Dat is Ansichtssache! - Steffen Kersken - E-Book

Dat is Ansichtssache! E-Book

Steffen Kersken

0,0

Beschreibung

Steffen Kersken schreibt in gewohnt, launiger Manier über die Gesellschaftserkrankungen unserer Zeit. Der Ergotherapeut begegnet diesen schweren Themen mit Humor, Gedichten und Reflexionstexten, aber auch mit Momentaufnahmen aus seiner niederrheinischen Heimat. Der preisgekrönte Autor wirft einen süffisanten Blick auf die Psyche des Niederrheiners und benutzt seinen typischen Sarkasmus, um Themen wie Burnout, die Depression oder Panikstörungen zu erklären. Kersken bietet zudem lebbare Tipps aus der alltäglichen, therapeutischen Arbeit, z.B. wie wir besser "Nein sagen" können, Ziele definieren oder Bedürfnisse erkennen können. Der preisgekrönte Autor scheut sich nicht, seine eigene Gilde, die Therapeuten und Ärzte, auf die Schippe zu nehmen. Er benutzt den niederrheinischen Humor, um Themen wie Schmerz, Trauer oder Selbstfindung auf Augenhöhe zu begegnen. Steffen Kersken gelingt es in seinen herzlichen Texten, Anekdoten aus dem Leben sowie nachdenklichen Gedichten, die Gefühle von Erkrankten zu transportieren und sie verständlicher zu machen. "Der Niederrheiner hat es dem 36-jährigen jungen Mann in seinem vierten Werk besonders angetan. Und diesen Typus Mensch betrachtet der Autor dann mal aus einer ganz besonderen Sicht. So schreibt er in munterer-launiger Art, allerdings auch mit einer gewissen Portion Ernst über die Psychologie des Niederrheiners, erzählt kleine Geschichten aus der großen Welt und wer nix versteht, dem wird das Niederrhein Sprachlexikon gleich mitgeliefert." Petra Schmidt Neue Ruhr Zeitung / NRZ

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 200

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Steffen Kersken Dat is Ansichtssache!

Für Maya Sophie und Judith

---

Für Heinrich

Steffen Kersken

„Dat is Ansichtssache!“

Die Psychologie des Niederrheiners Tipps aus der Verhaltenstherapie

Impressum

© Rechte Steffen Kersken Erste Auflage

Umschlag Steffen Kersken & Verlag Tredition

Verlag: tredition GmbH

978-3-7323-5598-3(Paperback)

978-3-7323-5599-0(Hardcover)

978-3-7323-5600-3 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Vorwort

Niederrhein Floskel Lexikon

Hier bei uns am Niederrhein

Klischees

Resilienz

Alles zu seiner Zeit

Verdrängung

Motive und Farben

Faktoren

Depression

Burnout

Trauer

Panikstörung

Zwangsstörung

Reflexionstexte

Klassiker

Vorwort

Die Gesellschaft in der wir leben verändert sich stetig, sie zieht wie ein reißender Fluss alles mit sich. Damit meine ich nicht nur wirtschaftliche Veränderungen, sondern auch die Strukturen innerhalb von Firmen und wie wir im Rahmen unserer Berufskultur miteinander umgehen. Werte und Normen verschieben sich, immer mehr Menschen wollen Karriere machen und weniger eine Familie gründen, oder unsere älter werdenden Eltern pflegen. Die Geburtsraten sinken dadurch zunehmend, zeitgleich werden wir Menschen immer älter und müssen gepflegt werden. Aber wie sollen wir diesen Gesellschaftswandel tragen und vollziehen, ohne dass unser Sozialsystem kollabiert? Flüchtlinge aus Kriegsregionen und sozial schwachen Ländern, steigende Erkrankungsraten durch psychische und körperliche Ausfälle belasten es zusätzlich. Der einzelne Mensch hält diesen Wandel von Normen, Werten, Leistungsdruck und Weltpoltischen Veränderungen nicht immer stand. Die Statistiken zeigen, dass immer mehr Menschen mit Depressionen, Panikattacken, oder Burnout auf der Strecke bleiben. Aber woran liegt das?

Eine Antwort scheint mir selbst im Rahmen meiner täglichen Arbeit mit Menschen immer bewusster geworden zu sein:

Dem Einzelnen fehlt immer weniger eigene Orientierung im Leben und eigener Selbstwert, er geht in den hohen Anforderungen und Werten einer Leistungsgesellschaft, aber auch an den vermittelten Werten und Ansichten unserer Vorgänger Generationen, im wahrsten Sinne des Wortes, zu Grunde. Heutzutage erhalten wir immer weniger Anerkennung auf gesunder Basis, sondern nur wenn wir etwas geleistet haben, in Form einer Prämie oder einer Gehaltserhöhung.

Dieses Denken, „Anerkennung durch Leistung“, entsteht bei vielen Menschen schon im Kindesalter. Nicht selten schildern mir Patienten vom Prinzip Fahrrad, so nenne ich es einmal:

„Du bekommst das Fahrrad nur, wenn du in Mathe ne zwei schreibst!“.

„Da gab es dann auch schon mal einen Klaps, der auch mal fester war!“, ein weiterer Satz, den ich öfter höre. Aber was steckt da hinter? Eine ganz einfache Gleichung, die sich als Leitfaden durch unsere gesamte Arbeitskultur zieht, und oft von unseren Eltern- und Großelterngenerationen als Mittel zur gesunden Erziehung verwendet wird:

Du bekommst Liebe und Anerkennung, wenn du etwas geleistet hast. Du bekommst eine Bestrafung, wenn du Fehler machst.

Verstehen sie mich nicht falsch, ich möchte hier weder die vergangenen Generationen schlecht machen, oder gar behaupten, dass wäre in jeder Familie das Mittel von Erziehung. Aber wenn wir Dingen auf den Grund gehen wollen, dann müssen wir die Wurzeln erforschen und uns die Frage stellen, warum immer mehr Menschen dem Druck des Alltages nicht gewachsen sind. Sind psychisch Erkrankte etwa alles Versager? Gab es früher einfach weniger Versager als heute? Oder ruhen sich die Leute nur in unserem Sozialsystem aus? Auch ein beliebtes Klischee.

„Früher gab et doch auch nicht Burnout! Mit der Modekacke von Krankheit kann mir keiner kommen! Früher sind wir auch bei Wind und Wetter arbeiten gegangen!“.

Ein schöner Stammtisch Satz, der gerne mal beim Glas Bier über den Tresen fliegt.

Ich lasse diesen Satz nicht einfach so stehen, sondern gehe an die Wurzel und harke nach. Interessanterweise fallen dann oftnoch ganz andere Sätze.

Zum Beispiel: „Von wegen Weltreise oder Party machen, meine Eltern haben mich direkt nach der Schule zum Studium gedrängt. Aber aus mir ist auch wat geworden!“, oder „Wenn ich mal länger im Bett lag, da hat mich mein Vadder zur Arbeit geprügelt!“.

Diese Sätze vermitteln erst mal Stolz, Werte und platt gesagt, ich habe alle Erwartungen erfüllt, so wie man sich das vorstellt – so wie meine Eltern sich das vorgestellt haben.

Bei genauerem Nachfragen erfahre ich sehr viel über die Eltern dieser Satzgeber, zum Beispiel konnten viele Eltern nicht über ihre Gefühle sprechen, überhaupt waren sie nur dann kommunikativ, wenn es um Arbeit ging und Umarmungen waren meistens nur bei Beerdigungen, oder Hochzeiten angesagt. Zum anderen waren Sie aber selber beruflich sehr erfolgreich, sehr diszipliniert, eben ein Vorbild wie man es sucht. Diese Eigenschaften und Verhaltensmuster wurden natürlich auch durch die Sozialisierung im 2.Weltkrieg, und die Zeit direkt danach, verstärkt: „Wiederaufbau und Funktionieren, auch wenn alles in Schutt und Asche liegt.“

„Meine Eltern waren immer für andere Menschen da, besonders für die Familie, manchmal sogar ein Bisschen zu viel, wenn die sich überall und bei Entscheidungen eingemischt haben, aber die wollten ja nur helfen!“, heißt es dann oft am Tresen.

Nimmt man dieses Weltbild genauer unter die Lupe, dann haben wir wieder unser Fahrradprinzip vor Augen: Disziplin, Ziele verfolgen, Umarmungen und Lob nur auf Hochzeiten und Beerdigungen, oder wenn du was geleistet hast, und über Gefühle spricht man nicht! Und tu das, was man dir sagt!

Wenn du Fehler machst, dann gibt es einen auf die Nuss.

Dieses Prinzip kriegen wir früh eingeimpft und übernehmen es im Erwachsenenalter, teilweise bewusst und teilweise unterbewusst, in unsere Verhaltens- und Denkmuster. Dadurch entstehen Verhaltensprogramme, also Denk und Gefühlsmuster, die häufig und pauschal auf alle Lebensbereiche angewendet werden, ohne sie differenzierter, den Umständen entsprechend anzupassen. Ein Beispiel:

Wir funktionieren diszipliniert auf der Arbeit, aber auch im Familien und Alltagsleben. Wir kommen nach Hause, schrubben die Bude, bringen die Kinder weg, passen auf die Enkel auf, lösen Probleme für andere mit, zerbrechen uns für andere den Kopf und Abends wird noch ein drei Gänge Menü gezaubert. Etwas übertrieben, aber mit Sicherheit ernten wir für diese „Hanns Dampf in allen Gassen“ Mentalität viel Anerkennung. Aber dann ist der Tag vorbei, er hat ja nur 24 Stunden, und wir haben vom Prinzip her nichts für uns selbst getan. Wir haben weder für Ruhe gesorgt, noch Entspannung, weder nette Begegnungen gehabt, noch Sport getrieben oder das getan, wozu einem gerade der Sinn steht. Sprich: Wir unseren eigenen Bedürfnisse nicht befriedigt. Es besteht schnell die Gefahr, dass wir unseren eigenen Kindern dieses Denken weitergeben, Umarmungen auslassen, oder zu oft bestrafen und falsch Loben, oder falsche externe Verstärkungen geben. Durch das ständige Funktionieren müssen und unserer Gewinner Mentalität, verlieren wir oft den Blick für uns selbst, für das Kleine, für eine Umarmung, für ein nettes Wort, für ein einfaches Lob, für differenzierte Bewertungen und Wertschätzungen in unserem Alltag. Wir verlieren damit auch den differenzierten Blick im Umgang mit unseren Mitmenschen. Scheitern ist out, das Funktionierenwird belohnt. Genauso landen viele Menschen in unseren imaginären Schubladen. Vorurteile entstehen.

Das heißt im Klartext, dass wir das Leistungsprinzip früh als Werte und Normen vermittelt bekommen, diese im Erwachsenenalter weiter Leben, es durch unsere Arbeits- und Sozialkultur verstärkt wird, und an unsere Kinder oft unbewusst weitergeben. Wir züchten damit aber die Menschen, die sich über lange Sicht in dieser Gesellschaft verlieren werden. Eine Gesellschaft, die durch unsere Werte und Normen, und durch unsere Ansichten der Dinge entsteht. Sie lebt durch unsere Ansichten der Dinge. Wenn am Tresen das Gespräch weg von Phrasen in die Tiefe geht, dann kommen oft noch ganz andere Dinge zu Tage:

„Mein Vadder war schon en harter Hund! Disziplin habe ich von ihm gelernt, dat stimmt. Aber ich hätt mir schon hin und wieder ein Drücker gewünscht, oder en Bisscken Wärme. Ich konnte mit ihm auch nicht über meine Probleme sprechen! Der hat ja selber nie Probleme gehabt, so sah dat zumindest immer aus. Ich konnte ihm eigentlich auch immer nur gefallen, wenn ich wat erreicht habe! Nur dann hat der mal gelacht, oder wir haben miteinander gesprochen!“.

Eigentlich tief traurig, wenn man es genauer betrachtet. Liebe durch Anerkennung, nur gemocht werden, wenn ich es dir immer recht mache.

Eigentlich sind diese Phrasenwerfer am Tresen Tod unglücklich, aber sie haben nie etwas anderes gelernt. Sie haben nie gelernt Nein zu sagen, über Gefühle zu sprechen, Bedürfnisse zu erkennen, das versagen nicht schlimm ist, wir auch gemocht werden können, auch wenn wir versagen.

„Ich hätte das meinen Kindern auch gern anders mitgegeben, aber irgendwie hab ich den Bogen nie gekriegt. Meine Ex Frauhat sich auch immer beschwert, datt ich nie über meine Probleme gesprochen habe.“, oft bekommt das Gespräch dann eine ganz andere Richtung.

Die Gesellschaft in der wir leben, besteht aber aus den Werten und Normen unserer Vorgänger Generationen, nämlich aus dem Fahrrad Prinzip, und diese Werte sind nach meiner Meinung nicht mehr zeitgemäß! Es fehlt an Werten, und damit auch an Normen, die Bedürfnisorientiert ausgerichtet sind und weniger Leistungsorientiert mit Belohnungs- und Bestrafungs-Systemen. Die Wirtschaft und Arbeitswelt ist Basis unserer Gesellschaft, unseren sozialen Systemen und unseres Wohlstandes, natürlich sollten wir diese nicht auf dem Kopf stellen. Aber warum dürfen wir nicht menschlicher miteinander umgehen, hin und wieder Strukturen verändern, die es den Menschen ermöglicht sich zu entfalten, Orientierung zu geben und eine gesunde Anerkennung zu erhalten. Beruf kommt von Berufung, in dem wir unsere Stärken ausleben können, und Dinge tun sollten, die uns Freude bereiten und glücklich machen. Aber viele Menschen funktionieren nur um zu überleben, benutzen die Arbeit zum Zweck. Nicht wenige fahren morgens mit Bauchschmerzen zur Arbeit, weil sie dort nicht glücklich sind. Immer mehr Menschen kippen aus den Socken und halten den Druck nicht aus. Überstunden, Überforderung, fehlende Wertschätzung und Mobbing sind die täglichen Begleiter des Arbeitsplatzes. Diese Menschen erleiden Symptomatiken, wie Gefühlsleere, Angstzustände, permanente Traurigkeit, bis hin zur Sinnfrage des Lebens: Warum tue ich mir das hier jahrelang an?

Weil wir es von Kind an so gelernt haben, und oft die falsche Anerkennung bekommen haben, also ein schlechtes Selbstwertgefühl ausgebildet haben.

Diese Tatsache fällt besonders bei Argumentationen auf, indem viele Menschen das unbestimmte Fürwort „man“ benutzen:

„Man macht das nicht!“, „Man kann doch nicht einfach…“, oder „Man möchte ja nicht…“. Wer ist man? Man steht begrifflich eigentlich für das , was „man“ uns irgendwann beigebracht hat. Warum sagen wir nicht:

„Früher habe ich öfter nicht „Nein“ gesagt, dass hat sich nun geändert!“

„Ich“ bedeutet Orientierung, es bedeutet, dass wir gemachte Erfahrungen nutzen um Verhalten zu verändern! Aber darf „man“ das? Klar darf ich das!

Wer sind eigentlich die Versager die eine Therapie machen?

Die Prozentzahlen von Erkrankten bei Manager- und Führungskräften mit Burnout steigen, auch die Zahl der Selbständigen in Behandlung hat sich dramatisch erhöht.

Die Menschen die von der Tischkante fallen mit Burnout, Depression oder Panikattacken sind keine Versager, denn sie haben oft mehr geleistet als andere, um im Alltag zu funktionieren, irgendwie die Situation zu retten. Fassade aufrecht zu erhalten bedarf Talent und Ausdauer. Sie sehen sich aber oft selbst als Versager an. Das ist das wirklich schlimme daran, schließlich sehen Außenstehende ihnen die Erkrankung nicht an, wie ein Gipsbein etwa. Aber schauen wir doch mal in die USA:

In Amerika ist die Verhaltenstherapie mit über 100.000 Therapeuten und Psychologen im Schnitt, zum Trend geworden. „Ich hab gleich einen Termin bei einem Therapeuten!“ ist dort ein ganz normaler Satz! Sind die Amerikaner alle Plemm Plemm? Einige Stammtischfreunde würden behaupten „Ja“, ich sage „Nein“! Die Amerikaner haben gelernt, wie wichtig es ist einen Berater an der Seite zuhaben, der hilft, durchs Leben zu gehen, Kraft zu tanken. Keinen Freund! Einen strengen Berater der Tipps gibt, wie wir die Gesellschaftsanforderungen besser bewältigen können.

Was genau lässt uns heutzutage Scheitern, vielleicht weil wir den Umgang damit nie gelernt haben?

Häufige Themen in der Verhaltenstherapie sind:

Ich kann nicht Nein sagen, weil ich gemocht werden möchte

Konkurrenz und Mobbing, also Konflikte richtig lösen, Konfliktverhalten

Fortbildung statt Fortpflanzung, lustiger Ausdruck der dafür steht, dass wir oft unser wahren Bedürfnisse nicht erkennen und eher beruflichen Status folgen Also Führungsposition statt Familie und Partnerschaft

Umgang mit Verletzungen, Kränkung, oder narzisstisch geprägten Kränkungen

Trauer- und Trennungsverarbeitung

Sich selbst mehr mögen, einen gesunden Selbstwert erlangen

Wir scheitern im Beruf, nicht weil wir nicht kompetent sind, oft weil wir häufig in anderen sozialen Bereichen, zum Teil in der Sozialisierung unserer Kindheit und Jugend, in der Beziehungs- und Konfliktführung, eventuell falsche Erfahrungen gemacht haben und der Umgang damit, im Erwachsenenalter zum Ballast wird.

Diese Tatsache können viele Außenstehende nicht nachvollziehen, die Burnout als Modekrankheit bezeichnen. Für sie steht das Scheitern alleine, aber nicht der Mensch mit seinen Kindheitserfahrungen, oder Vorerfahrungen. Der Chefder hinter dem Schreibtisch steht und tadelt, ist für viele nur ein Chef, aber für andere der imaginäre Vater der jahrelang Leistungsdruck und Schläge verteilt hat. Der Vater hat emotionalen, wie körperlichen Missbrauch betrieben und der Chef ist weiterführender Trigger, also Auslöser von Gefühlen durch negative Erfahrungen.

Die eigene Vergangenheit holt einem im Alltagsleben ein, bis wir beruflich scheitern und dem Druck nicht mehr standhalten können. Es steckt oft mehr hinter einer Depression oder Panikattacke, als das eigentliche Scheitern und einfach fehlende Belastbarkeit im Beruf.

Aber wie sagt der Niederrheiner so schön:

„Man kann den Leuten nur vorm Kopp gucken!“ Es wäre schön, wenn dieser Spruch nicht nur auf Misstrauen bezogen werden würde, sondern auch die Bedeutung erlangt, dass hinter der Fassade eines Menschen auch Erfahrungen stecken, die viele Verhaltensweisen begründen.

Viele Unternehmen bewegen sich in die richtigen Richtung, sie integrieren Kindergärten in die Betriebe ein, Stärken die Rolle der Frau, bzw. halten Arbeitszeiten zum Schutz der Familie ein, verteilen Verantwortung um Führungskräfte und Mitarbeiter zu entlasten und zu stärken. Unternehmen sollten viel mehr investieren um den Umgang der Angestellten in den einzelnen Rollen zu schulen, damit nicht zu viel eigene Geschichte und Erfahrungen in Rollenbilder einfließen. Sein wir doch mal ehrlich: Die Rolle des Chefs gibt macht, Anerkennung, ob durch Druck entstanden oder menschlich erarbeitet. Nicht selten sind gerade Chefs narzisstisch geprägt, und richten bei Mitarbeitern und Angestellten enormen Schaden an, oft ohne dass sie es merken.

Was kann Verhaltenstherapie daran konkret ändern?

Verhaltenstherapie kann die Welt nicht ändern, auch nicht Vorhandene Strukturen, oder was der Chef über mich denkt, oder wie er mich behandelt. Verhaltenstherapie kann aber den Blick auf sich selbst ändern, das Selbstbild stärken, persönliche Werte und Normen schaffen und für Abgrenzung sorgen.

Die Wirtschaft ist Basis unserer Systeme, natürlich können wir dort nicht alles auf den Kopf stellen. Aber warum dürfen wir nicht emotionaler, offener und menschlicher miteinander umgehen, um dieses System und seine Leistungsfähigkeit zu stärken. Studien zeigen, je unzufriedener die Angestellten sind, desto weniger Leistung und eigenverantwortliches Handeln bringen sie in den Job mit ein.

Warum also dieses Buch?

Ich möchte Menschen einen Einblick in die Verhaltenstherapie bieten, die gegeben falls noch nie mit einer Gesprächstherapie in Berührung gekommen sind. Tipps und Hilfsmittel für die unterschiedlichsten Lebenssituationen sind nicht nur für „Erkrankte“ hilfreich, sondern für jedermann ein mittel zum reflektieren und anwenden. Ich möchte die Angst vor Therapie nehmen und Vorurteile gegen Erkrankte abbauen, sowie Aufklärung für gewisse Erkrankungen bieten.

Das Buch soll nicht trocken daher kommen oder im Fachchinesisch geschrieben sein, sondern Alltagsnah und Zeitgemäß verständlich für jedermann zu lesen sein. Ich möchte mit Gedichten, niederrheinischem Humor, Geschichten, Anekdoten, und Tipps aus der Verhaltenstherapie schwere Themen näher bringen, sodass Erkrankte und Therapien besser verstanden werden. Mein letztes Buch, „Da machste nix dran!“ war in vielen Internetshops ein Bestsellerund zeigt, dass sich viele Menschen mit diesen Themen und auch über sich selbst Gedanken machen.

Was hat der Niederrhein mit Verhaltenstherapie zu tun?

Wir Menschen therapieren uns eigentlich selbst durch unser Umfeld in dem wir leben, mit den Menschen in unserem Umfeld, sprich das leben spielt sich vor meiner Haustüre ab. Ich teile Leid, Erfolg, Liebe und Schmerz, das Auf und Ab des Lebens mit meinen direkten Mitmenschen und nutze die Ressourcen in meiner Umgebung, um durch das Leben zu kommen. Ich lebe am Niederrhein und die Menschen hier sind echte Typen. Sie eignen sich hervorragend als Studienobjekte und zeigen, dass wir alle besondere Menschen sind und nicht alles an uns, auch eine Macke, immer schlecht ist. Wir müssen nur lernen uns selbst in unserer Art, mit unseren Schwächen und Stärken, zu akzeptieren. Das macht unsere Welt bunt und liebenswert. Hier am Niederrhein ist die Welt bunt und liebenswert, voller facettenreicher Menschen und Typen, die ganz besonders sind. Ihre Schwächen und Eigenarten wurden zu einer typischen Lebenskultur und das ist etwas besonderes in dieser Welt, über das ich berichten möchte.

Euer Steffen

Spruch:

„Ich sitze gerne in meinem Garten unter dem

Apfelbaum in Oestrum am Niederrhein,

trinke eine Flasche guten Rioja

und schaue so herum, wie die Bienen von Blüte

zu Blüte fliegen. Hin und wieder fällt ein Appel

vom Ast herunter auf meinen Kopp,

und irgendwie kommt mir dann eine Idee.

Wenn mir genügend Äppel auf den Kopp gefallen

sind, habe ich genügend Ideen für ein neues Buch

zusammen.“

Steffen Kersken, 2009

Niederrhein Floskel - Lexikon

Viele Themen werden in diesem Buch mit Hilfe von Anekdoten und Beispielen aus dem Leben der Niederrheiner verdeutlicht. Der Niederrheiner ist ein Typ für sich und spricht seine eigene Sprache.

Häufig sagt er etwas, meint aber etwas völlig anderes. Das heißt, die Botschaft die er sendet muss der Empfänger übersetzen können. Ein Niederrheiner weiß oft was sein Gegenüber mit einer Floskel oder einem Ausspruch meint, aber für Außenstehende muss das nicht unbedingt der Fall sein. Ich könnte auch sagen, dass der Niederrheiner oft widersprüchliche Signale sendet. Der Empfänger braucht quasi einen Code um die Botschaften eines Niederrheiner zu verstehen, deshalb gibt es in meinen Büchern ein Niederrhein Floskel – Lexikon, um die Botschaften und die Welt des Niederrheiner verständlicher zu machen. Es ist nicht Alphabetisch geordnet, sondern frei nach Schnauze verfasst!

*Dat is Ansichtssache

Der Buchtitel und zugleich einer der beliebtesten Sätze am Niederrhein.

Wenn dem Niederrheiner eindeutig nachgewiesen ist, dass er definitiv kein Recht hat, also absolut im Unrecht ist, dann verwendet er die Floskel: „Dat is Ansichtssache!“.

Die Floskel wird benötigt, um seinem Gegenüber nicht direkt Recht geben zu müssen. Der Niederrheiner hasst es nämlich im Unrecht zu sein.

„Dat is Ansichtssache!“ ist das Pseudonym für „Stimmt, da lag ich Falsch!“.

Niederrheiner streiten ja so unheimlich gerne und in allen Lebenslagen. Man könnte fast meinen, Streiten ist am Niederrhein ein offiziell anerkanntes Hobby.

„Schatz, ich geh mal für ein Stündchen rüber inne Kneipe, einfach en Bisscken streiten und klugscheißen!“.

„Okay Schatz. Viel Spaß!“.

Der Niederrheiner will ja auch immer Recht haben, obwohl er vom Prinzip überhaupt nicht weiß, wovon er da wirklich spricht. Egal was für ein Thema gerade über den Stammtisch geht, der Niederrheiner gibt einfach seinen Senf dazu. Er stellt einfach mal eine These auf oder eine Behauptung, bezieht Stellung oder korrigiert andere lehrerhaft. Ist doch egal, wenn man nur son Bisscken von etwas weiß. Halbwissen reicht immer um im Recht zu sein. Ein fundiertes Halbwissen ist die halbe Miete.

Selbst wenn einer der Streithähne eine Urkunde auf den Tresen legt, die vom Bürgermeister höchst persönlich beglaubigt ist, und eindeutig beweist, dass der andere falsch liegt, so schiebt der Ertappte die Urkunde weg und sacht: „Dat is Ansichtssache!“.

Beide Parteien haben so das Gefühl recht zu haben und können, mehr oder weniger friedlich, ihr Bier weiter trinken.

*Wer weiß, wofür et jut is

Wenn der Niederrheiner Mist gebaut hat und das auch ganz genau weiß, dann verwendet er die Floskel: „Wer weiß, wofür et jut is!“.

Er möchte damit die Situation irgendwie retten und von seinem Fehler ablenken.

Psychologisch betrachtet eine gute Variante um mit negativen Erlebnissen umzugehen. Frei nach dem Motto:

„Ist zwar Schitte gelaufen, aber für irgendwat wird et gut sein!“.

Übersetzt heißt das:

“Wir können aus allem Negativen auch etwas Positives raus ziehen.“.

Ein Beispiel:

Herbert Wackermann, ein Selbständiger Maurer aus Wesel, hat Probleme mit seiner Erlebnisfähigkeit. Sprich, er neigt dazu frei raus alles zu sagen, was ihm so situativ in den Sinn kommt. Wackermann ist dadurch nicht selten der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen. Man könnte auch sagen, er verpasst es öfter mal die Schnauze zu halten. Herbert hat dadurch auch mal eine Schul- und Kursparty seines siebzehnjährigen Sohnes gesprengt, als er vor den Mitschülern seines Sohnes, immerhin nach dem zwölften Obstler im Hauseigenen Partykeller, von der Liebe schwadronierte:

„Liebe ist relativ! Ich habe mich zum Beispiel zuerst in die Riesen Brüste deiner Mutter verliebt!“. Die neue Freundin seines Sohnes fand das nicht so witzig und hat sich prompt am selben Abend getrennt. Wie der Vater so der Sohn, dachte sie. Am nächsten Tag von seinem wutentbrannten Sohn darauf angesprochen, entgegnete der der etwas verkaterte Herbert: „Wer weiß, wozu et jut is! Deine Mudder und ich mochten die Giftnudel sowieso nicht. So eifersüchtig wie die war, die hätte dir sowieso dat Leben auf Dauer zur Hölle gemacht. Da kommt bestimmt noch wat vernünftiges, guck mal, so jung wie du noch bis, da wirst du noch viele Nüsse knacken!“. Wozu sich entschuldigen, wenn es diese schöne Floskel gibt?

*Sach schnell, nee, sach mal nix

Der Niederrheiner Typ A, in meinem Vorgänger Buch genau beschrieben, ist die Quasselstrippe des Niederrheins. Er springt quasi von Anekdote zu Anekdote, von Aussage zu Aussage, und bringt sämtliche Personen und Vorgänge miteinander in Verbindung, ohne dabei einen wirklichen Zusammenhang herzustellen, worauf aber der Zuhörer vergeblich wartet. So kann ein einfacher Broteinkauf um die Ecke zu einer anstrengenden Sache werden, weil man in den Quasselwahn des Typ A gerät.

Und der Typ A führt eigentlich keine Unterhaltung mit dir, sondern hält einen Monolog. Er spricht dich häufig mit der Floskel „Sach schnell“ an, um zwei Geschichten zu verbinden, oder wenn ihm gerade mal die Details nicht einfallen, nur um im selben Moment zu sagen „Nee sach ma nix!“. Es könnte ja sein, dass sein gegenüber dann das Wort erhält. Fühle dich also nicht vom Niederrheiner aufgefordert zu sprechen, nur weil er sagt: „Sach schnell!“. Nein, es heißt eigentlich:

„Augenblick, mir fällt gleich ein wat ich noch sagen wollte und datt is ne Menge!“.

* Niederrheinische Taubheit

Diese eigenwillige Ohrenerkrankung kommt besonders in den älteren Generationen des Typus Niederrheinus vor. Erkrankte leiden besonders darunter, nur dat zu verstehen, wat sie verstehen möchten! Starrsinn, Egoismus, Sturheit oder knorrig sein, sind häufige Vorerkrankungen der niederrheinischen Taubheit! Studien haben ergeben, dass diese Erkrankung öfter beim männlichen Geschlecht auftritt.

*Niederrheinische Amnesie

Eine Erkrankung ausgelöst durch Aneinanderreihung von Anekdoten, die zum verlieren des roten Fadens führt. Der Niederrheiner verliert gerne den roten Faden in seinen Erzählungen und vermischt Geschichten miteinander, ohne Sinn und Zweck dabei erkennen zu lassen. Er erzählt dir von dem Bandscheibenvorfall des Arbeitskollegen, um dir eigentlich einen Orthopäden zu empfehlen, schweift aber ab und erzählt von Willi Stumpf, den er ja wiederum im Wartezimmer des Orthopäden getroffen hatte, wie der sich letztes Jahr mit dem Fahrrad nach der Kneipe den Schädelbruch zugezogen hatte.

Noch bevor die Geschichte von Willi Stumpf endet, streut er die Geschichte des Wirtes mit ein, in dessen Kneipe sich der Willi Stumpf vor dem Schädelbruch besoffen hatte. Der Sohn vom Wirt, der smarte August, hatte sich nämlich auf der Mallorca Tour an den Ballermann, einen nicht diagnostizierbaren Ausschlag im Schrittbereich eingehandelt. Wirt August diskutierte diesen Ausschlag nämlich mit seinen Gästen und ob die so was schon mal gehabt hätten.

Seine Frau vermutet ja, dass der Ausschlag von der Korthose kommt, die sie ihrem Sohn zum Geburtstag geschenkt hatte. Und während der Kopp so von der Korthose schwadroniert, fällt dem plötzlich ein: „Moment mal, wat war denn jetzt mit dem Orthopäden eigentlich?“, und sagt zu dir:

„Aber ich wollt dir doch noch wat zu dem Orthopäden sagen, aber wat war dat denn jetzt? Sach mal schnell, nee, sach ma nix! Mir fällt et gleich wieder ein.“.

Der hat völlig den roten Faden verloren, du weißt natürlich was er dir eigentlich sagen möchte, aber du kommst ja nicht zu Wort.