Das tibetische Heilbuch - Thomas Dunkenberger - E-Book

Das tibetische Heilbuch E-Book

Thomas Dunkenberger

0,0

Beschreibung

Die Lehren Buddhas und ihre tibetische Medizin diese Geheimnisse braucht unsere Welt im Wandel! Ob Schulterschmerzen, Fibromyalgie, chronische Borreliose, Depressionen, Allergien oder Hauterkrankungen - unsere vom Geist geprägte Gesellschaft benötigt mehr denn je Naturheilverfahren mit klaren Diagnose- und Therapieformen. Heilpraktiker und Autor Thomas Dunkenberger wendet diese Medizin seit über drei Jahrzehnten an. In seinem Buch stellt er das gesamte Spektrum der Anwendungsmöglichkeiten vor. Die Diagnostik soll über das Ungleichgewicht der drei Körperenergien Peken, Lung und Tripa Aufschluss geben. Tibetische Medizin ist ein ganzheitlicher Ansatz zur Wiederherstellung von Gesundheit und Harmonie. Die Ursache für die Entstehung von Krankheiten nimmt einen hohen Stellenwert ein. Auch nicht sichtbare Kräfte und biorhythmisch-planetarische Einflüsse werden berücksichtigt. Zu den klassischen tibetischen Diagnoseformen gehört die Puls und Harnuntersuchung, Ratschläge zu Verhaltensweisen und Heilung über die Ernährung. Unter anderem aufgeführt sind Ölmassage, Moxibustion, Hydrotherapie, humorale Ausleitungsverfahren und vieles mehr. Die berühmten tibetischen Arzneimittel werden ausführlich vorgestellt. Für Interessierte, Heilpraktiker, Mediziner und Pharmazeuten ist dieses Nachschlagewerk eine verlässliche Quelle rund um die tibetische Medizin. Mit einem Vorwort von Dr. Trogawa Rinpoche - Direktor des Chakpori Tibetan Medical Institutes Darjeeling/Nordindien.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 259

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Thomas Dunkenberger

Das tibetische Heilbuch

«Eine umfassende und grundlegende Einführung»

Praktische Anleitungen zur Diagnose,Behandlung und Heilung mit dertibetischen Naturheilkunde

Wichtiger Hinweis: Die in diesem Buch vorgestellten Informationen sind sorgfältig recherchiert und wurden nach bestem Wissen und Gewissen weitergegeben. Dennoch übernehmen Autor und Verlag keinerlei Haftung für Schäden irgendeiner Art, die direkt aus der Anwendung oder Verwendung der Angaben in diesem Buch entstehen. Die Informationen in diesem Buch sind für Interessierte zur Weiterbildung gedacht.

6. aktualisierte Auflage 2020

© 2023 BACOPA Handels- und Kulturges.m.b.H., BACOPA Verlag 4521 Schiedlberg / Austria, Waidern 42 e-mail: [email protected] / [email protected] www.bacopa.at / www.bacopa-verlag.at

© 1999 by Windpferd Verlagsgesellschaft mbH, Aitrang

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung, Fotografie und Design: Kuhn Grafik, Zürich

Illustrationen im Innenteil: Peter Ehrhardt

Fachlektorat: Sylvia Luetjohann

Satz & Layout: Marx Grafik & ArtWork

eISBN 9783991140542

Mögen alle fühlenden Wesensich der innewohnenden Heilenergie als einernatürlichen, jederzeit frei verfügbaren Quelle der Kraft bewusst sein.

WIDMUNG

FÜR MEINE GELIEBTE GEFÄHRTINHEIDI MAYROCK

Inhaltsverzeichnis

Dank

Zum Geleit

Vorwort

Zum Gebrauch dieses Buches

Einführung

Kurzer geschichtlicher Rückblick

Teil I – Der gesunde Körper

Grundlegendes zu den drei körperlichen Energien

Die Bildung der drei körperlichen Energien

Grundlegende Typenzugehörigkeit

„Welchem Körperenergie-Typus entsprechen Sie am ehesten?“

Der Tibetische Medizinbaum

Die Elemente und ihre Zuordnungen

Die drei körperlichen Energien Lung (Wind), Tripa (Galle) und Peken (Schleim) und ihre Unterteilungen

Lung (Wind)

Tripa (Galle)

Peken (Schleim)

Die sieben körperlichen Bestandteile

Die Verdauungshitze

Der Verdauungsprozess

Die Entstehung der körperlichen Bestandteile

Die körperlichen Ausscheidungen

Teil II – Der kranke Körper

Die Entstehung von Krankheit

Die entfernten Ursachen für Krankheit

Die unmittelbaren Ursachen für Krankheit

Grundsätzliche Faktoren zur Entstehung und Beruhigung von Krankheiten

Einfallspforten und Passagewege von Krankheiten

Allgemeine Symptome von Lung (Wind), Tripa (Galle) und Peken (Schleim)

Jahreszeitliche Veränderungen

Zeiten der übermäßigen Ansammlung und der natürlichen Beruhigung

Energieverteilung während des Tageslaufs

Nicht-sichtbare Kräfte: „Dämonen“ und biorhythmisch-planetarische Einflüsse

Persönliches Tierkreiszeichen

Teil III – Verhaltensweisen und Ernährungsgewohnheiten

Allgemeine Verhaltensweisen

Auslösende Bedingungen für ein Übermaß an Lung, Tripa und Peken

Verhaltensweisen während der Jahreszeiten

Ernährungsgewohnheiten

Allgemeine Ratschläge und Empfehlungen

Ratschläge bezüglich der Verdauungshitze

Grundlegende Ernährungshinweise zu den Konstitutionstypen

Die Geschmacksrichtungen

Die Geschmacksrichtungen in Beziehung zu den Elementen

Funktionen der Geschmacksrichtungen und ihr natürliches Vorkommen

Die Sekundärreaktionen

Die Geschmacksrichtungen während und nach der Verdauungsphase

Die Wirkkräfte der Geschmacksrichtungen

Die Sekundärqualitäten

Übersichtstabelle der Lebensmittel

(Geschmacksrichtungen, Wirkkräfte und Anwendungsmöglichkeiten)

Gemüse

Getreide

Milchprodukte

Fleisch

Gewürze

Obst

Nüsse, Samen und Öle

Getränke und Alkoholika

Allgemeines und Zubereitungen

Unpassende Zusammenstellung von Lebensmitteln

Teil IV – Diagnoseformen der Tibetischen Medizin

Allgemeines

Diagnose mittels der Befragung

Pulsdiagnose

Technik der Pulstastung

Konstitutionspuls

Die Pulse der körperlichen Energien Lung (Wind), Tripa (Galle) und Peken (Schleim)

Organpulse

Zugehörigkeit der einzelnen Organe zu den Elementen

Die gegenseitige Beeinflussung der Elemente

Harndiagnose

Beurteilungskriterien bei der Harndiagnose

Zungendiagnose

Zusätzliche diagnostische Möglichkeiten

Teil V – Therapeutische Maßnahmen

Rangfolge der therapeutischen Maßnahmen

Die Therapie durch die Ernährungs- und Verhaltensweisen

Zusätzliche Therapieverfahren

Öltherapien

Moxibustion und Therapie mit der „Goldenen Nadel“

Feuchte Wickel, Kompressen und Hydrotherapie

Blutenlassen (Aderlass)

Kauterisation

Akupunktur

Humorale Ausleitungsverfahren

Therapie mit der Kupfervase (Schröpfen)

Therapie mit dem Löffel (Kleinere chirurgische Eingriffe)

Die Arzneimittel

Allgemeines über das Sammeln und Vermischen von medizinischen Substanzen

Tibetische Heilmittel im Westen

Das Sammeln und Verarbeiten der Kräuter

Arzneimittelzubereitung/Der Medizinbuddha

Ausgewählte Substanzen der Tibetischen Medizin

Verjüngungsmaßnahmen und das Essenz-Extraktions-Verfahren

Reinigende Maßnahmen

Ausgewählte Erkrankungen und Möglichkeiten der Einflussnahme über Ernährung und Verhaltensweisen

Schlussbetrachtung

Kurzer Test zur Zuordnung der persönlichen Körperenergie

Test 1: Grundlegende Typenzugehörigkeit

Test 2: Eventuelles Ungleichgewicht einer körperlichen Energie

Ausgewählte Bibliographie

Über den Autor

Dank

Meinen zutiefst empfundenen Dank möchte ich Dr. Trogawa Rinpoche für seine spirituelle Begleitung aussprechen. Ohne seine segensreiche Energie wäre dieses Buch nicht in Erscheinung getreten. Meinem Lehrer und Freund Dr. Barry Clark möchte ich für seine hilfreichen Erläuterungen aus ganzem Herzen danken. Er versteht es, die Tibetische Medizin in einer lebendigen, humorvollen und offenen Weise zu vermitteln. Mein Dank gilt auch dem Tara-Rokpa-Institut am Kloster Samye Ling sowie dem dort lehrenden Prof. Thubten Phuntsok für seine hilfreichen Erläuterungen. Der Ärztin für Tibetische Medizin, Dr. Nel de Jong (Amsterdam) sowie Prof. Dr. Pasang Yonten Arya (Mailand) sei an dieser Stelle für ihre Hilfe herzlich gedankt.

Butter

Aus Milch lässt sich Butter machen,weil sie das nötige Fett enthält.Aus Wasser kann man keine Butter machen.Der Goldgräber findet das Gold im Gestein und nicht im Holz.In gleicher Weise ist das Streben nach Buddhaschaftnur deshalb sinnvoll,weil die Buddha-Naturschon in jedem lebenden Wesen ist.Gäbe es dieses Potenzial nicht,wären alle Versuche in dieser RichtungZeitverschwendung.

JAMGÖN KONGTRUL

Zum Geleit

„Seit der Ankunft Seiner Heiligkeit des Dalai Lama in Indien ist eine feste Brücke und Verbindung zwischen der tibetischen Religion und Kultur und der westlichen Welt entstanden.

Dies hat die Grundlage geschaffen für die Veröffentlichung dieses in die Tibetische Medizin einführenden Buches von Thomas Dunkenberger.

Möge sich dieses Buch als hilfreich erweisen und zum Wohle aller wirken. Hierauf sind meine Hoffnungen und Gebete gerichtet.“

9. September 1999

DR. TROGAWA RINPOCHE

(DIREKTOR DES „CHAKPORI TIBETAN MEDICAL INSTITUTES“, DARJEELING/NORDINDIEN)

Vorwort

– von Dr. Pasang Yonten Arya –

Eine neue Veröffentlichung über die Tibetische Medizin ist immer begrüßenswert. Über das hier vorliegende Buch von Thomas Dunkenberger freue ich mich aber besonders, denn ich bin mir sicher, dass es sich sowohl für Personen, die im Westen ernsthaft die Tibetische Medizin studieren möchten, als auch für den allgemeinen Leser als ausgesprochen hilfreich und wertvoll erweisen wird. Thomas Dunkenberger studiert seit vielen Jahren sowohl den tibetischen Buddhismus als auch die Tibetische Medizin unter einigen der höchstangesehenen tibetischen Lamas. Er hat auch einige Werke über die Tibetische Medizin in die deutsche Sprache übersetzt.

In alten Zeiten entwickelte sich die Tibetische Medizin aus der natürlichen Weisheit des tibetischen Volkes. Doch erst die Lehren des Gautama Buddha sorgten für eine Erneuerung dieses Wissens und gaben ihm seine endgültige Form. Der Kern einer buddhistischen Spiritualität und die Erläuterungen über die Gesetzmäßigkeiten und das Wesen der psycho-physischen Zusammenhänge prägten diese alten medizinischen Lehren zu ihrer letztendlichen Ausrichtung.

Im tibetischen Buddhismus wird gelehrt, dass der Geist den Mikroorganismus lenkt und reguliert. Der Geist sorgt auch für die Bewegung der essenziellen, das heißt, der zentralen dynamischen Kraft, was zur Bildung der drei Energien (nye pa) führt.

In Übereinstimmung mit den drei innewohnenden psychologischen und emotionalen Charakteren führt dies in einer natürlichen Art und Weise zur Bildung von drei „Abteilungen“ bzw. Dimensionen. Diese Energien (oder Humores) erzeugen und regulieren sowohl den psycho-physischen als auch den psycho-pathologischen Komplex und werden in der Tibetischen Medizin als rLung, mKhrispa und Badkan (Peken) bezeichnet. In den westlichen Übersetzungen wird dies meist mit „Wind“, „Galle“ und „Schleim“ übertragen.

Das hier vorliegende Buch von Thomas Dunkenberger wird mit Sicherheit einen großen Beitrag zum Verständnis dieses altehrwürdigen medizinischen Systems leisten.

24. Juni 1999,

Prof. Dr. Pasang Yonten Arya Tendi Sherpa

(DIREKTOR DES „NEW YUTHOK INSTITUTE OF TIBETAN MEDICINE“, MAILAND/ITALIEN UND VORMALS PROFESSOR UND LEITER DES „MENTSEE-KHANG TIBETAN MEDICAL INSTITUTE“, DHARAMSALA/INDIEN)

Zum Gebrauch dieses Buches

Die traditionelle Tibetische Medizin stellt ein sehr umfassendes und ausgesprochen komplexes System naturheilkundlicher Diagnose- und Therapieformen dar. Das vorliegende Buch hat sich die Aufgabe gesetzt, in einer leicht zugänglichen und großenteils praxisorientierten Form in dieses reiche Wissen einzuführen. Es richtet sich daher nicht nur an Behandler, sondern auch an naturheilkundlich interessierte Laien; diesen bietet es zudem die Möglichkeit, in ganz einfachen Schritten, beispielsweise in einer behutsamen Angleichung der Verhaltensweisen und Ernährungsgewohnheiten, dem eigenen Konstitutionstypus mit seinen jeweiligen Stärken und Schwächen Rechnung zu tragen.

Dazu wird empfohlen, sozusagen als Einstieg die beiden im Anhang des Buches abgedruckten Fragebögen auszufüllen, von denen der erste Test den Grundkonstitutions- oder Körperenergie-Typus bestimmen hilft. Auch der Überblick über die grundlegende Typenzugehörigkeit: „Welchem Körperenergie-Typus entsprechen Sie am ehesten?“ (siehe Seite 37 f. und 299 f.) wird sich hierfür als sehr erhellend erweisen. Wenn gesundheitliche Beschwerden vorliegen, lässt sich dann mit dem zweiten Test ermitteln, wo ein Ungleichgewicht vorliegt und welche der körperlichen Energien eventuell im Übermaß vorhanden sind.

In den entsprechenden Kapiteln lässt sich dann beispielsweise nachlesen, wie auf diese Störungen mit zum Teil verblüffend einfachen Mitteln über die Verhaltensweisen und Ernährungsgewohnheiten Einfluss genommen werden kann. Leicht nachvollziehbare Darstellungen über die Einwirkung der Elemente und Jahreszeiten sowie die Charakterisierung unserer häufigsten Lebensmittel nach Geschmacksrichtungen, Wirkkräften und speziellen Anwendungsbereichen stellen nur einige Möglichkeiten dar, im alltäglichen Kontext selbst einen entscheidenden Beitrag zur Bewahrung bzw. Wiederherstellung der eigenen Gesundheit zu leisten. Durch den weitgehenden Verzicht auf kulturspezifische Besonderheiten und eine Übertragung auf westliche Verhältnisse, z. B. bei einer erweiterten Auswahl der empfohlenen Lebensmittel, bekommt das Buch einen hohen Gebrauchswert. Selbst die Methoden und Beurteilungskriterien der Puls- und Harndiagnose sind so eingängig beschrieben, dass beides mit einiger Übung selbst durchzuführen ist.

Die Tibetische Medizin ist eng mit der buddhistischen Denkweise verwoben, was in den entsprechenden Kapiteln auch berücksichtigt ist, so dass am Buddhismus interessierte Leser hier viel Neues erfahren werden. Trotzdem muss man keineswegs Buddhist sein, um viele grundlegende Erkenntnisse ebenso wie praktischen Nutzen aus diesem altüberlieferten, aber zeitlosen Wissensschatz zu gewinnen.

Einführung

Durch das zunehmende öffentliche Interesse am humanitären und politischen Schicksal des tibetischen Volkes bekommt auch ein großartiges Juwel der tibetischen Kultur immer mehr Gelegenheit, im Westen zu erstrahlen – „das Aquamarine Licht der Acht Zweige der Wissenschaft des Heilens“ – oder kurz gesagt: die Tibetische Heilkunde.

In diesem Medizinsystem sind Anteile des altindischen Ayurveda, der traditionellen chinesischen Medizin, einer altgriechisch-persischen Medizin sowie der zugrundeliegende Schamanismus des alten Bön-Tibet in einer einzigartigen Art und Weise mit den spirituellen Werten der buddhistischen Kultur zu etwas völlig Neuem verwoben. Die Tibetische Medizin hat aus dieser Synthese heraus eine vollständig eigene Form angenommen. So gibt es z. B. die hier praktizierte Form der Harnanalyse ausschließlich in der Tibetischen Medizin. Die Lehre über die Embryologie verwendet eine Darstellung des Föten in wöchentlichen Entwicklungsschritten, während diese Entwicklung in den altindischen Ayurveda-Darstellungen nur in Monatsschritten angegeben ist. Zudem sind in dieser altüberlieferten Wissenschaft des Heilens viele Momente der tiefenpsychologisch-energetischen Betrachtungsweise in einer Art und Weise integriert, die im Westen erst im Laufe dieses Jahrhunderts „entdeckt“ wurden und teilweise noch immer ihresgleichen suchen. Diese Form der Wissenschaft des Heilens leistet dem tibetischen Volk seit Jahrhunderten hervorragende Dienste, und Tibets Ärzte und Arzneimittel waren und sind weit über die eigenen Grenzen hinaus bekannt und gerühmt.

In einer Zeit, in der auch im Westen immer mehr Menschen ihr ureigenes, jedem Wesen innewohnendes Heilungspotenzial erkennen und sich einer dementsprechenden Lebens- und Ernährungsweise sowie den naturheilkundlichen Wegen zur Unterstützung und Optimierung dieser Kraft zuwenden, stellt eine wahrhaft ganzheitliche Medizin wie die Tibetische Heilkunde eine großartige Bereicherung dar. Die Darstellung der Tibetischen Medizin in diesem Buch gründet sich ausschließlich auf die traditionellen Überlieferungen. Auf die Hinzufügung eventuell sinnentstellender Attribute aus anderen Heilsystemen wurde bewusst verzichtet, oder diese sind immer als solche deutlich erkennbar. Die Vermischung verschiedener Systeme ist erst dann sinnvoll, wenn die Grundlagen jedes einzelnen Systems verstanden wurden.

Obwohl man die Tibetische Medizin sicherlich innerhalb ihrer eigenen Zusammenhänge begreifen muss, ist es nicht notwendig, Buddhist zu werden, um Nutzen daraus ziehen zu können. Der Buddhismus ist eine Philosophie zur Erkenntnis des eigenen Potenzials und zur Erlangung eines allesumfassenden Mitgefühls. Das bedeutet, dass dem inneren Wesen des Buddhismus jede Art von Dogmatismus fremd ist. Die geistigen Aspekte unserer Realität und der von uns unter Umständen zu durchlebenden Erkrankungen sollten jedoch niemals vernachlässigt werden. Als ein wirklich ganzheitliches System verbindet die Tibetische Medizin geistige und körperliche Aspekte zu einem Ganzen und bietet auch dementsprechende Behandlungsweisen an.

Wer die Tibetische Medizin erlernen möchte, studiert in der Regel zuerst einmal das sog. Gyushi (tib. rGyud bzi, ausgespr. „Gyüshi“). Unter diesem Titel sind die vier grundlegenden medizinischen Abhandlungen oder Tantras zusammengefasst. Das erste Tantra wird als „Wurzeltantra“ bezeichnet. Es bietet eine kurze Zusammenfassung des gesamten Medizinsystems. Darauf folgt das „Tantra der Erklärung“, worin die gleichen Zusammenhänge in einer detaillierteren Form noch einmal erklärt werden. Das ausgesprochen umfangreiche „Tantra der mündlichen Überlieferung“ bietet die detaillierteste Form der Erklärung des Systems und wird vom vierten Tantra, dem „Abschließenden Tantra“, ergänzt. In diesem werden u. a. die äußeren therapeutischen Methoden in einer ausführlichen Form besprochen.

Vor der Machtübernahme der Chinesen und der Flucht des Dalai Lama im Jahre 1959 existierte eine Fülle von Kommentaren über Einzelaspekte dieser Tantras, von denen allerdings nur noch ein relativ geringer Teil übriggeblieben ist. Die tibetische Tradition, nämlich alle wichtigen Texte auswendig zu lernen, hat zum Erhalt dieses wertvollen Wissens einen großen Teil beigetragen.

Ohne Zweifel stellt die Tibetische Medizin ein komplexes System dar, und so ist auch immer wieder die Frage zu hören: „Das ist ja alles so unerhört vielfältig und schwierig. Wo soll ich denn da zu lesen und zu lernen anfangen?“

Dieses Buch gibt Ihnen eine Einführung in die grundlegenden Zusammenhänge und die Denkweise der Tibetischen Medizin. Die Darstellung ist so gehalten, dass der Leser die Möglichkeit bekommt, sich selbst im Rahmen dieses Medizinsystems zu betrachten, etwaige Ungleichgewichte seiner Energien festzustellen und dementsprechende Schlussfolgerungen im Hinblick auf seine Ernährungs- und Verhaltensweisen zu ziehen. Selbstverständlich erhebt dieses Einführungsbuch keinen Anspruch auf eine vollständige Darstellung der Tibetischen Medizin. Wenn man aber die hier vorgestellten Zusammenhänge, Diagnoseverfahren usw. verinnerlicht und auch anwendet, verfügt man über einen guten Überblick mit der Möglichkeit, seine eigenen körperlichen Energien zu optimieren, und kann sich dann der dies weiter vertiefenden Literatur zuwenden. Die in diesem Buch vorgestellten diagnostischen Verfahren sind alle ausgesprochen leicht anzuwenden. Sie sollten aber nicht dazu verleiten, eigene Diagnosen zu erstellen, sondern sind vielmehr dafür gedacht, ein tieferes Verständnis über sich selbst sowie seine Verhaltensweisen usw. zu erlangen und seine Lebensführung in einer entsprechenden Art und Weise zu gestalten. Die zwei, sich aus einer bewussten Lebensart entwickelnden Blüten sind Gesundheit sowie ein langes Leben. Die drei hieraus hervorgehenden Früchte sind Wohlstand, Zufriedenheit auf der Grundlage von Weisheit sowie eine positive spirituelle Weiterentwicklung.

Kurzer geschichtlicher Rückblick

Wie so häufig bei historischen Geschehnissen, gibt es auch über die Geschichte der Tibetischen Medizin dem jeweiligen Blickwinkel entsprechend unterschiedliche Ansätze. Die allgemein akzeptierte Auffassung besteht darin, dass sich der historische Buddha Shakyamuni als Medizinbuddha (tib. Men-la, Skrt. Baishajya) manifestierte und die medizinischen Lehrreden in der Form eines Dialoges zwischen zwei Emanationen von sich selbst – Rigpé Yeshe als Emanation seines Herzens (d. h. des Geistesaspektes) sowie Ji-lé-kye als die Emanation seiner Rede – als tantrische Einweihung gab.

Manche Quellen behaupten auch, dass Kumara Jivaka, der berühmte Arzt und Zeitgenosse Buddhas, die Originalabhandlung verfasst hat. In diesem Falle hätte er diese Lehrreden von Buddha selbst (wahrscheinlich in der oben angegebenen Form) erhalten.

Diese Form der Medizin hatte ihre Blüte während der Zeit des Königs Ashoka, dessen riesiger Einflussbereich sich von Kambodscha bis zum heutigen Iran sowie von Sri Lanka bis zum Himalaya erstreckte. Als sich die buddhistische Ära Indiens dem Ende zuneigte, gelangten diese Lehren nach Tibet, wo sie übersetzt und bewahrt wurden, und sie sind bis zum heutigen Tage in einer ununterbrochenen Linie von Lehrer zu Schüler weitergegeben worden. Üblicherweise geschah diese Übermittlung innerhalb einer Familienlinie vom Vater auf den Sohn.

Es gibt aber auch eine sehr berühmte weibliche Übertragungslinie der Tibetischen Medizin. Diese Form änderte sich erst mit der Einführung der großen medizinischen Hochschulen bis zu einem gewissen Grade. Die Übersetzungen waren derart akkurat, dass heute ein Teil dieses alten Wissens wieder zurück ins Sanskrit (bzw. Hindi) übersetzt wird, um fehlende Texte der altindischen Ayurveda-Medizin zu ergänzen.

Vor der Ankunft des Buddhismus im 7. Jh. n. Chr. existierte in Tibet eine schamanistisch geprägte Kultur – der sog. „alte Bön“. Dieser wurde ungefähr 500 – 600 Jahre vor unserer Zeitrechnung von Tönpa („Lehrer“) Shenrab begründet. Tönpa Shenrab stammte aus der Zhang-Zhung-Gegend im Westen Tibets und war ein Abkömmling aus reichem Hause, der sich vornehmlich mit ritualistischen Heilungen, Kräutern, Astrologie u. ä. beschäftigte. Die Medizin dieser Kulturepoche wurde in erster Linie vom Schamanismus beherrscht, d. h., ein Heiler vermittelte zwischen den Götter- oder Dämonenwelten und dem kranken Menschen und versuchte damit, den durch den Menschen verursachten Mißklang wieder auszugleichen.

Dies entspricht durchaus einer heutzutage als Psycho-Neuro-Immunologie bezeichneten Sparte des modernen medizinischen Ansatzes, mit einer Einheit von Körper-Seele-Geist zu arbeiten. Allerdings ist damit für den Schamanen eine bestimmte Machtposition verbunden (wie ja auch für den Arzt in der westlichen Gesellschaft), und diese Macht scheint nicht immer nur für positive Zwecke eingesetzt worden zu sein.

So könnte zum Beispiel die alte Sitte der Tibeter, sich mit weit herausgestreckter Zunge zu begrüßen, in dieser Tatsache begründet sein. Denn alle Personen, die sich mit Zauberei und entsprechenden magischen Praktiken beschäftigten oder an Vergiftungen hierunter litten (und leiden), hatten eine schwarzgefärbte Zunge! Das Vergiften scheint in allen alten Kulturen ein recht beliebtes Mittel zum Erlangen von Macht gewesen zu sein. Hierzu sei auch auf eine Passage aus dem „Tantra der Erklärung“ in der Übersetzung von Dr. Barry Clark verwiesen: „Eine Person, die Gift eingenommen hat, wird einen trockenen Mund verspüren, schwitzen, in Furcht erzittern, ruhelos sein und mit Schuld und Besorgnis in alle Richtungen blicken. Hat man Obengenanntes verstanden, dann sollte man sich künftig davor hüten, anderen Schaden zuzufügen.“

Schon das System des alten Bön verfügte über eine eigenständige Medizin, die allerdings aufgrund einer fehlenden Schriftsprache nicht fixiert wurde. Andere Quellen sprechen der Bön-Kultur durchaus eine Schriftsprache zu und datieren die ersten medizinischen Abhandlungen auf die Zeit von Tönpa Shenrab. Das von seinem Sohn kompilierte Werk „Die 400 000 Wege der Heilkunst“ gilt als Standardwerk der medizinischen Linie des Bön. Im Jahre 1985 wurde in Osttibet von Archäologen eine Kopie der Blockdrucke des Bön-Originaltextes entdeckt. 1993 wurden in der Region Ngari im Westen Tibets Steine mit einer Originalsprache aus Zhang-Zhung gefunden, die darauf hindeuten, dass es bereits 3000 – 5000 Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung eine Schriftsprache in dieser Gegend gab. Ob es sich hier um Fälschungen handelt oder nicht, können wahrscheinlich nur die Historiker klären.

Historischen Berichten zufolge gab es schon im 2. Jh. n. Chr. Begegnungen von indischen Adepten und Ärzten mit der tibetischen Kultur. In dieser Zeit sollen auch bereits tibetische Ärzte ausgebildet und die erste Familienlinie von Ärzten begründet worden sein. Andere Quellen datieren den Beginn dieser Familienlinie auf das 5. Jh.

Der absolute Wendepunkt in der Kultur Tibets fand allerdings erst im 7. Jh. n. Chr. unter der Herrschaft des 32. Königs von Tibet, Songtsen Gampo (617-650), statt. Er war sowohl mit einer nepalesischen als auch mit einer chinesischen Prinzessin verheiratet und unterstützte den Buddhismus in jeder erdenklichen Weise. Dies führte zur großen Verbreitung und Akzeptanz der buddhistischen Lehren innerhalb Tibets.

Die beiden Prinzessinnen werden manchmal auch als Emanationen der Grünen und der Weißen Tara betrachtet. Tara gilt als die weibliche Repräsentation des Erbarmens aller Buddhas und ist die Gefährtin von Avalokiteshvara, dem Bodhisattva des Mitgefühls. Dieser ist wiederum der „Schutzpatron“ Tibets und emaniert sich in der Form des Dalai Lama. Die Weiße Tara gewährt Schutz, Frieden und ein langes Leben. Die Grüne Tara hilft dabei, Hindernisse zu überwinden und fühlende Wesen aus gefährlichen Umständen zu retten.

Unter der Ägide von König Songtsen Gampo fand ein reger Austausch der Kulturen und des Wissens zwischen Tibet und Indien sowie China statt. Der Gelehrte Thomi Sambhota wurde nach Indien geschickt, um eine Schriftsprache zu entwickeln, und der indische Arzt Damakosha sowie der chinesische Arzt Hashang Mahadeva übersetzten in der Folge medizinische Texte in die tibetische Sprache. Zu dieser Zeit trafen sich auf Einladung des Königs die drei großen Ärzte Bara Datsa (Bharad-vaja) aus Indien, Hen Wong Hong aus China und Galeno aus Persien und verfassten (wahrscheinlich in Zusammenarbeit mit einem tibetischen Arzt) eine Zusammenfassung all ihrer Erfahrungen unter dem Titel „Die Waffe der Unbesiegbarkeit“. Dieses Werk ging im Laufe der Zeit leider verloren.

Über den Arzt Galeno gibt es einige Uneinigkeit innerhalb der Geschichtsbücher. Manche sehen seine Herkunft in Turkestan, andere wiederum im alten Persien, also dem heutigen Iran. Sein Name lässt auf jeden Fall den Schluss zu, dass er die altgriechisch-persische Medizinphilosphie verkörperte und diese durch ihn nach Tibet gelangte. Galeno blieb im übrigen als Leibarzt des Königs in Tibet und begründete unter dem Familiennamen „Tsoru“ eine große Familiendynastie der tibetischen Medizingeschichte.

Auch unter dem 37. König von Tibet, Me-Ok Tsom (698-755), fanden sich Ärzte aus den obengenannten Ländern in Tibet ein. Aus China kam Hashang Mahachinda (Hashang bedeutet Arzt), aus Persien Biché Tsenpashila. Auch dieser persische Arzt begründete eine medizinische Familienlinie, die unter dem Namen „Bichi-Linie“ bekannt ist. Zur gleichen Zeit lebte der bedeutende tibetische Arzt Chunpo Tsitsi, und aus ihrer Zusammenarbeit entstand das medizinische Werk Soma Ratsa („Der Mond-König“).

Unter der Herrschaft des 38. Königs von Tibet, Trisong Detsen (742-796), wurde der Buddhismus als Staatsreligion ausgerufen, und im Jahre 762 wurde die erste medizinische Hochschule begründet. Die Leitung dieser Schule lag bei Berotsana, der wahrscheinlich mit Vairocana identisch ist. Berotsana bzw. Vairocana war ein berühmter Übersetzer und Schüler des bedeutenden indischen Adepten Padmasambhava, der in Tibet Guru Rinpoche („Kostbarer Lehrer“) genannt wird und einer der wichtigsten Übermittler des tantrischen Buddhismus in Tibet ist.

Es ist möglich, dass Berotsana in Zusammenarbeit mit Yuthok Yonten Gönpo dem Älteren (auch als Yuthok Nyingma bezeichnet) zu dieser Zeit die alten Heiltechniken der Bön-Zeit in die medizinischen Werke integrierte. Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Entstehung des Gyushi – also der vier grundlegenden medizinischen Tantras – in diese Zeit fällt. Eine andere Version berichtet, dass der indische Adept Chandranandana zusammen mit Vairocana die grundlegenden Texte aus dem Sanskrit übersetzte und für deren Verbreitung sorgte.

Dieser Text wurde auch in einem Pfeiler des Samyê-Klosters als sog. „Text-Schatz“ (tib. terma) versteckt, so dass er zu einer geeigneten Zeit durch den hierfür geeigneten Menschen wiederentdeckt werden konnte und damit der Menschheit erhalten blieb.

Die erste medizinische Hochschule, die an der Grenze zu Kham entstand, hatte bei ihrer Eröffnung 300 Studenten. Nachdem diese das zehnjährige (!) Studium abgeschlossen hatten, begann der zweite Zyklus mit bereits 1000 Studenten, so dass in der Folge intensive Forschungen und Studien betrieben werden konnten. Zu dieser Zeit wurde dank der königlichen Vorliebe für Pferde auch eine Veterinärmedizin eingeführt. Aus der Zusammenarbeit des indischen Arztes Dharmaraja, des chinesisches Arztes Mahachinda und des persischen Arztes Tsenpshila ging das medizinische Werk „Die Juwelenvase“ (tib. Rinchen Bumpa) hervor. Leider ist heute nur noch ein kleinerer Teil dieser medizinischen Abhandlung verfügbar.

Nach dieser goldenen Epoche für die Kultur Tibets folgte eine sehr düstere, von Krieg und Repression gezeichnete Zeit unter dem Herrscher Langdarma (geb. 842), die bis zum Jahre 1052 währte. Erst nach dieser Zeit kehrte wieder Frieden auf das Dach der Welt zurück.

Der tibetische Übersetzer Rinchen Zangpo (958-1055) lebte längere Zeit in Indien und brachte in seinen späten Lebensjahren das medizinische Werk „Die Essenzen der Acht Zweige“ (tib. Yenla Jaypa) nach Tibet, das in seinem Inhalt sehr stark mit der ayurvedischen Medizin übereinstimmt. Zu dieser Zeit lebte auch der als einer der herausragendsten Ärzte aller Zeiten angesehene Yuthok Sarma (auch Yuthok Yonten Gönpo der Jüngere genannt). Er stammte aus der gleichen Familie wie Yuthok der Ältere – nur eben 13 Generationen später, und kompilierte aus den Werken des Yuthok Nyingma und des Berotsana (und wahrscheinlich auch unter Hinzuziehung der „Essenzen der Acht Zweige“) das bis zum heutigen Tage als grundlegendes medizinisches Werk bekannte Gyushi: die in vier Abhandlungen gegliederte „Geheime Mündliche Überlieferung der Acht Zweige der Wissenschaft des Heilens“.

Eine weitere wichtige Station innerhalb der Tibetischen Medizin bildet die Tatsache der Einführung von detoxifiziertem Quecksilber durch den Mahasiddha Urgyenpa (1230-1310), der Pakistan, Kaschmir und die angrenzenden Ländern extensiv bereiste. Das entgiftete Quecksilber stellt einen Grundbestandteil der meisten „Juwelenpillen“, einer vielgerühmten tibetischen Arzneispezialität, dar. Aus dieser Zeit stammt auch eine überaus ausführliche Textsammlung aller medizinischen Substanzen (Materia Medica) – der „Ozean der medizinischen Substanzen“ (tib. Men Ming Gyamtso).

Desi Sangye Gyatso (1653-1705), der Regent des 5. Dalai Lama, gründete die medizinische Universität auf dem Eisenberg bei Lhasa, den Chagpori. Er schrieb zudem den vielgepriesenen Kommentar „Blauer Beryll“ über das Gyushi. 1627 entstand die sehr ausführliche Materia Medica „Der Kristallspiegel“ (tib. Shel Gong, auch als „Kristall-Gestirn“ übersetzt) durch Demar Geshe. In dieser Pharmacopoea werden in insgesamt 2294 Eintragungen eine Vielzahl medizinischer Substanzen in sehr detaillierter Form beschrieben. Sein Kommentar zu seinem eigenen Werk, „Der Kristall-Rosenkranz“ (tib. Shel Treng), gilt als herausragend.

Im Jahre 1754 gründete sein Schüler, der 8. Situ Chöji Jungmé (1700-1774), die Palpung-Hochschule in der Nähe seines Klosters Palpung. Hier wurden die Fünf Zweige des Wissens gelehrt, die als Astrologie, Medizin, Mathematik, Poesie und Linguistik definiert wurden. Palpung wurde, neben einigen anderen Kloster-Universitäten, zu einer der führenden Hochschulen Tibets.

Der 13. Dalai Lama gründete im Jahre 1916 eine weitere medizinische Hochschule in der Hauptstadt Lhasa, den Mentsee-Khang. Diese Schule wurde nach der durch die chinesische Okkupation Tibets erzwungene Flucht des 14. Dalai Lama, Tenzin Gyatso, in seinem Exil Dharamsala/Nordindien als „Tibetisches Institut für Medizin und Astrologie“ neu aufgebaut. Das Institut bildet heute wieder Ärzte für Tibetische Medizin aus, hat ein kleines angegliedertes Hospital und stellt auch die meisten der allgemein verordneten Arzneimischungen her.

Auch das ehrwürdige Chagpori-Institut ist im Darjeeling (Nordindien) unter der Leitung des herausragenden tibetischen Lamas und Arztes Dr. Trogawa Rinpoche neu gegründet worden und bildet heute wieder tibetische Ärzte aus.

Teil I

Der gesunde Körper

Grundlegendes zu den drei körperlichen Energien

Für das Studium der Tibetischen Medizin ist es unerlässlich, sich mit den ihr zugrundeliegenden Ursachen der Wiederverkörperung des Körper-Geist-Kontinuums in der einen oder anderen Form etwas eingehender zu beschäftigen.

Die Grundimpulse der Wiederverkörperung werden von den mentalen Impulsen gebildet, die jedes fühlende Wesen von einer Verkörperung zur nächsten zumindest als Potenzial begleiten. Der Grundimpuls ist die falsche Annahme, dass ein unabhängiges und aus sich selbst heraus existierendes „Ich“ existiert. Diese grundsätzlich falsche Sichtweise der Wirklichkeit, die auch als grundlegende Ignoranz bezeichnet wird, schafft in der Folge die drei Geistesgifte, aus denen letztlich insgesamt 84.000 sogenannte plagende, d. h. leiderzeugende Emotionen hervorgehen.

Mit Ausnahme vollständig reiner Wesen, wie es Buddhas und Bodhisattvas sind, die sich ausschließlich aufgrund des Mitgefühls für alle anderen Wesen aus einer freien Entscheidung heraus wiederverkörpern, bilden die grundlegende Ignoranz sowie die drei daraus hervorgehenden Geistesgifte der Begierde (Wünsche, Leidenschaften, Anhaftungen), des Zornes (Ärger, Wut, Hass) und der begrenzten Sichtweise der Realität (Dummheit, Engstirnigkeit, Apathie) für alle anderen Wesen die Basis für ihre entsprechenden Wiederverkörperungsformen sowie der hiermit einhergehenden körperlichen, emotionalen und mentalen Fähigkeiten bzw. Schwierigkeiten.

Deshalb werden diese drei Geistesgifte auch als sog. entfernte Ursachen für Krankheit angesehen. Die absolut primäre Grundursache wird, wie gesagt, in der falschen Sichtweise der Wirklichkeit gesehen. Die genannten Impulse werden dem sog. „Bardo-Körper“ (einer Art Traumkörper während des Überganges von einer Form der Verkörperung zur nächsten) in einer sehr extremen Weise begegnen und ihn in eine Erscheinungswelt leiten, die seinen aus sich selbst heraus erzeugten, mehr oder weniger positiven bzw. negativen Illusionen entspricht.

Die (irrtümliche) Wahrnehmung dieser Erscheinungswelt als einzig möglicher „Realität“ verstärkt das Beharren auf der Annahme eines unabhängigen, getrennt von allem anderen und aus sich selbst heraus existierenden „Ich“. In der buddhistischen Sichtweise existieren unendlich viele „Realitäten“, und es gibt nichts, was nicht in Abhängigkeit und Resonanz zu allen anderen Dingen dieses Universums steht.

Das Erlangen eines menschlichen Körpers gilt im Buddhismus nicht als selbstverständlich, sondern wird als ausgesprochen wertvoll betrachtet. Die menschliche Verkörperung bietet eine herausragende Möglichkeit, die allem zugrundeliegende Wirklichkeit innerhalb einer Lebensspanne zu erkennen und sich damit aus dem Rad der Wiedergeburten und der damit einhergehenden Leiden zu befreien.

Wie bereits ausgeführt, bilden die drei Geistesgifte die Basis für die entsprechenden Prinzipien Lung (Wind), Tripa (Galle) und Peken (Schleim). Diese sind sowohl auf der materiellen, der emotionalen als auch auf der mentalen Ebene präsent. Deswegen lautet das tibetische Wort hierfür auch nyepa, was wörtlich „Fehler“ bedeutet.

Dies entspräche in einer mehr westlich orientierten Kosmologie am ehesten der Vorstellung einer bereits latent vorhandenen grundsätzlichen Disposition. Die Möglichkeiten der Aktivierung bzw. der Nicht-Aktivierung durch eine entsprechende Lebensweise auf der körperlichen, der emotional-mentalen und der geistigen Ebene werden in diesem Buch klar dargestellt.

Im indischen Ayurveda-System wird diese grundsätzliche Dreiereinteilung tridosha genannt, die sich aus den energetischen Prinzipien vata, pitta und kapha zusammensetzt.

Die spagyrisch-alchemistische Auffassung der Dreiteilung aller Dinge (Sal, Sulphur und Mercur) kann hier als klassisch-westliches Erbe angeführt werden, das auch heute noch zur Anwendung gelangt.

Auch die anthroposophische Weltanschauung basiert auf diesen drei Prinzipien und bezeichnet sie u. a. als Denken, Fühlen und Wollen. Die grundsätzliche Sichtweise sowie die Arzneimittelmischungen der anthroposophischen Medizin weisen einige Gemeinsamkeiten mit östlichen Philosophie- und Medizinsystemen auf.

Ebenso könnte die westliche Lehre der Entwicklung der drei Keimblätter (Entoderm, Mesoderm und Ektoderm) als Beispiel für diese grundsätzliche Einteilung herangezogen werden; und auch in der modernen Chaos-Forschung wurde eine grundlegende Dreiereinteilung aller dynamischen Systeme erkannt. Hier geht man davon aus, dass drei unterschiedliche Kräfte in einer wechselseitigen Einwirkung in Interferenz-Rhythmen aufeinander einwirken und hiermit alle Formen aufgebaut werden. Mittels eines zusätzlichen Rückkopplungssystems entsteht ein sich selbst steuernder, dynamischer Regelkreis.

Bei der Einteilung der Prinzipien in drei grundsätzliche Energien scheint es sich also um ein universell gültiges Grundgesetz für alle lebendigen, dynamischen Systeme zu handeln.

In Anlehnung an das altgriechisch-galenische System der sog. „Humoralpathologie“ werden diese drei grundlegenden Prinzipien auch häufig mit dem lateinischen Begriff Humores („Körpersäfte“) bezeichnet. Die Körpersäfte haben zwar auch eine im materiellen Körper vorhandene Form, wie etwa den Gallensaft (bei Tripa/Galle), den Atem (bei Lung/Wind) oder den Magenschleim (bei Peken/Schleim); durch die obengenannten Ursachen der Wiederverkörperung des mentalen Kontinuums ist aber nachzuvollziehen, dass sich ihre Formen bis in die subtilsten Ebenen hinein reflektieren und auch einen dementsprechenden Einfluss ausüben.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich der Gleichzeitigkeit sowie der gegenseitigen Durchdringung und Vernetzung aller Ebenen zu vergegenwärtigen. Die Bezeichnungen Lung (Wind), Tripa (Galle) und Peken (Schleim) sind also hauptsächlich als Kodierungen für archetypische (biokybernetisch-emotional-mentale) Energieformen zu betrachten. Um diese gegenseitige Vernetzung der verschiedenen Ebenen zu gewährleisten, wird in diesem Buch der Begriff körperliche Energien verwendet. Durch diese einheitliche Bezeichnung kann dem Leser auch einiges an Begriffsverwirrung abgenommen werden. Zudem hat dieser Begriff den Vorteil, dass er sowohl auf die körperliche als auch auf die energetische Ebene verweist. Ich habe diesen Begriff übrigens zum erstenmal von Dr. Barry Clark gehört.

Aus dem bisher Ausgeführten kann die Tatsache abgeleitet werden, dass Krankheit einen inhärenten Anteil eines jeden dynamischen Lebensprozesses bildet, wenn sich die körperlichen Energien nicht im Gleichgewicht befinden. Dieses Gleichgewicht zu optimieren ist ein wichtiges Ziel der Tibetischen Medizin. Zudem ist hieraus zu ersehen, dass die körperlichen Energien auch auf der emotionalen und geistigen Ebene beeinflusst werden können und dass sich diese verschiedenen Ebenen auch gegenseitig beeinflussen.

Diese Tatsache ist grundlegend für die buddhistische Annahme, dass eine nicht-verwirklichte Form des Lebens, d. h. alle fühlenden Wesen außer Buddhas und Bodhisattvas, automatisch mit Leiden, beispielsweise in Form von Krankheit, verbunden ist. Gleichzeitig macht dies auch verständlich, warum der Buddha Shakyamuni z. B. in seiner Erscheinungsform des Medizinbuddha, als Höchster Heiler und Meister der Medizin verehrt wird, denn nur durch die vollständige Realisation der Wirklichkeit, also der Überwindung jeglicher Hindernisse und einer transparenten Sichtweise aller Phänomene ist es möglich, wahrhaftes und letztendliches Heil zu erlangen.

Der Buddha Shakyamuni ist in diesem Sinne sowohl in seiner historischen Erscheinungsform wie auch als die jedem Wesen innewohnende Buddhanatur, also dem erwachten und befreiten Geisteszustand, zu sehen.

Die Bildung der drei körperlichen Energien