Der achtsame Weg zu erfüllten Beziehungen - Rick Hanson - E-Book

Der achtsame Weg zu erfüllten Beziehungen E-Book

Rick Hanson

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  • Herausgeber: Irisiana
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Zu wahrer Verbundenheit mit sich selbst und anderen finden

Beziehungen sind der wichtigste Aspekt im Leben eines jeden Menschen. Doch sie können auch oft anstrengend, enttäuschend oder schwierig sein. Die aktuelle Forschung zeigt, dass wir unsere Beziehungen mit Gedanken und Worten aufbauen. Das verleiht uns die Möglichkeit sie zu verbessern – solange wir wissen wie. New-York-Times Bestsellerautor Dr. Rick Hanson bietet uns in seinem neuen Buch auf seine warmherzige und anschauliche Art praktische Hilfsmittel, um glückliche, dauerhafte und erfüllte Beziehungen aller Art zu pflegen: zu Hause und in der Arbeit, mit der Familie und Freunden, ja, selbst mit herausfordernden Zeitgenossen. Die 50 wirkungsvollen Lektionen, basierend auf den neuesten Erkenntnissen aus der Neurowissenschaft und klinischen Psychologie, sind geprägt von der Praxis der Achtsamkeit.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 322

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RICK HANSON

Der achtsame Weg zu erfüllten Beziehungen

50 einfache Lektionen, um das liebevolle Miteinander zu fördern und Konflikte zu lösen

Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Ulrike Kretschmer

This edition published by arrangement with Harmony Books, an imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC.Die amerikanische Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel »Making Great Relationships«.Die Informationen in diesem Buch sind von Autor und Verlag sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung des Autors bzw. des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2023 by Rick Hanson

© 2023 der deutschsprachigen Ausgabe by Irisiana Verlag, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Projektleitung: Sven Beier

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

Umschlaggestaltung: Geviert, Grafik & Typografie unter Verwendung der Originalgestaltung von Kathleen Lynch/Black Kat Design

Umschlagmotiv: © shutterstock/captureandcompose

ISBN: 978-3-641-30569-7V001

Für meine Freunde und Kollegen, für alle, mit denen ich je zusammengearbeitet habe, für all jene, von denen ich gelernt habe, und für all diejenigen, die Mitgefühl empfinden

INHALT

Einführung

Teil 1 Freundlich zu sich selbst sein

1 Loyalität sich selbst gegenüber

2 Sein lassen, loslassen, hineinlassen

3 In stiller Kraft ruhen

4 Sich umsorgt fühlen

5 Selbstakzeptanz

6 Bedürfnisse respektieren

7 Mitgefühl mit sich selbst

8 Sie sind ein guter Mensch

9 Sich selbst vertrauen

10 Sich selbst beschenken

11 Sich selbst vergeben

Teil 2 Herzenswärme gegenüber anderen

12 Den Wolf der Liebe füttern

13 Den Menschen als Menschen sehen

14 Mitgefühl für andere

15 Das Gute in anderen sehen

16 Gute Absichten anerkennen

17 Freundlich sein

18 Niemanden aus dem eigenen Herzen verbannen

19 Auf die Liebe vertrauen

Teil 3 Friedliches Miteinander

20 Die Dinge weniger persönlich nehmen

21 Den Krieg im Kopf hinter sich lassen

22 Andere akzeptieren

23 Entspannen Sie sich – Sie werden jetzt kritisiert

24 Vor der eigenen Tür kehren

Teil 4 Für sich selbst eintreten

25 Unnötige Ängste loslassen

26 Den eigenen Standpunkt finden

27 Sich Wut zunutze machen, statt sich von ihr beherrschen zu lassen

28 Die Wahrheit sagen und fair sein

29 Sich nicht tyrannisieren lassen

Teil 5 Klug sprechen

30 Auf seine Worte achten

31 Wahrheitsgetreu sprechen

32 Aus dem Herzen sprechen

33 Fragen stellen

34 Wertschätzung zum Ausdruck bringen

35 In milderem Ton

36 Kein Spielverderber sein

37 Geben, was der andere will

38 Den eigenen Anteil sehen

39 Einen Fehler zugeben – und weitermachen

40 Das »Verfahren« einstellen

41 Unrecht nicht mit Unrecht vergelten

42 Über das Reden reden

43 Sagen, was man will

44 Zu einer Übereinkunft gelangen

45 Beziehungen anpassen

46 Vergeben

Teil 6 Die Welt lieben

47 Lieben, was wirklich ist

48 Mut fassen

49 Wählen

50 Die Erde hegen

Danksagung

Über den Autor

Einführung

Die meisten unserer Freuden und Sorgen entspringen unseren Verbindungen zu anderen Menschen. So ziemlich jeder träumt von stimmigen, erfüllenden zwischenmenschlichen Beziehungen. Doch wie diese Wirklichkeit werden lassen, zu Hause und bei der Arbeit, mit Freunden, Verwandten, Menschen, die wir mögen – und vielleicht auch einigen, die wir nicht mögen? Wie mit Konflikten umgehen, Missverständnisse ausräumen, die Beziehung zum Partner oder zur Partnerin vertiefen, friedlich mit anderen zusammenleben und die Liebe schenken, die wir im Herzen tragen?

Viele Menschen haben das Gefühl, in ihren Beziehungen festzustecken, ja sogar gefangen zu sein. In einer Beziehung zu einem schwierigen Kollegen vielleicht, zu einer nervigen Mitbewohnerin, einem Partner, der sich weigert, seinen Teil zur Hausarbeit beizutragen, einer entfremdeten Verwandten, einem übermäßig kritischen Chef oder einer Ehefrau, mit der man sich auseinandergelebt hat. Hoffnungslose Fälle, so scheint es.

Doch hier die gute Nachricht: Tausende wissenschaftliche Studien zeigen, dass Beziehungen nichts Vorgegebenes sind – sie werden gemacht. Was uns wiederum die Chance gibt, sie auch besser machen zu können. Und die folgende Geschichte verrät uns, wie:

Als man eine ältere Frau fragte, was sie in ihrem Leben getan hatte, um jetzt so glücklich und weise, so geliebt und respektiert zu sein, antwortete sie: »Ich wusste, dass in meinem Herzen zwei Wölfe hausen: der Wolf der Liebe und der Wolf des Hasses. Und ich wusste, dass es darauf ankommt, welchen von beiden ich jeden Tag füttere.«

Vielleicht kennen Sie die Geschichte in einer anderen, aber ähnlichen Version bereits. Sie schenkt so viel Hoffnung! Mit Ihren Gedanken und Worten können Sie Tag für Tag ganz allmählich ein Gefühl des Selbstwerts, des Mitgefühls und der Zuversicht in Ihrem Inneren aufbauen und dabei gleichzeitig zu einem gelasseneren, geduldigeren und zielführenderen Umgang mit anderen finden.

Als Psychologe, Ehemann und Vater – und jemand, der als Kind schüchtern und unbeholfen war und als Erwachsener so seine Probleme mit der einen oder anderen Beziehung hatte – habe ich gelernt, was dazu führt, dass es in Beziehungen nicht gut läuft, und was man tun kann, damit es besser läuft. In diesem Buch finden Sie 50 einfache und doch ausgesprochen wirkungsvolle Wege zu einer effektiven Kommunikation in jeder Art von Umgebung; Sie erfahren, wie Sie für sich selbst eintreten, Ihren tiefsten Gefühlen Ausdruck verleihen, sich aus einem Streit, in dem es keinen Sieger geben kann, heraushalten, sagen, was Sie wollen, und das auch bekommen, Beziehungen den Umständen anpassen, anderen und sich selbst vergeben, Dinge weniger persönlich nehmen und sich wirklich geliebt fühlen können sowie vieles mehr. Dieses Buch ist das Destillat jahrelanger Erfahrung und enthält alles, was ich denjenigen mit auf den Weg geben möchte, die wissen wollen, wie man zu guten, ja sogar großartigen zwischenmenschlichen Beziehungen gelangt.

Es dauert normalerweise, bis man die Welt um sich herum verändert hat – da geht es schon viel schneller, etwas in seinem Inneren zu verändern. Sie können die in Ihrer Macht liegenden Schritte unternehmen, um alte Wunden zu heilen, in Ihren Beziehungen Unterstützung und Zufriedenheit zu finden und diese Beziehungen sogar besser zu machen. Die in diesem Buch beschriebenen Schritte sind die Grundlagen einer jeden Beziehung, die sich in jedem Umfeld anwenden lassen. Ich habe mich auf ihren jeweiligen Kern konzentriert, in kurzen Kapiteln, die schnell große Bereiche abdecken. Dabei bin ich mit meinen Lektionen aus dem echten Leben, die ich meiner jahrzehntelangen psychotherapeutischen Arbeit mit Paaren und Familien verdanke, manchmal recht unverblümt und direkt. Da ich von meinem Standpunkt aus schreibe – vom Standpunkt eines weißen, beruflich mit den Themen befassten, älteren Mannes –, werden wichtige andere Blickwinkel und Aspekte unweigerlich fehlen. Bitte passen Sie das, was ich sage, an Ihre eigenen Bedürfnisse und Situationen an.

In Teil 1 und 2 bilden wir das entscheidende Fundament, um Sie sich selbst zu unterstützen und anderen mit Herzenswärme begegnen zu können. In Teil 3 und 4 legen wir den Grundstein für einen positiven Umgang mit Konflikten und schwierigen Mitmenschen. In Teil 5 widmen wir uns im Detail der effektiven Kommunikation sowie der Frage, was zu tun ist, wenn es einmal heftiger zur Sache geht. Und in Teil 6 dehnen wir unsere Beziehungen auf die Gemeinschaft, alles Lebendige und unsere wunderschöne Welt im Ganzen aus.

Dabei steht jedes Kapitel als abgeschlossene Übung für sich. Zwar bauen die Kapitel aufeinander auf, doch ist es auch völlig in Ordnung, wenn Sie sich jeweils das aussuchen, was für Sie im Augenblick am nützlichsten ist. Hin und wieder erwähne ich wissenschaftliche Erkenntnisse, die entsprechende Literatur dazu finden Sie in meinen Büchern »Denken wie ein Buddha« und »Achtsam wie ein Buddha« sowie online. Stoßen Sie auf etwas, über das ich andernorts schon gesprochen habe, können Sie es hier entweder ein wenig vertiefen oder überspringen. Im begrenzten Umfang dieses Buchs musste ich wichtige Themen wie Finanzen, Sex, Kindererziehung, Cyber-Mobbing, Mobbing am Arbeitsplatz und die Beeinträchtigung unserer Beziehungen durch Sexismus, Rassismus sowie andere Arten von Vorurteilen auslassen. Ich bemühe mich stets um eine geschlechtergerechte Sprache; benutze ich doch einmal nur die maskuline Form, geschieht dies rein aus Gründen der besseren Lesbarkeit des Textes.

Jeder einzelne Tag hält Gelegenheiten für uns bereit zu lernen, zu heilen und zu wachsen. Wir versuchen es einfach immer weiter. Manche Kapitel kommen Ihnen vielleicht etwas ambitioniert oder anspruchsvoll vor, etwa Kapitel 43 (»Sagen, was man will«) oder Kapitel 24 (»Vor der eigenen Tür kehren«). Es geht darum, dass Sie sich in eine positive Richtung entwickeln, dabei aber nicht das Gefühl haben, perfekt sein zu müssen.

Auf den folgenden Seiten finden Sie ganz spezifische Dinge, die Sie entweder für sich im Geist oder im Umgang mit Ihren Mitmenschen ausführen können. Der Einfachheit halber habe ich die meisten dieser Dinge als Anweisung formuliert – der Sie natürlich nicht folgen müssen. Funktioniert etwas für Sie nicht, können Sie es getrost weglassen. Manche Dinge werden Ihnen einfach und offensichtlich vorkommen, andere erfordern etwas mehr Mühe und eine längere Beschäftigung. Wie gesagt: Tun Sie, was Ihnen guttut, und ignorieren Sie den Rest.

Sie können dieses Buch allein lesen oder mit jemandem zusammen, um dann gemeinsam an Ihrer Beziehung zu arbeiten. Dennoch kann das Buch weder den Therapeuten noch eine andere professionelle Behandlung physischer oder psychischer Probleme ersetzen. Ich habe versucht, so zu schreiben, als würde ich mit einem Freund über eine Beziehung und die darin auftretenden Probleme sprechen und ihm sofort umsetzbare Lösungsvorschläge anbieten. Ich hoffe sehr, dass Sie ebenso wie die Menschen um Sie herum von diesen Vorschlägen profitieren.

1Loyalität sich selbst gegenüber

Vor einigen Jahren machten mein Freund Norman und ich eine Klettertour am Fairway Dome im Yosemite-Nationalpark. Ich war gerade als Erster ein steiles Stück Fels hinaufgeklettert und hatte Fixpunkte an einem schmalen Felsband angebracht, um Norman bei seinem Aufstieg zu sichern. Plötzlich rutschte er von einem Tritt ab und fiel mit weit ausgestreckten Armen und einem schockierten Ausdruck auf dem Gesicht nach hinten. Sein Gewicht riss mich nach unten, doch die Fixpunkte hielten, und so konnte ich Normans Sturz abbremsen. Er sah mit einem verwirrten Grinsen zu mir hinauf, rammte die Hände in eine Felsspalte und kletterte weiter.

Er wusste, dass ich seinen Sturz auffangen würde, ebenso wie ich wusste, dass er dasselbe für mich tun würde. Wir waren einander gegenüber loyal, wenn auch normalerweise auf eine weniger dramatische Art und Weise. Wir hielten Ausschau nach Gefahren, hörten einander interessiert zu, freuten uns über die Erfolge des anderen und fühlten bei Verlusten mit. Norman passte auf mich auf, und ich passte auf Norman auf.

Die meisten sind bestimmten anderen Menschen gegenüber loyal. Doch wie viele sind sich selbst gegenüber loyal? Wie oft bringen Sie sich selbst dieselbe Art von Ermutigung, Unterstützung und Respekt entgegen, die Sie anderen entgegenbringen?

Meiner Erfahrung nach haben sehr viele Menschen Schwierigkeiten, sich selbst gegenüber loyal zu sein, zumindest in manchen Bereichen. Sie können sich vielleicht bei der Arbeit für sich selbst starkmachen, haben aber in ihren privaten Beziehungen das Gefühl, nicht das Recht zu haben, zu sich selbst zu stehen. Als Therapeuten sind mir häufig Menschen begegnet, die aus verständlichen Gründen unglücklich waren, etwa aufgrund ihrer Lebensgeschichte oder ihrer derzeitigen Beziehungen. Trotzdem spielten sie herunter, wie sie sich fühlten, oder sie taten es als unwichtig ab, als sei ihnen das Gefühl peinlich oder als seien sie selbst daran schuld. Sie zuckten angesichts des eigenen Schmerzes gewissermaßen nur mit den Schultern. Sie erzählten mir, was sie dachten, dagegen tun zu müssen, machten aber keinerlei Anstalten, es auch tatsächlich umzusetzen. Um uns trotz Trägheit und Angst vorwärtszubewegen, müssen wir unserem eigenen Wohlergehen gegenüber absolut loyal sein.

Loyalität sich selbst gegenüber ist wie Loyalität einem anderen gegenüber. Man sieht das Gute in diesem Menschen, ist ein treuer Verbündeter, der mitfühlt und unterstützt. Wenden wir diese Haltung auf uns selbst an, bildet sie die Grundlage jeder guten Tat, die wir für uns selbst tun. Das ist wie bei einer Zündflamme: Brennt sie nicht, ist es egal, wie viel »Gas« – sprich die Dinge, die Ihre Beziehungen besser machen können und denen wir uns in diesem Buch widmen wollen – strömt. Wenn sie aber brennt, ist alles möglich. Wenn Sie sich selbst gegenüber loyal sind, ist Ihnen, wie die Dichterin Mary Oliver es ausdrückte, Ihr eines wildes und kostbares Leben wichtig.

Loyalität sich selbst gegenüber bedeutet alles andere, als egoistisch zu sein. Wenn Sie erkennen, was wirklich am besten für Sie ist, dann wissen Sie, dass Sie geben müssen, um zu nehmen, dass Sie andere ebenso sehr um Ihretwillen in Ihrem Herzen tragen müssen wie um derentwillen. Kluge Loyalität ist scharfsichtig, nicht blind. Um sich selbst zu helfen, müssen Sie verstehen, was Sie nächstes Mal besser machen könnten. (Ganz im Geiste von Suzuki Roshis Kommentar gegenüber einer Gruppe von Zen-Schülerinnen und -Schülern: »Ihr seid vollkommen, so, wie ihr seid … und könntet hier und da kleine Verbesserungen vertragen.«) Kluge Loyalität gegenüber sich selbst sieht das große Ganze und schaut voraus – indem sie sich beispielsweise nicht in einen Streit verwickeln lässt, in dem es keinen Sieger geben kann.

Es ist ein wunderbares Gefühl, wenn andere Menschen uns gegenüber loyal sind – und genauso fühlt es sich an, wenn wir uns selbst gegenüber loyal sind. Stellen Sie sich vor, was sich in Ihren Beziehungen alles zum Besseren ändern könnte, wenn Sie sich stets für Ihre ureigensten, wahren Interessen einsetzten, wenn Sie sich in Konflikten selbst emotional unterstützten, wenn Sie jeden einzelnen Tag den Wert Ihres eigenen Lebens ganz deutlich spürten.

Der Weg dorthin

Ein guter Ausgangspunkt ist es, sich zu vergegenwärtigen, wie es sich anfühlt, einem Menschen gegenüber loyal zu sein, der Ihnen am Herzen liegt. Was empfinden Sie? Vielleicht warmherzige Unterstützung und unverbrüchliche Beständigkeit, während Ihnen gleichzeitig das innere Wesen dieses Menschen mit all seiner Verletzlichkeit und Kostbarkeit bewusst ist. Wie fühlt es sich an, jemandem gegenüber loyal zu sein?

Wenden Sie diese Haltung nun auf sich selbst an. Vielleicht stellen Sie sich vor, dass der Mensch, an den Sie eben gedacht haben, und Sie selbst vor sich sitzen; sagen Sie dann erst zu diesem Menschen und dann zu sich selbst: Ich bin dir gegenüber loyal … Ich setze mich für dich ein … Ich denke darüber nach, was am besten für dich ist … Dein Leben ist wirklich wichtig … Wie fühlt es sich an, diese Dinge zu sagen? Fällt es Ihnen leichter, bestimmte Dinge zu dem anderen Menschen zu sagen statt zu sich selbst?

Sprechen Sie nun das Folgende laut aus und achten Sie dabei darauf, wie sich das für Sie anfühlt: Ich bin nicht gegen andere, ich bin nur für mich selbst … Meine Bedürfnisse und Wünsche sind wichtig … Ich bin entschlossen, das zu tun, was gut für mich ist, auch wenn ich Angst davor habe … Vielleicht spezifizieren Sie die Aussagen noch, etwa so: Ich setze mich bei der Arbeit für mich ein … In dieser Familie sind meine Bedürfnisse und Wünsche wichtig … Ich werde mit meiner Freundin über diesen Streit sprechen, auch wenn ich Angst davor habe … Achten Sie auf Ihre Intuition, welche emotional bewegenden und wichtigen Dinge auftauchen wollen.

Mit Blockaden umgehen

Bei dieser Übung erkunden Sie einige Tiefen Ihres Geistes. Nehmen Sie wahr, was Sie dort finden. Sind sie zögerlich? Haben Sie das Gefühl, sich nicht auf Ihre eigene Seite stellen zu dürfen oder diese Art von Unterstützung nicht verdient zu haben? Die Loyalität sich selbst gegenüber ist oft blockiert, vor allem durch folgende Faktoren:

Die Überzeugung, die Loyalität sich selbst gegenüber sei irgendwie »gegen die Spielregeln«, egoistisch, ungerecht oder schlicht falschScham, das Gefühl, Freundlichkeit und Unterstützung – auch von sich selbst – nicht verdient zu habenDas Gefühl der Sinnlosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit: »Warum sich die Mühe machen, es funktioniert ja doch nicht«Geringschätzung, Gleichgültigkeit, sogar Grausamkeit gegenüber Teilen des eigenen Selbst

Auf den kommenden Seiten werden wir uns viele Möglichkeiten ansehen, derlei Hindernisse zu überwinden. Es ist schon sehr hilfreich, sich ihrer nur bewusst zu sein. Sie können ihnen Neugier entgegenbringen, ohne sich mit ihnen zu identifizieren. Sie können herausfinden, woher die Blockaden kommen, beispielsweise von Ihrer Erziehung oder davon, wie andere Sie behandelt haben. Weil wir so soziale Wesen sind, machen wir uns Dinge von Natur aus zu eigen und behandeln uns selbst, wie andere uns behandelt haben, insbesondere in der Kindheit.

Sie können die Überzeugungen hinter den Blockaden infrage stellen, etwa folgendermaßen: Stimmt das wirklich? Wie oft geschieht das tatsächlich? Wenn ich es richtig finde, anderen gegenüber loyal zu sein, und andere es richtig finden, mir gegenüber loyal zu sein, warum wäre es dann falsch, mir selbst gegenüber loyal zu sein? Sie können sich selbst die Wahrheit sagen, beispielsweise: Gegen den Tyrannen in der Schule konnte ich nichts ausrichten, aber heute bin ich nicht mehr hilflos und kann für mich selbst eintreten … Dafür, was mein Onkel getan hat, sollte er sich schämen, nicht ich; ich bin nicht gebrochen, beschmutzt oder nicht liebenswert.

Sie können sich von einer Blockade distanzieren, Sie können aufhören, ihr zuzustimmen und sie zu verstärken, Sie können sie verblassen lassen, Sie können sie loslassen. Stellen Sie sich vor, dass die Blockade weit weg von Ihrem Wesenskern existiert. Sagen Sie ihr, dass sie keine Macht mehr über Sie hat, verabschieden Sie sich von ihr.

Die Loyalität sich selbst gegenüber stärken

Erinnern Sie sich an die Zeiten, in denen Sie um Ihrer selbst willen stark waren, vielleicht als Sie eine schreckliche Situation oder Beziehung durchgestanden haben. Versuchen Sie, dieses Gefühl der Stärke wieder in sich heraufzubeschwören, um es in Ihrem Inneren zu verankern. Erinnern Sie sich an Ihren Blick damals, an den Ausdruck auf Ihrem Gesicht? Würdigen Sie die Gelegenheiten, zu denen Sie sich selbst gegenüber loyal waren, und machen Sie sich den Nutzen, den Sie daraus gezogen haben, bewusst, beispielsweise dass Ihnen diese Loyalität sich selbst gegenüber dabei geholfen hat, Ihrer Mutter oder Ihrem Vater etwas Wichtiges zu sagen.

Rufen Sie jetzt das Gefühl in Ihnen wach, sich selbst gegenüber loyal zu sein. Erkunden Sie es, wenn Sie es erleben, auch wie es sich in Ihrem Körper anfühlt. Nehmen Sie wahr, was bedeutungsvoll oder wichtig für Sie ist, wenn Sie sich auf Ihre Seite stellen. Genießen Sie es! Öffnen Sie sich dem Gefühl, einfach Sie selbst zu sein, und lassen Sie es Ihr ganzes Wesen durchdringen.

Sie können sich auch schwören, sich selbst nie im Stich zu lassen. Sich selbst immer treu zu bleiben. Sie stellen sich nicht über die anderen, Sie stellen sich aber auch nicht unter sie. Bei jedem einzelnen Schritt auf der langen Straße des Lebens können Sie sich selbst respektieren, sich selbst beistehen und für sich selbst eintreten.

2Sein lassen, loslassen, hineinlassen

Stress ist normal. Verärgert, verletzt oder besorgt zu sein ist normal. Die Kindheit wirft einen langen Schatten, es ist absolut normal, dass Verluste und Wunden aus der Vergangenheit uns auch heute noch beeinflussen. Das Leben ist eine holprige Fahrt, und die Welt kann uns manchmal ganz schön Angst machen. Unsere Mitmenschen können uns enttäuschen, sie können sich uns gegenüber gleichgültig, feindselig oder noch schlimmer verhalten.

Und verständlicherweise reagieren wir auf all das. Geformt und verstärkt werden diese Reaktionen durch den Negativitätsbias des Gehirns, auch Negativitätseffekt oder Negativitätsdominanz genannt: Auf schlechte Erfahrungen wirkt das Gehirn wie ein Klettband, auf gute wie Teflon.

Was also tun?

Eine Option besteht darin, nichts zu tun und sich einfach triggern oder überrollen zu lassen oder zu Eis zu erstarren. Das habe auch ich zugelassen – oft. Ich war schon so wütend auf jemanden, dass ich mit schrecklichen Worten nur so um mich geworfen habe, und so verletzt, dass ich mich wie gelähmt fühlte. Abgesehen von diesen heftigen Augenblicken können wir auch noch sehr viel Zeit damit verbringen, uns Sorgen zu machen, alte Wortwechsel wieder aufzuwärmen oder Groll wiederzukäuen. Und in der Zwischenzeit kann unsere Stimmung generell ängstlich, gereizt oder trübsinnig werden. Wir haben das Gefühl, im Gedankenkarussell festzustecken.

Die andere Option besteht darin, mit unseren Gedanken, Gefühlen, Wünschen und Taten zu üben. Dazu müssen wir uns von ihnen distanzieren, statt uns von ihnen überwältigen zu lassen; nur so können wir sie Zentimeter für Zentimeter in eine bessere Richtung stupsen.

Ich bin in einem liebevollen und integren Elternhaus aufgewachsen, war zu der Zeit, als ich mich an die Uni aufmachte, aber trotzdem unglücklich und verstört. Da half nur eins: an mir arbeiten – üben! Im Laufe der Jahre fand ich Hilfe in der klinischen Psychologie, in kontemplativen Weisheitslehren und in der Neurowissenschaft. So ziemlich alles, was ich über das Üben mit dem Geist gelernt habe, passt in die folgenden drei Kategorien: im gegenwärtigen Erleben präsent sein, Schädliches und Schmerzhaftes minimieren und Hilfreiches sowie Freudvolles maximieren. Stellen Sie sich Ihren Geist als Garten vor: Sie können ihn sich ansehen, Sie können Unkraut zupfen und Sie können etwas anpflanzen. Mit anderen Worten: sein lassen, loslassen, hineinlassen.

Ohne den Geist zu trainieren, sind wir den emotionalen Stürmen in unserem Inneren hilflos ausgeliefert. Üben wir jedoch, haben wir eine Wahl, und der Pfad des Heilens und Glücklichwerdens tut sich vor uns auf.

Der Weg dorthin

Sein lassen

Zunächst einmal können Sie ganz bei Ihrem Erleben sein, Sie können sich ihm öffnen und es beobachten und mit Güte annehmen, was immer Sie finden. Als ob Sie sich im Kino Ihres Geistes den Film aus der 20. Reihe ansehen würden, statt ganz vorn vor der Leinwand zu sitzen. Und während Sie bei Ihrem Erleben sind, könnte sich dieses verändern – das Gefühl des Ärgers beispielsweise könnte verblassen. Aber Sie versuchen nicht, es direkt zu beeinflussen.

Nehmen wir einmal an, jemand hätte Sie kritisiert. Identifizieren Sie nun Ihre verschiedenen Reaktionen, vielleicht indem Sie sie schlicht aufzählen: erschrocken … verärgert … Das ist ungerecht! … verletzt … möchte am liebsten zurückblaffen. Studien zeigen, dass allein das Benennen des »Treibguts« im Bewusstseinsstrom dabei hilft, die »Alarmglocke« im Gehirn, die Amygdala, zu beruhigen.

Vielleicht nehmen Sie verschiedene Aspekte Ihres Erlebens wahr, etwa einen Krampf im Magen oder Argumente, warum Sie recht haben und derjenige, der Sie kritisiert hat, nicht. Unter den oberflächlicheren Reaktionen wie Wut könnten sich leisere Gefühle wie Traurigkeit befinden, die aus tieferen, in der Kindheit verletzten Schichten Ihres Innersten stammen könnten. Vielleicht erkennen Sie, dass Sie von vergangenen, möglicherweise sogar traumatischen Ereignissen oder gegenwärtigen Faktoren wie finanziellen Sorgen oder anhaltenden Vorurteilen beeinflusst werden.

Auf der Fähigkeit, mit dem Erleben sein zu können, bauen alle anderen Übungen auf. Manchmal ist das alles, was wir tun können: Vielleicht haben Sie einen Schock erlitten, oder jedes Mal, wenn Sie an einen geliebten Menschen denken, den Sie verloren haben, spült eine Welle des Schmerzes und der Trauer über Sie hinweg. Während Sie heilen und wachsen, ruhen Sie zunehmend mehr in dem Gefühl des grundlegenden Wohlbefindens, wenn diese Erfahrungen durch Ihr Bewusstsein ziehen.

Das ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit zu üben. Manchmal müssen wir auch mit dem Erleben arbeiten. Schmerzhafte oder schädliche Gedanken, Gefühle, Gewohnheiten und Sehnsüchte gründen in neuralen Strukturen und Prozessen, die sich im Allgemeinen nicht verändern, wenn wir uns nicht aktiv darum bemühen. Dabei wird alles, was Sie gern in sich kultivieren möchten – von sozialen Kompetenzen bis zu dem generellen Gefühl des Selbstwerts, der Ruhe und der Zufriedenheit –, durch die bewusste Anstrengung, bestimmte physische Veränderungen im Gehirn herbeizuführen, verstärkt.

Ebenso wie ein Vogel zwei Flügel zum Fliegen braucht, braucht auch das Üben mit dem Geist sowohl das Mit-dem-Geist-Sein als auch das Mit-dem-Geist-Arbeiten.

Loslassen

Nehmen wir an, Sie sind nun schon ein paar Atemzüge, ein paar Minuten oder sogar ein paar Tage bei Ihrem Erleben und jetzt bereit, damit zu arbeiten. Vielleicht werden Sie von altem Schmerz überflutet und wollen sich davon lösen, zumindest für den Augenblick; oder eine nur allzu vertraute Reaktion wurde ausgelöst, und es bringt Ihnen nichts mehr, sie weiter zu erkunden.

Deshalb wechseln Sie nun zum Loslassen. Das heißt nicht, dass Sie Ihre Gedanken und Gefühlen verdrängen, Sie geben Sie nur sanft frei.

Bleiben wir bei dem Beispiel, dass Sie von jemandem kritisiert wurden. Dann könnten Sie:

Ganz bewusst den Krampf in Ihrem Magen lösen, indem Sie in Ihren Bauch atmen und ihn weich und locker machen.Einige Ihrer Gedanken anfechten, etwa mit den folgenden Fragen: Was an der Kritik ist schlicht nicht wahr, weshalb ich mir darüber auch keine weiteren Gedanken machen muss? … Ist etwas an der Kritik wahr, und kann ich diese Erkenntnis für mich nutzen? … Den Gedanken, die behaupten, ich sei dumm, ein Versager oder nicht liebenswert, möchte ich sagen: »Stimmt nicht! Ich bin in verschiedenster Hinsicht durchaus klug und erfolgreich und ich bin auf jeden Fall liebenswert!«Sich gewahr werden, wie Ihre Gefühle nach außen und wegfließen. Versuchen Sie, diesen Gefühlen angemessen Luft zu machen (also mit der Absicht des Loslassens, nicht des Noch-mehr-in-Rage-Geratens), indem Sie beispielsweise einen Brief schreiben, den Sie nicht abschicken, oder indem Sie einfach für eine Weile Ihre Tränen fließen lassen. Stellen Sie sich vor, wie bestimmte Emotionen – das Verletztsein etwa oder die Wut – mit jedem Ausatmen mehr aus Ihrem Körper weichen.Sich die Wünsche oder Pläne bewusst machen, die wahrscheinlich nicht gut für Sie oder andere sind, etwa eine Überreaktion, die Sie später bereuen werden. Benennen Sie auch die Gründe, warum sie nicht gut sind.Sich von der übermäßigen Beschäftigung mit der Vergangenheit lösen und sich auf die Gegenwart konzentrieren. Stellen Sie sich vor, Sie hielten Ihre Reaktionen wie Steine in der Hand, die Sie dann öffnen, um die Steine loszulassen.

Sie müssen natürlich nicht all diese Übungen ausführen! Vielleicht hilft Ihnen nur eine, und Sie finden Ihren eigenen Weg, loszulassen und zu einem leichteren, klareren Geist zu gelangen.

Hineinlassen

Nun konzentrieren Sie sich auf das Nützliche und Freudvolle und verstärken dieses. Im Garten Ihres Geistes pflanzen Sie dort, wo vorher Unkraut war, jetzt schöne Blumen.

Wenn Sie beispielsweise kritisiert wurden, könnten Sie:

Sich aufrichten, wenn Sie sich etwas zusammengekrümmt haben, um sich zu schützen.Zwei oder drei aufmunternde Sätze zu sich selbst sagen, etwa: Jeder macht mal Fehler, das ist nicht das Ende der Welt … Ich mache jeden Tag vieles richtig … Ich wollte doch nur helfen … Wiederholen Sie diese Sätze und unterstützen Sie sich dabei, auch an sie zu glauben.Sanft positive Gefühle einladen, vor allem solche, die dem entgegenwirken, wie Sie sich momentan fühlen. Da wir uns durch Kritik häufig herabgesetzt und abgewiesen wahrnehmen, könnten Sie sich jetzt daran erinnern, wie es sich anfühlt, mit Menschen zusammen zu sein, von denen Sie wertgeschätzt werden.Sich positive Absichten und Pläne für die kommenden Tage bewusst machen. Vielleicht können Sie aus der Kritik etwas lernen, und sei es nur, sich von Menschen zu distanzieren, die Sie nicht gut behandeln.

Während Sie das tun, bleiben Sie einen Atemzug oder länger dabei; spüren Sie nach, wie es sich in Ihrem Körper anfühlt, und machen Sie sich bewusst, was Sie dabei als freudvoll oder bedeutsam empfinden. Dadurch wird das Erlebte anhaltende Spuren in Ihrem Gehirn hinterlassen. Ohne diese Veränderungen in Ihrem Nervensystem mag sich das Erlebte im Augenblick vielleicht gut anfühlen, Sie können aber nicht aus ihm lernen. Es findet keine Heilung statt, Sie sind hinterher nicht kompetenter, resilienter oder zufriedener. Doch neben dem Erleben können Sie am Erlebten auch wachsen.

Und wenn Sie wissen, dass es Ihnen helfen würde, bestimmte innere Ressourcen zu entwickeln, etwa mehr Selbstvertrauen im Umgang mit anderen Menschen, können Sie auch diese Ressource in sich hineinlassen, sie zu einem Teil von sich werden lassen. (Mehr zu dieser Form der praktischen Neurowissenschaft finden Sie in meinem Buch »Denken wie ein Buddha« in dem Kapitel »Gutes anbauen«.)

Im Garten des Geistes

Empfinden wir etwas als belastend oder schmerzhaft, findet oft eine natürliche Abfolge von sein lassen über loslassen bis hineinlassen statt. Ist die Empfindung jedoch besonders erschütternd, wie beim Rühren an einem alten Trauma etwa, kann es helfen, sich zuerst auf die Kraft aus der Ruhe oder das Gefühl des Geliebtwerdens zu konzentrieren; damit können Sie dann bei der Erfahrung bleiben, wenn sich das richtig für Sie anfühlt. Sie könnten sich beispielsweise vorstellen, jemand, der Ihnen wichtig ist, sei bei Ihnen, während Sie sich Ihrem Schmerz stellen, und dieser Jemand fühlte mit Ihnen mit, unterstützte Sie und ermutigte Sie.

Beim Üben mit dem Geist erfahren Sie viel Interessantes und Nützliches über sich selbst. Sie werden im Umgang mit anderen gelassener und effektiver sein, können in Konflikten mehr in Ihrer Mitte bleiben und erholen sich schneller von Ärgernissen. Es fällt Ihnen leichter, Ihr Herz offen zu halten, auch dann, wenn Sie für sich selbst eintreten müssen. Dinge aus der Vergangenheit werden keinen so großen Einfluss mehr auf Sie ausüben. Sie werden besser gegen die unvermeidlichen Belastungen und Ungerechtigkeiten unserer nur allzu unvollkommenen Welt gewappnet sein. Da Sie wissen, wie man Verantwortung für den eigenen Geist übernimmt und mit ihm übt, können Sie, wenn es angemessen ist, andere mit mehr Recht um dasselbe bitten.

Normalerweise gehen wir beim Üben langsam und in kleinen Schritten vor, weshalb es auch unter sehr schwierigen Umständen absolut praktikabel ist. Tatsächlich ist das Üben umso wertvoller, je härter die Zeiten werden. Selbst wenn die äußeren Umstände schlimm sind, können Sie in Ihrem Inneren immer noch jeden Tag ein wenig mehr heilen und wachsen. Atemzug für Atemzug, Synapse für Synapse können Sie ganz allmählich ein resilientes Wohlbefinden entwickeln, das in Ihr Nervensystem einprogrammiert ist.

3In stiller Kraft ruhen

Wenn ich auf 40 Jahre Ehe, das Großziehen zweier Kinder und alle möglichen Arten von Beziehungen zu Freunden, der Familie, Kollegen und anderen zurückblicke, wird mir klar, dass es zu den meisten meiner schmerzhaften Erfahrungen und den meisten meiner zwischenmenschlichen Fehler in Situationen kam, in denen ich gestresst und verunsichert war.

Wie ist das bei Ihnen? Können Sie dasselbe auch von sich sagen?

Wir sind gestresst und verunsichert, wenn wir das Gefühl haben, dass ein wichtiges Bedürfnis unerfüllt bleibt. Aufgrund unserer biologischen Gegebenheiten hat jeder Mensch, grob gesprochen, das fundamentale Bedürfnis nach Sicherheit, Zufriedenheit und Verbundenheit. Haben wir das Gefühl, dieses Bedürfnis würde befriedigt, kommt der Körper von ganz allein zur Ruhe und bringt wichtige Reparatur- und Regenerationsprozesse in Gang. Das geht meist mit einem eher unterschwellig bewussten Gefühl der Ruhe, Dankbarkeit und Güte in unserem Geist einher. Diesen überaus gesunden Ruhezustand nenne ich den Grünen Bereich. Sind wir darin verankert, können wir bei körperlichem oder emotionalem Schmerz sein, ohne von ihm überwältigt zu werden. Wir können uns Beziehungsproblemen von einem Standpunkt des Selbstvertrauens und des Mitgefühls aus widmen – auch wenn wir uns behaupten müssen.

Haben wir hingegen das Gefühl, ein wichtiges Bedürfnis würde nicht befriedigt, verfällt der Körper in die Stressreaktion von Kampf, Flucht oder Totstellen. Das wiederum geht je nach besagtem Bedürfnis ebenfalls mit geistigen Vorgängen einher.

Wir empfinden Angst, Wut oder Hilflosigkeit (wenn wir uns körperlich oder emotional nicht sicher fühlen).Wir sind frustriert, enttäuscht oder gelangweilt, fühlen uns getrieben oder entwickeln Abhängigkeiten (wenn die Befriedigung des Bedürfnisses außerhalb unserer Reichweite liegt).Wir sind verletzt, neidisch, verbittert oder feindselig, empfinden Scham oder leiden unter dem Gefühl der Unzulänglichkeit (wenn wir uns nicht auf eine positive Art und Weise mit anderen verbunden fühlen).

Das ist der Rote Bereich. Manchmal wirkt er sich nur subtil aus, etwa dann, wenn wir uns in der Arbeit über jemanden ärgern. Manchmal sind die Auswirkungen aber auch heftiger, etwa dann, wenn wir uns mitten in einem Ehekrach befinden. Allerdings beeinträchtigen wiederholte Erfahrungen im Roten Bereich, auch wenn sie nicht weiter wichtig scheinen, sowohl unsere körperliche als auch unsere geistige Gesundheit. So weist beispielsweise Dr. Vivek Murthy, ein Sanitätsinspekteur der Vereinigten Staaten, darauf hin, dass chronische Einsamkeit die durchschnittliche Lebensdauer um etwa den gleichen Zeitraum verkürzt wie das Rauchen einer halben Schachtel Zigaretten am Tag.

Der Weg dorthin

Wenn Sie mehr Zeit im Grünen Bereich und weniger im Roten verbringen wollen, habe ich ein ganz einfaches Rezept für Sie:

Entwickeln und nutzen Sie Ihr Selbstwertgefühl, Ihre Entschlossenheit und soziale Kompetenzen; so erfüllen Sie Ihre Bedürfnisse effektiver, ohne dabei in den Roten Bereich gehen zu müssen.Haben Sie das Gefühl, ein Bedürfnis sei in der Gegenwart ausreichend erfüllt – etwa wenn eine Beziehung zwar nicht perfekt ist, Sie sich aber trotzdem ganz gut verbunden und wahrgenommen fühlen –, können Sie einen Augenblick innehalten und die Erfahrung in sich aufnehmen. So entsteht Stück für Stück ein grundlegendes Gefühl von Friedlichkeit, Zufriedenheit und Liebe.

In diesem Buch geht es um den oben genannten Punkt 1, also psychische Ressourcen in Beziehungen zu entwickeln und zu nutzen; hin und wieder bitte ich Sie aber auch, sich Punkt 2 zu widmen. Sicherlich ebenfalls hilfreich ist es, die Bedingungen um sich herum und im eigenen Körper zu verbessern. Das wird allerdings mehr Zeit in Anspruch nehmen. Und in der Zwischenzeit können Sie sich um Ihre Einstellung sowie Ihre Fähigkeiten kümmern, die zu besseren Beziehungen führen. Lassen Sie uns mit dem Grundstein der stillen Kraft beginnen.

In die Mitte kommen

In mancher Hinsicht ähneln unsere Mitmenschen dem Wind: Mal sind sie warm und sanft, dann wieder kalt und stürmisch. Deshalb ist es hilfreich, sich tief verwurzelt zu fühlen, wie ein mächtiger Baum, der dem stärksten Wind trotzen kann, ohne von ihm umgeworfen zu werden. In unserem Körper ist es das parasympathische Nervensystem (PNS), das dieses Gefühl der Ruhe und des Zentriertseins fördert. Atmen Sie einige Male ein und aus, wobei Sie die Ausatmung soweit es geht ausdehnen. Wie fühlt sich das an? Was Sie da spüren, ist Ihr PNS, denn es ist an der Ausatmung sowie am Verlangsamen der Herzfrequenz beteiligt. Sie können auch Ihren Körper durchgehen und systematisch verschiedene Körperteile entspannen – auch daran ist das PNS beteiligt. Wiederholen wir diese Übung häufiger, so zeigen Studien, wird der Entspannungsimpuls(Relaxation Response) mit der Zeit zu einer (sehr guten) Angewohnheit; sie verändert sogar die Genexpression im Gehirn, um uns widerstandsfähiger zu machen.

Wenn Sie merken, dass Sie in den Roten Bereich kommen, führen Sie die oben beschriebenen Atemzüge aus und steigern damit die parasympathische Aktivität, womit Sie gleichzeitig das sympathische Nervensystem (SNS) drosseln. Letzteres springt an, wenn wir Stress haben. Die beiden Teile des autonomen oder vegetativen Nervensystems funktionieren wie eine Wippe: Geht eines nach oben, drückt es das andere nach unten.

Verbinden Sie sich beim Atmen mit den Empfindungen im Inneren Ihres Körpers: wie die Luft ein- und ausströmt, wie sich die Lunge weitet und wieder zusammenzieht. So fühlen Sie sich im eigenen Körper verankert und im Inneren stabil – selbst wenn um Sie herum ein Sturm aufzieht.

Es geht Ihnen gut, jetzt, in diesem Augenblick

Ein Großteil der Informationen an Ihr Gehirn kommt aus dem Inneren Ihres Körpers. Wenn Sie nicht gerade starken physischen oder emotionalen Schmerz empfinden, sind diese Signale wie die Rufe des Nachtwächters, wenn es nirgends brennt: »Alles in Ordnung, alles in Ordnung!« Es gibt genug Luft zum Atmen, Ihr Herz schlägt, Ihre Organe arbeiten, Ihr Kopf funktioniert, Ihr Bewusstsein verrichtet seinen Dienst. Die Dinge sind vielleicht alles andere als perfekt, aber im Grunde geht es Ihnen gut. Wie auch immer die Vergangenheit ausgesehen hat und die Zukunft aussehen mag: Jetzt, in diesem Augenblick, geht es Ihnen gut.

Und es ist ungeheuer hilfreich, sich das bewusst zu machen!

Das Wissen, dass es uns im Grunde gut geht, schenkt uns Sicherheit und beruhigt uns, es ist ein rasch wirkendes Gegenmittel für die Angst. Trifft es – wie meistens – zu, können wir in diesem Gefühl, dass in der Gegenwart grundlegend alles in Ordnung ist, unseren Halt finden. Am Rande mögen sich immer noch Kummer, Schmerz und wichtige Probleme tummeln, doch im Kern unseres Wesens geht es uns gut. Dies zu erkennen und es wirklich zu fühlen bedeutet nicht, Gefahren zu ignorieren oder selbstgefällig zu werden. Es macht uns stärker, wenn wir gegen jene vorgehen müssen, die uns oder anderen schaden.

Versuchen Sie es: Nehmen Sie über einen ganzen Atemzug hinweg die Tatsache wahr, dass es Ihnen im Grunde Ihres Herzens gut geht. Spüren Sie die Beruhigung, die mit dieser Wahrnehmung einhergeht, wie sich Unbehagen oder Spannungen lösen. Schweift Ihr Geist dabei in die Vergangenheit oder Zukunft ab, ist das ganz normal; kehren Sie nur immer wieder in die Gegenwart zurück und nehmen Sie wahr, dass es Ihnen gut geht, jetzt und jetzt und jetzt.

Das Wissen um die eigene Stärke

Viele Menschen wissen gar nicht, wie stark sie wirklich sind. Stark in ihrer Entschlossenheit, in ihrer Zielgerichtetheit, in ihrem Herzen. Man muss nicht wie ein Bodybuilder aussehen, um Kraft, Geduld und Durchhaltevermögen zu haben.

Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit und verbinden Sie sich mit dem Gefühl Ihrer inneren Stärke. Nehmen Sie die natürliche Lebendigkeit des Atmens, des anhaltenden Am-Leben-Seins Ihres Körpers wahr. Erinnern Sie sich an eine Episode, in der Sie sich stark gefühlt haben, vielleicht während eines Aufenthalts in der Wildnis, beim Handwerken oder Halten einer Yoga-Pose. Erinnern Sie sich daran, wie Sie vielleicht einmal zur Seite gestoßen wurden, dann aber sofort wieder im Gleichgewicht waren – darin liegt echte Stärke. Spüren Sie das jetzt in Ihrem Körper nach und machen Sie sich bewusst, was sich daran gut anfühlt.

Wenn Sie möchten, können Sie mit dem Gefühl der Stärke in Verbindung bleiben, während Sie sich gleichzeitig eine schwierige Beziehung vergegenwärtigen. Stellen Sie sich vor, Ihr Gegenüber spräche sehr energisch, kritisierte Sie vielleicht oder sagte Ihnen, was Sie tun sollen; Sie aber fühlen sich tief im Inneren einfach weiter stark. Kehren Sie immer wieder zu diesem Gefühl der Stärke zurück und intensivieren Sie es. Sie können nervös oder unsicher oder traurig sein – und trotzdem das tief verwurzelte Gefühl Ihrer eigenen Stärke empfinden. Allein das wird Ihnen dabei helfen, ruhig und zentriert zu bleiben, wenn die Welt auf Rot schaltet.

4Sich umsorgt fühlen

Wir wissen alle, wie es sich anfühlt, sich um andere zu kümmern – um eine Freundin vielleicht, den Partner oder ein Haustier. Es vermittelt uns ein Gefühl der warmherzigen Verbundenheit, das Gefühl, etwas Gutes fließe von uns zu dem Gegenüber.

Ebenso wichtig ist es jedoch, das Gefühl zu haben, dass sich andere auch um uns kümmern, dass wir dazugehören und wahrgenommen, wertgeschätzt, gemocht oder geliebt werden.

Der Wunsch, sich umsorgt zu fühlen, kann uns etwas … peinlich sein. Dabei ist er absolut normal und fußt in unserer Biologie als ausgesprochen soziale Wesen. Ab den ersten Säugetieren vor 200 Millionen Jahren entwickelten sich unsere Vorfahren größtenteils dadurch weiter, dass sie immer besser darin wurden, sich umeinander zu kümmern. Unsere heutige Spezies gibt es seit rund 300 000 Jahren, die sie meist in kleinen Jäger-und-Sammler-Verbänden von 40 bis 50 Individuen verbrachte; die Verbannung aus einem solchen Verband kam einem Todesurteil gleich – den anderen wichtig zu sein war für das Überleben entscheidend. Diejenigen, die wenig Wert darauf legten, sich umsorgt zu fühlen, hatten auch weniger Chancen, ihre Gene weiterzugeben. Kein Wunder also, dass das in uns heute gewissermaßen einprogrammiert ist!