Den Mut zu träumen - Markus Albrecht - E-Book

Den Mut zu träumen E-Book

Markus Albrecht

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Beschreibung

Ein Kolumnist einer großen italienischen Tageszeitung schrieb zu diesem Ereignis in den 1970er Jahren: „Manchmal beginnt ein großes Abenteuer nicht mit einem klaren Ziel, sondern mit einem einfachen Wunsch: dem Wunsch, allem zu entfliehen, was einen gefangen hält.“ „Die drei jungen Burschen erinnern uns an unsere eigene Jugend. Wer hat nicht davon geträumt, eines Tages einfach alles hinter sich zu lassen und aufzubrechen? Vielleicht haben sie nicht viel Geld gehabt, vielleicht waren sie naiv, aber sie hatten etwas, das viele von uns verloren haben: den Mut, zu träumen.“ Dieses Buch ist eine Erzählung nach einer wahren Geschichte, die sich in den 1970er Jahren im unteren Vinschgau in Südtirol ereignet hat. Eine bewegende Geschichte über drei Jungen, 10, 11 und 12 Jahre alt, die beim Schulschwänzen erwischt wurden und daraufhin von Zuhause ausgerissen sind. Nachdem sie im 430 km entfernten Rimini am Strand gelandet waren, tauchten sie nach Tagen plötzlich wieder in Bozen auf. Sie gingen auf eine große Reise, um Piraten zu werden. Eine erlebnisreiche, gefahrvolle Reise mit einem unerwarteten Ende.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Den Mut zu träumen

Die wahre Geschichte über die drei vermissten Piraten

Den Mut zu träumen

Markus Albrecht

Impressum

© 2025 Markus Albrecht

Joh.- Baptist Rufin Str. 4

I-39012 Meran (BZ)

E-Mail: [email protected]

Alle in dieser Geschichte geschilderten Personen sind echt und nicht frei erfunden. Nur ihre Namen wurden geändert.

Bei einzelnen Textpassagen wurde mit Hilfe von ChatGPT 4 der Lesefluss optimiert. Das Cover wurde vom Autor mit Hilfe von FREEPIK, KI-Modell Mystic 2.0 (Commercial AI license for professionals) erstellt. Die in diesem Buch verwendeten Schriftarten „Liberation Serif“ und „Liberation Sans“ stehen unter der SIL Open Font License.

© 2025 – Alle Rechte vorbehalten. Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig. Das gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Markus, die zentrale Figur in dieser Geschichte und vom Maresciallo der Carabinieri als „Capo banda“ – der Anführer – bezeichnet, war in der Schule unmotiviert. Sein Klassenlehrer hatte einmal gesagt:

„Zu faul, um zu stinken.“ Markus war nicht faul – er war ein Träumer. Mit seiner überschäumenden Fantasie und seinem Mut, große Ideen zu verfolgen, konnte er Berge versetzen. Doch manchmal führte ihn dieser Mut auch zu Plänen, die größer waren, als er selbst, und brachten nicht nur ihn in große Gefahr.

Prolog

Ein Kolumnist einer großen italienischen Tageszeitung schrieb zu diesem Ereignis in den 1970er Jahren:

„Manchmal beginnt ein großes Abenteuer nicht mit einem klaren Ziel, sondern mit einem einfachen Wunsch: der Wunsch, allem zu entfliehen, was einen gefangen hält.“

„Die drei jungen Burschen erinnern uns an unsere eigene Jugend. Wer hat nicht davon geträumt, eines Tages einfach alles hinter sich zu lassen und aufzubrechen? Vielleicht haben sie nicht viel Geld gehabt, vielleicht waren sie naiv, aber sie hatten etwas, das viele von uns verloren haben: den Mut, zu träumen.“

Dieses Buch ist eine Erzählung nach einer wahren Geschichte, die sich in den 1970er Jahren im unteren Vinschgau in Südtirol ereignet hat.

Eine bewegende Geschichte über drei Jungen, 10, 11 und 12 Jahre alt, die beim Schulschwänzen erwischt wurden und daraufhin von Zuhause ausgerissen sind. Nachdem sie im 430 km entfernten Rimini am Strand gelandet waren, tauchten sie nach Tagen plötzlich wieder in Bozen auf.

Sie gingen auf eine große Reise, um Piraten zu werden. Eine erlebnisreiche, gefahrvolle Reise mit einem unerwarteten Ende.

Ort und Zeit der Handlung

Das Vinschgau, oft Der Vinschgau genannt, ist ein langes und teilweise breites Tal und gehört zu Südtirol, einer autonomen Provinz Italiens, das von der Kurstadt Meran bis zum Reschenpass verläuft. Es ist bekannt für den Obstanbau, insbesondere für Äpfel und Marillen.

In den 1970er Jahren lag der deutschsprachige Bevölkerungsanteil im Vinschgau bei ungefähr 97 %. Italienisch war und ist als Zweitsprache ein Pflichtfach in der Schule, wurde damals jedoch von vielen Kindern nur mäßig ernst genommen.

In dieser Zeit hielten neue Farbfernsehgeräte Einzug in die Wohnzimmer der Familien.  Die TV-Serien, u. a. die von Astrid Lindgren, hatten großen Einfluss auf die Kinder – Jeder kann alles tun oder werden.

Carabinieri

Die Carabinieri sind eine der wichtigsten Polizeieinheiten Italiens und gelten als Teil der Streitkräfte. Sie vereinen militärische und zivile Polizeifunktionen. Die Hauptaufgaben sind die öffentliche Sicherheit, Kriminalitätsbekämpfung, militärische Aufgaben, Schutz sensibler Einrichtungen und Katastrophenhilfe. Sie sind in regionale Kommandos unterteilt, die für bestimmte Gebiete zuständig sind.

„Die Carabinieri spielen oft eine prominente Rolle in Filmen und Romanen, die nichts und niemanden fürchten – außer vielleicht eine schlechte Presse.“

Kapitel 1: Der große Plan

Markus spürte die Morgensonne auf seinem Nacken, während der Lahnbach wie immer leise vor sich hin plätscherte. Der Frühling war endlich da – und der Gedanke, den Tag drinnen auf der Schulbank zu verbringen, versetzte ihn in Aufregung.

Es war ein typischer Aprilmorgen im Vinschgau, als die drei Jungen – Markus, Johannes, genannt Joe und Manfred, genannt Manni – am Bach entlang schlenderten, die Schultaschen über der Schulter. Markus, mit seinen zwölf Jahren der Älteste, führte die Gruppe an. Seine Augen durchkämmten die Gegend auf der Suche nach etwas Spannenderem als das sture Sitzen auf der Schulbank.

„Warum sollen wir drinnen sitzen, wenn die Sonne scheint?“ hatte Markus vorhin gesagt, als er die beiden anderen überredete, die Schule zu schwänzen. Joe, sein Nachbar, elf Jahre alt, mit einem schüchternen Blick, hatte zwar gezögert, sich aber schließlich doch angeschlossen.  Seinen Spitznamen „Joe“ bekam Johannes von „Little Joe“ aus der Westernserie „Bonanza“. Manni, zehn Jahre alt und Markus’ kleiner Bruder, brauchte keine Überredungskunst – er folgte ihm blindlings.

Sie liefen am Bach entlang, planlos, aber mit der leisen Hoffnung, ein Abenteuer zu erleben.

Joe war der Erste, der abrupt stehen blieb.

„Schaut mal da!“ Er zeigte auf einen Stapel alter Bretter, die ordentlich am Ufer gestapelt lagen.

„Was machen die denn hier?“, fragte Markus und legte den Kopf schief. Er ging ohne zu zögern hinüber, kniete sich vor die Bretter und begutachtete sie.

„Damit können wir ein Baumhaus bauen. Ein richtig gutes. Hier, gleich da drüben am Baum.“

Er zeigte auf eine mächtige alte Pappel, die ihre Äste über den Bach streckte. Manni kicherte und hüpfte aufgeregt auf der Stelle.

„Ein Baumhaus! Oben in den Ästen, wo keiner uns findet!“

Er hatte einen alten Hammer in der Hand, den er ein paar Meter weiter gefunden hatte, und schwang ihn wie eine Trophäe über seinem Kopf.

Joe runzelte die Stirn. „Vielleicht gehören die jemandem.“

„Ach was“, sagte Markus und griff nach dem Hammer.

„Die liegen hier schon lange, sonst wären sie nicht so alt. Wer auch immer das dagelassen hat, braucht sie wohl nicht mehr. Los, fangen wir an!“

„Wir brauchen Nägel“, bemerkte Joe nüchtern.

Er bückte sich und zog einen Plastikeimer unter den Brettern hervor, halb voll mit rostigen Nägeln.

Und so begannen sie zu bauen. Sie schleppten die Bretter zum Baum, schlugen die ersten Nägel ein und diskutierten über die beste Position für die Plattform.

Joe hielt skeptisch die Umgebung im Blick, während Manni mit Eifer die Nägel aus dem Eimer zog. Markus gab die Anweisungen und hielt dabei die ganze Zeit den Hammer in der Hand, als wäre er der Kapitän eines Schiffes.

Doch sie kamen nicht weit. Gerade als der Hammer für den nächsten Schlag ausholte, hörten sie eine Stimme hinter sich, scharf und laut:

„Was soll das hier?!“ Die drei erstarrten.

Ein Mann, dessen Gesicht vor Wut so rot war wie sein Halstuch, stapfte auf sie zu.

„Ihr Rotzbuben!“, bellte er und deutete mit einem Stock auf den Stapel Bretter.

„Das Holz gehört mir!“

„Lauft!“, rief Markus, bevor jemand etwas entgegnen konnte.

Der Hammer fiel klappernd zu Boden, und die drei rannten los, über das Kiesbett und die Böschung hinauf, so schnell sie konnten. Der Mann fluchte hinter ihnen her, blieb aber bei seinen Brettern stehen.

Erst als sie auf der anderen Seite des Hügels außer Atem anhielten, wagte Markus einen Blick zurück.

„Puh“, keuchte Manni. „Das war knapp.“

Joe klopfte sich die Hose ab.

„Aber was ist mit unseren Schultaschen?“

Markus’ Blick wurde scharf.

„Die liegen noch da“, sagte er nach einer kurzen Pause.

Alle drei lugten vorsichtig über den Hügelrand. Der Mann war immer noch dort unten, sammelte gerade die Bretter zusammen – und hatte die Schultaschen der Jungen am Boden entdeckt. Ohne zu zögern, hob er sie auf, schwang sie sich über die Schulter und stapfte den Bachlauf hinunter.

„Das war’s“, sagte Joe.

„Jetzt weiß bald jeder, dass wir geschwänzt haben.“

Markus presste die Lippen zusammen und blickte in die Runde. Schließlich hob er den Kopf, ein entschlossener Ausdruck huschte über sein Gesicht.

„Nicht, wenn sie uns nicht finden“, sagte er schließlich.

„Was meinst du?“, fragte Manni, verwirrt.

Markus’ Gesicht wurde ernst, fast feierlich.

„Wir hauen ab. Weg von hier. Keine Schule mehr. Keine Schimpfer, keine Strafen, nix davon. Wir machen das richtig – ein neues Leben! Versteht ihr?“

Joe sah ihn zweifelnd an, doch Markus ließ nicht locker.

„Wie richtige Abenteurer. Kommt, wir gehen!“

Die drei Jungen liefen, bis sie den Waldrand erreichten. Sie ließen sich hinter einer dichten Gruppe von Büschen nieder, außer Atem und voller Adrenalin.

Für einen Moment sprach keiner. Joe lauschte angestrengt, ob der Mann ihnen gefolgt war. Doch es war nur der Bach zu hören.

„Ich hab’s dir gesagt“, keuchte er schließlich, die Hände in die Hüften gestemmt.

„Jetzt sind wir dran. Der Mann hat unsere Taschen. Mit unseren Namen – und alles!“

Manni ließ sich auf den Boden fallen und zog die Knie an.

„Was machen wir jetzt?“

Markus kniff die Augen zusammen und dachte nach. Es musste schnell gehen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis jemand – der Lehrer, der Mann oder vielleicht sogar die Carabinieri – ihren Eltern Bescheid gab.

Die Eltern würden bereits in der Mittagspause von der Arbeit nach Hause kommen. Wenn sie dann erfuhren, dass sie die Schule geschwänzt hatten, war alles vorbei.

Joe hatte recht. Sie würden Ärger bekommen. Aber es war nicht nur Ärger, den Markus fürchtete. Sein Blick fiel auf Manni, der sich die Nase rieb und nervös auf seine Füße starrte. *Mama arbeitet schon so viel. Wie soll sie das auch noch durchstehen?* Überlegte er weiter.

*Und Joe? Sein Vater war unberechenbar.* Markus wusste genau, was für eine Strafe Joe bevorstand, wenn die Geschichte im Dorf die Runde machte.

„Wir können nicht zurück“, sagte Markus schließlich. Seine Stimme war fest. Manni sah ihn mit großen Augen an.

Joe schüttelte den Kopf.

„Wir müssen zurück. Vielleicht merkt der Mann ja gar nichts. Vielleicht gibt er die Taschen nur in der Schule ab.“

„Vielleicht“, entgegnete Markus scharf, „oder er geht direkt zu den Carabinieri. Willst du, dass dein Vater davon erfährt?“

Das brachte Joe zum Schweigen. Sein Blick war düster, und er sah weg. Markus wusste, dass er recht hatte, und nutzte den Moment.

„Wir haben keine Wahl“, fuhr er fort. „Wenn wir bleiben, sind wir geliefert. Aber wenn wir gehen …“

Er machte eine kurze Pause und sah Manni an.

„Wir müssen abhauen. Dann hat keiner mehr was zu sagen.“

„Abhauen?“, fragte Manni und verzog das Gesicht.

Markus nickte heftig.

„Ja! Einfach weg. Dann kann uns keiner mehr etwas vorschreiben. Wir sind frei. Und wenn wir zurückkommen … dann … dann bringen wir Gold mit. Einen Schatz! So wie echte Piraten. Für Mama.“

Manni starrte ihn mit großen Augen an, und in seiner kindlichen Fantasie begann die Idee zu wachsen.

„Eine Schatzkiste? So wie Pippi Langstrumpf?“

„Wie echte Piraten“, bekräftigte Markus. „Wir könnten welche werden. Richtig große Abenteurer. Es gibt immer Schätze, die man finden kann. Und wir bringen sie nach Hause, für Mama.“

Er richtete seinen Blick auf Joe.

„Und deine Mama, damit sie nicht mehr arbeiten müssen.“

Joe atmete scharf aus, aber nicht aus Ablehnung, sondern aus Verwirrung.

„Piraten? Wir haben nicht mal Geld für Zugfahrkarten, geschweige denn für ein Boot.“

„Wir brauchen kein Boot. Noch nicht“, sagte Markus, ohne zu zögern. Sein Kopf arbeitete bereits.

„Wir kommen erst mal bis ans Meer. Da sehen wir weiter. Vielleicht finden wir dort jemanden, der uns hilft.“

Joe war nicht überzeugt, das sah Markus ihm an. Aber er wusste auch, dass Joe nicht zurück zu seinem Vater wollte. Also drängte er ihn nicht weiter. Stattdessen wandte er sich an Manni.

„Denk mal nach: Wir könnten machen, was wir wollen. Eine eigene Insel haben. Niemand sagt uns, was wir zu tun und zu lassen haben. Nie wieder Schule.“

Manni lächelte zaghaft. Er hatte ihn. Aber Joe? Markus legte ihm eine Hand auf die Schulter und sprach etwas leiser.

„Du willst doch auch, dass es anders wird. Oder?“

Joe schloss für einen Moment die Augen. Dann nickte er. Es war ein Nicken, das zeigte, dass er glaubte, Markus hatte mehr oder weniger recht, auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte.

Markus ließ die Hand sinken und atmete tief durch.

„Dann machen wir das.“ Er sah auf seine Armbanduhr. Es war später Vormittag. Die Zeit drängte.

„Wir müssen schnell handeln. Wenn Mama und dein Vater zu Hause merken, dass wir nicht in der Schule waren, ist alles vorbei.“

„Aber … wohin?“, fragte Joe leise.

Markus sah in die Ferne, dorthin, wo die Berge langsam in die Ebene übergingen.

„Wir gehen nach Süden. Immer Richtung Meer. Wenn wir es bis nach Meran schaffen, können wir von dort weiter. Vielleicht mit dem Zug.“

„Und wie kommen wir dahin?“, fragte Manni. Markus ließ ein kurzes, entschlossenes Lächeln aufblitzen.

„Per Anhalter. Die nehmen uns schon mit, wenn wir nett fragen. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Los jetzt.“

Manni sprang auf, bereit, sich in das Abenteuer zu stürzen, doch Joe zögerte noch einen Moment. Schließlich folgte er ihnen. Irgendwo in seinem Inneren wusste er, dass sie nichts anderes tun konnten. Und auch, dass er Markus immer folgen würde – egal, wie verrückt sein Plan war.

Die kleine Gruppe schlich durch die Obstwiesen zurück ins Dorf, die Köpfe gesenkt, die Schultern angespannt. Der Plan, den Markus unterwegs immer weiter ausgetüftelt hatte, war einfach: Jeder musste zu Hause seine Sachen packen, ohne entdeckt zu werden.

Es durfte nicht auffallen, dass sie dort gewesen waren – zumindest nicht sofort. Er hatte klare Anweisungen gegeben, und Joe und Manni hielten sich dicht hinter ihm, wie Soldaten in einer geheimen Mission.

„Ich dachte, das wird einfach“, sagte Manni leise. „Aber ich hab’ Angst.“ Markus biss die Zähne zusammen. Hatte er zu viel von ihm verlangt?

Als sie sich an der letzten Ecke vor ihrem Mehrfamilienhaus trennten, war es kurz nach elf Uhr. Ihre Eltern würden frühestens in einer Stunde nach Hause kommen, doch die Zeit drängte.

„Halbe Stunde“, flüsterte Markus. „Treffen wir uns wieder hier. Packt nur das Nötigste, was ihr leicht tragen könnt, und seid leise. Joe, vergiss die Decke nicht und schau nach, ob du Geld findest.“ Joe nickte unsicher.

*Und wenn ich nichts finde? Oder wenn mein Vater doch zu Hause ist?* Grübelte er auf dem Weg zu seiner Wohnung.

Die beiden Brüder liefen die wenigen Meter bis zur Tür. Markus schob den Schlüssel vorsichtig ins Schloss und öffnete die Tür gerade so weit, dass sie hineinschlüpfen konnten. In der Wohnung war es still, nur das Ticken der Küchenuhr war zu hören.

Markus gab Manni ein Zeichen, stillzubleiben, und schlich ins Schlafzimmer der Mutter. Er ging direkt zur obersten Schublade der Kommode, wo seine Mutter ihr Geld aufbewahrte.

Es war nicht viel – ein paar Münzen und ein paar Scheine, die sie wohl fürs Wochenende zurückgelegt hatte. Er wusste, wie hart sie dafür arbeitete, aber er wusste auch, dass er jetzt keine Wahl mehr hatte.

Sein Herz schlug schneller. *Was, wenn wir scheitern? Was, wenn ich das Geld nehme und es nicht zurückzahlen kann? Mama wird es bemerken.* Aber es blieb keine Zeit mehr, darüber nachzudenken.

Auch Joe war inzwischen im Schlafzimmer seiner Eltern und fühlte sich extrem unsicher. Was, wenn sein Vater plötzlich auftaucht? Er würde ihn schlimm verprügeln. Dieser Gedanke überzeugte ihn schließlich, dem Plan von Markus zu folgen.

Markus, noch immer im Schlafzimmer seiner Mutter, schluckte die Angst hinunter, stopfte das Geld in seine Tasche und packte hastig eine Decke und frische Unterwäsche dazu. Dann zögerte er. Sein Blick fiel auf den Notizblock, der neben dem Bett lag. Er nahm ihn, suchte einen Stift und schrieb, die Hand leicht zitternd:

*Mama, wir kommen wieder. Und wenn wir zurück sind, wirst du nie wieder so hart arbeiten müssen. Wir versprechen es dir. Markus, Manni und Joe.*

Er legte den Zettel sorgfältig auf das Kopfkissen und trat zurück, einen Kloß im Hals. *Aber was, wenn wir es nicht schaffen?*, dachte er. Für einen Moment hörte er nur das Ticken der Uhr, dann wandte er sich ab und ging hinaus.

Manni wartete in der Küche, eine kleine Tasche in der Hand, in die er seine Sachen gepackt hatte. Er hatte nicht viel – ein altes Comic-Heft, ein paar Bonbons und eine Decke, die er aus dem Wohnzimmer gezogen hatte. Sein Spielzeugauto wollte er auch mitnehmen, legte es aber wieder zurück.

„Ich bin bereit“, flüsterte er. Markus nickte ihm zu, und gemeinsam verließen sie die Wohnung, genauso leise wie sie gekommen waren.

Draußen wartete Joe bereits mit einer Tasche über der Schulter. Seine Hände waren unruhig, und er blickte sich immer wieder um, als hätte er Angst, sein Vater könnte jeden Moment auftauchen.

„Ich hab’s“, sagte er leise, und Markus nickte.

„Alles klar, dann los“, sagte er, ohne zu zögern.

Er ging voran, die Straße hinunter, weg vom Haus, weg von allem, was sie kannten.

Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als die drei Jungen an der Landstraße standen, die nach Meran führte. Markus hatte die Stelle ausgesucht – ein Platz am Straßenrand, von dem aus sie sichtbar waren, aber auch schnell in die Büsche verschwinden konnten, falls jemand aus dem Dorf vorbeifuhr, der sie kannte.

Joe war nervös. Er hielt seine Tasche fest und wippte auf den Fußspitzen.

„Und was, wenn niemand anhält?“, fragte er. Markus schaute ihn mit fester Miene an.

„Dann warten wir. Jemand wird anhalten.“ Manni stand etwas abseits und starrte auf die vorbeifahrenden Autos. Jedes Mal, wenn eines näher kam, reckte er sich ein wenig und hob vorsichtig den Arm, wie Markus es ihm erklärt hatte.

Ein klappriger Fiat fuhr vorbei, dann ein alter Lieferwagen. Keiner hielt an. Doch schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, hörten sie das Quietschen von Bremsen. Ein alter, staubiger VW-Bus kam zum Stehen. Der Fahrer war ein älterer Mann mit einem breiten Hut und einem freundlichen Gesicht. Er kurbelte das Fenster herunter und beugte sich heraus.

„Wo wollt ihr denn hin, Jungs?“ Markus trat einen Schritt nach vorn und sprach mit der Überzeugung eines Kindes, das glaubt, die Welt liege ihm zu Füßen.

„Nach Meran, bitte.“ Der Mann sah sie kurz an, dann nickte er.

„Steigt ein.“

Die Jungen kletterten in den Bus, ihre Taschen fest umklammert. Der Motor heulte auf, und sie setzten sich in Bewegung. Keiner von ihnen sprach. Die Welt außerhalb des Fensters zog langsam vorbei, die vertrauten Straßen und Häuser wurden immer kleiner, bis sie schließlich verschwanden.

„Markus saß vorn neben dem Fahrer und starrte auf die Straße. Der Zettel, den er geschrieben hatte, ließ ihn nicht los. Wir kommen wieder. Mama würde das verstehen, oder? Sie musste! Und eines Tages … eines Tages würden sie mit einem Schatz zurückkommen. Ja, ganz sicher!“

Die Reise in ein unbekanntes Abenteuer hatte begonnen.

Kapitel 2: Bozen – Die erste Zugfahrt

Der alte VW-Bus schlingerte über die löchrige Landstraße, und Markus spürte jedes Ruckeln in den Beinen. Der Geruch von altem Leder und Öl stieg ihm in die Nase, und er versuchte, nicht zu viel auf die zerkratzte Windschutzscheibe zu starren – vor allem nicht in die Augen des Fahrers, der ihn immer wieder von der Seite musterte.

Er war ein Mann mit grauem Haar und einem freundlichen, aber scharfen Blick. Bisher hatte er nichts gefragt, doch Markus konnte die Frage förmlich spüren, die sich ihren Weg bahnte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie kam: *Wohin genau wollt ihr eigentlich?*

Er kaute nervös auf seiner Unterlippe und war sich bewusst, dass sie eine gute Erklärung brauchten – eine, die glaubhaft war und den Mann nicht misstrauisch machte. Er wollte gerade etwas überlegen, als der Fahrer plötzlich mit einem leichten Kopfnicken aus dem Fenster deutete.

„Da vorn, seht ihr das?“, fragte der Mann, seine tiefe Stimme durchbrach die Stille.

Markus folgte seinem Blick und sah, wie die Straße sanft eine Kurve machte.

Am Straßenrand war ein schlichtes Holzkreuz aufgestellt. Ein paar vertrocknete Blumen hingen daran, und das Holz war längst vom Wetter ausgebleicht. Er spürte, wie ihm die Kehle zuschnürte. Das Kreuz. Er hatte verdrängt, dass sie an dieser Stelle vorbeifahren würden.

Bevor er sich zurückhalten konnte, brach es aus ihm heraus:

„Hier ist es passiert. Das war vor zwei Jahren. Unser Vater …“

Seine Stimme stockte, und er schluckte schwer.

„Hier hatte er den Unfall.“

Der Fahrer warf ihm einen überraschten Blick zu, nahm aber den Fuß kurz vom Gas und ließ den Wagen langsamer werden.

„Das war euer Vater?“, fragte er schließlich.

Seine Stimme klang sanft, ohne jede Spur von Neugier oder Unglauben.

„Ich habe davon gehört. Mit der Vespa, oder? Ein furchtbarer Unfall. Die arme Frau allein mit fünf Kindern.“

Markus nickte nur, unfähig zu sprechen. Manni auf der Rückbank starrte auf seine Hände, während Joe sich verlegen zur Seite drehte. Für einen Moment war die Luft im Bus schwer von unausgesprochenen Worten.

---ENDE DER LESEPROBE---