer wieder, ganz zart und gleichmäßig. Diese zärtliche Berührung erregt mich mit jedem Atemzug mehr. Ich sehne mich schon beim Ausatmen nach dem Einatmen und der nächsten zärtlichen Berührung.

Gefühle körperlicher Lust steigen in mir auf wie die Morgensonne aus dem Dunkel der Nacht. Wie die ersten rotgoldenen Strahlen der Sonne das Meer und das Land überfluten, genauso überfluten diese Gefühle der Lust meine Gedanken, meinen ganzen Körper. Auf meiner Haut tanzen tausende kleine Kobolde und bringen sie zum Vibrieren.

Der Gesang eines Vogels wird immer lauter und fordernder. Ich wache auf. Ruhig bleibe ich auf dem Rücken liegen und öffne blinzelnd meine Augen. Die Sonne scheint warm und hell in mein Zimmer. Leichter Wind bewegt die Vorhänge. Ihre sich bewegenden Schatten wandern abwechselnd mit den Sonnenstrahlen über mein Gesicht.

Im Schlaf ist das dünne Laken nach unten geglitten. Mit jedem Atemzug streicht es ganz leicht über meinen Oberkörper. Wie frische, rotglänzende Walderdbeeren erheben sich die Spitzen meiner Brüste fordernd aus dem Rund ihres Vorhofs über den warmen, weichen, weißen Wölbungen.

Ich streife das Laken ab, stehe auf und schließe die Terrassentüren. Im Bad steige ich in die Wanne, ziehe den Duschvorhang zu und drehe das Wasser auf.

Schön, einfach schön. Das Wasser prasselt auf meinen Kopf und glättet meine Haare. Ich wende mein Gesicht dem Duschkopf entgegen und genieße das Prickeln der einzelnen feinen Wasserstrahlen.

Der Wasserstrom teilt sich an meinem Hals. Der eine Teil fließt über meine Schulter zwischen den Schulterblättern die Wirbelsäule hinab und verliert sich zwischen den Hügeln der Versuchung. Der andere Teil des strömenden Wassers fließt vom Halsansatz durch die Enge zwischen den runden Hügeln der Verheißung, überspült die leichte Wölbung meines Bauches und ergießt sich über den Zauberberg der Venus in das Tal der Fruchtbarkeit, das eine lange Dürreperiode überstehen musste.

Wie unter einem Zwang stehend nehme ich die Dusche aus ihrer Halterung und lenke den wohlig warmen Wasserstrom auf den Zauberberg der Venus und das Tal der Fruchtbarkeit. Die Wärme des Wassers dringt tief in den dankbaren Boden des Tales ein, und - die lüsternen Geister einer fernen Vergangenheit erwachen.

Wie eine Feuersbrunst streben sie machtvoll zur Oberfläche. Heiß, alles verbrennend drängen sie, ihr Recht fordernd, empor. Magma beginnt aus der Tiefe zu strömen. Erdbebenartige Wellen bringen die Natur zum Aufruhr. Nach einem kurzen Moment der Konzentration, auf einen einzigen Punkt, lassen die lüsternen Geister all ihre Energien frei, und in einer Explosion, die den Geist verlöschen lässt, die alle Gedanken in's Nichts verbannt, lösen sich all ihre aufgestauten, seit langen blockierten Gefühle. Ich spüre wie die Folgen der Explosion alles überfluten Heiß strömt es mit jedem Nachbeben aus der Tiefe.

 

Langsam kommt alles zur Ruhe. Noch ganz benommen von dem Geschehen dusche ich mich noch einmal, von Kopf bis Fuß, heiß ab. Dann stelle ich das warme Wasser langsam immer schwächer und bleibe fünf, sechs Atemzüge unter dem kalten Wasser stehen.

Mein Kopf ist jetzt ganz klar und frei. Ich fühle mich so fit und frisch, wie schon lange nicht mehr.

Ein Knurren und Murren in meinem Bauch holt mich ganz in die Wirklichkeit zurück. Wau, es ist schon elf Uhr vorbei. Kein Wunder, dass ich Hunger habe.

Ich föhne mir schnell die Haare, knete sie ein bisschen. Okay. Sieht ja wild aus, die leichte Dauerwelle. Sie macht mindestens zehn Jahre jünger. Nun noch Zähne putzen, Lidstrich, ein bisschen Tusche, Lippenstift, das reicht. Das weiße Top. Nein, die Dessertschalen für meine süßen Kleinen brauche ich nicht. Höschen, die weißen Jeans, fertig. Welche Schuhe nehme ich denn? Am besten die weißen Turnschuhe. Mit denen kann ich am besten laufen.

 

Ja, das ist gut. Café und Bistro. Wir sprechen Deutsch. Auch gut. Dann brauche ich mich nicht anzustrengen. Mal sehen was sie haben.

Der Wirt sieht zwar nicht besonders vertrauenserweckend aus, aber die Bedienung ist freundlich. Das Frühstück ist wider Erwarten sehr gut. Kaffee, frisch gepresster Orangensaft aus mallorquinischer Ernte. Das andere kann ich mir an der Theke aussuchen. Die Brötchen sind wie zu Hause und ganz frisch. Er legt mir sogar die neueste Bildzeitung hin. Aufmerksam, aber sinnlos. Erstens lese ich die nicht und zweitens will ich Nichts wissen. Ich habe Urlaub, rundum.

 

Es ist jetzt schon halb zwei. Meine Güte, wie die Zeit vergeht. ich gehe zurück zum Hotel. Jetzt wird mir erst bewusst, wo ich wohne. Von außen macht es einen gepflegten Eindruck. An der Rezeption gebe ich meinen Pass ab und miete mir einen Tresor für meine Papiere und das Geld. Dem jungen Portier fallen bald die Augen heraus. Vergebens versucht er mir in den Ausschnitt zu schielen. Pech für dich, mein Lieber. Als er merkt, dass ich seine Halsverenkungen bemerkt habe bekommt er einen roten Kopf. Ha, Männer. Was die nur davon haben? Mich würde es schon interessieren, was in denen vorgeht. Muss doch schlimm sein ständig auf Sowas unbewusst zu reagieren, fast reagieren zu müssen. Denen muss doch bei jeder netten Frau die Hose zu eng werden. Na, das fehlte mir noch.

 

Oben, im Zimmer, creme ich mich mit Sonnenmilch ein. Die Sonne ist jetzt, Anfang Juni, ganz schön gefährlich. Ich ziehe meinen Bikini unter das Top und die Jeans. Meine Strandutensilien packe ich alle in meine Strandtasche und …. los geht`s.

Der Strand von Es Trenc ist wirklich einmalig. An der ersten schönen und ruhigen Stelle, nicht weit von der einfachen aber scheinbar sauberen Strandbar entfernt, breite ich mein großes Handtuch aus. Ganz schön heiß. Aber ab und zu verdeckt eine Wolke die Sonne.

 

Ich muss eingeschlafen sein. Halb vier? Ich spüre auf einmal, dass ich Durst habe. Ich stehe auf, zieh mir Top und die kurze Sommerhose an, die ich mitgenommen habe und gehe hinüber zu der Strandbar. Meine Handtasche, Zigaretten, Geld habe ich, okay.

Die Spanierin, die mich bedient ist anscheinend froh, dass jemand kommt. In der Woche sind wenig Touristen da. Es ist für viele zu abgelegen und von den Parkplätzen muss man relativ weit laufen. Naturschutzgebiet. Hoffentlich bleibt es erhalten.

 „Un agua con gas sin hielo y un Cappucino, por favor“. Ich bin direkt stolz, dass ich das fließend sprechen kann. Die Bedienung hält mich auch sofort für eine Spanierin. Meine Aussprache muss ja perfekt sein. Meine langen schwarzen Haare, … wäre ja möglich. Sie redet munter drauflos. Erst als ich ihr, zusätzlich mit Händen und Füßen, klarmache, dass ich nur wenig verstehe, spricht sie langsamer mit ein paar Worten Deutsch.

 

Nachdem ich ausgetrunken habe, gehe ich zurück zu meinem Handtuch und lege mich noch einmal hin. Ich döse so dahin und merke gar nicht wie die Zeit vergeht

Auf einmal wird es kühl. Eine große Wolke hat sich vor die Sonne geschoben und ich fröstele ganz schön. Die kleinen Härchen auf meinem Körper raufen sich um die letzten Stehplätze.

 

Im Hotel angekommen rufe ich wie versprochen bei Monika an. Sie will mich unbedingt sehen. Paco muss heute Abend arbeiten und für die Kinder hat sie eine Babysitterin.

„In einer Stunde bin ich da“. lacht sie. „Wir gehen Essen und haben bis dreiundzwanzig Uhr Zeit für uns“.

 

Pünktlich um acht ist sie da. Sie kennt ein kleines spanisches Lokal in dem man gut essen kann.

 

Es ist nett hier, richtig gemütlich und das Essen war wirklich gut.

„Jetzt noch einem Espresso und die Götter, nein Göttinnen“ verbessert sie sich lachend, „sind zufrieden“. Wir beschließen auch den Rest des Abends hierzubleiben.

„Komm, wir setzen uns da hinüber in die bequemen Polstersessel“ sage ich und stehe auf.

Wir bestellen uns jeder ein Glas Weißwein. Während sie mir zuprostet sagt sie „na, was hast du heute getan, Männer verrückt gemacht oder das Alleinsein genossen“?

 Ich lehne mich in meinem Sessel zurück und erzählte ihr, was ich alles geträumt und erlebt hatte. Da wir uns schon früher als Teenager sehr offen alles Außergewöhnliche erzählt haben, beichte ich ihr auch mein Erlebnis unter der Dusche.

„Na, sowas Besonderes ist das nun auch wieder nicht“, sagte sie leise und schelmisch lachend. „Habe ich früher auch oft getan. Aber jetzt ist Paco der Zauberer, der die Geister ruft. Und die Geister, die er ruft, werde ich dann nicht mehr los. Manchmal ist es aber allein sogar intensiver und schöner als mit einem Partner, weil niemand der eigenen Phantasie und Kreativität Grenzen setzt. Man kennt die Hügel“ schwärmt sie, „die Täler seiner eigenen Landschaft besser als jemand anderes“. Wir mussten über Ihren verschlüsselten Ausspruch so laut lachen, dass das Pärchen, das drei Tische weiter schmuste, ganz erschreckt zu uns herübersah.

„Deine Träume haben bestimmt eine tieferen Sinn. Vieleicht erkennst du erst später, was dahintersteckt. Oft werden im Traumgeschehen tiefsitzende Ängste symbolhaft deutlich gemacht und teilweise verarbeitet. Aber deuten kann und soll man solche Traumsymbole ohne das Hintergrundwissen nicht. Man kann leicht falsche Schlussfolgerungen ziehen, die in die Irre leiten. Warte also ab, was dir in der nächsten Zeit passiert“.

„So Sabrina, „es ist halb elf“ sagt sie, „ich muss los, leider. Es war ein wunderschöner Abend. Das hat mir in den vergangenen zwei Jahren gefehlt. Ich hole dich morgen um neun im Hotel ab und wir fahren nach Palma. Das Auto lassen wir bei Paco am Rui-Center und fahren von dort aus weiter mit dem Bus. Mit dem Auto in der Stadt ist tödlich. Einverstanden“?

„Okay“ sage ich und rufe den Ober, um zu bezahlen.

 

Als wir vor ihrem Auto stehen, das sie vor dem Hotel geparkt hatte sagt sie lachend, während sie mich umarmt, „so, du kleines Zicklein, schlaf gut und träume etwas Schönes. Also, adios, bis morgen um zehn“.

 Das Auto verschwindet um die nächste Ecke und ich gehe hinauf in mein Zimmer. Als ich das Bad verlasse, sehe ich, dass die Betten neu bezogen waren. Sehr gut.