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Anna ist eine ehrgeizige Schülerin im letzten Schuljahr der Hotelfachschule in Meran. Sie hält sich aus dem Rampenlicht heraus, bis eine Lehrerin ihre Welt erschüttert: Frau Dr. Ylva Haller – charismatisch, kühl und unnahbar. Als Annas Blick dem ihrer Lehrerin begegnet, beginnt ein psychologisches Katz-und-Maus-Spiel, das sich unaufhaltsam in ihr Leben gräbt. Zunächst sind es nur subtile Momente: ein Blick, ein unaufdringliches Wort, ein Lächeln, das zu lange verweilt. Doch dann erhält Anna Nachrichten, die keine gewöhnliche Lehrer-Schüler-Kommunikation sind. Sie kann sich ihrer Faszination nicht entziehen – aber ist es Zuneigung oder Manipulation? Ein Strudel aus Abhängigkeit, Kontrolle und unterschwelliger Bedrohung reißt sie immer tiefer hinein. Als Anna herausfindet, dass sie nicht die Erste ist, die Ylvas Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, zerfällt ihr Vertrauen in die Realität. Was ist Lüge, was Wahrheit? Und was geschah mit der jungen Frau, die vor ihr an Ylvas Seite war – und plötzlich tot ist? Während Anna sich an jeden Strohhalm der vermeintlichen Liebe klammert, begreift sie zu spät, dass sie längst gefangen ist – in einem Netz, aus dem es kein Entkommen gibt.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Verhängnisvolle Lektionen
Thriller von Markus Albrecht
Impressum
Markus Albrecht
Joh.- Baptist Rufin Str. 4
I-39012 Meran (BZ)
E-Mail: [email protected]
Alle in dieser Geschichte geschilderten Personen und einige Lokale in der Stadt Meran sind frei erfunden.
© 2025 – Alle Rechte vorbehalten. Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig. Das gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Schriftnachweis: Die in diesem Buch verwendeten Schriftarten „Liberation Serif“, „Liberation Sans“ und „Rubik Distressed“ stehen unter der SIL Open Font License.
Bildnachweis: Das Cover wurde vom Autor mit Hilfe von FREEPIK, KI Modell Mystic 2.5 (Commercial AI license for professionals) erstellt.
Das leise Summen des Handys ließ Anna zusammenzucken. Ihr Blick huschte durch das dunkle Klassenzimmer, das nur von der Straßenlaterne draußen ein blasses Licht erhielt. Der Regen klatschte in unregelmäßigen Abständen gegen die Fensterscheiben. Es war spät. Viel zu spät, um noch in der Schule zu sein. Und doch saß sie hier – allein, mit dem flimmernden Display ihres Handys in der Hand.
„Anna, ich warte“
Ein einziger Satz. Ohne Punkt, ohne Smiley. Ohne alles Überflüssige.
Anna spürte, wie ihr Herz unruhig in ihrer Brust flatterte. Ihre Finger zitterten leicht, als sie das Telefon fester umklammerte. Sie hatte es nicht erwartet. Oder doch? Ein Teil von ihr hatte sich genau danach gesehnt – nach dieser Aufmerksamkeit, nach dieser Bestätigung.
Ihr Magen zog sich zusammen, ein vertrautes Gefühl der Unruhe breitete sich in ihr aus. Nicht Angst. Oder vielleicht doch?
Langsam ließ sie ihren Blick über das verlassene Klassenzimmer wandern. Die aufgestellten Stühle auf den Tischen, die sauberen Tafeln, der Geruch von Kreide und alten Büchern. All das wirkte plötzlich fremd, als gehöre es nicht mehr in ihre Welt.
Die Tür knarrte leise. Anna hielt den Atem an.
Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie sich umdrehte. Nichts. Nur der Flur, nur die Dunkelheit, nur das Rauschen des Regens. Ihre Finger schwebten über der Tastatur. Sie hätte nicht antworten müssen. Sie hätte einfach nach Hause gehen können, ihr Handy ausschalten und so tun, als wäre nichts passiert.
Aber dann kam der zweite Ton. Eine weitere Nachricht.
„Ich hoffe, du lässt mich nicht warten“
Ein Ziehen spannte sich durch ihren Hals. Der Regen draußen wurde heftiger. Ihre Hände waren feucht. Anna biss sich auf die Lippe. Fast mechanisch tippte sie zwei Worte zurück.
„Ich komme“
Mit klopfendem Herzen stand sie auf, griff nach ihrer Tasche und trat in den schattigen Flur hinaus.
Die Morgensonne fiel schräg durch die hohen Fenster des Klassenzimmers. Es war ein neuer Schultag an der Hotelfachschule in Meran und das letzte Schuljahr vor der Matura. Anna saß in der dritten Reihe, so wie immer. Stets darauf bedacht, nicht zu weit vorn zu sitzen, um nicht direkt ins Blickfeld der Lehrkräfte zu geraten – aber auch nicht zu weit hinten, um nicht mit den lauteren, weniger disziplinierten Schülern in Verbindung gebracht zu werden. Ihr Notizblock lag aufgeschlagen vor ihr. Mechanisch drehte sie den Kugelschreiber zwischen den Fingern.
Dann betrat sie den Raum: Frau Dr. Ylva Haller.
Selbstbewusst, ruhig, fast schwebend bewegte sie sich zum Pult. Ihr blondes Haar war locker nach hinten gebunden, sodass ihr makelloses Gesicht, die hohen Wangenknochen und die sanften grauen Augen noch stärker zur Geltung kamen. Ein dezentes Parfum lag in der Luft, ein Duft, den Anna nicht zuordnen konnte – aber er füllte den Raum, genauso wie die leise, aber durchdringende Präsenz dieser Frau.
„Guten Morgen“, sagte Frau Haller in ihrer unaufgeregten, klaren Stimme. Sie war nie laut. Nie hektisch. Und trotzdem hörten ihr alle zu.
Anna schluckte und richtete sich auf, als Frau Hallers Blick kurz auf ihr ruhte. Es war ein Augenblick, nicht länger als eine Sekunde, doch Anna hatte das Gefühl, als würde sie durchschaut.
Der Unterricht begann. Die Tafel füllte sich langsam mit eleganter, geschwungener Schrift, während Frau Haller sprach – ruhig, präzise, fast wie eine Melodie. Anna versuchte sich auf den Inhalt zu konzentrieren, auf die Begriffe und Analysen, doch ihr Geist schweifte immer wieder ab.
Wie aus dem Nichts, erklang ihre Stimme: „Anna?“
Ein kurzer Stich der Panik durchfuhr sie. Sie blinzelte und sah auf. Frau Haller stand direkt vor ihr, die Arme locker vor der Brust verschränkt, ihr Blick nicht streng, aber aufmerksam.
„Könnten Sie mir bitte erläutern, was wir gerade besprochen haben?“
Ein feines Lächeln umspielte Frau Hallers Lippen – eine Spur von Herausforderung lag darin. Anna spürte, wie sich alle Blicke auf sie richteten. Ihr Gesicht wurde heiß. Sie hatte nicht zugehört. Nicht wirklich.
„Äh … also …“, begann sie stockend, während ihr Herzschlag ihr in den Ohren dröhnte.
Anstatt sie zu ermahnen oder weiter zu drängen, neigte Frau Haller leicht den Kopf zur Seite, als würde sie ihre Reaktion mit Neugier betrachten.
„Sind Sie – auf einer Reise – oder gar verliebt? – Konzentrieren Sie sich“, sagte sie leise. Ein Schauder lief Anna über den Rücken. Das Kichern der Mitschüler verstummte abrupt, als die Lehrerin den Kopf hob. Anna atmete tief durch und zwang sich, die Worte auf der Tafel zu lesen, irgendeine Antwort zu formulieren.
Die Lektion ging weiter. Aber der restliche Schultag verlief für Anna wie in Trance. Sie hatte keine wirkliche Erinnerung an die anderen Stunden, an die Gespräche mit ihren Mitschülern oder an das Mittagessen in der Kantine. Alles, woran sie denken konnte, war dieser Blick von Frau Haller. Sie hatte ihn nicht genau deuten können. War es Tadel gewesen? Ein stilles Amüsement? Oder – und dieser Gedanke ließ ihren Blutdruck steigen – ein Test, wegen ihrer Gefühle?
Als der Unterricht vorbei war und sich die Schule langsam leerte, blieb Anna noch einen Moment an ihrem Platz sitzen. Ihre Finger glitten über den Rand ihres Notizbuchs, während sie ins Leere starrte. Sie wollte gerade ihre Tasche über die Schulter werfen, als sie eine Bewegung aus dem Augenwinkel bemerkte.
Frau Haller stand an der Tür.
Sie lehnte lässig gegen den Rahmen, die Arme vor der Brust verschränkt, ein kaum wahrnehmbares Lächeln auf den Lippen.
„Bleiben Sie heute länger?“, fragte sie. Ihre Stimme war ruhig, aber es lag eine Nuance darin, die Anna frösteln ließ.
„Ich … äh … ich habe nur nachgedacht“, erwiderte sie hastig und klappte ihr Notizbuch zu.
Frau Haller trat langsam ins Klassenzimmer, ihre Absätze klangen sanft auf dem Parkett.
„Nachgedacht?“ Sie hob leicht eine Braue, als sei das eine interessante Antwort. Anna fühlte sich ertappt. Als hätte ihre Lehrerin bereits durchschaut, woran sie wirklich gedacht hatte.
„Über den Unterricht“, schob sie schnell hinterher.
Frau Haller ließ ihren Blick kurz über Annas Gesicht wandern, dann nickte sie langsam.
„Gut. Nachdenken ist wichtig. Besonders, wenn man nicht ganz bei der Sache war.“ Ein sanfter Stich. Ein bewusst gesetzter Satz. Anna spürte, wie ihr Magen sich zusammenzog. Sie wollte sich verteidigen, etwas sagen, um das Bild der unaufmerksamen Schülerin loszuwerden, aber Frau Haller trat bereits an ihr vorbei, ihre Fingerspitzen streiften beiläufig den Rand von Annas Tisch.
„Vergessen Sie nicht, dass Wissen nicht nur aus Worten besteht“, sagte sie leise und verließ sie das Klassenzimmer. Anna blieb mit klopfendem Herzen zurück.
Später am Abend lag Anna auf ihrem Bett, die Zimmerlampe war gedimmt. Sie biss sich auf die Unterlippe und griff nach dem Handy, scrollte durch alte Nachrichten. Sie hatte eine irrationale Sehnsucht danach, ihren Namen irgendwo zu lesen, eine kleine Erinnerung daran, dass diese Frau früher an sie dachte, und ihr liebe Kommentare schrieb. Nach dem Klassenausflug und nach dem Besuch im Museum.
Soll ich ihr schreiben?
Ihr Finger schwebte über der Tastatur. Ein harmloser Satz würde reichen. Etwas Unauffälliges. Vielleicht nachfragen, was genau sie heute Abend gemeint hat?
Nein. Zu durchschaubar. Sie ließ das Handy sinken und starrte an die Decke. Sollte sie einfach abwarten? Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Dann plötzlich – ein leiser Ton. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Eine neue Nachricht. Von Dr. Ylva Haller. Anna schluckte und entsperrte hastig ihr Handy. Nur ein einziges Wort.
„Schlafen?“
Gänsehaut lief ihr über die Haut. Ihr fehlten die Worte. Doch eines war klar: Ein Spiel hatte begonnen. Und sie konnte sich nicht mehr entziehen.
Anna starrte auf den Bildschirm ihres Handys. Das Wort Schlafen? flimmerte ihr entgegen wie ein Rätsel, das sie nicht lösen konnte. Ihre Finger schwebten über der Tastatur. Was sollte sie antworten?
„Noch nicht“
Sie drückte auf Senden und wartete. Sekunden vergingen. Ihr Puls pochte in ihren Ohren.
„Gut. Morgen 17:00 Uhr. Lehrerzimmer.“
Kein Kontext. Kein Grund. Nur diese knappe Anweisung. Anna las die Nachricht mehrfach. Ihr Inneres war ein Wirrwarr aus Vorfreude und Nervosität. War es nur eine schulische Besprechung? Oder etwas anderes?
Sie hätte fragen können. Sie tat es nicht. Stattdessen legte sie das Handy beiseite und versuchte zu schlafen – was ihr nicht gelang.
Am nächsten Tag – 16:58 Uhr, stand Anna vor der Tür des Lehrerzimmers. Ihr Herz schlug ungleichmäßig. Ihre Hände waren feucht. Die Schulkorridore waren bereits leer, nur das entfernte Summen einer Putzmaschine drang aus dem Erdgeschoss nach oben.
Sie hob die Hand, um zu klopfen. Doch bevor ihre Finger das Holz berührten, öffnete sich die Tür lautlos.
Frau Haller stand vor ihr. Ein feines Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie einen Schritt zur Seite trat.
„Kommen Sie rein.“
Anna folgte ihr ins Lehrerzimmer. Der Raum war warm, fast gemütlich – Regale voller Bücher, ein großer Schreibtisch mit einer schlichten Lampe, ein bodentiefes Fenster, das den Blick auf die abendliche Stadt freigab. Die Tür schloss sich leise hinter ihr.
„Setzen Sie sich“, sagte Frau Haller, ohne sich zu ihr umzudrehen. Sie ging zum Fenster, verschränkte die Arme und sah hinaus.
Anna nahm auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch Platz. Ihr Blick fiel auf ein Buch. Der Umschlag zeigte eine erotische Abbildung einer Frau und den Titel: „Die Kunst der Verführung“
Ihr Magen zog sich zusammen. Sollte das eine bewusste Provokation sein?
„Ich wollte mit Ihnen über etwas sprechen“, begann Frau Haller schließlich und drehte sich langsam zu ihr um. Ihre grauen Augen musterten Anna mit einer Mischung aus Interesse und kühler Berechnung.
„Über was?“ Annas Stimme klang unsicherer, als sie es wollte.
Frau Haller kam näher. Sie setzte sich auf die Schreibtischkante, nur eine Armlänge von Anna entfernt.
„Über Konzentration“, sagte sie leise. Anna blinzelte verwirrt.
„Gestern“, fuhr Frau Haller fort, „waren Sie nicht ganz bei der Sache. Das ist mir aufgefallen.“
Anna öffnete den Mund, um sich zu verteidigen, doch Frau Haller hob eine Hand.
„Es ist nicht schlimm“, sagte sie sanft. „Aber es interessiert mich … was hat Sie so abgelenkt?“
Anna schluckte. Ihr Kopf fühlte sich heiß an. Sie konnte sich kaum konzentrieren, nicht hier, nicht so nah an dieser Frau, die eine selbstverständliche Kontrolle über alles hatte.
„Nichts“, log sie. Frau Haller lächelte schief. „Lügen Sie mich nicht an.“ Ihr Ton war nicht streng, aber durchdringend.
Anna senkte den Blick. Ihr Inneres tobte. Sollte sie die Wahrheit sagen? Dass sie die ganze Zeit nur an sie gedacht hatte? Dass sie nach ihrer Nachricht kaum schlafen konnte? Stattdessen schwieg sie.
Frau Haller beugte sich leicht vor. „Hören Sie, Anna“, sagte sie leise, „ich beobachte meine Schüler. Ich sehe, wenn jemand kämpft. Und ich sehe, wenn jemand sich verliert.“
Ihr Blick ruhte auf Anna, als würde sie jede Reaktion analysieren. Anna wagte es, sie anzusehen.
„Womit soll ich kämpfen?“, fragte sie, und ihre Stimme klang zu ruhig, fast trotzig. Frau Hallers Lächeln vertiefte sich.
„Mit sich selbst – und mit ihren Gefühlen“, antwortete sie sanft und hob langsam die Hand. Ihre Fingerspitzen strichen über eine lose Strähne von Annas Haar, streiften sacht über ihre Wange.
Anna hielt den Atem an. Die Berührung war federleicht, fast zufällig – aber genau das ließ ihren Puls steigen.
„Sie erröten“, stellte Frau Haller leise fest.
Anna konnte nichts erwidern. Ihre Haut prickelte an der Stelle, die Frau Haller berührt hatte. Ihre Fingerknöchel kribbelten.
Frau Haller ließ die Hand sinken, zog sich nur ein Stück zurück, gerade so, dass die Spannung in der Luft blieb.
„Interessant“, murmelte sie, als würde sie sich eine Notiz über eine wissenschaftliche Beobachtung machen. Anna fühlte, wie ihr Kopf schwindelig wurde. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, was sie tun sollte. Keine Provokation. Keine Einladung. Und doch …
Frau Haller stand langsam auf, ging um den Schreibtisch und ließ ihre Fingerspitzen über das Buch gleiten.
„Lesen Sie viel?“, fragte sie beiläufig.
„Ja“, antwortete Anna mechanisch.
Frau Haller drehte das Buch zu ihr, sodass sie den Titel noch einmal sehen konnte.
„Dann sollten Sie das hier vielleicht auch mal lesen.“
Anna stockte der Atem. War das ein Test? Ein Spiel? Sie wusste es nicht. Aber sie wusste, dass sie mittendrin war.
Die Nacht fühlte sich endlos an. Anna wälzte sich in ihrem Bett, unfähig, Schlaf zu finden. Ihre Gedanken kreisten unaufhörlich um die Momente im Lehrerzimmer. Die leise Stimme. Der prüfende Blick. Ihr Geruch. Das Buch. Und diese Berührung – federleicht, kaum spürbar, und dennoch hatte sie sich in ihre Haut gebrannt.
Als sie schließlich in einen unruhigen Schlaf fiel, verschmolzen Realität und Traum ineinander. Sie stand in einem Raum, den sie nicht kannte. Die Wände waren dunkel, weich beleuchtet, der Boden aus kühlem Holz. Vor ihr ein Schreibtisch aus dunklem Mahagoni, dessen Oberfläche glatt und makellos war. Und dahinter, im Schatten, saß sie – Ylva Haller.
Sie trug keine strenge Bluse mehr, keine hochgeschlossene Eleganz. Nur einen feinen, schwarzen Stoff mit tiefem Ausschnitt, der ihre Schultern enthüllte, ihr Haar war lose, fiel ihr in weichen Wellen über die Schultern.
„Anna.“ Ihr Name – gesprochen in dieser ruhigen, kontrollierten Stimme – ließ es ihr eiskalt den Rücken hinunterlaufen. Sie wollte etwas sagen, doch ihre Kehle war trocken.
Ylva stand auf, langsam, geschmeidig, fast wie eine Raubkatze, die eine Beute musterte. Ihr Blick war intensiv, unergründlich und tief.
„Sie sind gestern so süß errötet.“
Anna spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Ylva kam näher. Sie war nur noch eine Handbreit entfernt, ihre Finger schwebten über Annas Arm, berührten sie aber nicht – nicht wirklich. Nur ein Hauch, ein fast nicht wahrnehmbarer Luftzug.
„Warum zittern Sie?“
„Ich …“ Annas Stimme versagte. Ein sanftes Lächeln umspielte Ylvas Lippen. Dann war die Berührung da. Ein einzelner Finger, der über Annas Unterarm glitt. Langsam. Erbarmungslos sanft. Es brannte. Es zog. Es ließ Anna fast den Boden unter den Füßen verlieren.
Ylvas Mund kam näher. Ihre Lippen schwebten über Annas Haut, kaum merklich, ein Atemzug, der jede Faser in ihrem Körper erzittern ließ.
„Ich weiß, dass Sie das wollen“, hauchte sie. Anna schloss die Augen. Und genau in dem Moment – wachte sie auf. Schweißgebadet. Ihr Herz drohte, aus ihrer Brust zu springen, ihre Haut brannte förmlich. Ihre Beine waren ineinander verschlungen, als hätte ihr Körper im Schlaf nach etwas gesucht, das nicht da war.
Sie riss die Augen auf, starrte an die dunkle Decke. Ihr Atem war unregelmäßig, ihr Kopf heiß.
Es war nur ein Traum. Nur ein Traum. Aber er fühlte sich real an.
Anna konnte sich den ganzen Morgen nicht konzentrieren. Sie fühlte sich, als würde sie auf Watte laufen, als würde etwas Unsichtbares an ihr zerren. Der Traum ließ sie nicht los. Und vor allem nicht das Gefühl, das er in ihr hinterlassen hatte.
War es das, was sie wollte? War es wirklich Verlangen gewesen?
Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass ihr Körper auf eine Weise reagiert hatte, die sie nicht kannte.
Als sie Ylva in der ersten Unterrichtsstunde des Tages sah, konnte sie sich nicht zurückhalten. Sie begegnete ihrem Blick mit einer neuen Intensität. Ein stilles Einverständnis. Ein Wissen, das nur sie beide teilten.
„Guten Morgen, Frau Dr. Haller“, sagte sie leise, mit einer Wärme in der Stimme, die fast unbewusst kam. Ylva drehte sich zu ihr um. Aber anstatt dieses kleinen, geheimen Lächelns, anstatt des Spiels, das sie bisher geführt hatte, änderte sich Ylvas Miene. Ihre Augen wurden kühler. Distanzierter. Es war nur ein winziger Moment, aber es fühlte sich an, als hätte jemand die Tür zu einem warmen Raum zugeschlagen.
„Guten Morgen, Anna.“ Sachlich. Neutral. Als wäre nichts gewesen. Anna erstarrte.
Ylva wandte sich ab, konzentrierte sich auf den Unterricht, als wäre sie einfach nur ihre Lehrerin – keine Andeutungen, keinen Blick zu lange, kein Spiel mehr. Anna spürte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete.
Sie hatte mit etwas anderem gerechnet. Ein Spiel. Ein Tanz. Vielleicht ein schüchternes Echo ihres Traums. Stattdessen – Kälte.
Sie war abgeschnitten. Und es tat weh. Warum? Warum tat es so weh?
Die Minuten zogen sich endlos, und mit jeder Sekunde wurde ihr bewusster, dass Ylva sie absichtlich ignorierte. Es war keine Unachtsamkeit. Es war eine Entscheidung. Und Anna konnte es nicht ertragen. Ihr Kopf sagte ihr, dass es keine Bedeutung hatte. Dass sie sich das alles nur einbildete. Aber ihr Körper wusste es besser.