Das weinende Schreibrohr - Dr. Susanne Kurz - E-Book

Das weinende Schreibrohr E-Book

Dr. Susanne Kurz

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Beschreibung

Sind Sie neugierig auf ferne Zeiten und fremde Kulturen? Wollen Sie wissen, ob es noch andere Arten zu denken gibt als unsere? Ich auch. Deshalb erforsche ich seit vierzehn Jahren die Geschichte der persischsprachigen Kultur. Eine meiner Leidenschaften ist ein persisches Geschichtswerk, das so spannend ist wie ein Roman. Es handelt von Mas'ûd von Ghazna (1030-41). Wenn Sie Noah Gordons "Medicus" gelesen haben, dann kennen Sie ihn schon: Sieben Jahre vor Ibn Sinas Tod unterwarf er nämlich Isfahan. Besuchen Sie jetzt mit mir den Chronisten seiner Herrschaft, einen außergewöhnlichen Denker: Abo l-Fazl-e Beyhaqî. Er lebte und arbeitete am Hof der Ghaznaviden. Diese Dynastie war eine echte Regionalmacht und beherrschte im 11. Jahrhundert das heutige Afghanistan, Teile Irans, des heutigen Turkmenistan, Tadschikistan, Pakistan und Nordindien. Begleiten Sie mich auf eine Reise ins alte Persien und lernen Sie mehr über das muslimische Mittelalter. Sie erfahren: - Was am Hof der Ghaznaviden an einem Wendepunkt der Geschichte passiert ist, - welche Menschen im Hofleben eine Rolle spielten und wie sie waren, - wie Geschichtsschreibung damals funktionierte, wozu sie gut war und was man aus ihr lernen kann - und was nicht, - welche Forschungsprobleme noch ungelöst sind und warum.

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Seitenzahl: 200

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Kapitelvorschau

(ohne Hyperlinks, dafür s. Inhaltsverzeichnis)

1. Einleitung

Weshalb Kleinasien zur Türkei werden konnte und was das besondere an Abo l-Fazl-e Beyhaqîs außergewöhnlichem Geschichtswerk ist

2. Wer war Abo l-Fazl-e Beyhaqî? – Die Daten

Wer Abo l-Fazl-e Beyhaqî war, wie sein Leben verlief und woher wir das wissen

3. Warum ist Bo l-Fazls Geschichtswerk so bedeutend?

Was Bo l-Fazls Geschichtswerk so wertvoll macht, wodurch es sich von anderen Geschichtswerken seiner Zeit unterscheidet und wie diese anderen Werke aussehen

4. Wie sah Bo l-Fazls Welt aus?

Welche Umwälzungen auf der politischen Landkarte Bo l-Fazls Lebenszeit prägten, in welcher Atmosphäre er aufwuchs und wie es in seinem Studienort aussah

5. Welche Ereignisse beschreibt Bo l-Fazl?

Wie Mas'ûd von Ghazna die Herrschaft über das Reich seines Vaters errang und wie und warum er sie wieder verlor

6. Wie beschreibt Bo l-Fazl die Entwicklung Mas'ûds?

Vom Hoffnungsträger zum Despoten: Wie Mas'ûd von Ghazna zum tragischen Helden von Bo l-Fazls Geschichtswerk wurde

7. Bo l-Fazl verstehen lernen: Was will vormoderne Geschichtsschreibung leisten?

Warum Geschichtsschreibung nie erzählt, »wie es wirklich gewesen ist« und was Geschichtsschreiber wie Bo l-Fazl mit ihren Werken erreichen wollten

8. Was kann Geschichtsschreibung überhaupt leisten?

Warum wir unserem Gedächtnis nicht über den Weg trauen können

9. Der Sekretär als Geschichtsschreiber

Wie Sekretäre Geschichte schrieben, woran man merkt, daß Bo l-Fazl einer war, und warum sein Geschichtswerk trotzdem originell ist

10. Was wollte uns Abo l-Fazl-e Beyhaqî mit seinem Geschichtswerk sagen?

Was wir beim aktuellen Stand der Forschung darauf antworten können und was ich darüber hinaus für wahrscheinlich halte

11. Epilog

Wie und wo Bo l-Fazls Geschichtswerk bis heute überlebt hat, wieso gerade die Bände über Mas'ûds Herrschaftszeit erhalten sind und wie Sie an weitere Inhalte des Werkes auf deutsch herankommen

Susanne Kurz

Das weinende Schreibrohr

Wie Mas'ûd von Ghaznî (= Ghazna) sein Reich verlor und sein Sekretär ein Kunstwerk daraus machte

Abo l-Fazl-e Beyhaqîs »Geschichte des Mas'ûd von Ghazna (1030-41)« (Târîch-e Mas'ûdî/Târîch-e Beyhaqî)

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Hinweis

Dieses E-Book ist in der alten deutschen Rechtschreibung (vor der »Rechtschreibreform« von 1996/2004/2006) gehalten. Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung zur Einhaltung der neuen deutschen Rechtschreibung in kommerziellen Büchern.

https://persophoniekulturgeschichte.wordpress.com/

Die Autorin

Dr. Susanne Kurz ist Islamwissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Geschichte der persischsprachigen Kultur. In ihrer Forschung hat sie sich mit den Seldschuken (11. Jh.), persischen Witzen und Anekdoten (14.-19. Jh.) und der graeco-islamischen Medizin im Indien der Moguln (16.-19. Jh.) beschäftigt. Über diese und andere Themen schreibt sie auch auf ihrem Blog Persophonie: Kultur-Geschichte (https://persophoniekulturgeschichte.wordpress.com/). Für Abo l-Fazl-e Beyhaqîs »Geschichte Mas'ûds« interessiert sie sich bereits seit ihrer Studienzeit. Unter anderem wirkt sie an einer deutschen Übersetzung des Werkes mit.

Zwischen 2005 und 2015 war sie an den Universitäten Tübingen und Bochum in zwei interdisziplinären Forschungsprojekten (Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Deutsche Forschungsgemeinschaft) sowie als Professurvertreterin an der Universität Tübingen beschäftigt. Seit 2002 hat sie zahlreiche Lehrveranstaltungen an den Universitäten in Tübingen und Bochum durchgeführt. Im Augenblick arbeitet sie an der Fertigstellung ihrer Habilitationsschrift.

Impressum

Titel: Das weinende Schreibrohr: Wie Mas'ûd von Ghaznî (= Ghazna) sein Reich verlor und sein Sekretär ein Kunstwerk daraus machte

Autorin: Susanne Kurz

Copyright: © 2015 Susanne Kurz

Alle Rechte vorbehalten.

Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

ISBN: 978-3-7375-5716-0

Coverdesign:

Linda Woods (http://lindawoods.de/)

Bildnachweis:

Fotograf des Cover-Hintergrundbildes: aopsan/Shutterstock.com

Abbildung der Handschrift (Handschrift Nr. 3865, Târîch-e Beyhaqî, Malek-Bibliothek Teheran, S. 117-118) mit freundlicher Genehmigung des Ketâbchâne va Mûze-ye Mellî-e Malek (Malek-Bibliothek) Teheran (http://malekmuseum.org/) und der Mo’assese-ye Ketâbchâne va Mûze-ye Mellî-e Malek (Stiftung der Malek-Bibliothek) Maschhad

Inhaltsverzeichnis

Kapitelvorschau

Die Autorin

Impressum

Vorwort

Umschrift und andere Besonderheiten

Einleitung

Wer war Abo l-Fazl-e Beyhaqî? – Die Daten

Warum ist Bo l-Fazls Geschichtswerk so bedeutend?

Wie sah Bo l-Fazls Welt aus?

Welche Ereignisse beschreibt Bo l-Fazl?

Wie beschreibt Bo l-Fazl die Entwicklung Mas'ûds?

Bo l-Fazl verstehen lernen: Was will vormoderne Geschichtsschreibung leisten?

Was kann Geschichtsschreibung überhaupt leisten?

Der Sekretär als Geschichtsschreiber

Was wollte uns Abo l-Fazl-e Beyhaqî mit seinem Geschichtswerk sagen?

Epilog

Feedback

Danksagungen

Verwendete Literatur

Verzeichnis wichtiger Namen mit arabischer Variante

Vorwort

Die Welt ist klein geworden. In wenigen Stunden kann man von einem Ende zum anderen fliegen, und täglich hören wir Nachrichten aus fernen Ländern. Aber auch in unserem Alltag leben und arbeiten viele Menschen aus allen Erdteilen unter uns. Auch sie verstehen wir oft nicht richtig.

Dieses Buch ist eine Übung im Verstehen. Es soll Ihnen Menschen aus einer anderen Kultur und einer anderen Zeit nahebringen: was sie taten und mehr noch wie sie dachten. Und wie spannend und aufregend es sein kann, sie verstehen zu lernen. Doch am Ende werden Sie sehen: so unterschiedlich wir sind, wir sind uns doch alle als Menschen sehr ähnlich.

Haben Sie Lust darauf? Sind Sie neugierig auf ferne Zeiten und fremde Kulturen? Dann kommen Sie, ich nehme Sie mit! Wohin? - Erinnern Sie sich an Afghanistan? Dahin soll es gehen. Nur hieß es damals noch nicht Afghanistan. Denn wir reisen zusammen ins 11. Jahrhundert und lernen dort einen außergewöhnlichen persischen Geschichtsschreiber kennen. Er lebte und arbeitete am Hof der Dynastie der Ghaznaviden (977-1186), die zu dieser Zeit über das heutige Afghanistan, aber auch über große Teile Irans, Teile des heutigen Turkmenistan, Tadschikistan, Pakistan und Nordindien herrschte. Der Name dieses Geschichtsschreibers ist Abo l-Fazl-e Beyhaqî, aber ich nenne ihn Bo l-Fazl. So nennt er sich in seinem Geschichtswerk nämlich selbst.

Dieses Geschichtswerk fasziniert mich schon seit achtzehn Jahren. Denn Bo l-Fazl hat sich ebenso sehr für Menschen interessiert wie ich. Deshalb stellt er uns viele seiner Zeitgenossen ausführlicher vor, als es irgendein anderer Geschichtsschreiber seiner Zeit getan hat: ihre Handlungen, ihre Aussprüche, ihre Persönlichkeit, manchmal auch ihre Beweggründe und Ziele. Bo l-Fazl erzählt uns zwar nicht alles, was wir von Geschichtswerken gern wissen möchten, denn er war ein Kind seiner Zeit – also denkbar weit von uns entfernt. Trotzdem erzählt er uns Dinge, die uns wirklich interessieren: wie die Menschen seiner Zeit dachten und fühlten, was sie antrieb und zerstörte. Denn er fand die Beobachtung anderer Menschen wichtig, um sich selbst zu verstehen. Dabei wollte er seinen Lesern helfen, indem er seine Beobachtungen über seine Mitmenschen aufschrieb. Jedenfalls sieht das einer der Forscher so (Kazemi, S. 134).

Wenn das stimmt, dann sind Bo l-Fazl und ich einer Meinung. Denn ich finde, wenn wir uns mit fremden Menschen, mit einer anderen Zeit und einer anderen Kultur befassen, lernen wir auch unsere eigene Zeit, unsere eigene Kultur und damit uns selbst besser kennen. Der Blick auf das Andere verändert auch den Blick zurück auf das Eigene. Und was ist in einer klein gewordenen Welt wichtiger als die Fähigkeit, andere Perspektiven einzunehmen und einen erweiterten Blick auf das Eigene zu bekommen? Das wollen Sie doch, nicht wahr? Mehr erfahren und Ihren Horizont erweitern?

Keine Sorge: Das werden Sie ganz sicher, wenn Sie dieses Buch lesen. Sie werden nicht nur Bo l-Fazl näher kennenlernen und erfahren, was er über seine Mitmenschen erzählt. Sie werden auch eine Geschichte lesen, die bis heute Spuren auf der Landkarte hinterlassen hat, zum Beispiel die heutige Türkei. Und Sie werden erfahren, wie Bo l-Fazl diese Geschichte erzählt. Wir werden gemeinsam darüber nachdenken, warum er sie erzählt und warum so und nicht anders. Dabei werden Sie feststellen, welche Herausforderungen die Geschichtsforschung birgt. Denn es ist nicht alles immer, wie es scheint. Leider ist Bo l-Fazls faszinierendes Werk noch längst nicht vollständig erforscht. Aber vielleicht ist das auch gut so, denn sicheres Wissen ist das Ende der Forschung.

Immerhin gibt es bisher zwei Bücher und eine Masterarbeit über Bo l-Fazls Werk. Nur ist keines davon auf deutsch und auch keines sehr umfangreich. Marilyn Robinson Waldmans Toward a theory of historical narrative von 1980 ist mit gut zweihundert Seiten das dickste der drei und eine Pionierarbeit auf englisch. Filippo Bertottis kleines italienisches Buch L'opera dello storico persiano Bayhaqî von 1991 enthält einige nützliche Beobachtungen. Und Ranin Kazemis Masterarbeit "Morality and idealism: Abu l-Fazl Bayhaqi’s historical thought in Tarikh-i Bayhaqi« von 2005 bietet einen sehr interessanten Interpretationsansatz. Deshalb habe ich sie alle diskutiert. Außerdem gibt es noch ein paar wichtige Artikel auf englisch und natürlich viele auf persisch (nur haben die unsere Erkenntnisse nicht allzu weit vorangebracht).

Doch dieses Buch präsentiert keine neuen Forschungsergebnisse. Ehrlich gesagt, ist mir erst beim Schreiben richtig klar geworden, wieviel Forschungsarbeit noch zu leisten ist. Seitdem hatte ich noch keine Gelegenheit zu einer systematischen Untersuchung. Von mir stammen deshalb keine Erkenntnisse, denn dafür wäre eine solche Untersuchung notwendig. Aber dieses Buch verfolgt ohnehin einen anderen Zweck: Ihnen die Gelegenheit zu geben, Bo l-Fazl, sein Werk und seine Zeit kennenzulernen. Dafür habe ich die interessantesten Erkenntnisse anderer Wissenschaftler zusammengestellt und meine eigenen Eindrücke und Ideen, meine Zweifel und Kritik an den Erkenntnissen anderer auf der Grundlage meiner Lektüre des Werkes hinzugefügt. Dabei habe ich mir ein paar Freiheiten genommen und auch auf Fußnoten verzichtet. So hatte ich mehr Spaß am Schreiben, und Sie haben hoffentlich mehr Spaß am Lesen. Von welchen Wissenschaftlern die Erkenntnisse stammen, kann man am Ende der Kapitel in der Liste der verwendeten Literatur sehen.

Und nun lassen Sie sich nicht länger aufhalten und legen Sie los! Ein wichtiges Ereignis, das Bo l-Fazl beschreibt, machte es möglich, daß aus Kleinasien die Türkei wurde ...

Umschrift und andere Besonderheiten

Im Text werden die folgenden Buchstaben in einer vereinfachten Umschrift wiedergegeben:

Ich habe nicht die deutsche wissenschaftliche Umschrift verwendet, sondern eine an der deutschen Aussprache orientierte vereinfachte Form, weil die professionellen Umschriftzeichen in E-Books nicht korrekt dargestellt werden. Dieses Problem kann man, soweit ich weiß, nur durch Einbetten der Schrift lösen. Aber das ist eine umständliche Lösung und verringert außerdem die Einstellungsmöglichkeiten am E-Reader und damit den Lesekomfort.

Aus demselben Grund war ich auch gezwungen, die Umschrifttabelle als Grafik einzubinden. Als »richtige« Tabelle wäre es zwar hübscher gewesen, aber noch nicht einmal alle Reader/Programme, die ich selbst für die E-Book-Anzeige verwende, stellen die arabischen Schriftzeichen korrekt dar. Ich hoffe, mit dieser Lösung können Sie alles lesen.

Zusätzlich zur Umschrift sind nur noch vier weitere Besonderheiten bei der Darstellung der Namen zu beachten.

1) Wie der arabische Artikel »al-« funktioniert

Er kommt auch im persischen Sprachraum häufig in Namen vor. Vor bestimmten Buchstaben gleicht sich das l in der Aussprache an diese Buchstaben an. Das geschieht zum Beispiel vor dem t und dem d (al-Dîn spricht man ad-Dîn), vor dem s, dem sch und dem z (al-Zawâhirî spricht man az-Zawâhirî) usw. Im Deutschen schreiben wir das in der wissenschaftlichen Umschrift auch so, im Englischen bleibt das l im Artikel stehen. Ich halte mich hier an die deutsche Methode, denn sie erleichtert die richtige Aussprache.

Wenn ein Vokal direkt vor dem »al-« steht, dann fällt das a weg, und wenn es ein langer Vokal ist, so wird er gekürzt. In der deutschen Umschrift kann man dann einfach nur das »l-« stehenlassen. So ein Beispiel ist der Name Abo l-Fazl. Er ist zusammengesetzt aus »Abû« und »al-Fazl«. Das lange û wird verkürzt zu u und auf persisch o ausgesprochen (s. 2) und der Artikel »al-« wird zu »l-«. Deshalb heißt es zum Beispiel Bo l-Fazl (verkürzt aus Abo l-Fazl), aber Bû Nasr (kein Artikel, also keine Verkürzung des û).

2) Wieso arabische Namen auf persisch anders ausgesprochen werden

Im Persischen werden viele Laute des arabischen Alphabets in der Aussprache vereinfacht oder verändert. Persisch ist eben eine indogermanische und keine semitische Sprache. Das heißt, sie ist mit dem Deutschen verwandt und mit dem Arabischen nicht.

Besonders auffällig ist das, wenn Konsonanten oder Vokale verändert werden. So heißt Abo l-Fazl in arabischer Aussprache Abu l-Fadl. Das kurze arabische u wird im Persischen zu o, das kurze arabische i zu e. Weil die persische Aussprache für uns einfacher ist und ich viele Namen direkt aus dem persischen Geschichtswerk zitiere, um das es hier geht, richte ich mich mit der Umschrift nach der modernen persischen Aussprache, wie sie in Iran verbreitet ist. Wichtige Namen führe ich meistens bei der ersten Nennung im Text zusätzlich in der arabischen Schreibweise an. Abo l-Fazl-e Beyhaqî heißt auf arabisch übrigens Abu l-Fadl al-Baihaqî.

Wer einen Überblick über die Aussprache und Umschrift bestimmter Buchstaben im Arabischen und Persischen bekommen will, kann sich die Tabellen der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft dazu anschauen. Man findet sie auf den meisten Webseiten islamwissenschaftlicher Institute. Versuchen Sie etwa diesen Link hier: http://www.ruhr-uni-bochum.de/imperia/md/content/orient/dmg-regeln.pdf. Ich hoffe, er funktioniert noch, wenn Sie ihn aufrufen.

3) Wie arabische Namen funktionieren

Der Buchstabe »b.« mitten in einem Personennamen ist eine Abkürzung für »ibn«. Das bedeutet »Sohn von«. Eine solche Namenskette ist zum Beispiel: 'Alî b. Zeyd im ersten Kapitel. Der Mann heißt also »'Alî, Sohn des Zeyd«.

Namensbestandteile mit »Abû/Abo l-« bedeuten »Vater von«. »Abo l-Fazl« heißt also »Vater von al-Fazl«. Allerdings wartete man im 11. Jahrhundert meistens schon nicht mehr ab, bis ein Mann einen Sohn bekam, um dessen Namen einzusetzen, sondern man gab bereits den Jungen passend erscheinende Namen dieses Typs.

Namensbestandteile, die auf »od-Doule« (»der Dynastie«) oder »ed-Dîn« (»der Religion«) oder ähnlich enden, sind Ehrentitel, die ursprünglich vom Kalifen verliehen wurden.

Am Ende des Namens stehen meist Herkunfts- oder Berufsbezeichnungen wie »der aus Bagdad« (al-Baghdâdî), »der vom Stamm der Kinda« (al-Kindî) oder »der Grammatiker« (an-Nahwî).

Ein traditioneller arabischer Name - und solche Namen waren auch im persischen Sprachraum üblich - bestand daher aus folgenden Teilen:

(Ehrentitel) + »Vater des X« + Eigenname + »Sohn des Y« (evtl. weitergeführt mit »des Sohnes von Z, des Sohnes von...«) + Herkunfts-/Stammes-/Berufsbezeichnung mit der Endung -î

Beispiel: Zahîr ed-Dîn (Ehrentitel) Abo l- Hasan (Vater al-Hasans) 'Alî (Eigenname) b. Zeyd (Sohn des Zeyd)-e Beyhaqî/al-Beyhaqî (Herkunftsbezeichnung)

4) Die persische ezâfe-Verbindung

Das ist ein angehängtes »-e« oder »-ye« wie oben in Zeyd-e Beyhaqî. In arabischen Namen kann es das »ibn« und den arabischen Artikel »al-« ersetzen. Deshalb heißt Abo l-Fazl al-Beyhaqî in persischer Lesart Abo l-Fazl-e Beyhaqî. Das »ibn« läßt man aber oft (abgekürzt als »b.«) stehen, weil das klarer ist. Das persische angehängte »-e« oder »-ye« kann nämlich auch ein Attribut an ein Substantiv anhängen oder eine Genitivverbindung herstellen. Das kann zu Verwirrung führen.

Die meisten Islamwissenschaftler benutzen diese persische Besonderheit gar nicht, wenn sie Namen umschreiben. Stattdessen verwenden sie das arabische »ibn« und den Artikel »al-«. Das kann der größeren Klarheit dienen oder daran liegen, daß die am Arabischen orientierten Islamwissenschaftler das Einfügen der ezâfe nie als Standard eingeführt haben.

Einleitung

Weshalb Kleinasien zur Türkei werden konnte und was das besondere an Abo l-Fazl-e Beyhaqîs außergewöhnlichem Geschichtswerk ist

Den wenigsten Menschen ist bewußt, daß im Jahr 1040 im Nordosten des damaligen Iran eine Schlacht ausgetragen wurde, deren Ausgang die politische und kulturelle Landkarte langfristig verändert hat. Weil der Seldschuke Toghril mit seinen nomadischen Turkmenen diese Schlacht gegen die Truppen Mas'ûds aus der persianisierten turkstämmigen Dynastie der Ghaznaviden gewonnen hat, stand ihm der Weg weiter nach Westen offen. So kamen die Türken schließlich in die Türkei. Oder vielmehr: So wurden die Weichen dafür gestellt, daß aus Kleinasien die Türkei werden konnte. Ohne diese im vollen Wortsinne bahnbrechende Schlacht nahe bei dem Ort Dandânqân könnte unsere Welt also heute anders aussehen.

Natürlich ist ein solches Gedankenspiel für Historiker problematisch. Die Frage: »Was wäre gewesen, wenn…?« läßt sich wissenschaftlich nicht beantworten. Dazu müßte es nämlich möglich sein, die Antwort zu überprüfen. Doch wer kann schon wissen, was gewesen wäre, wenn…? Jedes Ereignis beruht auf so vielen unterschiedlichen großen und kleinen Voraussetzungen und Geschehnissen, daß man sie nie alle überblicken kann. Also kann man auch nicht wissen, was passiert wäre, wenn eines dieser Elemente weggefallen und durch ein anderes ersetzt worden wäre. Es gibt unzählige Möglichkeiten, die man durchspielen müßte.

Man kann also darüber nachdenken, was gewesen wäre, wenn… Aber man kann nicht überprüfen, ob eine mögliche Antwort richtig oder falsch ist. Andererseits wimmelt die Geschichtsschreibung von Schlachten, Ereignissen und Situationen, die als Wendepunkte oder als Gründe für neue Entwicklungen gelten. Und wenn ein bestimmtes Ereignis tiefgreifende Folgen gehabt und wichtige Veränderungen in Gang gebracht haben soll, dann heißt das im Umkehrschluß, daß die Geschichte ohne dieses Ereignis anders verlaufen wäre. Sobald man also Einschätzungen vornimmt, setzt man immer eine Überlegung zu der Frage »Was wäre gewesen, wenn…?« voraus. Genau so eine Einschätzung habe auch ich vorgenommen, als ich zu Beginn dieser Einleitung geschrieben habe, der Ausgang der Schlacht von Dandânqân im Jahr 1040 habe die politische und kulturelle Landkarte verändert. So gesehen, ist es nicht abwegig, daß sich manche Historiker auch mit der Frage »Was wäre gewesen, wenn…?« beschäftigen. Man nennt das »kontrafaktische« oder »virtuelle« Geschichte.

Steht die Schlacht von Dandânqân also für einen Wendepunkt? Zumindest sprechen dafür ebenso gute Gründe wie bei vielen anderen Schlachten. Dandânqân gehört in dieselbe Reihe gewichtiger Namen wie Issos oder die Thermopylen. Trotzdem haben die wenigsten Menschen im Geschichtsunterricht von diesem Ort gehört. Die Anzahl derjenigen, die den Ort kennen, dürfte noch geringer sein. Dandânqân lag westlich von Marv – das ist Mary im heutigen Turkmenistan. Und was dort geschehen ist, erstaunt fast so sehr wie die rasanten Eroberungszüge Alexanders des Großen über den größten Teil der bekannten Welt: Mas'ûd von Ghazna, einer der mächtigsten Herrscher seiner Zeit, wird mitsamt seiner umfangreichen, schwer bewaffneten und gut ausgebildeten Armee von drei Männern aus der Familie Seldschuk – Toghril, Tschaghrî und Yabghû – mit ihrem vergleichsweise kleinen Häuflein leicht bewaffneter turkmenischer Reiternomaden vernichtend geschlagen und in die Flucht gejagt.

Wie konnte es dazu kommen? – Das fragen nicht nur wir uns, das haben sich auch die Zeitgenossen gefragt. Dergleichen Ereignisse sind schwer zu begreifen. Wer es trotzdem versuchen will, muß sich fragen, wer dieser Mas'ûd von Ghazna eigentlich war. Warum er nicht in der Lage war, seine überlegenen Kräfte zu nutzen. Wie er das Kernland seines Reiches, Chorâsân – das »Land des Sonnenaufgangs«, die riesige Ostprovinz des iranischen Kulturgebietes – an eine Horde von Reiternomaden verlieren konnte. Diesen Fragen hat sich schon lange vor uns jemand gewidmet: ein Zeitgenosse, ein Zeuge der Ereignisse. Ihm verdanken wir eines der originellsten Werke der muslimischen Geschichtsschreibung. Obwohl Mas'ûd von Ghazna nicht in die Legenden und in die persische Literatur eingegangen ist wie sein Vater Mahmûd, wissen wir durch dieses Werk viel mehr über ihn als über die meisten anderen Herrscher seiner Zeit. Wir wissen mehr nicht nur über sein äußeres Leben, sondern auch über seine Persönlichkeit. Denn durch einen grandiosen schöpferischen Akt entstand eine Dynastiegeschichte der Ghaznaviden, deren Umfang die bis dahin verfaßten persischen Geschichtswerke weit übertrifft. Der Schöpfer dieser Dynastiegeschichte war Abo l-Fazl-e Beyhaqî oder Bo l-Fazl. Bereits unter Mas'ûds Vater Mahmûd war er Sekretär in der ghaznavidischen Reichskanzlei gewesen. Sein monumentales Geschichtswerk ist unter vielen Titeln bekannt und nur in Bruchstücken erhalten.

Unter modernen Historikern hat sich der Titel Târîch-e Beyhaqî durchgesetzt. Das bedeutet »Geschichte des Beyhaqî«. Dieser Titel teilt also nur mit, wer der Verfasser war. Dagegen bezeichnet ein anderer Titel - Târîch-e Mas'ûdî oder »Geschichte Mas'ûds« - nur die erhaltenen Teileund beschreibt auch gleich deren Inhalt:die Herrschaftszeit des Mas'ûd von Ghazna, seine Persönlichkeit und Entwicklung als Herrscher, die Rolle seiner Ratgeber und natürlich die Hofintrigen, all das ausgeführt in nicht ganz sechs Bänden und auf knapp tausend Druckseiten. Doch das Besondere an diesem Werk ist nicht sein ursprünglicher Umfang oder daß nur ein kleiner Teil davon erhalten geblieben ist. Es ist noch nicht einmal sein Thema, denn so originell ist Dynastiegeschichte auch wieder nicht. Das Besondere an diesem Werk liegt in seiner Lebendigkeit.

Schon wenn man das Buch aufschlägt, kommt es einem vor, als läse man in einem Roman: Wir steigen sofort in die Handlung ein, genauer gesagt in einen Brief, den die besorgten Gefolgsleute des Thronfolgers Amîr Mohammad an dessen Bruder Mas'ûd schreiben, nachdem sie von seinem Herannahen gehört und deshalb Mohammad ab- und gefangengesetzt haben. (Eine deutsche Übersetzung des Brieftextes finden Sie kostenlos hier: http://de.berlin.icro.ir/uploads/tarihi_beyhaqi_in_deutscher_Uebersetzung_82897.pdf). Freilich kommt es zu diesem unmittelbaren Einstieg nur, weil der erhaltene Teil des Gesamtwerkes mitten im fünften Band und am Ende der Herrschaftszeit von Amîr Mohammad einsetzt. Er zeigt also nicht die Kompositionskunst des Verfassers, denn den ursprünglichen Beginn des Werkes kennen wir nicht.

Doch auch sonst sind die Zutaten für einen guten Roman vorhanden: In Mas'ûd haben wir einen Protagonisten vor uns, dessen Entwicklung und Schicksal wir über das gesamte Werk hinweg verfolgen. Es gibt einen bösen Geist, der schlechte Ratschläge erteilt, ebenso wie gute und treue Ratgeber, die immer wieder dabei helfen, Katastrophen abzuwenden. Wir finden äußere Feinde, gegen die der Protagonist kämpfen muß, doch auch familiäre Spannungen und Machtkämpfe, Kummer und Freude, Hoffnung und Enttäuschung kommen nicht zu kurz. Bo l-Fazl beschreibt die Kleidung der handelnden Personen, schildert ihr Verhalten, ihre Regungen, ihren Charakter, läßt sie miteinander sprechen und agieren. Er malt sorgfältig die Kulissen für uns aus und führt uns die Pracht der ghaznavidischen Hofhaltung und die Atmosphäre von Weingelagen vor. Wir erfahren, wenn es außergewöhnlich kalt ist und wann Feste gefeiert werden. Sogar unterschiedliche Berichte über ein und dieselbe Schlacht bietet er uns. Ein Günstling steigt hoch auf und stürzt danach in die Tiefe, nur um bald darauf die Gunst des Herrschers zurückzugewinnen. Geschichten von Verrat und unumstößlicher Treue, von Schmeichelei und Geradlinigkeit, von niederen Trieben und edler Gesinnung fesseln uns. Es gibt menschliche Tragödien ebenso wie biographische Abrisse mit glücklichem oder offenem Ende.

Aber wer uns da begegnet, das sind echte Menschen, nicht nur gut erfundene Figuren. Es sind Menschen mit Hoffnungen und Ängsten, mit Stärken und Schwächen, mit guten und schlechten Seiten. Sie haben wirklich gelebt, und dank Bo l-Fazl stehen sie uns lebendig vor Augen – so, wie er sie gesehen hat. Manche von ihnen würden wir ohne sein Werk heute nicht einmal dem Namen nach kennen. Sie wären tot und vergessen. Aus den Seiten von Bo l-Fazls Werk springt uns das pralle Leben an einem mittelalterlichen Hof im Osten der persischsprachigen Welt entgegen. Mit seinem Werk voll erlebter Menschen und Ereignisse übertrifft Bo l-Fazl also das, was ein Romanautor für gewöhnlich tut. Aber ebenso sehr übertrifft er das, was die persischen Geschichtsschreiber vor und nach ihm überliefern: Aufzählungen von Daten und Fakten, beispielhafte Typen statt individueller Persönlichkeiten oder im besten Fall kurze lebendig geschilderte Passagen hervorstechender Szenen. Schon deshalb kann jeder sein Werk mit Gewinn lesen, den das Leben in vergangenen Zeiten, außergewöhnliche Persönlichkeiten und eine gute Geschichte begeistern.

Noch viel spannender ist das Werk für all diejenigen, die wissen wollen, wer dieser Mas'ûd von Ghazna gewesen ist und wie er den größten Teil seines Reiches verlieren konnte, obwohl er als großartiger Krieger galt. Nicht ohne Grund schlugen sich die Anhänger seines Bruders auf seine Seite, sobald sie hörten, er sei im Anmarsch, um sein Recht auf den Thron einzufordern. Die Armee stellte sich hinter ihn. Er war für seine Eroberungen berühmt. Und doch führte er sein mächtiges Reich, sein aufstrebendes Herrscherhaus, das sich erst vor einer Generation unabhängig gemacht und gegen gefährliche Rivalen durchgesetzt hatte, an den Rand des Abgrunds. Auch Bo l-Fazl beschäftigt dieses Thema: In allen Einzelheiten zeichnet er die Entwicklung von dem vielversprechenden jungen Herrscher, der im Jahr 1030 den Thron erobert, bis hin zu dem tyrannischen Trunkenbold nach, der im Jahr 1040 seinen Platz im Machtgefüge Westasiens verspielt und schließlich das Leben verliert.