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Dr. Baumann ist ein echter Menschenfreund, rund um die Uhr im Einsatz, immer mit einem offenen Ohr für die Nöte und Sorgen seiner Patienten, ein Arzt und Lebensretter aus Berufung, wie ihn sich jeder an Leib und Seele Erkrankte wünscht. Seine Praxis befindet sich in Deutschlands beliebtestem Reiseland, in Bayern, wo die Herzen der Menschen für die Heimat schlagen. Der ideale Schauplatz für eine besondere, heimatliches Lokalkolorit vermittelnde Arztromanserie, die ebenso plastisch wie einfühlsam von der beliebten Schriftstellerin Laura Martens erzählt wird. Isabel Leins stand vor dem bodenlangen Spiegel in ihrem Schlafzimmer und drehte sich im Kreis. Sie war an diesem Abend mit ihrem Freund verabredet, den sie auf den Tag genau vor einem Jahr kennengelernt hatte. Auch nach zwölf Monaten erschien es ihr noch wie ein Wunder, einem Mann wie Gerald Schuster begegnet zu sein. Sie liebte ihn von ganzem Herzen und konnte sich nicht vorstellen, jemals ohne ihn zu leben. Die junge Frau hatte sich schon den ganzen Tag über auf diesen Abend gefreut und in dem Reisebüro, in dem sie arbeitete, extra eine Stunde früher freigenommen, um genügend Zeit zu haben, ausgiebig zu baden und sich zurechtzumachen, bevor Gerald sie abholte. »Ich würde dich auch lieben, wenn du einen alten Sack tragen würdest«, hatte er einmal zu ihr gesagt. »Es ist nicht wichtig, was du anhast.« Sie spürte, daß diese Worte absolut ehrlich gemeint waren, dennoch machte es ihr Freude, sich für Gerald schön anzuziehen. Isabel griff nach der Bürste und kämmte ihre dunklen schulterlangen Haare, bis sie glänzten. Unbewußt begann sie, vor sich hinzusummen. In Gedanken sah sie sich bereits in Geralds Armen. Die junge Frau lebte erst seit einigen Wochen in Gmund. Vorher hatte sie zur Untermiete bei einer Familie in Tegernsee gewohnt. Als sie durch Tina Martens, einer der Sprechstundenhilfen Dr. Baumanns, erfahren hatte, daß Katja Faber ihre Eigentumswohnung vermieten wollte, weil sie mit ihrem Sohn zu ihrem Verlobten nach Tegernsee gezogen war, hatte sie sofort zugegriffen. Isabel hatte noch ein paar Minuten Zeit und trat auf den Balkon hinaus, um zu den schneebedeckten Bergen jenseits des Tegernsees zu blicken. Sie liebte den Winter, trotz seiner Kälte. Nie erschien ihr das Tegernseer Tal schöner als zu dieser Jahreszeit. Hier war sie aufgewachsen, hatte sie Freunde, und jeder Baum, jedes Haus rund um den See schienen ihr vertraut.
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Seitenzahl: 114
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Isabel Leins stand vor dem bodenlangen Spiegel in ihrem Schlafzimmer und drehte sich im Kreis. Sie war an diesem Abend mit ihrem Freund verabredet, den sie auf den Tag genau vor einem Jahr kennengelernt hatte. Auch nach zwölf Monaten erschien es ihr noch wie ein Wunder, einem Mann wie Gerald Schuster begegnet zu sein. Sie liebte ihn von ganzem Herzen und konnte sich nicht vorstellen, jemals ohne ihn zu leben.
Die junge Frau hatte sich schon den ganzen Tag über auf diesen Abend gefreut und in dem Reisebüro, in dem sie arbeitete, extra eine Stunde früher freigenommen, um genügend Zeit zu haben, ausgiebig zu baden und sich zurechtzumachen, bevor Gerald sie abholte.
»Ich würde dich auch lieben, wenn du einen alten Sack tragen würdest«, hatte er einmal zu ihr gesagt. »Es ist nicht wichtig, was du anhast.«
Sie spürte, daß diese Worte absolut ehrlich gemeint waren, dennoch machte es ihr Freude, sich für Gerald schön anzuziehen.
Isabel griff nach der Bürste und kämmte ihre dunklen schulterlangen Haare, bis sie glänzten. Unbewußt begann sie, vor sich hinzusummen. In Gedanken sah sie sich bereits in Geralds Armen.
Die junge Frau lebte erst seit einigen Wochen in Gmund. Vorher hatte sie zur Untermiete bei einer Familie in Tegernsee gewohnt. Als sie durch Tina Martens, einer der Sprechstundenhilfen Dr. Baumanns, erfahren hatte, daß Katja Faber ihre Eigentumswohnung vermieten wollte, weil sie mit ihrem Sohn zu ihrem Verlobten nach Tegernsee gezogen war, hatte sie sofort zugegriffen.
Isabel hatte noch ein paar Minuten Zeit und trat auf den Balkon hinaus, um zu den schneebedeckten Bergen jenseits des Tegernsees zu blicken. Sie liebte den Winter, trotz seiner Kälte. Nie erschien ihr das Tegernseer Tal schöner als zu dieser Jahreszeit. Hier war sie aufgewachsen, hatte sie Freunde, und jeder Baum, jedes Haus rund um den See schienen ihr vertraut.
Unten fuhr ein Wagen vor. Isabel hörte, wie der Schnee knirschte, als er bremste, gleich darauf klappte eine Tür. Noch bevor ihr Freund klingeln konnte, drückte Isabel bereits auf den automatischen Türöffner.
Gerald Schuster stieg eilig die Treppe hinauf. Liebevoll schloß er seine Freundin in die Arme. »Du siehst wundervoll aus«, meinte er und nahm den Duft ihres Parfüms in sich auf.
»Du auch«, antwortete sie lachend und befreite sich aus seinen Armen. »Neuer Anzug?«
»Was tut man nicht alles für die Frau, die man liebt«, erklärte er mit einer großartigen Geste. »Wenn du soweit bist, können wir gehen.«
»Einen Moment, ich brauche noch meinen Mantel.«
»Wozu hast du mich?« Gerald nahm den Mantel vom Garderobenhaken und half ihr fürsorglich hinein.
Wenige Minuten später befanden sich die jungen Leute auf der Fahrt nach Rottach-Egern, wo im Kursaal an diesem Abend ein international bekannter Jugendchor aus München auftrat. Gerald hatte schon vor Wochen Konzertkarten besorgt. Innerhalb weniger Tage waren sie ausverkauft gewesen.
Als Isabel und Gerald ausstiegen, sahen sie Dr. Eric Baumann und seine Kollegen Dr. Mara Bertram und Dr. Martin Hellwert auf dem Parkplatz der Kuranlage. Sie gingen zu ihnen, um ihnen einen schönen Abend zu wünschen.
»Da sieht man, wie klein die Welt ist. Heute abend treffe ich fast alle meine Patienten«, meinte der Arzt, als ihm Isabel die Hand reichte.
»Am besten, Sie halten gleich hier eine Sprechstunde ab«, scherzte die junge Frau. »Es wäre zwar ein bißchen kalt, trotzdem…«
»Nein, danke, den heutigen Abend möchte ich genießen«, sagte Eric lachend.
»Genau das haben wir auch vor.« Gerald legte den Arm um seine Freundin. »Isabel und ich haben uns vor genau einem Jahr kennengelernt. Sie ist mir vor den Wagen gelaufen. Ich konnte gerade noch bremsen.« Er zwinkerte Dr. Baumann und dessen Begleitern zu. »Auch ein Weg, jemanden auf sich aufmerksam zu machen.«
»Und wie man sieht, nicht einmal der schlechteste«, meinte Martin Hellwert schmunzelnd.
Sie gingen gemeinsam zum Kursaal, gaben ihre Mäntel an der Garderobe ab und trennten sich, weil ihre Plätze ziemlich weit voneinander lagen. Ein Großteil der Zuhörer war bereits eingetroffen, und Isabel bemerkte, wie die drei Ärzte sofort von einigen Leuten ins Gespräch gezogen wurden.
»Es ist bestimmt nicht einfach, so bekannt zu sein«, bemerkte Gerald. »Ein Arzt hat kaum Privatleben.«
Isabel nickte. »Und vor allen Dingen auch nicht viel Freizeit«, fügte sie hinzu. »Ich frage mich, wann Doktor Bertram und Doktor Hellwert wohl heiraten werden. Sie sind schon über ein Jahr zusammen. Soviel ich weiß, bewohnt er noch sein Zimmer in der Privatklinik von Doktor Hauser.«
»Manchen Leuten genügt es, sich nur von Zeit zu Zeit zu sehen«, antwortete Gerald und tastete nach dem kleinen Kästchen, das er in der Jackentasche bei sich trug.
Das Konzert war ein voller Erfolg. Der Jugendchor sang neben bayerischen Heimatliedern auch internationale Melodien und zwei Gospels. Die meisten der Konzertbesucher bereuten es nicht, auf den verschneiten Straßen nach Rottach-Egern gefahren zu sein. Mehr als einer meinte, daß sich selbst der weiteste Weg gelohnt hätte, um diesen Chor zu hören.
Nach dem Konzert fuhr Gerald mit seiner Freundin zum »Benji«, wo er vor einigen Tagen bereits einen Tisch für diesen Abend bestellt hatte. Freitags war das »Benji« bis Mitternacht so ausgebucht, daß man ohne Vorbestellung nur noch selten einen Platz bekam.
Die jungen Leute hatten in den letzten Monaten schon öfters hier gegessen. Benjamin Ahlert, der Besitzer des Restaurants, brachte sie zu einem etwas abseits stehenden Tisch. »Einen schönen Abend«, wünschte er, nachdem er die Kerze angezündet hatte, die auf dem Tisch stand, dann winkte er einen der Kellner herbei, damit sie ihre Bestellung aufgeben konnten.
Isabel und Gerald sprachen über das Konzert und wie gut es ihnen gefallen hatte. »Sag mal, bist du in den letzten Wochen bei deiner Stiefmutter und deiner Schwester gewesen?« erkundigte sich die junge Frau, als das Essen vor ihnen stand. Sie machte sich große Sorgen um Silvia. Ihrer Meinung nach wurde die Fünfzehnjährige von ihrer Mutter wie eine Sklavin behandelt.
»In den letzten beiden Wochen nicht«, erwiderte ihr Freund ein wenig schuldbewußt. »Du weißt, wie ungern ich mit meiner Stiefmutter zusammenkomme.« Nach dem Tod seines Vaters vor fünf Jahren war er ausgezogen, weil er das Zusammenleben mit seiner Stiefmutter nicht ertragen hatte. Er mochte sie nicht, haßte ihre ständigen Klagen. »Vorgestern habe ich mit ihr telefoniert.«
»Hast du auch mit Silvia gesprochen?«
»Ich wollte mit ihr sprechen, doch Beate meinte, Silvia hätte keine Zeit und würde in der Küche abwaschen.« Er umfaßte Isabels Hand. »Silvia ist fünfzehn. Glaub mir, ein Mädchen in diesem Alter kann sich heutzutage seiner Haut sehr gut erwehren.«
»Mag sein, nur auf deine Schwester trifft das nicht zu«, meinte Isabel. »Du mußt zugeben, daß deine Stiefmutter sie ausnutzt. Wenn sie es nicht verhindert hätte, würde Silvia jetzt das Gymnasium besuchen, statt mit einem Hauptschulabschluß von der Schule gegangen zu sein. Das arme Mädchen ist ihr völlig ausgeliefert. Sie läßt es ja nicht einmal zu, daß sich Silvia eine Lehrstelle sucht.«
»Es ist nicht einfach, eine Lehrstelle zu finden.« Gerald nippte an seinem Wein. Im Grunde seines Herzens wußte er, daß er irgend etwas unternehmen mußte, um seiner Halbschwester zu helfen. Es war nicht so, daß er Silvia nicht gern gehabt hätte, doch er legte sich nicht gern mit ihrer Mutter an.
Isabel sah ihren Freund an. »Bitte glaub mir, deine Stiefmutter möchte gar nicht, daß Isabel eine Lehrstelle findet. Als wir am Heiligen Abend bei ihr gewesen sind, hat sie uns gesagt, es wäre ihr nicht wichtig. Sie sei nicht darauf angewiesen, daß Silvia etwas verdient und es wäre viel schöner, sie ständig um sich zu haben.
Gerald antwortete nicht sofort. Beate Schuster hatte seit Jahren mit ihrem Kreislauf Probleme und sich unter diesem Vorwand auch schon früher kaum um ihren Haushalt gekümmert. »Es stimmt, sie betrachtet Silvia als billiges Dienstmädchen«, gab er widerwillig zu. »Nur andererseits habe ich den Eindruck, als würde es meiner Schwester nichts ausmachen. Silvia scheint gern zu Hause zu sein und sich regelrecht davor zu fürchten, womöglich irgendwann arbeiten gehen zu müssen.«
»Deine Schwester ist kein Mensch, der sich wehrt. Sie ist es gewohnt zu kuschen. Du hast mir selbst erzählt, daß deine Stiefmutter keinen Widerspruch duldet und jedesmal, wenn jemand es wagt, gegen sie aufzubegehren, behauptet, man würde sie nicht lieben, obwohl sie sich für alle aufopfert. Ich kann verstehen, daß Silvia lieber schweigt, als ständig diesen Vorwurf zu hören.«
»Ich bin nie mit ihr klargekommen«, sagte Gerald und verzog das Gesicht. Tief in Gedanken fügte er hinzu: »Als mein Vater und sie heirateten, bin ich zwölf gewesen. Sie hat mich niemals schlecht behandelt, trotzdem habe ich es nicht fertiggebracht, sie zu lieben.« Er nippte an seinem Wein. »Beate ist sehr besitzergreifend. Menschen, die zu ihr gehören, möchte sie mit Haut und Haaren. Ich bin überzeugt, daß sie Silvia über alles liebt.«
»Trotzdem kann es nicht so weitergehen, Gerald. Du möchtest sicher nicht, daß Silvia bis zum Tod deiner Stiefmutter ein Schattendasein führt. Sie muß ihr eigenes Leben leben, die Chance haben, einen Beruf zu erlernen.«
Der junge Mann nickte. »Wir sollten wirklich versuchen, etwas daran zu ändern«, meinte er. »Meine Stiefmutter hat genug Geld. Sie könnte eine Frau einstellen, die mehrmals in der Woche zum Putzen kommt. Leider hat sie sich niemals um Freunde bemüht. Wenn Silvia außer Haus arbeiten muß, wird sie einen großen Teil des Tages allein sein.«
»Und sie wird befürchten, daß sich Silvia irgendwann einen Freundeskreis aufbaut, sogar einen Mann kennenlernt…«
Gerald umfaßte erneut ihre Hand. »Vergessen wir meine Mutter und Silvia für den heutigen Abend, Liebling. So schnell ist dieses Problem sowieso nicht zu lösen.« Er griff nach seinem Weinglas. »Stoßen wir lieber auf uns an, darauf, wie wundervoll es ist, daß wir einander begegnet sind.«
»Dieser Tag wird für mich stets ein ganz besonderer sein.« Isabel schaute ihm in die Augen. »Ich liebe dich, Gerald«, sagte sie leise. »Gott weiß allein, wie sehr ich dich liebe.«
Nach dem Essen fuhren sie nach Gmund zurück. Gerald schloß die Haustür auf und stieg hinter seiner Freundin die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf. Oben half er ihr aus dem Mantel und hängte ihn an die Garderobe.
»Ich kümmere mich um den Kaffee.« Sie gab ihm einen Kuß auf die Wange, bevor sie in der Küche verschwand. »Es dauert höchstens zehn Minuten«, versprach sie und füllte Wasser in einen Meßbecher.
Der junge Mann ging ins Wohnzimmer. Er legte eine CD in den Player und öffnete die Balkontür.
Es war kalt, trotzdem trat er ins Freie und blickte zum Tegernsee hinüber.
Isabel folgte ihm lautlos. »Schau dir nur diesen sternenklaren Himmel an«, meinte sie und schmiegte ihr Gesicht von hinten an seine Schulter.
Gerald wandte sich ihr zu und zog sie an sich. Aus dem Wohnzimmer klangen die Stimmen von Barbara Streisand und Celine Dion. »Könntest du dir vorstellen, meine Frau zu werden?« Er berührte sanft ihr Gesicht. »Und den Rest deines Lebens mit mir zu verbringen?«
»Ja, das könnte ich«, erwiderte Isabel spontan, ohne auch nur einen einzigen Augenblick darüber nachzudenken. Sie wußte schon seit Monaten, daß sie Gerald bis ans Ende der Welt folgen würde.
»Laß uns hineingehen.« Der junge Mann führte sie liebevoll ins Wohnzimmer, dann griff er in seine Jackettasche und nahm ein rotes Kästchen heraus. Als er es öffnete, fiel ihr Blick auf zwei Ringe.
»Wenn ich nun nein gesagt hätte?« fragte sie mit einem schalkhaften Lächeln.
»Ein Nein hätte ich nicht akzeptiert.« Gerald griff nach Isabels linker Hand und streifte ihr zärtlich einen der Ringe über den Finger. Bereits im nächsten Moment zog er sie stürmisch an sich. Leidenschaftlich küßten sie sich.
*
»Und Sie meinen wirklich, daß meine Gelenkschmerzen von zuviel Harnsäure kommen, Doktor Baumann?« Lina Becker sah den Arzt skeptisch an. »Um ehrlich zu sein, ich kann mir das nicht vorstellen. Außerdem frage ich mich, weshalb ich plötzlich zuviel Harnsäure haben sollte. So ungesund lebe ich nun auch nicht.«
»Sie können mir durchaus vertrauen, Frau Becker«, antwortete der Arzt geduldig. »Es steht nun einmal fest, daß Sie viel zuviel Harnsäure haben.« Er gab ihr eine Liste mit den Lebensmitteln, die sie in Zukunft vermeiden sollte. »Es ist sehr wichtig, daß Sie sich daran halten. Zuviel Harnsäure lagert sich nicht nur in den Gelenken ab, sondern hat auch einen negativen Einfluß auf alle Organe und kann sogar das Herz schädigen. Deshalb ist es so wichtig, sie zu bekämpfen.«
»Wenn Sie meinen.« Frau Becker seufzte auf. »Vermutlich haben Sie recht.« Sie warf einen Blick auf die Liste. »Die Feiertage liegen zwar schon ein paar Wochen zurück, aber wie es so ist, habe ich zuviel gebacken. Leider ist es gewöhnlich die Hausfrau, die Reste jeglicher Art nach und nach aufessen muß. Und vielleicht sollte ich auch wirklich in Zukunft vermeiden, jeden Tag Fleisch zu essen.«
»Es wäre zu Ihrem eigenen Besten, Frau Becker, bitte, glauben Sie mir das.«
Lina Becker faltete die Liste zusammen und steckte sie in ihre Handtasche. »Da ist noch etwas, Doktor Baumann«, meinte sie und straffte die Schultern. »Sie kennen die Schusters? Sie wohnen auch im Narzissenweg. Soviel ich weiß, gehören sie zu Ihren Patienten.«
»Ja«, antwortete Eric vorsichtig. Da Lina Becker zu den größten Klatschblasen Tegernsees gehörte, befürchtete er, irgendwelchen Tratsch aufgetischt zu bekommen, und dafür hatte er nun wirklich keine Zeit. Im Wartezimmer saßen noch fünf Patienten, die ihn dringend sprechen wollten.
»Es handelt sich um Silvia Schuster«, sagte Lina Becker. »Ich mache mir große Sorgen um das Mädchen. Frau Schuster mag zwar krank sein, was sie mit ihrer Tochter treibt, ist in meinen Augen dennoch absolute Ausbeutung. Es ist ein Segen für Silvia, daß sie laut Gesetz wenigstens die Hauswirtschaftliche Berufsschule besuchen muß. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es Sklaven in Bezug auf Arbeit viel schlechtergeht.«