David Copperfield - Charles Dickens - E-Book

David Copperfield E-Book

Charles Dickens.

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Beschreibung

Der bedeutendste Bildungsroman der englischen Literatur: Die Erzählung begleitet David Copperfield beim Erwachsenwerden von seiner Kindheit bis zum mittleren Lebensalter. Neben dem Protagonisten sind es auch viele andere Figuren – Freunde wie Feinde – die seinen Lebensweg streifen, begleiten oder beeinflussen. -

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David Copperfield

Charles Dickens

David Copperfield

Die Lebensgeschichte, Abenteuer, Erfahrungen und Beobachtungen des Jüngeren aus Blunderstone, Krähengenist (die er unter keiner Bedingung zu veröffentlichen gedachte)

J. Wege.

Erster Band.

Saga

David CopperfieldCoverbild / Illustration: Shutterstock Copyright © 1850, 2020 Charles Dickens und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726482393

1. Ebook-Auflage, 2020

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

Erstes Kapitel.

Ich bin zur Welt gekommen.

Ob ich als der Held meines eigenen Lebens erscheinen werde, oder ob irgend jemand anders diese Stelle einnehmen wird, müssen diese Blätter zeigen. Mein Leben mit dem Beginn meines Lebens zu beginnen, erzähle ich, dass (wie man mir gesagt hat und ich glaube) ich an einem Freitag um zwölf Uhr nachts geboren bin. Es wurde bemerkt, dass gleichzeitig die Glocke zu schlagen und ich zu schreien begann.

In Anbetracht des Tages und der Stunde meiner Geburt erklärten die Amme und einige weise Frauen in der Nachbarschaft, erstens, dass ich bestimmt wäre, unglücklich zu sein im Leben, zweitens, dass ich das Privilegium besässe, Geister und Gespenster zu sehen; da, wie sie glaubten, diese beiden Gaben unvermeidlich all den unglücklichen Kindern beiderlei Geschlechts anhingen, die in den Mitternachtsstunden eines Freitags geboren wären.

Ich sage hier nichts über das Erstere, weil nichts besser beweisen kann als meine Geschichte, ob diese Vorhersagung durch den Erfolg bestätigt oder Lügen gestraft wurde Ueber den zweiten Theil der Frage will ich nur bemerken, dass, wenn ich nicht etwa als kleines Kind diesen Theil meiner Erbschaft durchlaufen habe, ich noch nicht hinein gekommen bin. Aber ich beklage durchaus nicht, von diesem Besitzthum ausgeschlossen geblieben zu sein; und wenn sich irgend jemand anders gegenwärtig desselben erfreuen sollte, mag er es herzlich gern behalten.

Ich wurde mit einer Netzhaut geboren, die in den Zeitungen zum Verkauf ausgeboten wurde, für den geringen Preis von fünfzehn Guineen. Ob die seefahrenden Leute damals schlecht bei Gelde waren oder schwach an Glauben, so dass sie Körkjacken vorzogen, weiss ich nicht; alles was ich weiss ist, dass nur ein einziges Gebot erfolgte, und das war von einem Advokaten und Wechselmäkler, der zwei Pfund baar und den Rest in Rothwein bot, aber ablehnte, für einen höheren Preis eine Garantie gegen das Ertrinken zu erwerben. Demzufolge wurde das Ausgebot als vergeblich zurückgezogen — denn was den Rothwein betrifft, war meiner armen lieben Mutter eigner Rothwein damals zu verkaufen — und zehn Jahre später wurde die Netzhaut in unserer Gegend ausgewürfelt, fünfzig Personen zahlten je eine halbe Krone, und der Gewinner sollte fünf Schilling geben. Ich war selbst gegenwärtig und erinnere. mich, dass ich mich ganz ungemüthlich und verwirrt fühlte, als ein Theil meines eignen Selbst auf diese Weise veräussert wurde. Ich weiss noch, dass die Netzhaut von einer alten Dame mit einem Handkorbe gewonnen wurde, die aus diesem Korbe sehr widerstrebend die festgesetzten fünf Schilling hervorholte, ganz in halben Pfennigstücken und zwei und einen halben Pfennig zu wenig — da die vergebliche Mühe, ihr das zu beweisen, eine unendliche Zeit und einen grossen Aufwand von Arithmetik erforderte. Es ist eine Thatsache, die dort unten noch lange als bemerkenswerth gelten wird, dass sie nie ertrank, sondern triumphirend im Bett starb, zweiundneunzig Jahre alt. Ich habe gehört, dass sie sich bis zuletzt am stolzesten dessen rühmte, dass sie nie in ihrem Leben auf dem Wasser gewesen sei, ausser auf einer Brücke; und dass bei ihrem Thee (dem sie ausserordentlich zugethan war) sie bis zuletzt ihren Unwillen ausdrückte über die Gottlosigkeit der Seeleute und anderer, die die Anmassung hatten, sich durch die Welt zu „schlängeln“. Es war vergebens, ihr vorzustellen, dass wir manche Annehmlichkeiten, den Thee vielleicht mit inbegriffen, dieser verwerflichen Handlungsweise verdankten. Sie erwiderte immer, mit grösserem Nachdruck und mit einem instinktiven Bewusstsein von der Kraft ihres Einspruches: „Wir wollen kein Schlängeln haben.“

Um nicht selbst zu schlängeln, will ich nun zu meiner Geburt zurückehren.

Ich wurde in Blunderstone in Suffolk oder da herum, wie sie in Schottland sagen, geboren. Ich war ein nachgeborenes Kind. Meines Vaters Augen hatten sich fiir das Licht dieser Welt seit sechs Monaten geschlossen, als sich die meinen dafür öffneten. Es ist, selbst jetzt noch, etwas Seltsames für mich in dem Gedanken, dass er mich niemals sah, und noch Seltsameres in der schattenhaften Erinnerung, die ich von meinen ersten kindischen Gedankenverbindungen mit seinem weissen Grabstein auf dem Kirchhof habe, und von dem unbeschreiblichen Mitleid, das ich mit diesem fühlte, weil er allein in der dunklen Nacht da draussen liegen musste, während unser kleines Wohnzimmer warm und hell war von Feuer und Licht, und die Thüren unsres Hauses — wie es mir oft schien, gradezu grausam — fiir ihn verriegelt und verschlossen waren.

Eine Tante meines Vaters, folglich eine Grosstante von mir, von der ich nebenbei noch mehr werde zu erzählen haben, war das Haupt unserer Familie. Miss Trotwood, oder Miss Betsey, wie meine arme Mutter sie immer nannte, wenn sie ihre Angst vor dieser schrecklichen Persönlichkeit hinlänglich überwand, sie überhaupt zu erwähnen (was selten geschah), war verheirathet gewesen an einen Gatten, der jünger war als sie selbst und sehr hübsch, nur nicht in dem Sinne des einfachen Sprüchwortes: „Hübsch ist, wer sich hübsch beträgt“ — denn er wurde stark beargwöhnt, Miss Betseh geschlagen zu haben, ja selbst einmal, bei einer bestrittenen Unterstützungsfrage, schnelle aber entschlossene Vorbereitungen getroffen zu haben, sie zu einem Fenster im zweiten Stock hinaus zu werfen. Diese augenscheinlichen Beweise einer unverträglichen Gemüthsart bewogen Miss Betsey, ihn auszuzahlen und eine Scheidung durch gegenseitige Bewilligung zu erstreben. Er ging mit seinem Kapital nach Indien, und dort wurde er, nach einer wilden Legende in unserer Familie, einmal auf einem Elephanten reitend gesehen, in Gesellschaft eines Baburs; aber ich denke, es muss ein Pavian gewesen sein — oder eine Begum. Wie dem auch sei, innerhalb von zehn Jahren kam aus Indien die Kunde von seinem Tode in die Heimat. Wie meine Tante diese aufgenommen, wusste niemand, denn gleich nach der Scheidung nahm sie ihren Mädchennamen wieder an, kaufte sich ein Häuschen in einem Flecken an der Meeresküste weit fort, liess sich dort als einzelne Dame mit einer Dienerm nieder, und es hiess, dass sie immer seitdem ein abgeschlossenes Leben in vollständigster Zurückgezogenheit führte.

Mein Vater war, glaube ich, einst ein Liebling von ihr gewesen; aber sie war tödtlich beleidigt durch seine Heirat, aus dem Grunde, weil meine Mutter „eine Wachspuppe“ wäre. Sie hatte meine Mutter nie gesehen, aber sie wusste, dass dieselbe noch nicht zwanzig Jahre alt war. Mein Vater und Miss Betsey sahen sich nie wieder. Er war, als er heirathete, noch einmal so alt als meine Mutter und von zarter Constitution. Er starb ein Jahr darauf und, wie ich schon gesagt habe, sechs Monate ehe ich zur Welt kam.

Das war die Lage der Dinge am Nachmittag des, wie ich wohl sagen darf, ereignisreichen, wichtigen Freitags. Ich kann nicht beanspruchen, zu jener Zeit gewusst zu haben, wie die Sachen lagen, oder eine auf Sinneswahrnehmung begründete Erinnerung dessen was folgt zu haben.

Meine Mutter sass am Feuer, aber körperlich schwach und geistig sehr niedergedrückt, sah sie durch Thränen hinein, schwer bekümmert um sich selbst und um den vaterlosen kleinen Fremdling, dem schon durch einige Gross prophetischer Nadeln in einer Schublade des oberen Stockes der Willkommen bereit war in einer Welt, die über die Thatsache seiner Ankunft durchaus nicht aufgeregt war. Meine Mutter, sage ich, sass am Feuer diesen hellen windigen Märznachmittag, sehr ängstlich und traurig und sehr zweifelhaft, ob sie überhaupt die schweren Stunden überleben würde, die vor ihr lagen; da hob sie ihre Augen, als sie dieselben trocknete, auf zu dem gegenüberliegenden Fenster und sah eine fremde Dame durch den Garten daherkommen.

Beim zweiten Blicke hatte meine Mutter eine sichere Ahnung, dass es Miss Betsey wäre. Die untergehende Sonne schien über den Gartenzaun auf die fremde Dame, und diese schritt auf die Thür zu mit einer grausamen Härte in Gesicht und Haltung, die niemand anders angehört haben könnte.

Als sie das Haus erreichte, gab sie einen andern Beweis ihrer Identität. Mein Vater hatte oft angedeutet, dass sie sich selten wie ein gewöhnlicher Christenmensch betrüge; und nun, anstatt die Klingel zu ziehen, kam sie und blickte in das betreffende Fenster, ihre Nasenspitze so an das Glas drückend, dass dieselbe augenblicklich ganz breit und weiss wurde, wie meine arme liebe Mutter zu sagen pflegte.

Sie jagte meiner Mutter einen solchen Schrecken ein, dass ich immer überzeugt gewesen bin, ich habe es Miss Betsey zu danken, dass ich an einem Freitag geboren bin.

Meine Mutter war in ihrer Aufregung vom Stuhl aufgestanden und in die Ecke dahinter getreten. Miss Betsey, die langsam und forschend rund durch das Zimmer blickte, fing an der audern Seite an und liess ihre Augen herumgehen wie ein Sarazenenkopf an einer Schwarzwälder Uhr, bis sie meine Mutter erreichten. Dann winkte sie meiner Mutter mit einem bösen Gesicht, wie jemand, der gewöhnt ist, dass man ihm gehorcht, sie möge kommen und die Thür öffnen. Meine Mutter ging.

,,Mrs. David Copperfield, denke ich,“ sagte Miss Betsey mit einer Emphase, die sich vielleicht auf die Trauerkleider meiner Mutter und auf ihren Zustand bezog.

„Ja,“ sagte meine Mutter schwach.

„Miss Trotwood,“ sagte die Besucherin, „Sie haben doch wohl von ihr gehört?“

Meine Mutter antwortete, sie habe das Vergnügen gehabt. Und sie hatte das unangenehme Bewusstsein, nicht so auszusehen, als ob es ein überwältigendes Vergnügen gewesen sei.

„Nun sehen Sie sie,“ sagte Miss Betsey. Meine Mutter beugte ihr Haupt und bat sie hereinzukommen.

Sie gingen in das Wohnzimmer, aus dem meine Mutter gekommen, da in dem besten Zimmer, auf der andern Seite des Ganges, kein Feuer angezündet war — in der That, nicht angezündet war seit meines Vaters Begräbnis; und als sie da beide sassen und Miss Betsey nichts sagte, begann meine Mutter, nachdem sie sich vergeblich zu bezwingen gesucht hatte, zu weinen.

„O pst! pst!“ sagte Miss Betsey eilig. „Thun Sie das nicht! Lassen Sie!“

Meine Mutter konnte sich aber nicht helfen, sie weinte, bis sie sich ausgeweint hatte.

„Nehmen Sie Ihre Haube ab, Kind,“ sagte Miss Betsey, „dass ich Sie sehen kann.“

Meine Mutter ängstigte sich zu sehr vor ihr, als dass sie dem wunderlichen Verlangen Hätte die Gewährung versagen sollen, wenn sie auch dazu aufgelegt gewesen wäre. Darum that sie wie ihr gesagt war, und that es mit so nervös zitternden Händen, dass ihr das schöne üppige Haar ganz über das Gesicht fiel.

„Aber, meiner Seele!“ rief Miss Betsey aus, „Sie sind ein wahres Kind!“

Ohne Zweifel hatte meine Mutter ein ungewöhnlich jugendliches Aussehen, selbst für ihre Jahre. Armes Ding, sie hing den Kopf, als ob es ihre Schuld wäre, und sagte seufzend, dass sie wirklich fürchtete, sie wäre nur eine kindische Wittwe und würde nur eine kindische Mutter sein, wenn sie es erlebte. In einer kurzen Pause, die folgte, war es ihr, als fühle sie, dass Miss Betsey ihr Haar berühre, und das nicht mit unsanfter Hand, aber als sie in schüchterner Hoffnung zu ihr hinblickte, sah sie diese Dame sitzen, den Saum ihres Kleides hochgenommen, ihre Hände auf einem Knie gefaltet, und ihre Füsse gegen das Herdgitter gestemmt, so schaute sie finster in das Feuer.

„In des Himmels Namen,“ sagte Miss Betsey plötzlich, „warum Krähengenist?“

„Meinen Sie das Haus, Madame?“ fragte meine Mutter.

„Warum Krähengenist?“ sagte Miss Betsey. „Küchengenist wäre passender gewesen, wenn ihr irgend praktische Begriffe vom Leben gehabt hättet, ihr alle beide.“

„Mr. Copperfield hat den Namen gewählt,“ erwiderte meine Mutter. ,,Als er das Haus kaufte, meinte er, es müsste hübsch sein, wenn Krähen darauf wären.“

Der Abendwind brauste jetzt grade so gewaltig in einigen grossen alten Ulmen in der Mitte des Gartens, dass weder meine Mutter noch Miss Betsey sich enthalten konnten, dahin zu sehen. Wie die Ulmen sich zu einander neigten, gleich Riesen, die sich Geheimnisse zuflüstern, und nach wenigen Augenblicken solcher Ruhe in heftige Bewegung geriethen, ihre wilden Arme empor werfend, als wenn das, was sie sich eben vertraut, wirklich zu gefährlich wäre für ihren Seelenfrieden, schwangen sich einige sturmzerzauste alte Krähennester, die ihre oberen Zweige belasteten, wie Wracks auf stürmischer See.

„Wo sind die Vögel?“ fragte Miss Betsey.

,,Die —?“ Meine Mutter hatte an anderes gedacht.

,,Die Krähen — was ist aus ihnen geworden?“ fragte Miss Betsey.

„Es sind keine hier gewesen so lange wir hier lebten,“ sagte meine Mutter. „Wir dachten — Mr. Copperfield dachte — es wäre ein recht grosses Krähengenist; aber die Nester waren sehr alt, und die Vögel haben sie längst verlassen.“

„Der ganze David Copperfield!“ sagte. Miss Betsey. „David Copperfield vom Scheitel bis zur Sohle! Rennt ein Haus ein Krähengenist, wenn keine Krähe in der Nähe ist, und verlässt sich auf die Vögel, weil er die Nester sieht!“

„Mr. Copperfield ist todt,“ erwiderte meine Mutter, „und wenn Sie wagen, unfreundlich über ihn zu sprechen gegen mich —“

Meine arme liebe Mutter hatte, vermuthe ich, die augenblickliche Absicht, einen Sturmangriff auf meine Tante zu machen, die sie mit einer Hand hätte bewältigen können, selbst wenn meine Mutter in weit besserem Zustande für eine solche Begegnung gewesen wäre, als sie an diesem Abend war. Aber es ging vorüber, indem sie vom Stuhle aufstand, und sie setzte sich wieder nieder, sehr schüchtern und sehr schwach, ja sie wurde ohnmächtig.

Als sie wieder zu sich kam, oder als Miss Betsey sie wieder zu sich gebracht hatte, wie es auch immer sein mochte, sand sie die letztere am Fenster stehend. Die Dämmerung war unterdessen zur Dunkelheit geworden, und so undeutlich sie einander sahen, hätten sie doch auch das nicht gekonnt ohne die Hilfe des Feuers.

„Nun?“ sagte Miss Betsey, zu ihrem Stuhl zurückkommend, als hätte sie nur einen gelegentlichen Blick auf die Aussicht geworfen; „und wenn erwarten Sie —“

„Ich zittre am ganzen Leibe,“ stammelte meine Mutter. „Ich weiss nicht was es ist. Ich werde sicherlich sterben!“

„Nein, nein, nein,“ sagte Miss Betsey. „Trinken Sie eine Tasse Thee.“

„O du lieber Himmel, denken Sie, dass es mir gut thun wird?“ rief meine Mutter in hilfloser Weise.

,,Gewiss wird es das,“ sagte Miss Betsey. „Es ist nichts als Einbildung. Wie nennen Sie Ihr Mädchen?“

„Ich weiss doch nicht, ob es ein Mädchen sein wird, Madame,“ sagte meine Mutter unschuldig.

„Gott behüte das Kind!“ rief Miss Betsey, unbewusst den zweiten Sinnspruch auf dem Nadelkissen in der Schublade des oberen Stockes anführend, aber es auf meine. Mutter anwendend, anstatt auf mich. „Das meine ich nicht. Ich meine Ihr Dienstmädchen.“

„Peggotty,“ sagte meine Mutter.

„Peggotty!“ wiederholte Miss Betsey, etwas unwillig. „Wollen Sie denn sagen, Kind, dass ein menschliches Wesen in eine christliche Kirche gegangen und Peggotty genannt worden ist?“

„Es ist ihr Vatersname,“ sagte meine Mutter schwach. „Mr. Copperfield rief sie damit, weil sie denselben Taufnamen hatte wie ich.“

„Hier! Peggotty!“ rief Miss Betsey, die Thür des Wohnzimmers öffnend. „Thee! Ihre Herrin ist ein wenig unwohl. Verweilen Sie sich nicht.“

Nachdem sie diesen Auftrag so kräftig gegeben hatte, als wäre sie in diesem Hause als Autorität anerkannt worden, seit es überhaupt ein Haus war, und nachdem sie zur. Thür hinausgeblickt hatte, um die erstaunte Peggotty zu sehen, die bei dem Klange einer fremden Stimme mit einem Lichte den Gang entlang kam, schloss Miss Betsey die Thür wieder und setzte sich nieder wie zuvor, mit den Füssen am Herdgitter, den Saum des Kleides heraufgenommen und die Hände auf einem Knie gefaltet.

„Sie sprachen davon, dass es ein Mädchen sein könnte,“ sagte Miss Betsey. „Ich zweifle nicht, dass es ein Mädchen sein wird. Ich habe ein Vorgefühl, dass es ein Mädchen sein muss. Nun, Kind, vom Augenblicke der Geburt dieses Mädchens —“

,,Vielleicht auch Knabens,“ nahm sich meine Mutter die Freiheit einzuschalten.

„Ich sage Ihnen, ich habe ein Vorgefühl, dass es ein Mädchen sein muss,“ erwiderte Miss Betsey. „Widersprechen Sie nicht. Vom Augenblicke der Geburt dieses Mädchens an, mein Kind, beabsichtige ich, ihre Freundin zu sein. Ich beabsichtige, die Pathenstelle bei ihr einzunehmen, und ich bitte, dass sie Betsey Trotwood Copperfield genannt wird. Es dürfen keine Irrthümer vorkommen im Leben dieser Betsey Trotwood. Mit ihren Gefühlen darf nicht gespielt werden, armes liebes Kind. Sie muss gut erzogen werden und gut gehütet, dass sie sein thörichtes Vertrauen schenkt, wo es nicht verdient wird. Das muss meine Sorge sein.“

Nach jedem dieser Sätze zuckte Miss Betsey’s Kopf, als ob ihr eignes altes Weh in ihr arbeitete und sie einen deutlicheren Hinweis darauf mit starkem Zwange unterdrückte. So vermuthete wenigstens meine Mutter, als sie sie beim schwachen Schimmer des Feuers beobachtete, zu sehr erschreckt durch Miss Betsey, zu unruhig in ihrem Innern, und im Ganzen zu verschüchtert und verwirrt, um irgend etwas sehr klar zu beobachten oder zu wissen, was sie sagen solle.

„Und war David gut gegen Sie, Kind?“ fragte Miss Betsey, nachdem sie ein Weilchen stillgeschwiegen und diese Bewegung ihres Kopfes allmählich aufgehört hatte. „Führten Sie ein angenehmes Leben zusammen?“

„Wir waren sehr glücklich,“ sagte meine Mutter. „Mr. Copperfield war nur zu gut gegen mich!.“

„Wie, er verzog sie? nicht wahr?“ erwiderte Miss Betsey.

„Ja, ich fürchte, er that es, zumal da ich nun wieder ganz allein und auf mich angewiesen in dieser rauhen Welt stehe,“ seufzte meine Mutter.

„Gut! Weinen Sie nicht!“ sagte Miss Betsey. „Sie Beide passten nicht ganz zusammen, Kind — wenn überhaupt zwei Menschen ganz zusammen passen können — und so that ich die Frage. Sie waren eine Waise, nicht wahr?“

„Ja.“

„Und Erzieherin?“

„Ich war Bonne in einer Familie, die Mr. Copperfield zu besuchen kam. Mr. Copperfield war sehr gütig gegen mich, und er beachtete mich sehr und erwies mir viele Aufmerksamkeiten, und endlich warb er um mich. Und ich nahm ihn an. Und so wurden wir Mann und Frau,“ sagte meine Mutter einfach.

„Ach! armes Kind!“ murmelte Miss Betsey, ihr düstres. Gesicht noch nach dem Feuer hingebeugt. „Verstehen Sie irgend etwas?“

„Ich bitte um Verzeihung, Madame,“ stammelte meine Mutter.

„Von der Wirthschaft zum Beispiel,“ sagte Miss Betsey.

„Nicht viel, fürchte ich,“ erwiderte meine Mutter. „Nicht so viel wie ich möchte. Aber Mr. Copperfield unterrichtete mich —“

(„Er verstand selber viel davon!“) sagte Miss Betsey in Parenthese. — „Und ich hoffe, ich würde es zu etwas gebracht haben, da ich sehr eifrig war beim Lernen und er sehr geduldig beim Lehren, wäre nicht das grosse Unglück seines Todes“ — meine Mutter brach hier ab und konnte nicht weiter.

„Gut, gut!“ sagte Miss Betsey.

— „Ich führte mein Haushaltungsbuch regelmässig und sah es jeden Abend mit Mr. Copperfield durch,“ rief meine Mutter mit einem neuen Ausbruch der Trauer und wieder abbrechend.

„Gut, gut!“ sagte Miss Betsey. „Weinen Sie nicht mehr.“

— „Und ich bin gewiss, wir hatten nie ein Wort des Streites darüber, ausser wenn Mr. Copperfield einwandte, dass meine Dreien und Fünfen einander zu ähnlich sähen, oder dass ich meinen Sieben und Neunen krause Schwänze gebe,“ erwiderte meine Mutter mit einem neuen Ausbruch und wieder abbrechend.

„Sie werden sich krank machen,“ sagte Miss Betsey, „und Sie wissen, das wäre nicht gut, weder für Sie, noch für mein Pathchen. Lassen Sie es! Sie müssen das nicht thun!“

Dieses Argument diente mit dazu, meine Mutter zum Schweigen zu bringen, obgleich es wohl hauptsächlich durch ihr wachsendes Unwohlsein veranlasst wurde. Eine längere Pause trat ein, die nur dadurch unterbrochen wurde, dass Miss Betsey gelegentlich Ah! ausrief, wie sie da mit ihren Füssen auf dem Herdgitter sass.

„Ich weiss, dass David eine Leibrente für sich erworben hatte,“ sagte sie beiläufig. „Was that er für Sie?“

„Mr. Copperfield,“ antwortete meine Mutter mit einiger Schwierigkeit, ,,war so vorsichtig und gut, mir die Anwartschaft auf einen Theil derselben zu sichern.“

„Wie viel?“ fragte Miss Betsey.

„Hundertundfünf Pfund jährlich,“ sagte meine Mutter.

,,Er könnte schlimmer gehandelt haben,“ sagte meine Tante.

Das Wort war dem Augenblicke angemessen. Meiner Mutter ging es so viel schlimmer, dass Peggotty, die mit dem Theebret und Lichtern hereinkam und auf den ersten Blick sah, wie krank sie war, — Miss Betsey hätte es schon eher sehen können, wenn es hell genug gewesen wäre, — sie eiligst die Treppe hinauf in ihr eignes Zimmer brachte; augenblicklich schickte sie auch Ham Peggotty ab, ihren Neffen, der ohne Wissen meiner Mutter schon einige Tage im Hause verborgen gehalten wurde, als besondrer Bote in dringendem Falle die Hebamme und den Arzt zu holen.

Diese verbündeten Mächte, die im Zwischenraum weniger Minuten eintrafen, waren sehr erstaunt, eine fremde Dame von gewichtigem Ansehen vor dem Feuer sitzen zu sehen, den Hut an ihren linken Arm gehangen und sich die Ohren mit Baumwolle zustopfend. Da Peggotty nichts über sie wusste und meine Mutter nichts über sie sagen konnte, war sie ein vollständiges Geheimnis im Wohnzimmer; und der Umstand, dass sie ein ganzes Magazin von Watte in ihrer Tasche trug und Flocken davon solcherweise in ihre Ohren steckte, that der Feierlichkeit ihrer Gegenwart keinen Eintrag.

Der Doktor, der oben gewesen und wieder herunter gekommen war und, wie ich vermuthe, die Möglichkeit eingesehen hatte, dass er für einige Stunden dieser unbekannten Dame Aug’ in Auge gegenüber zu sitzen haben werde, bemühte sich höflich und gesellig zu erscheinen. Er war der sanfteste seines Geschlechtes, der mildeste aller kleinen Männer. Er drückte sich beim Ein- und Ausgehen seitwärts durch die Thüren, um den möglichst geringen Raum einzunehmen. Er ging so leise wie der Geist im Hamlet und noch langsamer. Er hielt den Kopf immer nach einer Seite geneigt, theils aus bescheidner Geringschätzung seiner selbst, theils aus bescheidner Versöhnlichkeit gegen alle andern Menschen. Es ist selbstverständlich, dass er keinem Hunde hätte ein böses Wort zurufen können. Er hätte selbst einem tollen Hunde kein böses Wort zurufen können. Er hätte ihm nur eins oder ein halbes oder ein Theilchen eines solchen sanft anbieten können; denn er sprach so langsam wie er ging; aber er würde nicht rauh gegen ihn gewesen sein, und hätte um alles Gut der Welt ihm nicht schnell entgegentreten können.

Mr. Chillip, meine Tante mild ansehend, mit nach einer Seite geneigtem Kopfe, und ihr eine kleine Verbeugung machend, sagte, auf die Watte anspielend, indem er sanft sein linkes Ohr berührte:

„Eine lokale Störung, Madame?“

„Was!“ erwiderte meine Tante, die Watte aus einem Ohr wie einen Pfropfen herausziehend.

Mr. Chillip war so bestürzt durch ihre schnelle Bewegung — wie er später meiner Mutter erzählte — dass er nahe daran war, die Geistesgegenwart zu verlieren. Aber er wiederholte sanft:

„Eine lokale Störung, Madame?“

„Unsinn!“ erwiderte meine Tante und verstopfte sich schleunigst wieder.

Mr. Chillip konnte danach nichts weiter thun als dasitzen und sie schwach ansehen, wie sie dasass und in das Feuer sah, bis er wieder hinaufgerufen wurde. Nach etwa viertelstündiger Abwesenheit kam er wieder zurück.

„Nun?“ sagte meine Tante, die Watte aus dem ihm zugewendeten Ohre nehmend.

,,Nun, Madame,“ erwiderte Mr. Chillip, ,wir — wir kommen sehr langsam vorwärts, Madame.“

„Ba—a—ah!“ sagte meine Tante, den verächtlichen Ausruf förmlich herausstossend. Und sie verstopfte sich wieder wie zuvor.

Wahrhaftig — wahrhaftig — wie Mr. Chillip meiner Mutter erzählte, war er ganz entsetzt; allein von professionellem Standpunkt aus gesprochen, war er ganz entsetzt. Aber trotzdem sass er fast noch zwei Stunden und sah sie an, wie sie dasass und in das Feuer sah, bis er wieder hinausgerufen wurde. Nach längerer Abwesenheit kehrte er wieder zurück.

„Nun?“ sagte meine Tante, die Watte auf derselben Seite herausnehmend.

„Nun, Madame,“ erwiderte Mr. Chillip, „wir — wir kommen sehr langsam vorwärts.“

„Ja—a—al“ sagte meine Tante, ihn so anknurrend, dass Mr. Chillip es nicht ertragen konnte. Es war wirklich darauf angelegt, seinen Muth zu brechen, sagte er später. Er zog es vor, hinaus zu gehen und auf der Treppe zu sitzen in Finsternis und starkem Zuge, bis er wieder gerufen wurde.

Ham Peggotty, der in die Volksschule ging und wie ein Drache über seinem Katechismus sass, deshalb also als glaubwürdiger Zeuge betrachtet werden kann, berichtete den nächsten Tag, dass er, als er eine Stunde später zufällig durch die Wohnzimmerthür guckte, sogleich von Miss Betsey, die nun in grosser Aufregung auf und ab ging, erspäht und gepackt wurde, ehe er die Flucht ergreifen konnte. Dass nun gelegentlich Tritte und Stimmen von oben her gehört wurden, die durch die Watte im Ohr nicht ausgeschlossen wurden, was er aus dem Umstande folgerte, dass die Dame ihn augenscheinlich als Opfer ergriffen hatte, um an ihm ihre überströmende Aufregung auszulassen, wenn die Klänge am lautesten waren. Dass sie ihn fortwährend am Kragen hielt und auf und ab führte, (als ob er zu viel Laudanum genommen hätte), zu diesen Zeiten aber ihn schüttelte, sein Haar zauste, an seiner Wäsche zupfte, seine Ohren verstopfte, als ob sie sie mit ihren eigenen verwechselte, und ihn anderweitig quälte und peinigte. Das wurde zum Theil durch seine Tante bestätigt, die ihn um halb Eins sah, bald nach seiner Erlösung, und meinte, er sei damals eben so roth gewesen wie ich.

Der sanfte Mr. Chillip konnte unmöglich einen Groll nachtragen in solcher Stunde, wenn überhaupt zu irgend einer Zeit. Er drückte sich in das Wohnzimmer, so bald er abkommen konnte und sagte zu meiner Tante in seiner sanftesten Weise:

„Nun, Madame, ich bin glücklich, Ihnen gratuliren zu können.“

„Wozu?“ fragte meine Tante scharf.

Mr. Chillip war wieder verwirrt durch die ausserordentlich strenge Art meiner Tante; so machte er ihr denn eine kleine Verbeugung und sah sie mit einem kleinen Lächeln an, um sie zu besänftigen.

„Ueber diesen Mann, was thut er!“ rief meine Taute ungeduldig. „Kann er nicht sprechen?“

„Seien Sie ruhig, meine theure Madame,“ sagte Mr. Chillip mit seinen weichsten Lauten. ,,Es ist nicht länger Ursache zur Unruhe vorhanden, Madame. Seien Sie ruhig.“

Es ist immer fast als ein Wunder betrachtet worden, dass meine Tante ihn nicht schüttelte, um das, was er zu sagen hatte, aus ihm heraus zu schütteln. Sie schüttelte jedoch nur ihren Kopf gegen ihn, aber in einer Weise, die ihn zittern machte.

„Nun, Madame,“ begann Mr. Chillip wieder, sobald er Muth Dazu hatte, „ich bin glücklich, Ihnen gratuliren zu können. Es ist nun alles vorüber, Madame, und glücklich vorüber.“

Während der etwa fünf Minuten, die Mr. Chillip dieser feierlichen Ansprache, widmete, sah ihn meine Tante scharf an.

„Wie geht es ihr?“ sagte meine Tante, ihre Arme kreuzend, an deren einem noch der Hut hing.

„Nun, Madame, sie wird sich bald ganz wohl befinden, hoffe ich,“ erwiderte Mr. Chillip. ,,Ganz so wohl, wie wir es von einer jungen Mutter erwarten können, unter diesen traurigen häuslichen Verhältnissen. Ich habe durchaus nichts dagegen einzuwenden, dass Sie sie sogleich sehen, Madame. Es mag ihr gut thun.“

„Und sie? Wie geht es ihr?“ fragte meine Tante scharf.

Mr. Chillip neigte seinen Kopf noch ein bischen mehr auf eine Seite und sah meine Tante an wie ein liebenswürdiger Vogel.

„Die Kleine,“ sagte meine Tante, „wie geht es ihr?“

„Madame,“ erwiderte Mr. Chilip. „Ich nahm an, Sie wüssten es. Es ist ein Knabe.“

Meine Tante sagte kein Wort mehr, sondern nahm ihren Hut an den Bändern wie eine Schleuder, schlug damit gegen Mr. Chillips Kopf, setzte ihn dann auf., ging hinaus und kam nie mehr zurück. Sie verschwand wie eine grollende Fee, oder wie eins jener übernatürlichen Wesen, die ich nach dem Volksglauben berechtigt war zu sehen; und sie kam nie mehr. wieder.

Nein. Ich lag in meinem Korbe und meine Mutter lag in ihrem Bett; aber Betsey Trotwood Copperfield blieb für immer in dem Lande der Träume und Schatten, der fürchterlichen Region, die ich jüngst durchwandert; und das Licht auf dem Fensterbrett unseres Zimmers schien auf das irdische Ziel all solcher Reisenden, und auf den Hügel über der Asche und dem Staube dessen, der einst gelebt, ohne den ich nie geworden wäre.

Bweites Kapitel.

Ich beobachte.

Die ersten Gegenstände, die bestimmte Umrisse vor mir annehmen, wenn ich weit zurück in die Leere meiner Kindheit blicke, sind meine Mutter mit ihrem schönen Haar und ihrer jugendlichen Gestalt und Peggotty mit überhaupt gar keiner Gestalt und mit so dunklen Augen, dass sie ihre Umgebung im Gesicht dunkel zu machen schienen, und mit Wangen und Armen, die so hart und roth waren, dass ich mich wunderte, dass die Vögel nicht lieber hinein pickten als in Aepfel.

Ich glaube, ich kann mich erinnern, wie diese beiden, in kleiner Entfernung von einander, für meine Blicke zwerghast verkleinert, am Boden kauerten oder knieten und ich unsicher von einer zur andern ging. Ich habe in meinem Gemüth einen Eindruck, den ich nicht von thatsächlicher Erinnerung unterscheiden kann, betreffs der Berührung von Peggotty’s Zeigefinger, wie sie ihn mir hinzuhalten pflegte, und wie er rauh war von vielem Nähen, wie ein kleines Taschenmuskatnussreibeisen.

Das mag Einbildung sein, aber ich denke das Gedächtnis der meisten unter uns kann weiter in jene Zeiten zurückgehen, als viele von uns annehmen; grade so wie ich glaube, dass das Beobachtungsvermögen bei vielen sehr jungen Kindern gradezu wunderbar ist durch seinen Zusammenhang und seine Genauigkeit. In der That denke ich, dass man von den meisten Menschen, die in dieser Hinsicht bemerkenswerth sind, mit grösserem Rechte sagen kann, sie haben diese Fähigkeit nicht verloren, als sie haben dieselbe erlangt; um so mehr, da ich allgemein bemerke, dass solche Leute eine gewisse Frische, ein sanftes Wesen und die Gabe, sich leicht zu freuen, besitzen, was auch eine Erbschaft ist, die sie sich aus ihrer Kindheit bewahrt haben.

Ich möchte die Besorgnis hegen, dass ich „schlängelte“, indem ich mich hierbei aufhalte, wäre es nicht, dass es mich zu der Bemerkung führt, dass ich diese Schlüsse theilweise aus meiner eignen Erfahrung an mir selbst ziehe; und sollte es aus dem, das ich in dieser Erzählung niederschreiben werde, hervorgehen, dass ich ein scharf beobachtendes Kind war, oder dass ich als Mann mich genau meiner Kindheit erinnern kann, so erhebe ich unzweifelhaft Anspruch auf diese beiden Charaktereigenschaften.

Zurückblickend, wie ich sagte, in die Leere meiner Kindheit, sind die ersten Gegenstände, deren ich mich erinnern kann, als selbstständig aus einer Verwirrung von Dingen hervorragend, meine Mutter und Peggotty. Wessen erinnere ich mich sonst noch? Lasst mich sehen.

Da kommt heraus aus der Wolke, unser Haus — nicht neu für mich, sondern ganz vertraut in seiner frühesten Erinnerung. Zu ebner Erde ist Peggotty’s Küche, die auf einen Hof hinausgeht; in dessen Mitte steht ein Taubenhaus auf einem Pfahl, aber es sind keine Tauben darin; eine grosse Hundehütte in einem Winkel, ohne Hund; und eine Menge Geflügel, das mir schrecklich gross erscheint und in wilder, drohender Weise umherläuft. Da ist ein Hahn, der auf einen Pfosten fliegt, um zu krähen und so besondre Notiz von mir zu nehmen scheint, wie ich durch das Küchenfenster nach ihm hinsehe, dass es mich kalt überläuft, so wild ist er. Von den Gänsen ausserhalb der Seitenthür, die mit ihren langen ausgestreckten Hälsen hinter mir her watscheln, wenn ich dort gehe, träume ich des Nachts, wie ein von wilden Thieren umgebner Mann von Löwen träumen mag.

Hier ist ein langer Gang — welch ungeheure Perspektive mache ich daraus — der von Peggotty’s Küche nach der vorderen Hausthür führt. Ein dunkles Vorrathszimmer liegt daran, und das ist ein Ort, an dem man des Nachts schnell vorüberläuft; denn ich weiss nicht, was zwischen diesen Tonnen, Krügen und alten Theekasten stecken mag, wenn niemand mit einem düsterbrennenden Licht darin ist, und zur Thür heraus eine dumpfige Luft streicht, in der die Gerüche von Seife, Conserven, Pfeffer, Lichten und Kaffee, alle auf einmal zu spüren sind. Dann sind da die beiden Wohnzimmer: das Wohnzimmer, in dem wir abends sitzen, meine Mutter, ich und Peggotty — denn Peggotty ist ganz unsre Gefährtin, wenn ihre Arbeit gethan ist und wir allein sind — und die gute Stube, wo wir Sonntags sitzen, gross, aber nicht so wohnlich. Dieses Zimmer hat für mich ein gewissermassen trauriges Ansehen, denn Peggotty hat mir erzählt — ich weiss nicht wann, aber anscheinend vor langen Zeiten — von meines Vaters Begräbnis, und wie alle schwarze Mäntel angehabt hätten. Dort liest an einem Sonntagabend meine Mutter Peggotty und mir vor, wie Lazarus von den Toden auferweckt wurde. Und ich bin so in Angst, dass sie nachher genöthigt sind, mich aus dem Bett zu nehmen und mir vom Schlafstubenfenster aus den stillen Kirchhof zu zeigen, wo die Todten alle ruhig in ihren Gräbern liegen, die der feierliche Mond bescheint.

Auf der ganzen Welt, so viel ich weiss, gibt es nichts halb so Grünes als das Gras dieses Kirchhofes, nichts halb so Schattiges als seine Bäume, nichts halb so Stilles als seine Grabsteine. Die Schafe weiden dort, wenn ich frühmorgens in meinem Bettchen in einem Alkoven bei meiner Mutter Zimmer kniee, um nach ihm hinaus zu sehen; und ich siehe das rothe Licht auf die Sonnenuhr scheinen und denke bei mir: „Was die Sonnenuhr froh ist, ich wundre mich nur, wie sie die Zeit wiedersagen kann?“

Hier ist unser Stuhl in der Kirche. Was für ein hochlehniger Stuhl! Daneben ist ein Fenster, von dem aus man unser Haus sehen kann, und es wird gar oft während des Frühgottesdienstes gesehen von Peggotty, die sich gern möglichst versichert, dass es nicht geplündert wird oder brennt. Aber obgleich Peggotty’s Augen wandern, ist sie doch böse, wenn die meinen es thun, und winkt mir zu, wie ich auf dem Sitz stehe, dass ich den Geistlichen ansehen soll. Aber ich kann ihn nicht immerfort ansehen — ich kenne ihn auch, wenn er das weisse Ding nicht anhat, und ich fürchte, er möchte sich wundern, warum ich ihn so anstarre, und vielleicht den Gottesdienst unterbrechen, um zu fragen — und was soll ich denn thun? Es ist etwas Schreckliches, zu gähnen, aber ich muss etwas thun. Ich sehe meine Mutter an, aber sie gibt vor, mich nicht zu sehen. Ich sehe einen Knaben im Seitenschiff an, aber er schneidet mir Gesichter. Ich sehe, wie das Sonnenlicht zur offnen Thür herein kommt, und da sehe ich ein verirrtes Schaf — ich meine nicht einen Sünder, sondern einen Hammel — halb entschlossen, in die Kirche zu kommen. Ich fühle, dass ich nicht länger dahin sehen kann, denn ich würde in Versuchung gerathen, etwas laut zu sagen, und was würde dann aus mir werden! Ich sehe auf die Gedächtnistafeln an der Wand und versuche an den verstorbnen Mr. Bodgers aus dieser Gemeinde zu denken, und welches Mr. Bodgers Gefühle gewesen sein müssen, als viele Noth und Herzeleid trug Mr. Bodgers lange Zeit, vergebens war der Aerzte Kunst. Ich dachte, ob sie Mr. Chillip gerufen hätten, und ob seine Kunst vergebens gewesen wäre; und wenn dem so wäre, wie es ihm gefallen möchte, so jede Woche einmal daran erinnert zu werden. Ich sehe von Mr. Chilip der sein Sonntagshalstuch umhat, nach der Kanzel, und denke, was für ein hübscher Spielplatz das sein müsste, und was für eine Festung sie abgeben würde, wenn ein andrer Knabe die Treppe herauf käme, sie anzugreifen, und man das Sammetkissen mit der Troddeln herunterwerfen könnte, ihm auf den Kopf. Allmählich schliessen sich meine Augen; erst deine ich zu hören, wie der Geistliche in der Hitze ein schläfriges Lied singt, dann höre ich nichts, bis ich mit einem Krach vom Sitze falle und mehr todt als lebendig von Peggotty herausgetragen werde.

Und nun sehe ich das Aeussere unsres Hauses, sehe die Laden und Fenster der Schlafstube aufstehen, um die süsse würzige Luft hinein zu lassen, und sehe die zerzausten Krähennester noch in den Ulmen im Vorgarten hängen. Nun bin ich in dem Hintergarten, hinter dem Hofe, wo das leere Taubenhaus und die leere Hundehütte stehen — eine wahre Schmetterlingshecke, wie ich mich seiner erinnere, mit einem hohen Zaun und einer Thür mit Vorlegeschloss; da hängt das Obst dick an den Bäumen, reifer und reicher als jemals Obst in einem andern Garten hängt, und meine Mutter pflückt davon in einen Korb, während ich, heimlich Stachelbeeren abknippsend, dabei stehe und mich bemühe, ungerührt auszusehen. Ein starker Wind erhebt sich, und der Sommer ist in einem. Augenblicke dahin. Wir spielen in einer winterlichen Dämmerstunde und tanzen durch die Stube. Wenn meine Mutter ausser Athem ist und sich in einem Lehnstuhl ausruht, beobachte ich, wie sie ihre glänzenden Locken um die Finger wickelt und ihre Taille zurecht zieht, und niemand weiss besser als ich, dass sie sich freut, so gut auszusehen, und stolz ist, so hübsch zu sein.

Das gehört zu meinen frühesten Eindrücken. Das und das Gefühl, dass wir beide ein bischen Angst hatten vor Peggotty und uns in den meisten Fällen ihren Anordnungen fügten, gehört zu den ersten Meinungen — wenn ich das Wort brauchen darf — die ich mir bildete aus dem, das ich sah.

Peggotty und ich sassen eines Abends allein beim Feuer in der Wohnstube. Ich hatte Peggotty von Krokodilen vorgelesen. Ich muss sehr deutlich gelesen haben, oder die arme Seele muss in tiefen Gedanken gewesen sein, denn ich erinnere mich, dass sie, als ich geendet hatte, eine nebelhafte Vorstellung hatte, es sei eine Art Gemüse. Ich war des Lesens, müde und furchtbar schläfrig; aber da ich als hohe Gunst die Erlaubnis erhalten hatte, aufzubleiben, bis meine Mutter, die den Abend in einem Nachbarhause zubrachte, heimkäme, würde ich (ganz gewiss) eher auf meinem Posten gestorben, als zu Bett gegangen sein. Ich hatte den Grad der Schläfrigkeit erreicht, in dem Peggotty zu wachsen und unendlich breit zu werden schien. Ich hielt meine Augenlider mit beiden Zeigefingern offen und schaute beharrlich auf sie, wie sie bei ihrer Arbeit sass; auf das Stückchen Wachskerze, das ihr zum Fadenwichsen diente — wie alt sah es aus, so voll Runzeln nach allen Richtungen! — auf das kleine Haus mit dem Strohdach, in dem ihr Yardmass wohnte, auf ihren Arbeitskasten mit dem Schiebedeckel; auf den eine Ansicht der Sanct Pauls-Kathedrale (mit feuerrother Kuppel) gemalt war; auf den messingnen Fingerhut an ihrem Finger; auf sie selbst, die mir lieblich dünkte. Ich fühlte mich so schläfrig, dass ich wusste, wenn ich etwas davon aus den Augen verlöre, wäre ich hin.

„Peggotty,“ sage ich plötzlich, „warst du je verheirathet?“

,,Herrgott, Master Davy,“ erwiderte Peggotty, „wie kommen Sie aufs Heirathen?“

Sie antwortete so heftig, dass ich ganz munter wurde. Und dann hielt sie mit der Arbeit inne und sah mich an, indem sie die Nadel herausgezogen hielt, so lang der Faden war.

„Aber warst du je verheirathet, Peggotty?“ sage ich. „Du bist ein hübsches Frauenzimmer, nicht wahr?“

Ich dachte sie freilich in andrem Stile als meine Mutter, hielt sie aber für ein vollkommenes Beispiel einer anderen Art Schönheit. In der guten Stube war ein mit rothem Sammet überzogenes Fussbänkchen, worauf meinte Mutter einen Blumenstrauss gemalt hatte. Die Grundfarbe dieses Fussbänkchens und Peggotty’s Gesichtsfarbe schien mir ganz gleich. Der Sammet war weich, und Peggotty. war rauh, aber das machte keinen Unterschied.

„Ich hübsch, Davy!“ sagte Peggotty. „Du meine Güte, mein, aber wie kommen Sie aufs Heirathen?“

„Ich weiss nicht! — Du darfst nicht mehr als einen Mann auf einmal heirathen — darfst Du, Peggotty?“

„Gewiss nicht,“ sagte Peggotty mit grösster Entschiedenheit.

,,Aber wenn du einen Mann heirathest, und der Mann stirbt, dann magst du wohl einen andern Mann heirathen, magst du nicht, Peggotty?“

„Du magst,“ sagte Peggotty, „wenn es dir gefällt, mein Lieber. Das kommt auf jedes Meinung an.“

„Aber was ist deine Meinung, Peggotty?“ sagte ich.

Ich fragte sie und sah sie neugierig an, weil sie mich so nougierig ansah.

„Meine Meinung ist,“ sagte Peggotty nach kurzem Zögern, die Augen von mir abwendend und weiter arbeitend, „dass ich selbst nie verheirathet war, Master Davy, und dass ich es auch wohl nie sein werde. Das ist alles, was ich von der Sache weiss.“

„Du bist nicht böse, Peggotty, nicht wahr?“ sagte ich, nachdem ich eine Minute stilgesessen.

Ich dachte wirklich, sie wäre es, weil sie mich so kurz abgefertigt hatte; aber ich war sehr im Irrthum, denn sie legte ihre Arbeit bei Seite (es war einer ihrer eignen Strümpfe), öffnete ihre Arme weit, umfasste meinen Lockenkopf und drückte ihn tüchtig. Ich weiss, dass sie tüchtig drückte, denn da sie sehr dick war, sprangen, wenn sie angezogen war, bei jeder kleinen Anstrengung einige Knöpfe von ihrem Kleide ab. Und ich erinnere mich, dass zwei derselben in die entgegengesetzte Ecke der Stube flogen, als sie mich herzte.

,,Nun lassen Sie mich noch was von den Krorkindills hören,“ sagte Peggotty, die den Namen noch nicht recht begriffen hatte, ,,ich hörte noch lange nicht genug davon.“

Ich konnte nicht recht begreifen, warum Peggotty so wunderlich aussah, und warum sie so bereit war, zu den Krokodilen zurückzukehren. Wie es auch war, wir kehrten zu diesen Ungeheuern zurück, ich meinestheils mit neuer Munterkeit, und wir liessen ihre Eier im Sande, dass die Sonne sie ausbrüte; und wir rannten von ihnen weg und ärgerten sie durch fortwährende Schwenkungen, die sie ihres ungeschlachten. Baues wegen nicht so schnell nachmachen können; und wir gingen ihnen wie Eingeborene nach in das Wasser und bohrten scharfe Stücke Holz in ihre Rachen; kurz wir machten ein ganzes Krokodilgefecht durch. Ich wenigstens that es; aber ich hatte meine Zweifel über Peggotty, die die ganze Zeit über gedankenvoll ihre Nadel in verschiedne Theile ihres Gesichtes und ihrer Arme stach.

Wir hatten die Krokodile erschöpft und fingen mit den Alligatoren an, als die Gartenglocke läutete. Wir gingen zur Thür hinaus; und da stand meine Mutter, ungewöhulich hübsch aussehend, wie ich meinte, und bei ihr ein Herr mit schönem schwarzem Haar und Backenbart, der den letzten Sonntag mit uns aus der Kirche nach Hause gegangen war.

Wie sich meine Mutter auf der Schwele niederbückte, um mich auf ihren Arm zu nehmen und zu küssen, sagte der Herr, ich kleiner Bursche geniesse höhere Vorrechte als ein Monarch — oder etwas dem Aehnliches; denn ich merke wohl, dass mir mein späteres Verständnis hier zu Hilfe kommt.

„Was heisst das?“ fragte ich ihn über ihre Schulter weg.

Er klopfte mich auf den Kopf; aber ich mochte ihn oder seine tiefe Stimme nicht leiden, und ich war eifersüchtig, dass seine Hand zugleich mit mir die meiner Mutter berührte. Ich stiess sie weg so gut ich konnte.

„O Davy!“ ermahnte meine Mutter.

„Lieber Junge!“ sagte der Herr. „Ich kann mich nicht wundern über eine Verehrung.“

Nie zuvor sah ich ein so schönes Roth im Gesicht meiner Mutter. Sie schalt mich sanft, dass ich rauh sei; und mich fest an sich drückend, wandte sie sich um und dankte dem Herrn, dass er sich die Mühe gegeben habe, sie nach Hause zu bringen. Sie reichte ihm die Hand hin, während sie sprach, und als er sie mit der seinen berührte, war es mir, als sähe sie mich an.

„Wir wollen uns Gute Nacht sagen, mein schöner Knabe,“ sagte der Herr, als er sein Gesicht — ich sah es! — auf meiner Mutter kleinen Handschuh neigte.

,,Gute Nacht!“ sagte ich.

„Komm, lasse uns die besten Freunde von der Welt werden!“ sagte der Herr lachend. „Schütteln wir uns die Hände!“

Meine rechte Hand lag in der linken meiner Mutter, so gab ich ihm die andre.

„Aber das ist die falsche Hand, Davy!“ lachte der Herr.

Meine Mutter zog meine rechte Hand hervor, aber ich war aus meinem früheren Grunde entschlossen, sie ihm nicht zu gehen, und ich that es nicht. Ich gab ihm die andre, und er schüttelte sie herzlich, sagte, ich sei ein braver Bursche, und ging weg.

Noch diese Minute sehe ich ihn sich in den Garten wenden und uns einen letzten Blick zuwerfen aus seinen ominösen schwarzen Augen, ehe die Thür geschloffen wurde.

Peggotty, die kein Wort gesagt und keinen Finger geführt hatte, schob augenblicklich die Riegel vor, und wir gingen alle in das Wohnzimmer. Meine Mutter kam nicht ihrer Gewohnheit gemäss zu dem Lehnstuhl am Feuer, sondern blieb am andern Ende des Zimmers. Da sass sie nun und sang vor sich hin.

„— Hoffe, Sie haben einen vergnügten Abend gehabt, Madame,“ sagte Peggotty, die mit einem Leuchter in der Hand steif wie eine Tonne mitten in der Stube stand.

,,Ich bin dir sehr verbunden, Peggotty,“ erwiderte meine Mutter mit Heiterer Stimme. „Ich habe einen sehr vergnügten Abend gehabt.“

„Ein Fremder oder so was gibt eine angenehme Abwechslung,“ meinte Peggotty.

„Eine sehr angenehme Abwechslung in der That,“ erwiderte meine Mutter.

Während Peggotty noch fernerhin bewegungslos in der Stube stand und meine Mutter wieder anfing zu singen, schlief ich ein, aber nicht so fest, dass ich nicht noch hätte Stimmen hören können, ohne zu verstehen, was sie sagten. Als ich aus diesem unbehaglichen Schlummer halb erwachte, fand ich beide, meine Mutter und Peggotty, in Thränen, und beide sprechend.

„So einen, wie der ist, würde Mr. Copperfield nicht gemocht haben,“ sagte Peggotty. „Das sage ich und das schwöre ich!“

,,Gütiger Himmel!“ rief meine Mutter, „du wirst mich um den Verstand bringen! Wurde jemals ein armes Mädchen so schlecht behandelt von seinen Dienstboten wie ich! Warum thue ich mir die Ungerechtigkeit an, mich selbst ein Mädchen zu nennen? Bin ich denn nie verheirathet gewesen, Peggotty?“

„Gott weiss; Sie sind’s, Madame,“ erwiderte Peggotty.

„Wie kannst du dann wagen,“ sagte meine Mutter, — „du weisst, ich meine nicht, wie kannst du wagen, aber wie kannst du das Herz haben — mich so zu verstimmen und mir so bittre Dinge zu sagen, wenn du wohl weisst, dass ich hier am Orte keinen einzigen Freund habe, an den ich mich wenden könnte!“

„Um so mehr Grund habe ich,“ erwiderte Peggotty, „zu sagen, dass es nicht gut thun wird. Nein! Dass es nicht gut thun wird. Nein! Dass es um keinen Preis gut thun könnte. Nein!“ — Ich dachte, Peggotty würde den Leuchter wegwerfen, so nachdrücklich schwang sie ihn.

„Wie kannst du es so verschlimmern;“ sagte meine Mutter, noch mehr Thränen vergiessend als zuvor, „und kannst in so ungerechter Weise sprechen! Wie kannst du thun, als ob alles bestimmt und festgesetzt wäre, Peggotty, wenn ich dir immer und immer wieder sage, dass nichts geschehen ist, was über die gewöhnlichsten Höflichkeiten hinausginge! Du sprichst von Bewunderung. Was soll ich thun? Wenn die Leute so einfältig sind, diesem Gefühl nachzugeben, ist es meine Schuld? Was soll ich thun? Ich frage dich! Möchtest du, dass ich meine Haare abschöre und mein Gesicht schwärzte, oder mich durch ein Brandmal oder einen Grind oder dergleichen entstellte? Ich glaube wirklich, du möchtest es, Peggotty. Ich glaube wirklich, du würdest dich darüber freuen.“

Peggotty schien sich diesen Verdacht sehr zu Herzen zu nehmen, wie mir däuchte.

„Und mein liebes Kind,“ rief meine Mutter, zu dem Lehnstuhl kommend, auf dem ich sass, und mich liebkosend, „mein einziger kleiner Davy!. Soll es mir angedeutet werden, dass ich der Liebe ermangelte für meinen köstlichen Schatz, den theuersten kleinen Burschen, den es je gegeben hat!“

„Niemand ist jemals gekommen und hat so was angedeutet,“ sagte Peggotty.

„Du thatest es, Peggotty!“ erwiderte meine Mutter. „Du weisst, dass du es thatest. Wie anders wäre es wohl möglich, das aufzufassen, was du sagtest, du unfreundliches Geschöpf, und du weisst doch so gut wie ich selber, dass ich mir seinetwillen voriges Vierteljahr keinen neuen Sonnenschirm kaufen wollte, obgleich der alte grüne so ganz und gar zerscheuert ist und die Franse ganz abgetragen. Du weisst, es ist so, Peggotty, du kannst es nicht leugnen.“ Dann sich zärtlich zu mir wendend, ihre Wange an der meinen: „Bin ich dir eine garstige Mama, Davy? Bin ich eine hässliche, grausame, selbstsüchtige, schlechte Mama? Sage, dass ich es bin, mein Kind; sage ,Ja‘, lieber Sohn, und Peggotty wird dich lieben, und Peggotty’s Liebe ist viel besser als meine, Davy. Ich liebe dich durchaus nicht, nicht wahr?“

Darüber fingen wir alle an zu weinen. Ich denke, ich war der Lauteste von der Gesellschaft, aber ich bin gewiss, dass wir alle aufrichtig dabei waren. Ich selbst war ganz unglücklich, und ich fürchte, dass ich in den ersten Ausbrüchen verwundeter Zärtlichkeit Peggotty ein „Biest“ genannt habe. Dieses ehrliche Geschöpf war in tiefer Betrübnis, wie ich mich erinnere, und muss bei dieser Gelegenheit ganz knopflos geworden sein; denn eine ganze Salve dieser Explosionsgeschosse flog ab, als sie es mit meiner Mutter gut gemacht hatte und neben dem Lehnstuhl niederkniete, um es mit mir gut zu machen.

Wir gingen ausserordentlich niedergeschlagen zu Bett. Mein Schluchzen hielt mich lange Zeit wach; und als mich ein sehr heftiges Schluchzen im Bett förmlich hoch schnellte, fand ich meine Mutter auf dem Bettrand sitzend und sich über mich neigend. Danach schlief ich in ihren Armen ein und schlief gesund.

Ob es an dem darauffolgenden Sonntag war, dass ich den Herrn wieder sah, oder ob längere Zeit verging, bis er wieder erschien, weiss ich nicht mehr genau. In Betreff der Daten behaupte ich nicht ganz klar zu sein. Aber da war er in der Kirche, und nachher ging er mit uns nach Hause. Er kam auch herein, um ein prächtiges Geranium anzusehen, das wir am Wohnstubenfenster stehen hatten.

Es schien mir nicht, dass er es sehr beachtete, aber ehe er ging, bat er meine Mutter, ihm eine Blüte davon zu geben. Sie bat ihn, sich selbst eine auszuwählen, aber das verweigerte er — ich konnte nicht verstehen warum — so pflückte sie sie für ihn und gab sie ihm in die Hand. Er sagte, er würde sich nie, nie mehr davon trennen; und ich dachte, er müsste ein rechter Thor sein, nicht zu wissen, dass sie in einem oder zwei Tagen abfallen würde.

Peggotty fing an, des Abends weniger mit uns zusammen zu sein, als sie früher pflegte. Meine Mutter war sehr ängstlich ihr gegenüber — mehr als gewöhnlich, wie mir dünkte — und wir waren alle drei vortreffliche Freunde; doch war es anders als früher und wir fühlten uns nicht so behaglich zusammen. Manchmal bildete ich mir ein, Peggotty mache vielleicht Einwendungen dagegen, dass meine Mutter all die hübschen Kleider trug, die sie in ihren Schränken und Schubladen hatte, oder dass sie so oft zu jener Nachbarin zum Besuch ging, aber ich konnte zu meiner Befriedigung nicht herausbekommen wie es war.

Allmählich gewöhnte ich mich daran, den Herrn mit dem schwarzen Backenbart zu sehen. Ich mochte ihn nicht besser leiden als zuerst und fühlte dieselbe unruhige Eifersucht gegen ihn; aber hatte ich dafür einen Grund, ausser dem instinktiven Widerwillen eines Kindes und einer allgemeinen Idee, dass Peggotty und ich meine Mutter sehr hochschätzen konnten ohne fremde Hilfe, so war es sicher nicht der Grund, den ich herausgefunden haben würde, wenn ich älter gewesen wäre. Nichts dergleichen kam mir auch nur von ferne in den Sinn. Ich konnte in kleinen Stücken beobachten, wie es war; aber aus einer Anzahl dieser Stücke ein Netz weben und jemand darin fangen, das ging und geht noch jetzt über mein Vermögen.

An einem Herbstmorgen war ich mit meiner Mutter in dem Vorgarten, als Mr. Murdstone — ich kannte ihn nun unter diesem Namen — zu Pferde herankam. Er hielt sein Pferd an, um meine Mutter zu begrüssen, und sagte, er ginge nach Lowestoft, um einige Freunde zu sehen, die mit einer Jacht dort wären, und lustig machte er den Vorschlag, mich vor sich auf den Sattel zu nehmen, wenn ich mitreiten möchte.

Die Luft war so klar und angenehm, und dem Pferde selbst schien der Ritt so gut zu gefallen, wie es schnaufend und scharrend an der Gartenthür stand, dass ich sehr grosse Lust hatte mitzugehen. So wurde ich denn hinaufgeschickt zu Peggotty, dass sie mich fein mache; und in der Zwischenzeit stieg Mr. Murdstone ab und ging, den Zaum über den Arm geworfen, langsam auf und ab an der Aussenseite der Rosenhecke, während meine Mutter an der inneren Seite langsam auf und ab ging, um ihm Gesellschaft zu leisten. Ich erinnere mich, dass Peggotty und ich von meinem kleinen Fenster aus auf sie herabguckten; ich erinnere mich, wie genau sie die Rosenhecke zwischen sich zu betrachten schienen, während sie daran entlang schlenderten; und wie Peggotty, die sich noch eben in einem wahrhaft engelsmilden Gemüthszustande befand, plötzlich mürrisch wurde und mein Haar ausserordentlich unsanft gegen den Strich bürstete.

Mr. Murdstone und ich waren bald unterwegs und trotteten auf dem grünen Rasen zur Seite des Weges. Er hielt mich ganz bequem in einem Arm, und ich glaube nicht, dass ich ungewöhnlich ruhelos war; aber ich konnte mich nicht entschliessen, vor ihm zu sitzen und mich nicht manchmal umzuwenden, um ihm ins Gesicht zu sehen. Er hatte jene Art seichter schwarzer Augen — mir fehlt eine bessere Bezeichnung für Augen, die keine Tiefe haben, in die man sehen kann — die, wenn sie gedankenvoll vor sich hinblicken von Zeit zu Zeit plötzlich für einen Augenblick entstellt scheinen durch eine Eigenthümlichkeit des Lichtes. Verschiedene Male, wenn ich ihn ansah, bemerkte ich diese Erscheinung mit einer Art Scheu und staunte, worüber er wohl so genau nachdenken möchte. Sein Haar und Bart waren, so nahe gesehen, schwärzer und dicker, als sie selbst mir jemals erschienen waren. Das Viereckige seiner unteren Gesichtshälfte und die getüpfelte Andeutung des kräftigen schwarzen Bartes, den er jeden Tag sorgfältig rasirte, erinnerte mich an das Wachsfigurenkabinet, das vor etwa einem halben Jahre unsre Nachbarschaft durchwandert hatte. Das, seine regelmässigen Augenbrauen und das reiche Weiss, Schwarz und Braun seiner Gesichtsfarbe — verwünscht seine Gesichtsfarbe und sein Gedächtnis! — liessen ihn mir, trotz meiner Abneigung als einen sehr hübschen Mann erscheinen. Ich zweifle nicht, dass er meiner armen lieben Mutter auch so erschien.

Wir gingen in ein Gasthaus an der See, wo zwei Herren in einem besonderen Zimmer Cigarren rauchten. Jeder von ihnen lag auf mindestens vier Stühlen und hatte eine weite rauhe Jacke an. In einem Winkel lag ein Haufen Röcke und Bootsmäntel und eine Flagge, alles zusammengewickelt.

Sie beide wälzten sich recht ungeschlacht auf ihre Füsse, als wir hereinkamen, und sagten: „Holla, Murdstone! wir dachten, du wärest todt!“

„Noch nicht,“ sagte Mr. Murdstone.

„Und was ist das für ein kleiner Gauner?“ sagte einer der Herren, mich festhaltend.

„Das ist Davy,“ erwiderte Mr. Murdstone.

„David, wer?“ fragte der Herr, „Jones?“

„Copperfield,“ sagte Mr. Murdstone.

„Wie! Der Sprössling der bezaubernden Mrs. Copperfield?“ rief der Herr. „Der hübschen kleinen Wittwe?“

„Bitte, Quinion,“ sagte Mr. Murdstone, „nimm dich in Acht. Es passt jemand scharf auf.“

„Wer denn?“ fragte der Herr lachend.

Ich blickte schnell auf, begierig es zu erfahren.

„Nur Brooks von Sheffield,“ sagte Mr. Murdstone.

Ich war ganz erleichtert, dass es nur Brooks von Sheffield war, ich hatte wirklich zuerst gedacht, dass ich es wäre.

Es schien etwas sehr Komisches in der Vorstellung des Mr. Brooks von Sheffield zu liegen, denn beide Herren lachten herzlich, als er erwähnt wurde, und auch Mr. Murdstone war sehr belustigt. Nach längerem Lachen sagte der Herr, den er Quinion genannt hatte:

„Und was ist die Meinung des Brooks von Sheffield in Betreff des geplanten Geschäftes?“

,,Ei was, ich glaube nicht, dass Brooks gegenwärtig viel davon versteht,“ erwiderte Mr. Murdstone, „aber im Allgemeinen ist er wohl nicht günstig dafür gestimmt.“

Darüber gab es ein neues Gelächter, und Mr. Quinion sagte, er wolle klingeln, um etwas Rothwein zu bestellen, dass er auf Brooks’ Gesundheit trinken könne. Er that es und als der Wein kam, schenkte er mir etwas davon ein und gab mir ein Biscuit dazu; ehe ich dann trank, stand er auf und sagte: „Verwirrung dem Brooks von Sheffield!“ Der Toast wurde mit grossem Beifall aufgenommen und mit so herzlichem Gelächter, dass ich mitlachen musste, worüber sie noch mehr lachten. Kurz, wir waren recht vergnügt zusammen.

Wir stiegen nachher auf die Klippe und sassen im Grase und sahen uns die Welt durch ein Fernrohr an — ich selbst konnte nichts erkennen, wenn es mir vors Auge gehalten wurde, aber ich gab vor, ich könnte es — und dann gingen wir zurück ins Gasthaus zu einem zeitigen Mittagsessen. Die ganze Zeit, dass wir draussen waren, rauchten die beiden Herren ununterbrochen — was sie, wie ich aus dem Geruch ihrer rauhen Röcke schloss, wohl immer gethan haben mussten, seit sie diese Röcke vom Schneider bekommen hatten. Ich darf nicht vergessen zu erwähnen, dass wir an Bord der Jacht gingen, wo sie alle drei in die Kajüte hinunter stiegen und sich eifrig mit verschiedenen Papieren beschäftigten. Ich sah sie angestrengt arbeiten, als ich durch das offene Oberlichtfenster hinunter sah. Sie überliessen mich in der Zeit der Gesellschaft eines sehr sauberen Mannes mit einem grossen Kopf voll rother Haare und einem sehr kleinen glänzenden Hut darauf, er hatte ein grobes Hemd oder Weste an, das auf der Brust mit grossen Buchstaben das Wort „Lerche“ trug. Ich dachte, dass es sein Name wäre, und dass er, weil er an Bord des Schiffes wohnte und keine Hausthür hatte, an die er seinen Namen schreiben könnte, ihn statt dessen dahin geschrieben hätte; aber als ich ihn Herr Lerche nannte, sagte er, das Schiff hiesse so.

Ich bemerkte den ganzen Tag über, dass Mr. Murdstone ernster und gesetzter war als die beiden Herren. Sie waren sehr lustig und sorglos. Sie scherzten frei miteinander, aber selten mit ihm. Es fiel mir auf, dass er klüger und kälter war als sie, und dass sie ihn mit einem ähnlichen Gefühl wie ich betrachteten. Ich erinnere mich, dass Mr. Quinion ein oder zwei Mal, wenn er sprach, von der Seite nach Mr. Murdstone sah, wie um sich zu versichern, dass es ihm nicht missfiele; und dass einmal, als Mr. Passnidge (der andre Herr) sehr ausgelassen war, er ihn auf den Fuss trat und ihm mit der Augen einen verstohlenen Wink gab, Mr. Murdstone zu beobachten, der streng und schweigend dasass. Ich entsinne mich auch nicht, dass Mr. Murdstone den ganzen Tag über einmal gelacht hätte ausser über den Sheffieldscherz — und das war, nebenbei gesagt, sein eigner.

Wir gingen abends zeitig nach Haus. Es war ein sehr schöner Abend, und meine Mutter und er spazierten wieder an der Rosenhecke auf und ab, während ich hineingeschickt wurde, meinen Thee zu trinken. Als er fort war, fragte mich meine Mutter aus über alle Erlebnisse des Tages, und was sie gesagt und gethan hätten. Ich erwähnte, was sie über sie gesagt hatten, und sie lachte und sagte, es seien unverschämte Burschen, die Unsinn schwatzten — aber ich wusste, es gefiel ihr. Ich wusste es so gut, wie ich es jetzt weiss. Ich fragte gelegentlich, ob sie Mr. Brooks von Sheffield kenne, aber sie antwortete Nein, sie vermuthete nur, er müsse ein Fabrikant von Messern und Gabeln sein.

Kann ich sagen von ihrem Gesicht — so verändert ich mich auch seiner erinnern muss, so verblüht ich es weiss — dass es dahin ist, wenn es in diesem Augenblick hier vor mich tritt, so deutlich wie jedes beliebige Gesicht, das ich auf der belebten Strasse betrachten mag? Kann ich sagen von ihrer unschuldigen und mädchenhaften Schönheit, dass sie verwelkt ist und verschwunden, wenn ihr Hauch nun meine Wange berührt wie in jener Nacht? Kann ich sagen, dass sie sich je veränderte, wenn meine Erinnerung sie nur so ins Leben zurückbringt, und ihrer liebenden Jugend treuer, als ich gewesen bin oder je ein Mensch ist, noch festhält, was ihr damals theuer war?

Ich schreibe von ihr grade so, wie sie war, als ich nach diesem Gespräch zu Bett gegangen war und sie kam, um mir Gute Nacht zu wünschen. Sie kniete spielend neben meinem Bett nieder, und ihr Kinn auf ihre Hände legend, sagte sie lachend:

„Was war es, das sie sagten, Davy? Sage es mir noch einmal. Ich kann es nicht glauben.“

„Der bezaubernden —‘“ fing ich an.

Meine Mutter legte ihre Hand auf meinen Mund, um mich zum Schweigen zu bringen.

„Es war nicht bezaubernd,“ sagte sie Lachend. „Es kann nicht bezaubernd gewesen sein, Davy. Ich weiss nun, es war so!“

„Ja, es war so. ,Der bezaubernden Mrs. Copperfield,ʻ“ wiederholte ich trotzig. „Und ,der hübschen.‘“

„Nein, nein, es war nicht hübsch, nicht hübsch,“ wandte meine Mutter ein, wieder ihre Finger auf meine Lippen legend.

„Ja, es war so. ,Der hübschen kleinen Wittwe.‘“

„Was für närrische unverschämte Geschöpfe!“ rief meine Mutter lachend und ihr Gesicht mit den Händen bedeckend. „Was für lächerliche Männer! Nicht wahr, mein lieber Davy?“

„Jawohl Mama.“

„Erzähle es Peggotty nicht; sie möchte ärgerlich auf sie sein. Ich bin selbst sehr ärgerlich auf sie; aber ich möchte lieber, Peggotty erführe nichts davon.“

Ich versprach es natürlich; und wir küssten uns immer und immer wieder, und bald fiel ich in einen gesunden Schlaf.

Es scheint mir aus dieser grossen Entfernung, als wäre es den Tag darauf gewesen, dass Peggotty den überraschenden, abenteuerlichen Vorschlag machte, den ich nun erwähnen will; aber wahrscheinlich war es zwei Monate später.

Wir sassen wie damals eines Abends (meine Mutter war ausgegangen wie damals), in Gesellschaft des Strumpfes und des Yardmasses und des Wachsstückchens und des Kastens, mit Sanct Paul auf dem Deckel und des Krokodilbuches, als Peggotty, nachdem sie mich verschiedne Male angesehen und ihrer Mund geöffnet hatte, als wollte sie sprechen, ohne es doch zu thun — was ich für blosses Gähnen hielt, sonst hätte es mich beunruhigt — schmeichelnd sagte:

„Master Davy, wie würde es Ihnen gefallen; mit mir zu gehen und vierzehn Tage bei meinem Bruder in Yarmouth zu verleben? Würde das nicht ein Vergnügen sein?“