Deep Secrets - Enthüllung - Lisa Renee Jones - E-Book

Deep Secrets - Enthüllung E-Book

Lisa Renee Jones

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Beschreibung

Ihre Leidenschaft ist verhängnisvoll

Seit Sara McMillan die erotischen Tagebücher der jungen Rebecca gefunden hat, ist nichts in ihrem Leben mehr, wie es einmal war. Von Rebecca fehlt noch immer jede Spur, und Sara ahnt, dass die Suche nach der Unbekannten ihr zum Verhängnis werden könnte. Allein in den Armen des dominanten Künstlers Chris Merit fühlt sie sich geborgen. Doch hinter seiner verführerischen Fassade verbirgt Chris eine Welt voller Schmerz und Dunkelheit, die Sara nicht nur überwältigen, sondern auch zerstören könnte ...

Der zweite Band der Deep-Secrets Reihe der New York Times-Bestsellerautorin Lisa Renee Jones! Neue Geheimnisse kommen zum Vorschein, weitere Rätsel werden enthüllt und es knistert gewaltig.

»Ich konnte dieses Buch nicht aus der Hand legen!« FICTION VIXEN

»Diese Reihe macht süchtig!« ROMANTIC TIMES

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.

Die Deep-Secrets Reihe

1. Berührung (Roman - Sara und Chris)

2. Enthüllung (Roman - Sara und Chris)

3. Hingabe (Roman - Sara und Chris)

4. Sein Geheimnis (Novella, Chris‘ Sicht)

5. Geheime Sehnsucht (Novella, Marks Sicht)

6. Verbotene Träume (Novella, Marks Sicht)

7. Geheimes Begehren (Sara und Chris)

8. Tiefe Leidenschaft (Novella, Marks und Crystals Sicht)

9. Dunkle Liebe (Roman, Marks und Crystals Sicht)

10. Alles von mir für dich (Novella Chris & Sara)

11. Rebeccas Tagebücher (Gesamtausgabe)

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

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Danksagung

Über die Autorin

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Impressum

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Über dieses Buch

Ihre Leidenschaft ist verhängnisvoll

Seit Sara McMillan die erotischen Tagebücher der jungen Rebecca gefunden hat, ist nichts in ihrem Leben mehr, wie es einmal war. Von Rebecca fehlt noch immer jede Spur, und Sara ahnt, dass die Suche nach der Unbekannten ihr zum Verhängnis werden könnte. Allein in den Armen des dominanten Künstlers Chris Merit fühlt sie sich geborgen. Doch hinter seiner verführerischen Fassade verbirgt Chris eine Welt voller Schmerz und Dunkelheit, die Sara nicht nur überwältigen, sondern auch zerstören könnte …

LISA RENEE JONES

Deep Secrets

ENTHÜLLUNG

Aus dem amerikanischen Englisch von Michaela Link

Für Diego und seinen dauerhaften Glauben an mich und diese Serie

Tagebuch Acht, Eintrag Eins

27. April 2012

Dunkelheit hüllte mich ein, eine völlige Abwesenheit von Licht, die mich innerlich zittern ließ. Nein. Es war nicht die Dunkelheit, die mich zittern ließ. Er war es. Ich spürte ihn, obwohl ich ihn nicht sah. Oh ja, ich spürte ihn. Mit jeder Pore meiner Haut, jeder Nervenzelle, die ich besaß, spürte ich ihn. Er schlich sich an. Forderte mich für sich, obwohl er mich noch nicht berührt hatte. Ich war ihm vollkommen ausgeliefert, nackt und auf Knien, in der Mitte eines weichen Wollteppichs. Enge Riemen pressten mir die Waden an die Oberschenkel, während eine weitere Fessel mir die Brust umschlang und die Arme hinter dem Rücken festhielt. Es schmerzte auf eine bittersüße, erregende Art, und auch wenn ich mich entblößt und verletzlich fühlte, hatte ich gelernt, dass diese Dinge mich auf eine Weise erregten, wie ich sie nie für möglich gehalten hätte. Unglaublich, dass ich Angst davor haben konnte, wohin er mich als Nächstes bringen würde, und dennoch vor Erregung bebte. Und ich hatte Angst, während ich in der Dunkelheit kniete. Angst davor, wie wenig Kontrolle mir über die Reaktion meines eigenen Körpers geblieben war, wie sehr er mich kontrollierte, wenn ich es nicht tat. Wie sehr ich es brauchte, dass er mich kontrollierte. Ich erkenne diesen Teil von mir nicht wieder, jetzt, während ich dies schreibe, aber wenn ich mit ihm zusammen bin, werde ich zu dem, was er von mir erwartet. Ich werde seine willige Sklavin, auch wenn ich gelernt habe, dass ich nur eine Spielfigur in seinen Spielen bin. Er hat mir nichts anderes versprochen, als mich in Besitz zu nehmen. Er wird mir niemals so gehören, wie ich ihm gehöre. Ich werde ihn niemals kontrollieren, wie er mich kontrolliert. Ich spiele nach seinen Regeln, und ich weiß vorher nie, wie sie sich verändern werden oder was oder wer Teil des neuen Spiels sein wird, zu dem unsere Begegnungen werden. Und letzte Nacht, als plötzlich ein Scheinwerfer auf mich gerichtet war, und nur auf mich, als er aus der Dunkelheit vor mich hintrat, war es der Mann, der an seiner Seite stand, der mich bis ins Mark erschütterte. Zwei Männer, davon einer, den ich nicht bei uns haben will. Er weiß es sehr wohl, und doch hat er diese Person eingeladen, sich zu beteiligen. Ich wollte Einwände erheben. Ich hätte Einwände erheben sollen. Aber dort, in diesem Raum, war ich nicht Rebecca. Ich war einfach sein. Manchmal, im Morgenlicht, wenn er mich nicht berühren kann, wenn wir voneinander getrennt sind, denke ich, ich will einfach ich sein, will wieder Rebecca sein. Nur dass ich mir nicht sicher bin, wer das ist. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich noch kenne. Wer ist Rebecca Mason?

1

In der vollkommenen Dunkelheit, die mich einhüllt, bekomme ich kaum Luft. Sie wurde von dem plötzlichen Stromausfall in der Lagerhalle verursacht, in der ich herumgestöbert habe, in der Hoffnung, Hinweise auf Rebeccas Verbleib zu finden. Ich bin mitten in einen gruseligen Horrorfilm hineingeraten, so einen, wie ich sie hasse, und ich stelle mir sofort mich selbst als das Mädchen vor, das immer genau das Falsche tut und am Ende blutverschmiert und leblos daliegt. Ich, Sara McMillan, bin eine vernünftige Person, und ich befehle mir, meine Furcht als irrational zurückzudrängen. Dies ist lediglich einer der Stromausfälle, die in San Francisco während der letzten Monate immer wieder vorkamen, und eine Maus, die über meine Füße huschen könnte, ist meine größte Sorge.

Aber denkt nicht genau das auch das Mädchen, das in den Horrorfilmen immer getötet wird? Es ist nur ein Stromausfall. Es ist nur eine Maus.

Es war dumm von mir, in der Nacht allein hierherzukommen – so ist es nun mal, und ich versuche, nicht dumm zu sein. Ich wusste doch aus einer früheren Begegnung, dass der Angestellte hier unheimlich ist, aber ich habe nichts darauf gegeben. Ich war einfach zu verzweifelt und brauchte das Gefühl, etwas zu tun, um Rebecca zu finden. Außerdem versuchte ich verbissen, mich von Chris’ Schweigen seit unserem SMS-Austausch heute Morgen abzulenken. Ich habe ihm gestanden, dass ich ihn vermisse. Ich fürchte, seine Reise zu der Wohltätigkeitsveranstaltung hat ihm den nötigen Abstand verschafft, um zu erkennen, dass er mich nicht vermisst. Schließlich hatte er mich in der Nacht zuvor herausgefordert, eins seiner dunkelsten Geheimnisse kennenzulernen, und ich habe genau das getan, was er prophezeit hatte – obwohl ich geschworen hatte, es nicht zu tun, ihn nicht wegzustoßen. Nicht wegzurennen, korrigiere ich mich im Geiste und denke an die Worte, die Chris ziemlich oft benutzt hat, um mein Verhalten vorauszusagen.

Ein Knacken durchdringt die unheimliche Stille, und das ist wahrlich beängstigender als Chris’ Schweigen. Ich bemühe mich vergebens, das Geräusch zu identifizieren. Oh ja, in der Tat, es war verdammt dumm, dass ich allein hergekommen bin. Und obwohl ich mir gern einrede, dass ich nur hin und wieder ein bisschen dumm bin, beweist die heutige Nacht, dass ich, wenn ich schon etwas Dämliches anstelle, es in großem Stil tue.

Ich wage nicht, mich zu bewegen, geschweige denn zu atmen. Dennoch kann ich ein leises, raues Keuchen hören und begreife entsetzt, dass es nicht von mir kommt. Ich versuche, mich zu zwingen, keinen Laut von mir zu geben, aber es funktioniert nicht. Mein Hals ist wie zugeschnürt, und es fällt mir immer schwerer, Atem zu holen. Ich brauche Luft. Ich brauche sie verzweifelt. Ich glaube, ich hyperventiliere. Ja. Das ist es.

Ich erinnere mich, das gleiche Gefühl schon einmal gehabt zu haben – als ob mein Körper fremdgesteuert ist. Es war der Moment, in dem mein Arzt vor fünf Jahren das Krankenhauszimmer meiner Mutter verlassen und mir gesagt hat, dass sie tot sei. Obwohl ich weiß, was mit mir passiert, atme ich weiter flach und keuchend. Ich bin überzeugt, dass meine Atemzüge verraten, wo ich mich befinde. Ich verstehe nicht, wie ich wissen kann, was mit mir geschieht, und trotzdem außerstande bin, es zu verhindern.

Irgendwie stehe ich, aber ich erinnere mich nicht daran, mich aufgerichtet zu haben. Papiere, an die ich mich ebenfalls nicht erinnere, rutschen mir aus der Hand. Panik steigt in mir auf und sagt mir, dass ich schreien und wegrennen sollte. So drängend und klar ist dieses Kämpfen-oder-Fliehen-Gefühl, dass ich einen Schritt vorwärts mache, aber ein weiterer Knacklaut lässt mich erstarren. Mein Blick huscht zur Tür, und ich versuche, die Dunkelheit mit den Augen zu durchdringen. Doch da ist nichts als dieses tiefe, schwarze Loch, das mich zu verschlingen droht. Wieder dieses Knacken. Was ist das für ein Geräusch? Noch ein Laut – das Schlurfen eines Fußes, denke ich – dringt von der Tür an mein Ohr. Adrenalin rast durch meine Adern, und ich denke nicht bewusst, ich handle nur.

Ich hechte durch den Raum, in eine Richtung, von der ich annehme, dass sie frei von Hindernissen ist. Tür, Tür, Tür! Ich muss zur Tür. Wo ist die verdammte Tür?

Meine Finger greifen ins Leere und dann noch mal, bis sie endlich auf kalten Stahl treffen und Erleichterung mich durchflutet, während ich die Tür zuknalle. Ich stemme die Hände gegen das Metall. Was jetzt? Was jetzt? Verschließ die Tür!

Aber ich kann nicht. Die Realität trifft mich mit Macht. Das Schloss ist außen, und – oh Gott – wer immer draußen ist, könnte mich einschließen. Oder … wenn nun die Person, die ich auf dem Gang gespürt habe, schon hereingekommen ist?

Bei dem Gedanken wirbele ich herum und presse mich gegen die Tür. Mir fällt ein, dass ich mein Handy in der Jackentasche habe; ich versuche es zu ertasten. Ich kann nichts sehen. Ich kann nicht einmal klar denken. Wie ist es möglich, dass ich bisher nicht an mein Handy gedacht habe? Als ich es endlich habe, rutscht es mir aus der Hand und landet auf dem Boden. Hektisch lasse ich mich auf alle viere hinab, um danach zu tasten, und bin erleichtert, als sich meine Finger um das Plastikgehäuse schließen. Doch ich bin viel zu fahrig, um die Tastensperre aufzuheben.

Ich springe auf, voller Angst, dass ich erstochen werde, während ich zu wählen versuche – und diesmal hindert nichts meine Flucht. Wegrennen mag eine weitere dumme Idee sein, aber in dieser Situation fühlt es sich auch verdammt dumm an, nicht wegzurennen. Ich reiße die Tür auf, noch mehr Dunkelheit begrüßt mich, aber es ist mir egal. Ich renne los und bete, dass ich nicht der Person in die Arme laufe, die mit mir in der Lagerhalle ist, oder über meine eigenen Füße in das schwarze Loch falle, das mich umgibt.

Ich will nur raus. Raus. Raus. Raus. Das ist alles, woran ich denken kann. Das ist es, was mich auf direktem Wege auf den Ausgang zutreibt. Ich bin ein Bündel aus Furcht und Adrenalin, und jede Vernunft, die ich noch Sekunden zuvor zusammenraffen konnte, ist ausgelöscht.

Ich suche nach dem Ausgang, nach Licht, aber die Außentür ist jetzt geschlossen, und ich renne mit einer Wucht dagegen, dass meine Zähne aufeinanderschlagen. In meinem Mund schmecke ich Blut, weil ich mir auf die Zunge gebissen habe, aber ich lasse das nicht meine Entschlossenheit erschüttern. Ich taste nach der Klinke und stoße erleichtert den Atem aus, als sie sich niederdrücken lässt und die Tür sich öffnet.

Binnen eines Sekundenbruchteils bin ich aus dem Gebäude heraus, die fahlen Laternen auf dem Parkplatz und die kalte Nachtluft von San Francisco sind nach der erstickenden Dunkelheit des Gebäudes wie eine Erlösung. Ich renne zu meinem Wagen. Meine Muskeln ziehen und brennen, aber ich befürchte, dass jemand hinter mir ist, und wage es nicht, kostbare Sekunden zu verschwenden, um mich umzusehen und diese Vermutung zu bestätigen oder zu verwerfen. Ich habe mir die empfindliche Haut meiner Handfläche eingeklemmt, weil ich meine Schlüssel krampfhaft umklammert halte. Jetzt mühe ich mich, den elektronischen Klicker zu finden, um die Autotür zu entriegeln. Während ich gegen den Drang kämpfe, mich doch noch umzuschauen, und stattdessen die Tür aufreiße, scheint die Zeit stillzustehen.

Davon überzeugt, dass irgendjemand mich von hinten packen wird, werfe ich mich auf meinen Sitz und knalle die Tür zu. Dann schließe ich mich im Wagen ein. Hektisch schaue ich aus dem Fenster und sehe niemanden, erwarte aber, jeden Moment Glas splittern zu hören. Meine Hände zittern so heftig, dass ich die eine mit der anderen festhalten muss, um den Schlüssel ins Zündschloss zu bekommen. Sobald er steckt, lasse ich den Motor an und lege ruckartig den Rückwärtsgang ein. Reifen quietschen, und mein Herz donnert. Ich trete auf die Bremse und werde durch den Ruck an die Lehne gepresst. Mein Atem rasselt, und das Geräusch erfüllt den unheimlich stillen Wagen, während ich auf die offene Tür des Gebäudes starre und nichts Spektakuläres oder Furcht einflößendes sehe. Es steht einfach … da. Und ich bin hier. Niemand sonst scheint in der Nähe zu sein.

Es spielt keine Rolle. Je länger ich hier sitze, desto mehr fühle ich mich wie ausgesetzt, verletzlich und wie eine Zielscheibe. Ich trete aufs Gaspedal. Ich muss weg von diesem Parkplatz, sofort.

Ich bin kaum auf der Nebenstraße, die zum Highway führt, die Hände ums Lenkrad gekrallt, als mir klar wird: Der Lagerraum ist unverschlossen. Ich habe ihn offen gelassen und fahre weg.

Ich biege auf eine Tankstelle ein, parke neben dem Gebäude und sitze einfach nur da, eine Minute oder zwei oder zehn. Ich bin mir nicht sicher. Ich bin nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Also lasse ich den Kopf auf das Lenkrad sinken und versuche, mich zu konzentrieren.

Der Lagerraum. Rebeccas Geheimnisse, ihr Leben. Ihr Tod.

Ich reiße den Kopf hoch. Nein. Sie ist nicht tot. Sie ist nicht tot … und doch weiß ich intuitiv, dass dieser Lagerraum ein Geheimnis über sie verbirgt, ein Geheimnis, von dem irgendjemand nicht will, dass ich oder sonst jemand es entdeckt.

»Ich muss zurückfahren und den Raum abschließen«, flüstere ich. Ich könnte die Polizei bitten, sich dort mit mir zu treffen. Sie würden mich nicht dafür verhaften, dass ich mich vor der Dunkelheit fürchte. Sie würden vielleicht lachen, sie wären vielleicht verärgert, aber diesmal werde ich auf Nummer sicher gehen und klug sein.

Mein Handy klingelt auf dem Beifahrersitz. Ich kann mich nicht erinnern, es dort hingeworfen zu haben, darum zucke ich zusammen und balle die Faust zwischen meinen Brüsten. »Gütiger Himmel«, tadele ich mich selbst. »Reiß dich zusammen, Sara.«

Ich schaue auf die Nummer. Chris. Es überläuft mich heiß. Zwischen uns ist so vieles ungeklärt, es gibt so viele Gründe, warum wir nicht füreinander bestimmt sind. Und trotzdem oder vielleicht gerade deshalb habe ich nie so sehr das Bedürfnis gehabt, die Stimme eines Menschen zu hören, wie ich jetzt seine hören möchte.

»Sara«, murmelt er, als ich rangehe, und mein Name klingt seidig und kratzig, ein perfektes männliches Timbre, das durch mich hindurchströmt und sich in dem tiefen Hohlraum meiner Seele breitmacht, den offenbar nur er ausfüllen kann.

»Chris.« Meine Stimme bricht, denn verdammt, meine Augen brennen. Wie ist es möglich, dass ich, nachdem mich in den letzten Jahren kaum einmal etwas innerlich bewegt hat, binnen Wochen ins Gegenteil verfalle? »Ich … ich wünschte, du wärst hier.«

»Ich bin hier, Baby«, sagt er, und ich glaube, ich hoffe, dass ich seine eigenen Gefühle aus den Worten heraushöre. »Ich bin vor deiner Haustür. Mach auf.«

Ich blinzle verwirrt. »Ich dachte, du wärst wegen der Wohltätigkeitsveranstaltung in L. A.«

»Das war ich auch, und ich muss morgen früh wieder hinfliegen, aber ich musste dich sehen. Mach auf und lass mich rein.«

Verblüfft halte ich inne. Ich habe mir den ganzen Tag wegen seines Schweigens Sorgen gemacht. Habe befürchtet, dass er jeden Gedanken an mich abgewehrt hat, so wie ich ihn in der vergangenen Nacht abgewehrt habe. »Du bist nach Hause gekommen, nur um mich zu sehen?«

»Ja. Ich bin nur gekommen, um dich zu sehen.« Er scheint zu zögern. »Willst du mich draußen stehen lassen?«

Das Gefühl, das ich nicht zu fühlen versuche, explodiert in mir, und das Brennen in meinen Augen droht sich in Tränen zu verwandeln. Er ist gekommen, um mich zu sehen, hat sich ein Bein ausgerissen, um aus einer anderen Stadt hierherzufliegen, selbst nach meiner Reaktion auf sein Geständnis gestern Abend im Club. »Ich bin nicht zu Hause.« Meine Stimme ist kaum hörbar. »Ich bin nicht dort, und ich wäre es so gern. Kannst du bitte hierherkommen?«

»Wo ist hierher?«, fragt er und klingt so drängend wie meine Sehnsucht.

»Einige Häuserblocks entfernt. An einer Tankstelle unweit der Lagerhalle, von der ich dir erzählt habe.« Ich kann mich nicht dazu überwinden, Rebeccas Namen auszusprechen, und ich weiß nicht, warum.

»Ich bin gleich da.«

Ich öffne den Mund, um ihm den Weg zu beschreiben, aber die Leitung ist bereits tot.

2

Ich bin im Nu aus dem Wagen und sehe Chris’ Porsche auf den Parkplatz einbiegen, und das Frösteln, das ich empfinde, hat nichts mit der kalten Luft zu tun, die vom nahen Ozean heranweht, sondern nur mit dem Erlebnis vorhin in der Lagerhalle. Ich schlinge mir die Arme um den Leib und beobachte, wie Chris auf meinen silbernen Ford Focus zufährt. Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Plötzlich bin ich nervös und unsicher, und ich hasse diesen Zug an mir, den ich nicht ändern kann. Was, wenn ich seinen Besuch falsch gedeutet habe und er hier ist, um zu beenden, was zwischen uns war? Was, wenn meine Reaktion auf seine große Offenbarung gestern Nacht in Marks Club ihn von dem überzeugt hat, was er mir so oft erklärt hat? Dass ich nicht in seine Welt gehöre?

Schwungvoll gleitet der 911er in die Parklücke neben meiner, und ich versuche, nicht daran zu denken, dass es der gleiche Wagen ist, den mein Vater fährt. Mein Vater ist die letzte Person, an die ich denken sollte, doch ich habe ihn während dieser letzten Wochen einfach nicht aus dem Kopf gekriegt, ohne zu wissen, warum. Ich habe mein inneres Gleichgewicht verloren, meine Gedanken sind wirr, erschüttert von den Ereignissen der Nacht und meiner Angst vor dem, was jetzt zwischen Chris und mir geschehen wird.

Ich beobachte, wie Chris aus dem Wagen steigt, und allein sein Anblick, wie er über dem Dach des Porsche aufragt, lässt meinen Puls von Neuem rasen. Er trägt schwarze Jeans, Bikerstiefel und eine Lederjacke, auf deren Kragen sein blondes Haar wippt. Er sieht zerwühlt und sexy aus, so verdammt rau und männlich. Seine langen Schritte sind so energisch, wie es mich auch zu ihm drängt, und ich stürze auf ihn zu.

Die wenigen Schritte zwischen uns kommen mir wie ein Ozean vor, bevor ich endlich in seinen Armen liege, eingehüllt in den warmen Kokon seiner Umarmung. Er fängt mich mit seinen kräftigen Armen praktisch auf. Der Streit aus der Nacht zuvor ist vergessen, als hätte es ihn nie gegeben. Ich schmiege mich an die harten Konturen seines Körpers, schiebe die Hände unter seine Lederjacke und inhaliere den wunderbaren Duft nach Sandelholz und Moschus, der so herrlich mit Chris verbunden ist.

Mühelos manövriert er mich auf die Seite des Wagens, wo die Mauer uns vor den Blicken der Menschen verbirgt, die in die Tankstelle gehen oder sie verlassen. »Rede mit mir, Baby«, befiehlt er und mustert mich in dem schwachen Schein der Parkbeleuchtung des Porsche. »Alles okay?«

Unsere Blicke treffen sich, und selbst in dem schummrigen Licht kann ich die Verbindung zwischen uns spüren, die Tiefe seiner Gefühle für mich. Chris hat Eigenheiten, von denen ich nicht behaupten kann, sie zu verstehen, aber ich bedeute ihm etwas, und ich will, dass er sieht, was ich ihm letzte Nacht nicht zeigen konnte. Ich will ihn verstehen. Ich will ihn, will ihn ganz, einschließlich jener Gepflogenheiten, von denen ich das Gefühl habe, dass ich nicht mit ihnen umgehen kann.

»Ja«, flüstere ich. »Jetzt, wo du hier bist, ist alles okay.«

Ich habe die Worte kaum ausgesprochen, als sich sein Mund auf meinen drückt, und ich kann sein Drängen schmecken, seine Furcht, die ich jetzt als meine eigene erkenne, eine Furcht, dass wir nach unserem Besuch in Marks Club niemals wieder an diesen Punkt kommen würden, so sein würden. Ich dränge mich an ihn, trinke seine Leidenschaft, verzehre mich nach allem, was er ist und was er für mich sein könnte. Das dunkle Gefühl, das mich im Lagerraum beschlichen hat oder vielleicht in der vergangenen Nacht im Club, steigt in mir auf, aber mein Verstand sperrt sich dagegen. In dem verzweifelten Wunsch, den Dingen zu entfliehen, denen ich mich nicht stellen will, tue ich, was ich normalerweise niemals wage, und gebe mich dem Augenblick ganz hin. Ich spüre, wie ich mich in meiner Leidenschaft verliere, völlig befangen von der Hitze, die tief in meinem Bauch brennt, dem Verlangen, das sich feucht und heiß zwischen meinen Schenkeln ausbreitet. Da ist nichts als die Bewegung von Chris’ Zunge an meiner, sein Geschmack und Duft, das Gefühl seiner Hände, die mich besitzergreifend an seinen Körper pressen. Das brauche ich. Ich brauche ihn.

Ich schiebe die Hände unter sein Hemd, fühle straffe Haut über harten Muskeln, drücke mich enger an ihn. Ein raues Geräusch des Verlangens entringt sich seiner Brust, und ich schwelge in seiner Wonne, seinem Verlangen nach mir, in der Art, wie seine Hände an meinem Rücken hinabwandern, über meinen Hintern, bevor er mich heftig an seine Lenden zieht. Mit der Zunge erkunde ich seinen Mund, während ich seine Erektion hart an meinem Bauch spüre, und etwas löst sich in mir. Es ist mir egal, wo ich bin. Ich weiß nicht, wo ich bin, ich will nur Chris. Ich kann nicht aufhören, ihn zu berühren, ihn zu kosten. Wenn wir übereinander herfallen, bin ich verloren. Und trotzdem ist es nicht genug, um dieses dunkle Gefühl in Schach zu halten. Ich brauche etwas … mehr. Ich brauche …

»Sara.«

Ich keuche auf, als Chris seinen Mund von meinem löst, und seine Stimme klingt rau und hitzig vor Begehren. Ohne eine Vorstellung davon, wie viel Zeit verstrichen ist, lehne ich an der Wand, und weder erinnere ich mich, wie ich dorthin gekommen bin, noch interessiert es mich. Ich versuche, Chris wieder zu küssen. Er schiebt seine Finger in mein Haar, hält mich zurück, und er atmet genauso schwer wie ich. »Wir müssen aufhören, bevor man uns verhaftet. Und im Moment würde ich alles riskieren, nur um in dir zu sein.«

Ja. Bitte. Chris in mir, Chris, der mich ausfüllt. Ich ersehne das mehr als meinen nächsten Atemzug. Ich blinzle ihn an, benommen, aber völlig klar, was ich will, nämlich ihn. Jetzt. Hier. Aber das Geräusch eines Motors und das Lachen eines Kindes dringen mit einem Schlag in mein Bewusstsein, und ich versteife mich. Alles, was in der vergangenen Stunde passiert ist, trifft mich wie ein Faustschlag im Magen. Ich bin entsetzt, dass ich vergessen habe, wo ich bin, vergessen habe, wie dringend ich Rebeccas Sachen sichern muss.

Ich spreize die Hand über Chris’ Brust und spüre seine Wärme. »Ich habe die Zeit vergessen.« Ich keuche. Wie sollte es auch anders sein, mit den Hüften dieses Mannes eng an meinen, die mir eine süße Flucht versprechen, wie nur er sie mir ermöglichen kann? Ich versuche im Nebel aus Lust einen klaren Gedanken zu fassen. »Ich habe vergessen, den Lagerraum abzuschließen. Ich muss dorthin zurück, bevor die Halle schließt.«

Ich will ihm alles erzählen, was passiert ist. Er ist der einzige Mensch, mit dem ich über meine Ängste bezüglich Rebecca reden kann, aber ich weiß instinktiv, dass er ausflippen und zu viele Fragen stellen wird, und dazu ist keine Zeit. Ich muss schnell zur Lagerhalle zurück. »Kannst du mir dorthin folgen? Ich muss mich beeilen.« Ich warte nicht auf eine Antwort, sondern schiebe mich an der Wand entlang, um zu entwischen, und versuche an ihm vorbeizukommen.

Er stützt sich mit der Hand an der Mauer neben meinem Kopf ab und hält mich zurück. »Was brauchst du so spät in der Nacht aus Rebeccas Lagerraum?« Sein Kinn ist auf diese sture Weise verkrampft, die ich langsam zu deuten weiß, und trotz seiner Starrsinnigkeit schwelgt ein Teil von mir darin, dass ich ihn schon ein bisschen kenne.

Ich streiche mit der Hand über die dunkelblonden Bartstoppeln an seinem Kinn, die für das köstliche Brennen an meiner Wange verantwortlich sind. »Kann ich es auf dem Weg dorthin erklären? Bitte, Chris. Ich will wirklich nicht vor verschlossener Türe stehen.«

Sein scharfer Blick durchdringt das Schummerlicht, und verdammt, ich hatte so recht mit meiner Annahme. Er ist wie ein Fels, unverrückbar. Nicht bereit, mich ohne Erklärung entkommen zu lassen. »Was hast du mir nicht erzählt, Sara?«

»Für den Fall, dass du es nicht weißt: Du kannst sehr anmaßend sein, Chris. Ich werde es dir auf dem Weg dorthin erzählen.«

»Erzähl es mir jetzt.«

»Sie werden das Gebäude abschließen.«

Er bewegt sich nicht. Natürlich nicht. Chris hat immer die Kontrolle.

Nicht immer, sagt eine Stimme in meinem Kopf, und ich erinnere mich daran, dass er mir sein Hemd angeboten hat, damit ich mich wegen meiner Nacktheit nicht unsicher fühle, während er bekleidet war. In kleinen, aber wichtigen Dingen teilt er die Macht mit mir.

»Ich bin vorbeigefahren, um zu sehen, ob ich noch irgendetwas anderes finden könnte, das mir verrät, wie ich Rebecca erreichen kann.« Mehr will ich nicht sagen, aber er starrt mich an, und meine Neigung zu nervösem Geschwafel schlägt zu. »Ich habe jedes Zeitgefühl verloren, und dann ist plötzlich der Strom ausgefallen, und es war stockfinster. Ich hatte das Gefühl zu ersticken und konnte nichts sehen, und ich habe es mit der Angst zu tun bekommen. Ich habe ein merkwürdiges Knacken gehört und das Gefühl gehabt, als sei ich nicht allein.«

»Was meinst du damit, du hattest das Gefühl, nicht allein zu sein?«

»Ich weiß einfach, dass ich nicht allein war. Irgendjemand war in dem Gebäude. Es war, als würde er sich an mich heranpirschen. Ich wusste nicht, ob ich mich verstecken oder weglaufen sollte, und ich konnte mein verdammtes Handy nicht finden. Schließlich bin ich weggelaufen, und als ich am Wagen war, bin ich hierhergefahren. Darum habe ich den Lagerraum unverschlossen gelassen. Ich bin gerade hier eingebogen, als du angerufen hast.«

Er mustert mich noch einen Moment, dann stößt er sich von der Mauer ab und flucht leise, während er die Hände in die Hüften stemmt. »Fuck, was hattest du überhaupt nach Einbruch der Dunkelheit allein in dem Lagerraum zu suchen?«

Mein Widerspruchsgeist erwacht, gerade weil ich weiß, dass es nicht das Klügste war, was ich je getan habe. Es ist nicht leicht, sich der eigenen Dummheit zu stellen. »Fluch nicht, Chris.«

»Mach keine Sachen, die dich in Gefahr bringen, und ich werde nicht fluchen.«

Ich werde aufsässig. »Ich kann auf mich selbst aufpassen. Das habe ich jahrelang getan.«

»Und hast du das auch heute Abend getan?« Sein Ärger ist mit Händen zu greifen, er knistert wie eine elektrische Ladung. »Auf dich selbst aufgepasst? Denn wenn du das meinst, machst du mir eine Scheißangst, Sara. Ich habe dir gesagt, dass ich jemanden darauf ansetzen werde, nach Rebecca zu suchen, und das bedeutet, dass du die Sache verdammt noch mal anderen überlassen wirst.«

Jetzt bin ich alles andere als defensiv. Ich bin sauer. Ich brauche nicht noch einen Mann, der mir sagt, dass ich nicht auf mich selbst aufpassen kann. »Wir haben dieses Gespräch bereits geführt, Chris. Nur weil du mich fickst, hast du nicht das Recht, über mein Leben zu bestimmen.«

Ein Muskel in seinem Kinn spannt sich an, und auch wenn der Schatten das Grün seiner Augen verbirgt, bin ich ziemlich sicher, dass sie jetzt vor Ärger glühen. »Ist es das, worum es geht, Sara? Ich ficke dich? Ist es das, wohin uns die letzte Nacht geführt hat? Weshalb du auf einem Parkplatz in meine Arme läufst? Denn wenn du willst, dass ich dich ficke, werde ich dich ficken, bis du dich nicht mehr an deinen verdammten Namen erinnern kannst und dafür meinen niemals vergisst.«

Hitze durchströmt mich, denn ich weiß, wie sehr er dazu in der Lage ist, seine Worte wahr zu machen. Unterschwellig geht es allerdings um etwas anderes, und er weiß nicht, dass ich ihn niemals vergessen werde und es auch nicht versuchen will. Ich öffne den Mund, um das zu sagen, aber ich bekomme die Chance dazu nicht.

»Entscheide dich jetzt, Sara«, verlangt er. »Wenn du mir mehr bedeuten sollst als ein bisschen Geficke, werde ich verdammt sicher alles in meiner Macht Stehende tun, um dich zu beschützen, und du wirst damit fertigwerden müssen.«

Meine Stimmung schlägt um. Ich befinde mich bereits auf altem, vermintem Terrain, und plötzlich kann ich das Gift der Vergangenheit in jedem meiner gezischten Worte schmecken. »Mich beschützen oder mich kontrollieren, Chris?«

Ich warte auf seine Reaktion, warte darauf, dass er versucht, meine Worte abzuschmettern, von mir zu verlangen, was er als sein Recht betrachtet. Einerseits will ich, dass er sich dieser Herausforderung stellt. Andererseits fürchte ich, dass er es tun wird. Nun, falls er es tut, weiß ich zumindest, wie ich damit umgehen muss.

Doch Chris tut nie, was ich erwarte, weder jetzt noch sonst irgendwann. Er sieht mich nur an, seine Miene undeutbar, die Kiefer verkrampft.

Lange, angespannte Sekunden verrinnen, dann greift er in seine Jacke und zerrt seine Schlüssel aus der Tasche. »Lass uns gehen und den verdammten Lagerraum abschließen.«

Er dreht sich um, und ich spüre, wie mir der Magen in die Knie sackt. Ich will mich nicht mit ihm streiten. Und ich streite mich ohnehin nicht mit Chris, begreife ich. Ich streite mich mit meiner Vergangenheit, und ich weigere mich, meine alten Dämonen zwischen uns kommen zu lassen.

Ich spurte vorwärts und schiebe mich zwischen ihn und den Wagen, lege ihm eine Hand auf die Brust. Er berührt mich nicht, sondern starrt vollkommen gefühllos auf mich herab. Ich habe diesen Ausdruck in dem Weinkeller gesehen, nachdem ihm sein Vater etwas gegeben hatte und er emotional dichtgemacht hat, und ich werde ihm das jetzt nicht durchgehen lassen. Nicht bei mir. Nicht, weil mir ein verfluchter Dämon der Vergangenheit in die Quere gekommen ist.

Meine Brust wird eng, ich senke die Lider. »Es tut mir leid.« Ich hole tief Luft und sehe ihm in die Augen. Ich habe eine Todesangst davor, mich bei diesem Mann verletzlich zu zeigen, diesem Mann, der, ohne irgendetwas zu tun, mehr Macht über mich hat als irgendjemand vor ihm, aber ich rufe mir ins Gedächtnis, dass seine Rückkehr sein Olivenzweig war, eine Offenbarung seiner Verletzlichkeit. »Ich brauche dich, und auf einmal bist du hier, und das bedeutet mir mehr, als du ahnen kannst. Ich weiß nicht, wie ich das derartig vermasseln konnte, Chris. Bitte, lass nicht zu, dass ich das jetzt verpfusche wie gestern Nacht.«

Für einen Moment ist er steif und unnachgiebig, sieht mich unter halb gesenkten Lidern mit einem Blick an, den ich nicht zu deuten weiß. Aber plötzlich legt er die Hände auf diese vertraute Art um meinen Hals und zieht meinen Mund so nah an sich, dass er nur einen Luftzug von seinem entfernt ist. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Unterschied zwischen Beschützen und Kontrollieren immer kenne. Das musst du wissen.«

Oberflächlich gesehen ist seine Warnung ganz Alphamännchen, aber darunter liegt noch mehr. Er ist nicht aus Stahl und Granit, zumindest nicht bei mir, und wie so vieles an Chris berührt mich das. »Und du musst wissen, dass ich es dir sagen werde, wenn du die Grenze überschreitest.«

Er streift meine Lippen mit seinen, sanft, aber irgendwie besitzergreifend. »Ich freue mich darauf«, versichert er mir und geht damit so weit er kann, um mir entgegenzukommen. Das Kratzige in seiner Stimme kribbelt wie ein verführerisches Versprechen mein Rückgrat hinunter und zischelt in jede Zelle meines Körpers. Wie so oft bei Chris spüre ich, dass hinter seinen Worten eine Bedeutung steckt, die sich erst noch offenbaren muss. Ich will das verstehen – und ihn.

Er lehnt sich zurück und schaut auf mich herab, und plötzlich entsteht etwas zwischen uns. Etwas, das ich nicht benennen kann, aber mein Geschlecht zieht sich zusammen, und ich ersehne dieses Etwas, tief und quälend. Etwas, das ich noch für mich zu entdecken habe, und ich weiß, dass Chris es mir zeigen kann. Und ich weiß, dass ich bereit bin, mit ihm an Orte zu gehen, an die ich mit niemandem sonst gehen würde. Nein. Es geht tiefer als Bereitschaft. Es ist ein körperliches Verlangen.

3

Chris parkt den 911er vor dem Gebäude, direkt an der Tür, statt auf dem leeren Parkplatz. »Ich werde gehen und abschließen«, sagt er, schaltet in den Leerlauf und knipst die Parklichter ein. »Welche Lagerraumnummer ist es, und brauche ich einen Schlüssel?«

»Eins-Zwölf. Es ist ein Kombinationsschloss, das ich an der Tür offen habe hängen lassen«, antworte ich, während mein Blick auf der Lagerhalle ruht. Wir scheinen die Einzigen hier zu sein, und das Gebäude liegt immer noch im Dunkeln. Chris macht Anstalten auszusteigen, und ich halte ihn am Arm fest. »Die Tür steht offen.«

»Ist das nicht der Sinn des Ganzen? Rechtzeitig hierherzukommen, um abzuschließen?«

»Ja«, sage ich und schaue auf die Uhr an seinem Armaturenbrett. »Aber es ist dreißig Minuten nach der Schließzeit. Die Halle sollte nicht mehr offen sein.« Ich schaue wieder zur Tür und in das schwarze Loch dahinter. Ich erinnere mich daran, wie stickig es im Inneren war, schaudere und schlinge die Arme in der Gewissheit um mich, dass jemand mit mir dort drin war.

»Was ist los, Baby?«, hakt Chris nach und hebt sanft mein Kinn, um mir forschend ins Gesicht zu sehen. »Was denkst du und sagst es nicht?«

Mein Geist spielt den Moment noch einmal durch, als ich aus der Tür in die Freiheit gestürzt bin, und wieder pocht mir das Herz bis zum Hals. »Die Tür war offen, als ich hineinging, und als ich aus dem Gebäude lief, war sie zu. Jemand hat sie mit Absicht zugemacht, als ich drin war.« Ich werfe ihm einen Blick zu. »Und bitte, belehre mich nicht. Ich weiß, dass es dumm war, bei Nacht allein hierherzukommen. Glaub mir, ich weiß es, Chris. Ich habe den Preis mit meiner Angst in diesem Gebäude hundertfach bezahlt.«

Seine Augen werden sofort weich, und er streicht mir übers Haar. »Ich weiß, Baby. Und du kannst darauf wetten, dass ich mit der Verwaltung über Sicherheitsvorkehrungen reden werde. Sie sind verantwortlich für die Sicherheit aller auf dem Grundstück.«

»Der Mann, der hier arbeitet, ist unheimlich. Ich mache mir keine großen Hoffnungen, dass diese Halle sicherer wird.«

Er legt die Stirn in Falten. »Sara, verdammt, du sagst mir so etwas, und doch erzählst du mir, du wärst allein im Dunkeln hierhergekommen.«

Ich verziehe das Gesicht. »Du fluchst schon wieder.«

»Du gibst mir auch immer wieder Gründe, mich zu fragen, was du dir heute Abend dabei gedacht hast.«

»Die Dame, die in dem McDonald’s an meiner Schule die Morgenschicht hat, ist mürrisch, aber ich bin trotzdem immer wegen meines Kaffees dort hingegangen.«

»Du brauchst gar nicht abzulenken, denn das wird dich bei mir nicht weiterbringen, abgesehen von meinem aufgestauten Zorn, der auf dich wartet, wenn wir nach Hause kommen.«

Nach Hause. Die Worte summen durch mich hindurch, weil ich weiß, dass Chris nichts absichtslos dahersagt. Mein Herz rast wegen der angedeuteten Intimität und weil … es mir so richtig vorkommt.

»Zorn?«, frage ich. »Wie meinst du das?«

Er legt den Kopf leicht schräg, und seine Stimme klingt gefährlich gepresst. »Benutz deine Fantasie. Oder vielleicht sollten wir meine benutzen. Es sei denn, es macht dir inzwischen Angst.«

Er testet mich wieder, erinnert mich an den Club und die Nacht zuvor, sorgt dafür, dass ich die Frau nicht vergesse, die vor meinen Augen geknebelt und ausgepeitscht wurde. An sein Geständnis, dass er Schmerz erzeugt und erduldet hat. Trotzig recke ich das Kinn vor. »Ich habe keine Angst. Nicht vor dir. Nicht … mit dir.«

Er sieht mich mit schmalen Augen an, und ich weiß, dass er meine Behauptung abwägt. »Das hast du schon früher gesagt.«

»Nichts hat sich geändert.«

»Ach nein?«

»Es hat sich schon etwas geändert. Ich kenne jetzt die dunklen Geheimnisse, von denen du gesagt hast, sie würden mich in die Flucht treiben. Aber ich bin hier.«

»Du bist geflohen, und, Baby, du denkst nur, dass du meine dunklen Geheimnisse kennst.«

»Zeig sie mir.« Ich klinge atemlos.

»Sie dir zeigen.« Es ist keine Frage. Sein Blick wandert zu meinem Mund, und mir wird sofort bewusst, wie köstlich brutal er sein kann, als er hinzufügt: »Es hat einen Preis, dass du nicht so gut auf dich aufgepasst hast, wie du behauptet hast.« Er schaut mich an, und in seinen Augen glimmt Schelmerei. »Ich werde dich bestrafen müssen.«

Ich bedenke ihn mit einem wütenden Blick. »Sei kein Klugscheißer. Ich kann durchaus auf mich selbst achtgeben.«

»Das behauptest du.« Seine Lippen zucken, seine Augen funkeln, und seine düstere Stimmung hat sich blitzartig aufgehellt, wie so oft. »Ich passe nur auf uns beide auf. Ich brauche dich lebendig und wohlauf, wenn ich dich ficken will, bis du meinen Namen nicht mehr vergessen kannst.«

Ich spüre, wie Hitze in mir aufwallt, und nutze die Gelegenheit, um zu sagen, was ich früher nie gesagt hätte. »Das hast du bereits getan, aber wenn dich der Ehrgeiz packt, nur zu.«

»Dein Wunsch ist mir Befehl«, versichert er mir.

»Irgendwie bezweifle ich das.«

»Zweifle nicht, Baby«, antwortet er, und unser Geflachse geht in Blicke voller Versprechen auf dunkle, erotische Wonnen und noch viel mehr über.

Meine Kehle schnürt sich zu, und ich berühre seine Wange. »Ich bin wirklich froh, dass du hier bist.«

Er zeichnet meine Unterlippe nach und küsst mich, eine schnelle Bewegung seiner Zunge, die zeigt, dass er hungrig nach mehr ist, was mir ein Stöhnen entlockt. »Lass mich abschließen gehen, und dann sehen wir zu, dass wir hier wegkommen.«

Als er versucht, sich zu bewegen, ergreife ich seine Hand. »Du kannst dort drin nicht genug sehen, um abzuschließen.«

»Ich habe eine Taschenlampe im Kofferraum.«

»Was ist, wenn die Person, die mit mir dort drin war, immer noch drin ist?«

»Wenn diese Person einen falschen Schritt macht, werde ich ihr mit der Taschenlampe eins überziehen.« Er lässt eine Augenbraue wackeln. »In diesen Dingen bin ich sehr effizient, vor allem, wenn ich Besseres zu tun habe.« Er grinst. »Wie zum Beispiel, mich um dich zu kümmern.«

Er ist aus dem Wagen, bevor ich ihn aufhalten kann, und ich kann die Vorstellung, dass er in diese schwarze Höhle geht, nicht ertragen. Ich steige ebenfalls aus und treffe ihn am Kofferraum.

»Weib …«

»Spar dir deine Befehle für einen besseren Zeitpunkt, Chris. Hast du nicht Friday the 13th gesehen? Michael schlitzt das Mädchen im Wagen auf.«

»Michael ist aus Halloween. Jason ist aus Friday the 13th.«

»Wer immer er ist, er schlitzt das Mädchen im Wagen auf. Ich bleibe nicht im Wagen.«

Er schlägt den Kofferraum zu, und jetzt hält er eine lange, silbern glänzende Taschenlampe in der Hand. »Und du denkst, es wäre sicherer, mit einem Mann und einer Taschenlampe in den dunklen Lagerraum zu gehen?«

»Ich bleibe bei dir, Chris.«

»Sara …«

Lichter blitzen hinter uns auf, und wir drehen uns beide um, als das Servicefahrzeug eines Stromlieferanten in die Einfahrt einbiegt. »Sieht so aus, als wäre der Entstörungsdienst eingetroffen.«

Das Fahrzeug parkt neben uns, und das Geräusch von Schritten auf Kies lenkt meinen Blick auf einen Mann in einem orangefarbenen Arbeitsoverall, der von den Büroräumen her auf uns zukommt.

»Der Mann, den du nicht magst?«, fragt Chris.

Ich schüttle den Kopf. »Nein. Das ist er nicht.« Dieser Mann ist gut zwanzig Jahre älter, und obwohl er mürrisch wirkt, hat er nichts Unheimliches an sich. Ich sehe Chris an. »Ich schätze, ich hätte gleich ins Büro gehen sollen.« Ich beginne an mir selbst zu zweifeln. Habe ich mir diese Gefahr eingebildet? Habe ich sie herbeifantasiert?

Chris dreht mich zu sich um, und ich schiebe die Arme unter seine Jacke. Er ist warm, und der Wind ist kalt. »Denk nicht, was du gerade denkst«, befiehlt er.

»Woran denke ich denn?«

»Wenn du das Gefühl hattest, in Gefahr zu sein, wenn du jemals das Gefühl hast, in Gefahr zu sein, ignoriere es nicht.«

»Und wenn es ein zufälliger Stromausfall war?«

»Wie definierst du zufällig?«, fragt er.

»Ich weiß nicht. Es ist kein Stromausfall, der die ganze Stadt betrifft, wie ich angenommen hatte. Ich habe einfach … ich weiß nicht, was ich denke.«

»Wir werden es herausfinden.«

Ich spüre seine Finger auf meinen Hüften, als würden sie sich durch meine Kleider brennen, und die besitzergreifende Art, wie sie sich spreizen, bringt mich dazu, ihm zu glauben.

»Kann ich Ihnen helfen?«

Als wir uns umdrehen, steht der Wachmann hinter uns, und ich bin erstaunt, wie schnell er herangekommen ist. Vielleicht vergeht die Zeit aber auch schneller, wenn Chris mich umfangen hält. Als Chris mich loslässt, wünsche ich mir, er hätte es nicht getan.

Chris hebt andeutungsweise seine Taschenlampe. »Der Strom ist ausgefallen, bevor wir abschließen konnten. Wir wollen nur den Lagerraum abschließen, und dann machen wir uns auf den Weg.«

Der Mann reibt sich das Kinn. »Mir war nicht bewusst, dass wir jemanden drinhatten, als der Strom ausgefallen ist. Ich bin hineingegangen und habe nachgesehen, ob jemand Hilfe brauchte.«

»Ich war drin«, melde ich mich zu Wort. »Und es war kein Spaß. Jemand hat die äußere Tür geschlossen, und ich glaubte, ich käme nicht mehr heraus.«

Der Mann runzelt die Stirn. »Die Tür ist offen, Ma’am. Sie war auch offen, als ich hineinging.«

»Weil ich sie geöffnet habe«, weise ich auf das Offensichtliche hin, und ich kann das Gefühl, mich in der Defensive zu befinden, nicht aus meiner Stimme heraushalten.

»Haben Sie hier Kameras?«, fragt Chris.

»Ja«, sagt er. »Aber kein Strom bedeutet keine Kamera.«

»Vermutlich haben die Sicherheitsanlagen einen eigenen Stromkreis«, wendet Chris ein.

»Wir sind hier nicht so anspruchsvoll, Mister. Es gibt nur einen Stromkreis.«

Chris legt die Stirn in Falten. »Dann sollten Sie vielleicht anspruchsvoller sein. Sie hätte sich verletzen können.«

»Hier hat sich noch nie jemand verletzt«, wendet der Mann ein.

Chris macht den Eindruck, als wollte er protestieren, aber dann presst er die Lippen zusammen. »Wir wollen lediglich den Raum abschließen und uns auf den Weg machen.«

»Welche Nummer?«, fragt der Mann.

»Eins-Zwölf«, antworte ich.

Wieder reibt er sich das Kinn. »Oh, richtig. Ich war derjenige, mit dem Sie telefoniert haben. Ich habe diesen Raum wieder auf meiner Liste für eine bevorstehende Auktion. Die Miete ist überfällig.«

»Aber der Verwalter hat mir eine einwöchige Verlängerung gewährt.«

»Vor fast zwei Wochen«, erwidert er. »Und das war ich.«

»Wir werden für einen weiteren Monat bezahlen«, mischt sich Chris ein, und ich winde mich innerlich.

Ich drehe mich zu ihm um, und er tut, als bemerkte er den Widerspruch in meiner Miene nicht, obwohl ich weiß, dass er ihn sehr wohl bemerkt. Er konzentriert sich auf den Verwalter. »Lassen Sie uns den Raum abschließen, dann kommen wir ins Büro und bezahlen.«

»Geht in Ordnung«, stimmt der Mann zu.

Chris ergreift meine Hand. »Keine Widerrede.«

»Ich will nicht, dass du meine Rechnungen bezahlst«, murmele ich leise, während wir auf das Gebäude zugehen.

»Ich weiß.«

»Du brauchst dich nicht um mich zu kümmern, Chris.«

Er schaut auf mich herab. »Das würde ich nach dem heutigen Abend infrage stellen.«

»Ich werde so tun, als hättest du das nicht gesagt, denn ich bin mir sicher, du würdest nicht wollen, dass ich mich immer wieder getroffen fühle. Das wäre definitiv nicht nett von dir.«

»Ich will, dass du in Sicherheit bist.«

»Das bin ich. Ich bin sicher. Und ich erwarte eine Überweisung von der Galerie, mit der ich die Miete hier bezahlen kann. Ich hatte vor, um mehr Zeit nachzusuchen und zu bezahlen.«

»Das brauchst du nicht«, antwortet er. »Und was wirst du wegen deines Jobs in der Schule unternehmen?«

»Du wechselst das Thema.«

»Du beantwortest die Frage nicht.«

»Ich habe noch Zeit, das zu entscheiden.« Ich weiß nicht, wie viel Ahnung er vom Schulsystem und den Budgetkürzungen des neuen Bürgermeisters hat, immerhin verbringt er die Hälfte des Jahres in Paris. »Dies ist das zweite Jahr, in dem die öffentlichen Highschools kürzere Schuljahre und längere Unterrichtstage haben. Ich fange erst am ersten Oktober wieder an.«

Wir bleiben an der Tür des Gebäudes stehen, und Chris schaltet die Taschenlampe ein. »Du weißt, dass du nicht zurückgehen wirst. Du solltest es ihnen jetzt sagen, damit sie dich ersetzen können.«

»Ich kann jetzt nicht darüber reden«, sage ich, weil mir die Dunkelheit Angst macht. Ich rücke näher an Chris heran und hake mich bei ihm ein. »Ich will einfach nur da rein und wieder raus.«

Chris schaltet die Taschenlampe ein. Wir machen ein paar Schritte vorwärts, und ich höre wieder dieses Geräusch, das mich allein in der Dunkelheit in Panik versetzt hat.

Plopp. Plopp.

Ich bleibe wie angewurzelt stehen. »Was ist das?«

Chris schwenkt die Taschenlampe langsam hin und her, und da ist ein knackendes Geräusch und ein weiteres Plopp. Er richtet den Lichtstrahl auf die Wand nahe dem Boden und führt mich vorwärts. Dann hockt er sich neben eine Steckdose, und ich hocke mich neben ihn und sehe im Schein seiner Lampe, dass eine Büroklammer in einem der Kontakte steckt.

Meine Kehle schnürt sich zu. »Ich schätze, wir wissen jetzt, wie wir zufällig definieren müssen.« Ich begegne seinem Blick. »Ich muss mich davon überzeugen, dass in dem Lagerraum wenigstens auf den ersten Blick nichts fehlt.«

Chris richtet sich auf und zieht mich mit hoch, und wir finden die Tür des Raums geschlossen vor. »Ich nehme an, der Mann hat sie gerade zugemacht.«

Richtig. Natürlich. Das klingt plausibel. »Ich will trotzdem hineinschauen.«

Er zieht die Tür auf und leuchtet mit der Lampe durch den Raum, konzentriert sich auf die Papiere am Boden. »Die habe ich fallen lassen«, erkläre ich ihm und durchlebe noch einmal meine Panik.

»Brauchst du das denn?«

»Nein«, antworte ich, denn ich will nur hier weg. »Nicht jetzt.«

»Dann sieht alles andere so aus, als sei es in Ordnung?«

»Ja. Wer auch immer hier war, er hat offenbar nichts angefasst.« Es sei denn, der Betreffende wusste genau, was er wollte und wo es war, sagt eine Stimme in meinem Kopf. Vielleicht weitere Tagebücher? Viele Teile von Rebeccas Leben werden in denen, die ich habe, nicht behandelt – einschließlich der Frage, weshalb sie in der Galerie angestellt wurde, ihr aber den Rücken gekehrt hat. Ich weiß nicht, warum mir das bis jetzt nicht aufgefallen ist. Rebecca hat zu konsequent Tagebuch geführt, um lange Phasen zu überspringen. Wenn ich recht habe, muss es noch weitere geben, und es ist wahrscheinlich, dass sie im Lagerraum sind. Oder es bis heute Abend waren.

Dreißig Minuten später lehne ich an der Wand des kleinen, schuhkartonähnlichen Büros der Lagerhalle, während Chris in ein Gespräch mit dem Verwalter verstrickt ist. Mein dunkler Prinz kann in diesem Moment so ziemlich alles tun oder sagen, wenn es mich nur endlich hier wegbringt. Ich kann dem Gespräch lange genug folgen, um mitzubekommen, wie Chris mir einen mietfreien Monat sichert. Andererseits ist es nicht überraschend – Chris redet den Verwalter in Grund und Boden, indem er ihm einen Prozess in Aussicht stellt. Schließlich war ich in Gefahr.

Gefahr. Dieses Wort lässt mich zittern. Ich sage mir, dass Chris einen übertriebenen Beschützerdrang hat, und obwohl es schön ist, dass er Anteil nimmt, schürt er damit meine Angst, die ich mir auch ohne seine Hilfe viel zu gut einreden kann. Meine Gedanken fahren Achterbahn mit mir, schreckliche Szenarien bedrücken mich. Wenn ich in diesem Lagerraum in Gefahr war, bin ich es dann auch jetzt? Worauf habe ich mich da eingelassen? Und worauf hat sich Rebecca eingelassen?

Ich kann nicht anders, als die Ereignisse in der Dunkelheit noch einmal zu durchleben und alternative Enden durchzuspielen, und keines davon ist ein glückliches. Wie können alle nur sagen, dass Rebecca mit einem heißen Typen auf und davon gegangen ist, und kein bisschen daran zweifeln?

Meine Eingeweide krampfen sich zusammen, während meine Gedanken zu Ella wandern. Dass ich nichts von ihr höre, habe ich mit der Begründung abgetan, dass sie glückliche Flitterwochen verlebt und mich inmitten von Leidenschaft und neu gefundener Liebe vergessen hat. Es fällt mir nicht allzu schwer, das von Ella anzunehmen. Sie war allein und hungrig nach dem Gefühl, dazuzugehören, und dieser Mann hat es ihr gegeben. Aber ist dieser Hunger nicht eine Verletzlichkeit, die der falsche Mann ausnutzen könnte?

Plötzlich habe ich den übermächtigen Wunsch, Ellas Stimme zu hören, und wenn sie mich wegen ihrer ehelichen Wonne vergessen hat, werde ich sie mit Freuden ausschelten. Ich muss nur wissen, dass es ihr gut geht. Ich bin die Einzige, die Ella hat, die sie vermisst. Ella weiß, dass ich für sie da bin, falls es ihr jemals nicht gut gehen sollte, sie weiß, dass sie mir wichtig ist.

Ich stoße mich von der Wand ab, schnappe mir mein Handy aus der Jacke und gehe nach draußen. Dennoch bleibe ich an der verglasten Tür, wo Chris mich sehen kann und ich ihn. Für heute Abend reicht es, einmal dumm gewesen zu sein. Die Nachtluft ist frostig, aber ich ignoriere die Kühle.

Ich wähle Ellas Nummer und bete, dass sie abnimmt. Sofort erklingt das Besetztzeichen. Ich drücke mir das Telefon an die Stirn. Warum habe ich keine andere Nummer von ihr bekommen? Warum? Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll. Ich weiß nicht einmal den genauen Tag, an dem sie zurück sein will, und beschließe, dass es das Beste ist, morgen in der Arztpraxis ihres neuen Ehemanns anzurufen.

Die Tür wird geöffnet, und Chris erscheint. Ich weiß nicht, wie es möglich ist, aber wann immer ich ihn sehe, ist es, als wäre es das erste Mal. Als glitte er in mich hinein und würde ausfüllen, was leer ist.

Er stemmt eine Hand an die Wand über mir und beschirmt mich vor dem Wind, vor der Welt. Beruhigende Macht und Stärke gehen von ihm aus, und er spricht die Frau in mir auf eine Weise an, wie kein Mann es je zuvor geschafft hat. »Wie geht es dir?«, fragt er und mustert mich mit forschenden hellgrünen Augen, die immer zu viel zu sehen scheinen. »Alles okay?«

Ich streiche mit der Hand über seine Wange und spüre das sanfte Kratzen der dunkelblonden Bartstoppeln an meinen Fingerkuppen. »Mir geht’s gut, wenn wir hier weg sind.« Ich lasse die Hand sinken. »Was hat der Verwalter über die Büroklammer gesagt?«

»Er behauptet, sie hätten Probleme mit Jugendlichen gehabt, die sich bei der Halle herumtreiben. Vandalen.«

Entrüstung und Zorn wallen in mir auf. »Das ist also seine Erklärung? Jugendliche?«

»Er will seinen Arsch retten, Sara.« Er lässt die Hand über meine Taille gleiten, dann über den Hintern, liebkost mich innig. »Und ich habe vor, auf deinen aufzupassen.« Er streicht mir das Haar aus den Augen. »Du wohnst bei mir, bis der Privatdetektiv uns sagt, dass kein Grund zur Sorge besteht. Auf diese Weise kann niemand außer mir an dich heran.« Seine Stimme wird leiser, rau. »Du wirst ganz mir gehören.«

Die besitzergreifende Art, wie er mich in seinen Armen wiegt, die Art, wie er die Worte sagt, jagt ein Kribbeln durch meinen Körper. Ich weigere mich, an die Konsequenzen zu denken, die folgen, wenn ich mich Chris überlasse, einem Mann, von dem ich weiß, dass er mich mit Haut und Haar verschlingen wird. Vielleicht wird er mich sogar zerstören, aber gerade jetzt kommt es mir vor, als würde er mich retten. Nur zu gern bin ich ganz sein.