Kettenreaktion - Laura Martens - E-Book

Kettenreaktion E-Book

Laura Martens

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Beschreibung

Dr. Baumann ist ein echter Menschenfreund, rund um die Uhr im Einsatz, immer mit einem offenen Ohr für die Nöte und Sorgen seiner Patienten, ein Arzt und Lebensretter aus Berufung, wie ihn sich jeder an Leib und Seele Erkrankte wünscht. Seine Praxis befindet sich in Deutschlands beliebtestem Reiseland, in Bayern, wo die Herzen der Menschen für die Heimat schlagen. Der ideale Schauplatz für eine besondere, heimatliches Lokalkolorit vermittelnde Arztromanserie, die ebenso plastisch wie einfühlsam von der beliebten Schriftstellerin Laura Martens erzählt wird. Franzl sprang fröhlich am Ufer des Tegernsees entlang. Auch wenn er gern mit Katharina Wittenberg, den Winklers oder Dr. Hellwert unterwegs war, ein Spaziergang mit seinem Herrchen bedeutete für ihn einen absoluten Höhepunkt. Dr. Eric Baumann hatte an diesem Vormittag einen Ball mitgenommen. »Franzl!« rief er. Der Hund stoppte so abrupt, daß er sich dabei fast überschlagen hätte. Erwartungsvoll drehte er sich um. »Wuw«, machte er und sprang ausgelassen hoch, als er den Ball in Erics Händen sah. Der Arzt holte weit aus und warf den Ball einige Meter weit in Richtung Prinz-Karl-Kapelle. Wie ein Pfeil flog Franzl durch das Gras. Sein übermütiges Gebell schallte weit über das Wasser. Der Arzt schaute ihm lachend nach, doch bereits im nächsten Augenblick zuckte er vor Schmerz zusammen. Für Sekunden hielt er den Atem an und preßte eine Hand auf die linke Seite seiner Brust. Langsam verebbte der Schmerz. Vorsichtig atmete er durch. Franzl rannte auf ihn zu. Herausfordernd ließ er den Ball vor ihm ins Gras fallen.

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Seitenzahl: 114

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Der Arzt vom Tegernsee – 66 –Kettenreaktion

Laura Martens

Franzl sprang fröhlich am Ufer des Tegernsees entlang. Auch wenn er gern mit Katharina Wittenberg, den Winklers oder Dr. Hellwert unterwegs war, ein Spaziergang mit seinem Herrchen bedeutete für ihn einen absoluten Höhepunkt.

Dr. Eric Baumann hatte an diesem Vormittag einen Ball mitgenommen. »Franzl!« rief er.

Der Hund stoppte so abrupt, daß er sich dabei fast überschlagen hätte. Erwartungsvoll drehte er sich um. »Wuw«, machte er und sprang ausgelassen hoch, als er den Ball in Erics Händen sah.

Der Arzt holte weit aus und warf den Ball einige Meter weit in Richtung Prinz-Karl-Kapelle. Wie ein Pfeil flog Franzl durch das Gras. Sein übermütiges Gebell schallte weit über das Wasser.

Der Arzt schaute ihm lachend nach, doch bereits im nächsten Augenblick zuckte er vor Schmerz zusammen. Für Sekunden hielt er den Atem an und preßte eine Hand auf die linke Seite seiner Brust. Langsam verebbte der Schmerz. Vorsichtig atmete er durch.

Franzl rannte auf ihn zu. Herausfordernd ließ er den Ball vor ihm ins Gras fallen. Die Vorderpfoten in den Boden gestemmt, bellte er.

Eric schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Franzl, Ballspielen scheint heute nicht das richtige für mich zu sein. Sieht tatsächlich aus, als könnte ich mich nicht länger vor einer gründlichen Untersuchung drücken.« Er bückte sich nach dem Ball und steckte ihn in die Tasche seiner Cordhosen.

Franzl seufzte enttäuscht auf. Er stieß schwanzwedelnd mit dem Kopf gegen Erics Beine.

»Am besten, wir kehren um«, meinte sein Herrchen. »Wenn ich heute abend aus Bad Wiessee zurückkomme, machen wir noch einmal einen langen Spaziergang.« Er blickte zum Himmel hinauf. »So gegen sieben ist es auch nicht mehr so heiß.« Da hatte er sich seit Wochen auf den Sommer gefreut, und nun, wo er mit Riesenschritten nahte, sehnte er sich nach etwas Kühle. Dabei war der Frühling in diesem Jahr bisher ohnehin bedeutend kühler gewesen, als im letzten. Erneut strich er über den Kopf des Hundes. »Der Katharina werden wir nicht verraten, daß es mir nicht besonders gut geht.«

Langsam kehrten sie zum Doktorhaus zurück.

Dr. Baumann versuchte vergeblich, seine leichten Atembeschwerden zu ignorieren. Am Morgen hatte er sich noch wohl gefühlt und sich über den freien Tag gefreut, der vor ihm lag. Er mußte an seinen Freund Martin denken, der ihm erst vor kurzem gesagt hatte, daß auch ein Arzt nicht gegen Krankheit gefeit war.

Katharina Wittenberg stand in der Küche und kümmerte sich um die Zubereitung des Mittagessens. Nachdem Eric einen kurzen Gruß mit ihr gewechselt hatte, ging er auf die Terrasse und setzte sich in einen der Gartenstühle, um die Morgenzeitung zu lesen. Franzl legte sich ihm zu Füßen und döste vor sich hin. Ab und zu hob er den Kopf und schnupperte. Allzu lange konnte es nicht mehr bis zum Mittagessen dauern. Zufrieden schloß er die Augen.

Eric zog sich gleich nach dem Essen zurück, um sich umzuziehen. Er war an diesem Nachmittag zum Geburtstag einer Patientin nach Bad Wiessee eingeladen. Die alte Dame hatte erst vor kurzem eine Virusgrippe überstanden und fühlte sich noch ziemlich schwach, die Geburtstagsfeier hatte sie sich jedoch nicht nehmen lassen wollen.

»Hier sind die Blumen, Eric.« Katharina drückte ihm einen schönen Frühlingsstrauß in die Hand. Jede einzelne der Blumen hatte sie selbst gezogen. Trotz des schlechten Wetters war es ihr gelungen, den Garten um das Doktorhaus in allen Farben erblühen zu lassen.

»Danke, Katharina.« Eric legte die Blumen vorsichtig zu einem roten Päckchen in den Fond seines Wagens. »Ich werde so gegen sieben zurück sein.«

Franzl wollte in den Wagen springen. Katharina Wittenberg ergriff ihn am Halsband. »Hiergeblieben. Wir werden uns einen schönen Nachmittag machen.« Sie tätschelte seinen Kopf. »Laß dein Herrchen auch mal etwas allein unternehmen.«

Eric winkte ihnen zu und setzte sich hinter das Steuer. Als er auf die Straße hinausfuhr, sah er im Rückspiegel, daß Katharina und Franzl ihm nachschauten.

Von Tegernsee nach Bad Wiessee waren es nur ein paar Kilometer. Der Arzt genoß die Fahrt am See entlang. Er dachte an die vielen Fahrradtouren, die er als junger Bursche mit seinen Freunden rund um den See unternommen hatte, auch an die Bootsfahrten mit seinem Vater. An seine sehr früh verstorbene Mutter konnte er sich kaum erinnern und er wußte, daß ohne Katharina Wittenberg seine Kindheit alles andere als glücklich verlaufen wäre.

Dr. Baumann parkte vor dem Grundstück von Martha Seminas. Als er den Vorgarten betrat, rannte ihm ein pechschwarzer Kater entgegen. Miauend rieb er sein Köpfchen an Erics Bein.

»Hallo, Rasputin«, sagte der Arzt, als er sich zu ihm hinunterbeugte, um ihn zu streicheln. Erschrocken hielt er inne. Der Schmerz, den er empfand, war zwar nicht so stark wie am Vormittag, aber er beunruhigte ihn.

»Guten Tag, Doktor Baumann.« Corinna und Fabian Lindenmaier, die ebenfalls zum Geburtstag der alten Dame geladen worden waren, traten aus dem Haus.

Dr. Baumann ergriff die Hände der jungen Leute. Fabians Eltern gehörte das Hotel »Seelschlößchen«. Es lag ein paar hundert Meter entfernt direkt am See. Bereits sein Vater war lose mit den Lindenmaiers befreundet gewesen. Corinna und Fabian hatten Frau Seminas durch Rasputin kennengelernt. Der Kater trieb sich gern im Hotelgarten herum. Lange Zeit hatten sie ihn für herrenlos gehalten und Merlin genannt.

Gemeinsam gingen sie Martha Seminas entgegen, die jetzt ebenfalls aus dem Haus kam. Die alte Dame schenkte dem Arzt ein strahlendes Lächeln. »Heute fühle ich mich seit Wochen zum ersten Mal richtig wohl«, sagte sie, als sie ihn begrüßte. »Die diesjährige Grippe hat es wirklich in sich.« Sie wandte sich an das junge Ehepaar. »Zu Beginn der Krankheit hatte ich vierzig Fieber und konnte kaum meine Beine bewegen, so schwach bin ich gewesen.«

»Zum Glück sind wir davon verschont geblieben«, meinte Corinna. Sie wies zur Straße. »Da kommen auch Claire und Ihr Neffe, Frau Seminas.«

Auch Claire Michelfelder und Vincent Reinhardt gehörten zu Erics Patienten. Claire arbeitete als Empfangsdame im »Seeschlößchen«. Vincent hatte von seinem Vater in Tegernsee ein Antiquitätengeschäft übernommen. Die jungen Leute hatten sich vor einigen Wochen bei einem Seefest kennengelernt und ineinander verliebt.

Es wurde ein schöner Nachmittag, obwohl alle bedauerten, daß Tobias Reinhardt, Vincents Vater und Martha Seminas’ zehn Jahre jüngerer Bruder, nicht an der Geburtstagsfeier teilnehmen konnte, weil er zu krank dazu war. Er litt seit vier Jahren an einer schweren Herzinsuffizienz, die ihn von Zeit zu Zeit sogar ans Bett fesselte.

»Ich bin wirklich froh, daß wir uns auf unsere Haushälterin und deren Schwester verlassen können«, sagte Vincent. »Ohne die beiden Frauen könnte ich mich kaum aus dem Haus wagen. Heute zum Beispiel wäre es völlig unmöglich gewesen. Mein Vater fühlt sich so schlecht, daß er den ganzen Tag nur liegen möchte.«

»Nimmt Ihr Vater die neuen Tabletten regelmäßig ein, die ich ihm letzte Woche verschrieben habe, Herr Reinhardt?« erkundigte sich Eric besorgt.

»Mein Vater ist in letzter Zeit zwar manchmal leicht verwirrt, an seine Tabletten denkt er jedoch stets«, antwortete der junge Mann.

»Sie wissen ja, daß Sie mich jederzeit rufen können.« Eric lehnte dankend ab, als ihm Frau Seminas ein weiteres Stück Käsesahnetorte anbot. »Zum Glück wohne wir nur fünf Minuten voneinander entfernt.«

»Das hat sich schon oft als Segen erwiesen.« Vincent schaute zu Rasputin hinunter, der sich neugierig auf seine Hinterpfoten gestellt hatte und versuchte, den Kopf über die Tischkante zu strecken. »Magst du ein bißchen Sahne?«

»Du weißt, Sahne ist seine Leidenschaft, Vincent.« Martha Seminas wollte aufstehen, um ein Katzentellerchen zu holen. Die Freundin ihres Neffen kam ihr zuvor.

»Bleiben Sie nur sitzen, Frau Seminas«, sagte Claire. »Ich kenne mich schon etwas in Ihrer Küche aus.« Sie verließ das Wohnzimmer.

»Deine Freundin ist wirklich reizend, Vincent«, bemerkte die alte Dame.

»Wem sagst du das?« fragte er herausfordernd.

»Nun, nicht alle deine Freunde gefallen mir«, erklärte Martha Seminas aufrichtig. »Wenn ich zum Beispiel an diese Ackermanns denke, die du mir vor einigen Tagen vorgestellt hast.« Sie verzog das Gesicht. »Kennen Sie die Ackermanns, Doktor Baumann?«

»Nein.« Eric schüttelte den Kopf.

»Sie gehören zu den Leuten, die alternativ mit vorsintflutlich verwechseln.«

»Also, ganz so ist es nun auch nicht, Tante Martha«, meinte Vincent amüsiert. »Ich habe Peter Ackermann während meiner Internatszeit kennengelernt«, wandte er sich an den Arzt und die Lindenmaiers. »Wir sind Zimmerkameraden gewesen. Schon damals hat es mich fasziniert, was Peter alles über Umweltschutz und dergleichen wußte. Nach dem Abitur hat er Agrarwirtschaft studiert. Sein Traum ist es gewesen, irgendwann einen kleinen Hof zu übernehmen, um auf ihm ein alternatives Leben führen zu können. Und dieser Traum haben er und seine Frau Elisabeth den ehemaligen Bergnerhof bei Gmund gekauft. Der Hof ist ziemlich heruntergewirtschaftet gewesen. Die beiden haben viel Geld und Arbeit hineinstecken müssen. Claire und ich sind morgen bei den Ackermanns zu einer Einweihungsfeier eingeladen.«

»Diese Leute haben ihre kleine Tochter Emma genannt«, bemerkte Martha Seminas mißbilligend. »Ein Name, der schon zu meiner Zeit ziemlich unmodern gewesen ist.«

»Elisabeth hat einige Semester Geschichte studiert. Sie interessiert sich besonders für die Zeit Karls des Großen, und weil eine seiner Töchter Emma hieß, hat sie ihre Tochter ebenfalls so genannt«, sagte Claire. Durch Vincent hatte auch sie die Ackermanns kennengelernt. »Es ist bestimmt nichts gegen ein alternatives Leben einzuwenden, nur übertreiben sollte man es nicht«, fügte sie hinzu. »Elisabeth würde mit Freuden Flugzüge, Züge und Autos abschaffen.«

»Elisabeth ist ein herzensguter Mensch, aber sie übertreibt es wirklich. Es ist schade, daß auch Peter durch seine Frau ziemlich extrem geworden ist«, pflichtete ihr Vincent bei. »Auf dem Hof gibt es zum Beispiel nur in der Küche elektrisches Licht. Meine Freunde besitzen weder einen Fernseher noch einen Platten- oder CD-Player. Selbst das Radio, das in der Küche steht, wird nur zu den Nachrichten eingeschaltet.«

»Also ein Leben wie im Mittelalter«, bemerkte Fabian Lindenmaier. »Ihre Freunde mögen zwar ganz nette Menschen sein, doch umweltbewußt leben muß nicht unbedingt heißen, sich von der Umwelt abzuschotten.«

»Nun, das tun sie nicht gerade«, nahm Vincent die Ackermanns in Schutz. »Sie wollen nur so wenig wie möglich mit den Errungenschaften der Neuzeit zu tun haben. Elisabeth würde sogar ihre Tochter am liebsten nicht zur Schule gehen lassen. Sie befürchtet, daß Emma eines Tages all die Dinge haben möchte, die für ihre Schulfreunde selbstverständlich sind, und daß sie dadurch ihnen entfremdet wird. Sie ist überzeugt, daß die Erde nur zu retten ist, wenn die Menschen wieder lernen würden, im Einklang mit der Natur zu leben.«

»Es wäre schön, wenn wir wie früher den Einklang mit der Natur leben könnten«, meinte Dr. Baumann, »nur erscheint mir das unmöglich. Man kann das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen. Wir sind heutzutage auf viele Errungenschaften der Technik angewiesen. Vor allen Dingen auch die Kranken. Die Forschung hat dem Menschen nicht nur Negatives gebracht, sondern auch sehr viel Gutes. Wir sind inzwischen in der Lage, Krankheiten zu heilen, die früher noch den Tod bedeuteten.«

»Und was mich angeht, so kann ich gern darauf verzichten, mein Abendessen beim Licht eines Kienspans einzunehmen, statt im Schein meiner Eßzimmerlampe«, erklärte Martha Seminas lachend. »Und auch wenn ich nichts davon halte, mein Leben vor dem Fernseher zu verbringen, ein guter Film ab und zu ist wichtig für mein seelisches Gleichgewicht.« Rasputin sprang auf ihren Schoß. Liebevoll kraulte sie ihm den Hals. Er begann verzückt zu schnurren.

Es wurde halb sieben, bevor sich die Gäste verabschiedeten. Martha Seminas begleitete sie zu ihren Wagen. Es war ein schöner Nachmittag für sie gewesen, trotzdem fühlte sie sich ziemlich erschöpft. Auch wenn sie seit vierzehn Tagen gesund war, sie hatte noch immer unter den Folgen der Grippe zu leiden. Sie wußte, daß es nicht allein ihr so ging. Auch ihre Nachbarin hatte lange Zeit mit Schwächeanfällen kämpfen müssen.

»Kommen Sie gut nach Hause, Doktor Baumann«, wünschte sie.

»Danke, Frau Seminas«, erwiderte der Arzt. »Und nochmals Danke für die Einladung.« Er wandte sich Vincent zu. »Fahren Sie nach Hause oder ins Seeschlößchen?«

»Claire hat bis Montag frei. Wir fahren zu meinem Vater.« Der junge Mann legte den Arm um seine Freundin. »Vorher wollen wir noch ein Stückchen spazierengehen.«

»Dann wünsche ich Ihnen viel Vergnügen«, sagte Eric herzlich. Er verabschiedete sich auch von den Lindenmaiers und stieg in seinen Wagen. Nach einem letzten Winken gab er Gas.

Martha Seminas schaute ihm nachdenklich nach. »Findet ihr nicht auch, daß Dr. Baumann ziemlich erschöpft aussieht?« fragte sie die jungen Leute.

»Ja, das ist mir auch aufgefallen«, bestätigte Corinna. »Er sollte sich mehr Ruhe gönnen.« Sie lachte nur. »Aber sagt das einmal einem Menschen wie Dr. Baumann. Er bringt es bestimmt nicht fertig, auch einmal einen Patienten warten zu lassen, um etwas zu verschnaufen.«

»Ganz bestimmt nicht«, meinte Vincent. »Nun, sein Vater ist genauso gewesen. Mich wundert nicht, daß er an einem Herzinfarkt gestorben ist. Nach dem Tod seiner Frau ist er völlig in seinem Beruf aufgegangen.«

»Wollen wir hoffen, daß Dr. Baumann noch rechtzeitig die Rettungsleine zieht.« Fabian Lindenmaier dachte an Ireen Kelligan, eine junge, irische Sängerin, die der Arzt bei einer Veranstaltung im »Seeschlößchen« kennengelernt hatte. Es mußte ihm das Herz gebrochen haben, als Ireen sich entschlossen hatte, zu ihrem früheren Verlobten zurückzukehren. Sie hatten alle damit gerechnet, daß sie und Eric eines Tages heiraten würden.

*

Elisabeth Ackermann schaute zufrieden über die gedeckten Gartentische. Sie liebte es, Gäste zu empfangen, und hatte die letzten beiden Tage fast ausschließlich mit der Vorbereitung für die Einweihungsfeier ihres Hofes verbracht. Beinahe zärtlich strich sie über die blau und weiß karierten Tücher, die sie über die Tische gebreitet hatte. Einmal mehr bedauerte sie, nicht selbst weben zu können, aber sie hatte sich fest vorgenommen, es noch zu lernen. Vorerst beschäftigte sie sich neben der Arbeit in Haus und Hof mit dem Spinnen. Vor drei Monaten hatte sie damit angefangen, und es gelang ihr inzwischen schon ziemlich gut.