Deana und der Feenprinz - Aileen P. Roberts - E-Book

Deana und der Feenprinz E-Book

Aileen P. Roberts

4,7

Beschreibung

Ciaran und Deana fahren nach Irland, um Ciarans Vater zu suchen.

Das E-Book Deana und der Feenprinz wird angeboten von Cuillin Verlag und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Isle of Skye, Rhiann, Feen, Highlands, Weltennebel, Jugendliteratur, Pferdebuch, Thondras Kinder, Rhiann Nebel über den Highlands, Highlandponies, Aileen P. Roberts, Pferderoman, Mädchenroman, Die Tochter des Mondes, Highlandpony, Dionarah, Schottland

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Seitenzahl: 279

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Inhalt

Titelseite

Impressum

Kapitel 1 Vorfreude

Kapitel 2 Winterstürme

Kapitel 3 Irland in Gefahr

Kapitel 4 Gespräch unter Männern

Kapitel 5 Auf nach Irland!

Kapitel 6 Auf Ryans Spuren

Kapitel 7 Glendalough

Kapitel 8 Eine neue Familie

Kapitel 9 Wie in alten Tagen

Kapitel 10 Überraschungen

Kapitel 11 Dunrae Manor

Kapitel 12 Geistergeschichten

Kapitel 13 Heimreise

Aus dieser Reihe:

Deana und der Feenprinz – Highlandsommer

Deana und der Feenprinz – Ciarans Geheimnis

Aileen P. Roberts

Deana und der Feenprinz

Abenteuer in Irland

Impressum

© 2011 Cuillin Verlag Loessl Claudia

1. Auflage 2011

eISBN: 978-3-941963-06-1

Zu bestellen im Internet unter:

www.cuillin-verlag.de

bei Amazon und im Buchhandel

Kapitel 1 Vorfreude

Wie zu Eis erstarrte Fabelwesen standen die Bäume und Büsche im Garten hinter dem kleinen Cottage, während morgendliche Stille über den Highlands lag. Ein Käuzchen stieß seinen unheimlichen Ruf aus, und Helligkeit kroch ganz langsam über die östlichen Hügel, welche das Land in ein sanftes Licht tauchte.

»Ciaran, warum bist du denn schon aufgestanden?« Gähnend fuhr sich Deana durch die vom Schlaf wirren Locken, die ihr wie eine rötlich blonde Wolke um den Kopf standen.

»Sieh mal«, der hochgewachsene junge Mann mit den langen schwarzen Haaren winkte ihr, »das ist phantastisch!«

Leise vor sich hin grummelnd schwang Deana ihre Beine aus dem Bett und trat zu ihm ans Fenster.

»Siehst du, wie der Raureif auf den Bäumen funkelt, man könnte meinen, es hingen Diamanten dran!«

Mit einem Stöhnen piekste Deana ihren Freund in die Seite.

»Klar ist das schön, aber das wäre es in zwei Stunden auch noch gewesen. Jetzt erklärt sich Onkel Cameron schon bereit, den Stalldienst zu übernehmen, und du stehst so früh auf!« Deanas Stirn legte sich in Runzeln, als sie auf die Uhr deutete, welche gerade einmal kurz nach halb neun anzeigte.

»Du hast überhaupt keinen Sinn für Romantik«, schimpfte Ciaran und zog die kichernde Deana wieder ins Bett. »Solche Sonnenaufgänge sieht man in Manchester nicht. Manchmal muss ich mich kneifen, um zu glauben, dass ich wirklich hier bei dir bin.«

»Ja, da hast du Recht.«

Jetzt ein wenig nachdenklich geworden kuschelte sich Deana an Ciarans Seite. Er lebte noch nicht lange bei ihr in Schottland auf der Isle of Skye, und hatte eine wenig erfreuliche Kindheit bei seinem Stiefvater in England gehabt. Aber die schlimmen Zeiten waren jetzt vorbei. Vor zwei Wochen waren sie in das Haus gezogen, welches Ciaran vom Erbe seiner Mutter für seinen Großvater gekauft hatte. Brandon O'Connell hatte darauf bestanden, dass Ciaran zumindest den ersten Stock des kleinen Hauses für sich behielt. Er selbst bewohnte ein Zimmer im Erdgeschoss, hielt sich mittlerweile jedoch ohnehin hauptsächlich im Haus von Deanas Großmutter Anabell Grant auf. Daher waren Deana und Ciaran meist ungestört und sie genossen ihre Zweisamkeit. Zwar hatte Deana auch noch ihr Zimmer im Haus ihrer Eltern, blieb aber oft über Nacht bei Ciaran.

Etwa eine Stunde später kamen die beiden hinunter in die Küche. Ciarans Großvater, ein großer Mann mit kurzen grauen Haaren und vielen Lachfältchen um die Augen, saß bereits vor einer Tasse Kaffee und blätterte in einer Zeitschrift.

»Na, schon ausgeschlafen?«, fragte er freundlich.

»Dank deines Enkelsohnes schon«, brummte Deana, obwohl sie ihm inzwischen nicht mehr böse war.

»Ich habe eben Sinn für die Schönheit der Highlands«, meinte Ciaran herausfordernd und biss Deana in den Hals, woraufhin sie empört aufquietschte.

»Ich werde dich daran erinnern, wenn es regnet und stürmt und du im Halbdunkel die Pferde versorgen musst«, drohte sie.

»Ja, der Februar zeigt sich von seiner besten Seite.« Brandon O'Connell blickte hinaus in den gleißenden Sonnenschein, welcher den kleinen, von Büschen bewachsenen Garten erstrahlen ließ. Nach Neujahr hatte es Wochenlang geregnet und gestürmt, aber jetzt, Mitte des Monats, gab es eine Kälteperiode und selbst der sonst beinahe ununterbrochen über die Insel fegende Wind schien eine Pause eingelegt zu haben.

»Was habt ihr heute vor?«, wollte der alte Mann wissen, während Deana ein paar Brötchen in den Ofen legte, um sie aufzutauen. Ciaran setzte währenddessen neuen Kaffee auf.

»Ich denke, wir werden nachmittags ein bisschen ausreiten«, meinte Deana und Ciaran nickte zustimmend. »Heute Abend muss ich im Pub bedienen.«

»Und du, Grandpa? Sag mal, du hast dich aber schick gemacht!« Erst jetzt fiel Deana auf, dass Ciarans Großvater seinen besten Anzug trug, und auch den Bart schien er frisch gestutzt zu haben.

Ein leichtes, kaum wahrnehmbares Rot überzog Brandon O'Connells Wangen, als er antwortete. »Ich bin mit deiner Großmutter bei ihrer Bekannten in Glen Shiel eingeladen.«

»Oh, bei Selma!« Ein leises Lachen stieg aus Deanas Kehle, während sie Ciaran zuzwinkerte. »Dann ist es jetzt wohl offiziell. Selma MacLoughlin ist nämlich schlimmer als die Inselzeitung. Sie tratscht alles was sie aufgreift bis nach Glasgow weiter!«

»Freches Gör.« Brandon O'Connell schlug spaßhaft mit einem Handtuch nach Deana, die sich breit grinsend in Sicherheit brachte. Dann straffte der alte Mann seine Schultern. »Diese Selma hatte letzte Woche Geburtstag und hat nun deine Granny und mich zum Tee eingeladen.«

»Wenn es sein muss, hat Selma auch dreimal im Jahr Geburtstag«, lachte Deana. »Sicher hat irgendjemand ihr gesteckt, dass Granny einen neuen Freund hat.«

Leise schmunzelnd beobachteten Deana und Ciaran, wie sein Großvater vehement behauptete, er und Deanas Großmutter seien nur gute Freunde und kein Paar, obwohl alle wussten, dass die beiden sehr viel mehr verband, und es ihnen auch jeder gönnte. Nur schienen sich sowohl Anabell Grant als auch Brandon O'Connell zu scheuen, das Ganze offiziell werden zu lassen.

Um die Mittagszeit machten sich Deana und Ciaran dick eingepackt auf den Weg zur Farm von Deanas Onkel. Hand in Hand liefen sie das kurze Stück die Straße hinauf und der alte Mr. Curtis, der ihnen mit seinem Hund an der Leine entgegenkam, grüßte freundlich.

Als sie die geschotterte Auffahrt hinauf gingen, kamen ihnen die beiden schwarz-weißen Bordercollies Jack und Jim schwanzwedelnd entgegen und Deanas Tante Maude, eine resolute Frau Anfang fünfzig, winkte ihnen vom Hühnerstall aus zu.

Einige der Pferde standen, mit ihrem aufgeplusterten Winterfell Teddybären gleich, auf den Weiden rund um das Haus und schienen die Sonne zu genießen. Deanas Onkel Cameron hatte insgesamt über dreißig Stück, und die Jährlinge, Zwei- und Dreijährigen verbrachten ihre Jugend auf weiter entfernten Weiden, nur die trächtigen Stuten, die Reitpferde und diejenigen, die zum Verkauf standen, befanden sich im Augenblick auf dem Hof.

Mit einem leisen Wiehern kam Deanas dunkle Falbstute Rhanna zum Zaun und ließ sich gleich ausgiebig den Hals kraulen. Auch Ciarans Grauschimmel May trottete heran.

»Ich denke, ich werde ohne Sattel reiten.« Kopfschüttelnd deutete Deana auf die ausladenden Formen ihres Ponys. »Ich fasse es nicht, May wurde über einen Monat vor Rhanna gedeckt, aber Rhanna ist schon viel dicker!«

»May ist eben größer, bei ihr fällt das nicht so auf.« Tatsächlich war Ciarans Pferd etwas mehr als zehn Zentimeter größer und wirkte insgesamt eleganter als die knubbelige Rhanna.

Die beiden führten ihre Pferde von der Weide und banden sie am Zaun des Reitplatzes an. Während sie putzten, kam Deanas Onkel Cameron aus dem Haus und klopfte May am Hals.

»Ich war heute früh bei den Junghengsten. Sie machen sich gut.«

»Das freut mich. Weißt du schon, welche von ihnen du kastrieren lassen willst?«, erkundigte sich Deana.

Während Ciaran etwas murmelte, das wie »arme Kerle« klang, wiegte Cameron bedächtig den Kopf und fuhr sich durch seine kurzen roten Haare. »Ich habe Anfragen aus Holland, ein Gestüt interessiert sich für zwei Hengste. Vielleicht sollten wir doch nur Finn und Mac kastrieren und im Frühling einreiten. Die beiden Braunen zeigen ohnehin weniger Hengstmanieren.«

Deana nickte zustimmend. Schon ihr ganzes Leben lang half sie auf dem Gestüt ihres Onkels mit, aber seit letztem Jahr war sie sogar an seinen Verkäufen beteiligt, ritt die Pferde ein und stellte sie auf Shows vor. Inzwischen hatte sie sich auch dazu entschlossen, ab dem Herbst am Gälisch-College Sabhal Mòr Ostaig, im Süden von Skye, zu studieren. Das war sehr praktisch für sie, denn in diesem College gab es die Möglichkeit, einige Kurse auch über das Internet zu belegen, so konnte Deana weiterhin in Stein wohnen, nebenbei im Pub ihrer Eltern bedienen und die Pferde ausbilden, um etwas Geld zu verdienen. Im März wollten sie und Ciaran aber zunächst einmal eine längere Reise durch Europa beginnen, wofür Deana schon kräftig gespart hatte.

Im auffrischenden Westwind ritten Deana und Ciaran nebeneinander die Straße entlang in Richtung des Örtchens Geary. Während der Wintermonate war hier nicht viel los. Die kleinen, weit verstreuten Häuser der Dörfer lagen wie in einem Dornröschenschlaf und meist zeugte nur der Rauch, der aus den Kaminen aufstieg, davon, dass sie überhaupt bewohnt waren. Erst wenn mit dem Frühling die ersten Touristen auf die Insel kamen, würde es etwas lebhafter werden. Jetzt, im Februar, genossen die Inselbewohner die ruhige Zeit. In der Landwirtschaft war nicht viel zu tun und nur hier und da sah man einen Bauern über die abgeblühten Heidekrautfelder laufen, der nachschaute, ob seine Schafe oder Kühe gesund waren.

»Wir sollten langsam mal die Fähre nach Irland buchen«, meinte Ciaran, als sie den Berg hinaufritten, der zum östlichen Teil der Landzunge von Waternish führte.

»Keine Angst, Mitte März wird die Fähre sicher nicht ausgebucht sein.« Deana lächelte ihrem Freund zu, dem die Aufregung ganz deutlich ins Gesicht geschrieben stand. Sie wollten nach Irland fahren und Ciarans leiblichen Vater Ryan Mulligan suchen, von dem er erst vor kurzer Zeit durch den Brief seiner Mutter erfahren hatte. Leider hatte Catherine kurz darauf einen Unfall gehabt und war gestorben. So sehr die beiden auch versucht hatten, Informationen über Ryan Mulligan zu finden, sie hatten nichts herausbekommen, was möglicherweise daran lag, dass er ein Gipsy, ein Fahrender, war. Trotzdem wollten sie nach Irland reisen. Pater O'Neill, ein Bekannter von Ciarans Großvater, der ihnen bereits einige Male geholfen hatte, hatte versprochen, sich selbst umzuhören.

»Hoffentlich habe ich bis dahin den Führerschein.« Mal wieder erschienen auf Ciarans Gesicht Zweifel und Deana legte ihm eine Hand auf den Arm.

»Ciaran, du kannst super Auto fahren.«

»Und die theoretische Prüfung?!«

»Die wirst du ganz sicher bestehen.«

Nervös spielte Ciaran an seinen Zügeln herum. Obwohl er bereits einundzwanzig war, besaß er noch keinen Führerschein. Während der Flucht vor seinem Adoptivvater hatte er weder Zeit noch Geld gehabt, aber seit Jahresbeginn nahm er jetzt Fahrstunden, und eigentlich lief auch alles ganz gut – wenn nicht Ciarans Selbstzweifel gewesen wären. Um ihn abzulenken schlug Deana vor, anzutraben und schon setzte sich Rhanna – durch ihren mittlerweile beträchtlichen Leibesumfang ein wenig schwerfällig – in Bewegung.

Gemächlich trabten die beiden Pferde am Straßenrand entlang, und als sie den Hügel erklommen hatten, waren die Gesichter von Deana und Ciaran von der Kälte gerötet.

Froh, Ciaran von seinen düsteren Gedanken ablenken zu können, deutete Deana nach rechts auf die große, von unzähligem, rostbraunem Heidekraut bedeckte Weide, auf der an die dreißig zottelige Hochlandrinder um einen Heuballen herumstanden. Ein alter roter Traktor holperte gerade zurück in Richtung Straße.

»Sieh mal, das ist bestimmt Andrew.« Deana hob die Hand zum Gruß und kurz darauf kam auch aus der Fahrerkabine eine Hand heraus, die eifrig winkte.

Ciaran und Deana ließen ihre Pferde anhalten und warteten, bis Andrew mit seinem Traktor durch das Tor fuhr. Der kräftige junge Mann, er war ein Jahr älter als Ciaran, sprang aus der Fahrerkabine und sein breites, freundliches Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.

»Na, was treibt euch denn bei dieser Kälte vor die Tür?«

»Ciaran fand das Wetter heute schon in aller Herrgottsfrühe so toll, dass ihn einfach nichts mehr gehalten hat«, witzelte Deana, was Ciaran jedoch nur mit einem Schnauben quittierte.

»Städter«, brummelte Andrew gutmütig, dann grinste er Ciaran zu. »Wenn du willst, können wir demnächst noch mal bei uns auf dem Grundstück das Einparken üben.«

»Danke, Andrew, ich glaube, du kannst Gedanken lesen.«

Andrew streckte sich und hob das Kinn. »Dafür sind wir Highlander berühmt!« Dann wünschte er den beiden einen guten Heimritt und stieg wieder in seinen Traktor.

»Andrew ist toll.«

»Ja, mich hat er damals auch schon in seiner alten Klapperkiste üben lassen. Der Privatgrund seiner Eltern ist so groß, dass man dort gefahrlos seine ersten Fahrversuche machen kann.« Nun schmunzelte Deana. »Allerdings war das bei mir nicht ganz ohne Hintergedanken, befürchte ich.«

»Na, das wird bei mir wohl eher nicht der Fall sein«, scherzte Ciaran, und Deana stimmte ihm leise lachend zu. Andrew war lange Zeit in sie verliebt gewesen, hatte aber irgendwann akzeptiert, dass sie nur Freunde waren und mittlerweile verstanden sogar er und Ciaran sich sehr gut.

Durchgefroren aber guter Laune beendeten sie etwa eine Stunde später ihren Ausritt, versorgten die fünf trächtigen Stuten mit Kraftfutter und gaben auch den anderen Pferden noch etwas Heu. Als Ciaran das Wasser auffüllte, warf er Rhanna einen warnenden Blick zu.

»Wage ja nicht, in den Bottich zu steigen und zu planschen!« Mittlerweile kannte er das freche kleine Pferd zu gut, um sich von ihren unschuldigen braunen Augen, die unter dem wuscheligen schwarzen Schopf vorschauten, täuschen zu lassen.

»Seitdem sie trächtig ist, ist sie viel vernünftiger geworden«, ergriff Deana Partei für ihr Pony und legte ihr einen Arm um den Hals.

»Wenn das mal anhält«, grummelte Ciaran.

Schmunzelnd musste Deana daran denken, wie er früher Rhanna immer selbst verteidigt hatte, aber seitdem er hier wohnte und häufig bei der Stallarbeit mithalf, ging es ihm doch gehörig auf die Nerven, dass Rhanna sich mit Freude in die Wasserkübel stellte, die gerade frisch aufgefüllt waren, und mit den Vorderhufen darin herum planschte, wobei sie das ganze Wasser ausschüttete. Aber heute schien das Pony nicht zu Scherzen aufgelegt zu sein, sondern trank nur in kräftigen Zügen und trottete dann zum nächsten Heuhaufen.

Wieder zu Hause zog sich Deana rasch um, dann gab sie Ciaran einen Kuss. »Ich muss jetzt runter in den Pub. Kommst du auch mit?«

Er schüttelte jedoch den Kopf und deutete auf einen Stapel Blätter. »Ich muss für die Fahrprüfung lernen und später wollte ich mit Grandpa noch etwas Gitarre spielen.«

Ciaran und sein Großvater machten häufig zusammen Musik und traten auch gelegentlich, besonders während der Touristensaison, in den Pubs der Umgebung auf, wo sie schottische und irische Lieder sangen.

»Okay, dann bis später.« Deana schnappte sich ihre Jacke und joggte die schmale Straße hinunter zum Pub ihrer Eltern, dem Seagulls Inn, welches an der malerischen Bucht des Örtchens Stein lag. Behagliche Wärme empfing Deana, als sie das weiß verputzte Haus betrat. Der Pub war der älteste der ganzen Insel, die niedrigen Räume innen rustikal eingerichtet und bei Touristen und Einheimischen sehr beliebt. Hinter der hölzernen Theke, gleich links neben der Tür, stand Deanas missmutige Schwester Jeanie.

»Na endlich, ich muss noch Hausaufgaben machen«, beschwerte sich die hübsche Sechzehnjährige. Obwohl drei Jahre zwischen den beiden Mädchen lagen, sah man ihnen den Altersunterschied kaum an. Jeanie war recht frühreif und kleidete sich auch gerne wie eine Erwachsene. Jetzt stolzierte sie mit wiegenden Hüften aus dem Raum und Deana blickte ihr kopfschüttelnd hinterher, bevor sie neuen Torf in den offenen Kamin legte, der sich in der Mitte des Raumes befand. Erwartungsgemäß war heute nicht viel los, nur zwei alte Fischer saßen in der Ecke und unterhielten sich bei einem Glas Bier. Deana wechselte ein paar Worte mit ihnen, dann ging sie ihrer Mutter beim Abendessen zur Hand.

Alisha MacLennan, eine Frau mit halblangen blonden Locken, lächelte, als sie ihre Tochter sah.

»Mum, darf ich später mal an euren Computer?«, fragte Deana und schnitt eine Grimasse. »Die Leute von der Telefongesellschaft waren letzte Woche schon wieder nicht bei Ciaran und seinem Grandpa.«

»Warum wundert mich das jetzt nicht?« Alisha MacLennan verdrehte die Augen. Sie wusste aus der Erfahrung ihres über vierzigjährigen Lebens, dass es die Handwerker in der Gegend mit Terminen nicht so genau nahmen.

Der Abend blieb sehr ruhig und nur ein paar Gäste, die im Augenblick die Ferienwohnung über dem Pub bewohnten, kamen zum Abendessen, daher schickte Alisha ihre Tochter auch schon kurz nach 21 Uhr nach Hause.

»Gute Nacht, Mum, ich gehe nur noch rasch an euren Computer und schlafe dann bei Ciaran.«

»Gute Nacht, mein Schatz.«

Als Deana in das kleine Arbeitszimmer ihrer Eltern kam, saß Jeanie mit angestrengtem Gesichtsausdruck vor dem Bildschirm.

»Verschwinde, Deana, ich muss Hausaufgaben machen.«

»Ja, klar, die Hausaufgaben heißen Matthew und wollen unbedingt nächstes Wochenende mit dir nach Inverness fahren.« Breit grinsend spähte Deana über die Schulter ihrer Schwester, die mit einem Kreischen herumfuhr.

»Das ist privat, du blöde Kuh!«

»Und was ist mit Paul?«, wollte Deana wissen.

»Paul!« Jeanie machte eine abwertende Handbewegung. »Der ist voll öde.«

Deana verdrehte die Augen. »Meine Güte, Paul ist doch wirklich ein netter Kerl, und ihr habt auch ganz gut zusammengepasst, finde ich.«

»Kann ja nicht jeder so langweilig sein wie du«, meinte Jeanie herausfordernd und fuhr sich durch die langen blonden Haare. »Matthew hat einen Sportwagen, seine Eltern sind Immobilienmakler und haben sogar ein Ferienhaus in Spanien. Falls es mit Matthew nichts wird, kann ich Paul immer noch nehmen.«

»Du bist unmöglich!« Deana stemmte die Hände in die Seiten. »Irgendwann geht der Schuss nach hinten los und dich will keiner von beiden.«

»Ach was, die ...« Jeanie wurde unterbrochen, als das Telefon klingelte und nachdem sie auf die Nummer geblickt hatte, reichte sie Deana den Hörer. »Das ist Paul, bitte wimmel ihn ab. Matthew kommt nämlich gleich.«

»Weiß Mum davon?« Die Stirn kritisch gerunzelt hielt Deana das schrill klingelnde Telefon in der Hand.

»Jetzt mach schon, Deana«, quengelte Jeanie.

»Aber nur, wenn du mich an den Computer lässt.«

»Nein, ich bin noch nicht fertig!«

Der Streit der Schwestern ging noch eine Weile hin und her, bis das Klingeln verstummte, woraufhin Jeanie sich achselzuckend erneut dem Computer zuwandte. Allerdings begann es kurz darauf schon wieder zu läuten.

»Deana, bitte, er nervt sonst den ganzen Abend!«

Mit einer eindeutigen Geste deutete Deana auf den Computer, woraufhin Jeanie seufzend den Platz räumte. Deana grinste triumphierend, setzte sich hin, dann nahm sie endlich ab.

»Hallo Paul. Nein, Jeanie ist leider nicht da. Sie lernt mit einer Freundin Mathe. Ja, ich sage ihr, dass du angerufen hast. Tschüß!« Deana gab Jeanie den Hörer zurück. »Zufrieden?«

»Hmm, Erpresserin.«

»Stell dich nicht so an, wenn Matthew sowieso noch kommt, musst du doch jetzt nicht mit ihm chatten!«

»Du bist schon viel zu lange mit Ciaran zusammen, du verstehst das nicht«, behauptete Jeanie und verließ dann beleidigt den Raum.

Etwa eine Stunde später wanderte Deana in der Dunkelheit die verlassene Dorfstraße hinauf zum Haus von Ciaran und seinem Großvater. Leise plätscherte das Meer ans steinige Ufer und der unheimliche Schrei eines Uhus ließ Deana kurz zusammenzucken. Aber sie verspürte keine Angst, denn sie hatte ihr ganzes Leben auf der Insel verbracht, und wusste, dass hier in der Regel nichts Aufregenderes passierte, als dass eine Kuhherde ausbrach und die Straße blockierte. Andererseits musste Deana unwillkürlich an die merkwürdigen Begebenheiten denken, die ihr gelegentlich passierten. Seit ihr ihre Granny Anabell vor vielen Jahren das Märchen von Darina und dem Feenprinzen vorgelesen hatte, waren einige Dinge in ihrem und Ciarans Leben geschehen, die verblüffende Ähnlichkeit mit denen der Märchengestalten hatten. Und wenn Deana über die vom Mond beschienenen Felder blickte, hatte sie manchmal tatsächlich das Gefühl, aus dem Augenwinkel heraus Feen tanzen zu sehen. Lächelnd zog sie sich den karierten Seidenschal über die Nase, denn es war eine kalte, klare Nacht. Zwar glaubte nicht einmal Ciaran ihr, aber Deana war sich insgeheim sicher, den Schal als Geschenk aus dem Feenreich erhalten zu haben. Sie hatte von Darina, dem Mädchen aus der Geschichte ihrer Großmutter, geträumt und am nächsten Tag genau diesen Schal gefunden, den auch Darina im Traum getragen hatte. Auch wenn Deana seitdem keine geheimnisvollen Begegnungen oder Träume mehr gehabt hatte, der Schal blieb etwas Besonderes für sie.

Ciaran saß noch im Wohnzimmer und las in einem Buch, als Deana hereinkam.

»Schön, das du schon hier bist«, sagte er mit einem Blick auf die Uhr.

»War nicht viel los.«

»Grandpa ist schon im Bett«, erklärte Ciaran schmunzelnd, »ich glaube, die Freundin deiner Granny hat ihn etwas überfordert.«

Leise lachend setzte sich Deana zu Ciaran auf die Lehne des alten Sofas, welches sie von Tante Maude und Onkel Cameron geschenkt bekommen hatten. »Ich habe die Fähre gebucht, Ciaran, außerdem hat Pater O'Neill geschrieben.«

»Wirklich?!« Nun war Ciaran ganz Ohr und seine dunklen Augen funkelten vor Aufregung.

»Er hat mir die Adresse eines Bekannten in Galway gegeben, der einige Gipsys kennt und uns zu ihnen führen will.«

»Wann geht denn die Fähre?« Erwartungsvoll nahm Ciaran die Tickets in die Hand, dann seufzte er. »Noch über fünf Wochen.«

Deana umarmte ihn. »Tut mir leid, aber vorher hat Mum keine Bedienung für den Pub bekommen können und Jeanie muss momentan auch mehr für die Schule machen, ihre Noten sind nicht gerade berauschend.«

»Ja, das verstehe ich«, versicherte Ciaran, »ich bin nur so neugierig, ob wir meinen Vater wirklich finden. Am Ende lebt er gar nicht mehr in Irland.«

»Wir finden ihn!«, meinte Deana optimistisch und freute sich schon sehr auf die Reise.

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