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Catherine Nicolas ist frustriert über das monotone Leben an der Seite ihres Ehemanns und lässt sich auf eine heimliche Liebesaffäre mit ihrem Arbeitskollegen ein. Als sie eines Tages in flagranti erwischt wird, beginnt ein Albtraum. Schweren Herzens trifft Catherine eine verhängnisvolle Entscheidung ...
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Seitenzahl: 181
Veröffentlichungsjahr: 2020
Niku Masbough (geb. 1992) hat Mathematik, Philosophie und Deutsch als Fremdsprache studiert. Als Mathedozentin lehrt sie in der Erwachsenenbildung. In ihrer Freizeit widmet Niku sich ihrer Leidenschaft, dem Schreiben.
„Der Blick in den Spiegel, Catherine“ ist ihr zweiter Roman.
Für meine Eltern.
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Ich rutsche etwas näher zu meinem Liebhaber und schmiege mich glücklich an seine Schulter. Er legt den Arm um mich, wie um mich zu beschützen.
Wir sitzen in seinem geräumigen Wohnzimmer auf dem Sofa. Vor uns knistert der Kamin. Ein kurzer Blick aus dem Fenster verrät mir, dass es draußen angefangen hat, zu schneien. Kein Wunder, bei den eisigen Temperaturen! Mir fällt ein, dass in weniger als zwei Wochen schon Weihnachten ist. Pünktlich zum Fest der Liebe haben die Temperaturen Minusgrade erreicht. Die Hoffnung, dass es dieses Jahr weiße Weihnachten werden, ist damit gepflanzt.
Doch soweit möchte ich noch nicht denken. Weihnachten liegt irgendwo in der Zukunft. Viel wichtiger ist das Hier und Jetzt. Ich schließe die Augen. Irgendwo in meinem Inneren höre ich eine Stimme schreien: Ich bin glücklich! Sooo glücklich! Dieses Gefühl von Freude und Glück ist das, was zählt. Es ist das, was mich dazu bringt, etwas Verbotenes zu tun. Immer und immer wieder …
Mit geschlossenen Augen versuche ich, diesen Augenblick innerlich festzuhalten und zu verewigen: Ich sitze, eingekuschelt in meinen pinken Wollpullover neben dem Mann, den ich liebe. Ich weiß, wie sehr er diesen Pullover an mir mag.
Die Fenster sind leicht beschlagen. Wir lauschen auf das Knistern des Kamins und spüren seine Wärme auf unserer Haut. Obwohl die Wohnung sehr geräumig ist, ist es dennoch überall gemütlich warm. Vielleicht liegt das aber auch an der Ausstattung der Wohnung. Die Wände sind in einem hellen Orangeton gestrichen, der Boden ist mit Holzparkett ausgelegt, zwischen dem Kamin und dem Sofa liegt ein echter Fellteppich und hier und da hängen Weihnachtsdekorationen. Überall in der Wohnung trifft man auf Duftkerzen, die einen herrlich süßlichen verbreiten. Nur der Weihnachtsbaum fehlt. Da Michael allein wohnt und Weihnachten bei seiner Familie verbringen wird, hält er es für umständlich, noch einen Baum aufzustellen.
Ich blicke ihn verstohlen von der Seite an. Sofort kribbelt es in meinem Bauch und ich fühle mich in meine Jugend zurückversetzt. Michael ist nicht nur intelligent, charmant und gutaussehend, sondern hat auch noch ein Händchen fürs Dekorieren. Es liegt ihm einfach, Sachen zu verschönern. Ganz zu schweigen von seinen Fähigkeiten im Bett ... Jemanden wie ihn trifft man selten und ich weiß, was für ein Glück ich habe. Obwohl er bald fünfundvierzig wird, ist er verdammt attraktiv. Doch das beste ist, dass Micha - das ist sein Rufname - nie geheiratet hat. So habe ich ihn ganz für mich.
Um ehrlich zu sein, beneide ich ihn manchmal um sein Leben. Micha wohnt ganz für sich, ohne jegliche Verantwortung für Kinder und ohne, dass er Rechenschaft über sein Tun und Lassen abgeben müsste. Ein sorgenfreies, ruhiges Leben. Im Gegensatz zu mir. Verstohlen werfe ich einen Blick auf den Ehering an meinem Finger. Das schlechte Gewissen überkommt mich. Anstatt den Abend mit meinem Mann und unseren beiden Söhnen zu verbringen, bin ich hier bei meinem Lover. Zuhause gebe ich vor, Überstunden zu machen. Ein Teil von mir ist entsetzt darüber, wie leicht die Lügen über meine Lippen kommen. Doch ich rede mir vehement ein, dass ich nicht anders kann. All die Lügen, die Geheimnistuerei und die Gewissensbisse sind es wert, um bei Micha sein zu können.
Er fährt mit einer Hand durch meine Haare.
„Ist alles in Ordnung, Liebes?“
Ich nicke verspielt. Micha sieht mich an. Ein Lächeln erscheint auf seinen Lippen. Verdammt, ist er heiß!
„Wenn dir kalt ist, dann nimm dir ruhig eine Decke.“
Er zeigt auf die andere Ecke des Sofas, wo zwei weiße, flauschige Decken akkurat gefaltet aufgestapelt sind.
„Nein, alles gut. Mir ist nicht kalt.“
Es stimmt. Obwohl ich nur Unterwäsche und den Wollpullover anhabe, ist mir nicht kalt. Die Wärme des Kamins umhüllt mich.
„Soll ich uns heiße Schokolade machen?“, fragt Micha.
„Oh, das wäre lieb.“
Er beugt sich zu mir rüber und drückt mir einen Kuss auf die Lippen, bevor er in dem hinteren Teil des Wohnzimmers verschwindet, wo sich die Küche befindet. Es ist ganz praktisch, so eine offene Küche direkt neben dem Wohnzimmer zu haben. Auf der anderen Seite des Wohnzimmers verläuft der Flur, der zu vier weiteren Zimmern führt: Michaels Schlafzimmer, sein Büro, ein Gästezimmer und ein Zimmer, wo er seinen Kleiderschrank und anderen Krempel untergebracht hat. Ich mag seine Wohnung. Sie ist nicht nur schön und zeugt von Geschmack, sondern gibt mir immer das Gefühl von Geborgenheit. In den letzten paar Monaten, wenn wieder mal alles drohte, über mir zusammenzubrechen, konnte ich mich zu Micha zurückziehen. Es ist, als ob Michaels Wohnung eine kleine, eigene Welt, abgeschottet von der Außenwelt, wäre. Eine Welt, in der ich jeden Moment genieße und wo ich mich wohlfühle.
Ich drehe mich um und werfe verstohlen einen Blick auf Micha, der immer noch in der Küche herumhantiert. Ich sauge dieses Bild in mich auf: Ein umwerfender Mann, der heiße Schokolade macht.
Micha ist etwa eins achtzig groß, hat hellbraune Haare und grüne Augen. Er trainiert regelmäßig im Fitnessstudio und ist stets gepflegt. In vielerlei Hinsicht sind wir uns ähnlich und daher auch oft einer Meinung.
„Hier.“ Micha hält mir eine Tasse heiße Schokolade hin.
„Danke!“ Sofort schlägt mir der Duft nach Zimt entgegen. Und obwohl ich weiß, dass die Schokolade meinen Mund verbrennen wird, kann ich nicht anders und nippe daran.
„Die ist richtig gut.“, lobe ich ihn. Micha nimmt wieder neben mir Platz.
„Na ja, ich versuche dich doch zu beeindrucken.“, zwinkert er mir zu.
„Und das gelingt dir auch, Schatz.“ Ich stelle meine Tasse auf dem Glastisch vor dem Sofa ab und schlinge die Arme um ihn.
„Ich liebe dich.“, flüstere ich an seinem Ohr.
„Ich dich auch.“
Wir halten uns eng umschlungen. Ich fahre ihm mit der Hand durch die Haare und atme seinen Geruch ein. Michael streichelt über meinen Rücken und hält schließlich mein Gesicht vor seines. Dann drückt er seine weichen Lippen auf meine. Ich schmelze dahin. In diesem Moment existieren nur wir beide auf dieser Welt. Ich konzentriere mich nur auf den Kuss, nehme seine Oberlippe zwischen meine Lippen und ziehe daran.
Meine Lider flattern und ich erhasche einen kurzen Blick auf Micha. Er lässt von meinen Lippen ab und küsst meinen Hals. Zentimeter für Zentimeter bedeckt er meine Halskuhle mit Küssen. Dann fährt er mit der Zunge darüber. Unwillkürlich stöhne ich. Es ist eine meiner empfindlichsten Stellen und Micha weiß das inzwischen nur zu gut. Er kennt meinen Körper in- und auswendig. Dann lässt er seine muskulösen Hände weiter nach unten gleiten, streichelt und umfasst meine nackten Oberschenkel, um mich auf seinem Schoß zu ziehen. Zwischen seinen Küssen lasse ich mich auf seinen Schoß gleiten und schlinge die Arme fest um ihn.
Obwohl es keinen Anlass dazu gibt, beschleicht mich urplötzlich ein komisches Gefühl. Eine Art sechster Sinn verrät mir, dass wir beobachtet werden. Schlagartig verfliegt das gute Gefühl, dass ich bis gerade eben verspürt habe. Ich setze mich senkrecht auf und nehme Michaels Kopf in beide Hände, um ihn zu stoppen.
„Was ist, chérie? Gefällt es dir nicht?“
Ich sehe Micha nachdenklich an. Soll ich ihn von meinem unguten Gefühl erzählen? Oder bilde ich mir gerade nur etwas ein? Während ich noch unschlüssig bin, nimmt Micha meine Hand in seine und führt sie zu seinen Lippen. Plötzlich hält er inne. Mir ist sofort klar, wieso. Er starrt auf den Ehering an meinem Finger. Ich ziehe meine Hand weg.
„Tut mir leid.“, entschuldige ich mich beschämt. Am Anfang unserer Beziehung habe ich immer darauf geachtet, den Ring abzunehmen, wenn wir zusammen waren. Auch weil ich nicht ständig daran erinnert werden wollte, dass ich eigentlich verheiratet bin. Doch dann, mit der Zeit, ließ ich ihn immer öfter am Finger. Da Micha darüber nie ein Wort verlor, dachte ich, dass es ihn nichts ausmachen würde.
„Schon okay.“, erwidert er.
Doch die Magie ist verschwunden. Es ärgert mich und ich beschließe, Micha doch von meinem unguten Gefühl zu erzählen.
„Ich … ich habe Angst, dass uns jemand beobachtet.“, stammle ich. Ich wage es nicht, Micha in die Augen zu sehen. Bestimmt denkt er, ich habe den Verstand verloren.
„Wer sollte uns denn beobachten?“, fragt er verwundert.
Ich zucke entschuldigend mit den Schultern.
„Tut mir leid, ich … ich hatte nur so ein komisches Gefühl.“
„Hey.“ Michael schlingt seine Arme um meine Taille und drückt mich an sich. „Es ist alles in Ordnung. Mach dir keinen Kopf.“
Er hat Recht, es ist nichts, rede ich mir ein. Doch das ungute Gefühl bleibt.
Ich löse mich aus seiner Umarmung, drehe mich um und greife nach meiner Tasse.
„Die Schokolade wird sonst kalt.“, erkläre ich.
Ein Grinsen erscheint auf Michas Lippen.
„Klar, ich weiß doch wie sehr du Schokolade liebst.“
Ich setze die Tasse an meinen Lippen an, doch gerade als ich daran nippe, klingelt es an der Haustür. Ich zucke zusammen. Schokolade tropft auf meine nackten Oberschenkel und verbrennt meine Haut.
„Wer kann das sein?“, überlege ich laut.
Micha zuckt mit den Schultern. Ich stehe von seinem Schoß auf, damit er sich erheben und nachsehen kann.
„Ja?“, höre ich Micha fragen, als er die Haustür öffnet.
„Kann ich bitte mit meiner Frau sprechen?“, ertönt die zynische Antwort. Vor lauter Schreck lasse ich die Tasse fallen. Sie landet auf dem Holzparkett, direkt neben meinen Füßen und zerbricht in tausend Teile. Die leckere Schokolade bildet eine dunkelbraune Pfütze.
Unwillkürlich fange ich an, zu zittern. Obwohl ich den Besucher vom Wohnzimmer aus nicht sehen kann, erkenne ich die wohlbekannte Stimme sofort. Es ist mein Ehemann, Jürgen. Sofort schießen mir tausend Gedanken durch den Kopf: Woher weiß er, dass ich hier bin? Wie viel weiß er? Und was mache ich jetzt?
„Ich werde mal nachsehen.“, erwidert Micha schlagfertig.
Bevor Jürgen noch etwas sagen kann, schließt mein Liebhaber die Haustür und kommt ins Wohnzimmer zurück.
„Ist alles okay?“, fragt er besorgt. Dann wandert sein Blick nach unten zu der zerbrochenen Tasse.
„Es … es tut mir leid. Ich mache das sauber.“
„Nein, lass!“ Sofort ist Micha an meiner Seite und legt den Arm um mich. „Ich mache das schon. Kate.“ Er umfasst mein Kinn und zwingt mich, ihm in die Augen zu sehen.
„Was soll ich machen wegen ...“ Er nickt Richtung Haustür.
Ich weiß, dass es kein Entkommen gibt. Obwohl ich noch zutiefst geschockt bin, ist mir bewusst, dass ich mich meinem Mann früher oder später stellen muss. Jürgen ist kein nerviger Kunde, den man irgendwie loswerden kann. Er ist mein Ehemann. Der Mann, mit dem ich seit über sechzehn Jahren verheiratet bin und zwei Kinder habe. Der Mann, mit dem ich unter einem Dach wohne und mit dem ich im selben Bett schlafe.
Reiß dich zusammen!, raune ich mir selbst zu.
„Lass ihn reinkommen.“, höre ich mich sagen.
Micha sieht mich zweifelnd an. „Das halte ich für keine gute Idee.“
Doch ich lasse mich nicht beirren. „Was soll ich denn tun?
Denkst du, indem du ihn jetzt wegschickst, ist das Problem gelöst? Ich bin mit diesem Mann verheiratet.
Und uns war doch von Anfang an bewusst, dass diese Situation irgendwann eintreten könnte. Wir haben oft darüber geredet. Jetzt ist das, wovor wir uns immer gefürchtet haben, eingetroffen.“ Ich schließe die Augen.
„Es gibt kein Zurück mehr. Ich muss mich dem stellen.“
„Kate, du zitterst und bist ganz blass. Warte doch, bis du Zuhause bist, um mit deinem Mann zu sprechen.“, versucht Micha mich umzustimmen. Ihm ist das Ganze genauso unangenehm wie mir.
Vor einer Minute haben wir noch auf dem Sofa gesessen und wie zwei Jugendliche wild herumgeknutscht. Und jetzt haben wir beide eine Scheißangst. Angst davor, was passieren wird.
Ich fasse nach Michaels Hand. „Lass ihn rein, bitte.“
Er gibt nach. „Okay. Aber ich dulde keine lauten Stimmen und Diskussionen in meiner Wohnung. Damit das klar ist.“ Micha dreht sich mit einem Ruck um und läuft schnurstracks auf die Haustür zu. Mir fällt ein, dass die beiden sich schon ein paar Mal begegnet sind auf unseren Firmenfeiern. Ich atme tief ein und aus, um mich zu beruhigen. Es ist an der Zeit Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung für das, was ich getan habe.
„Komm rein!“, sagt Michael kurz angebunden.
Ich wage es kaum, den Blick zu heben. Schließlich überkommt mich die Neugier und starre ich doch zur Haustür herüber. Obwohl ich ihn erwartet habe, versetzt mir sein Anblick einen Schreck. Während Jürgen langsam auf mich zuschreitet, versuche ich seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Das ist gar nicht so einfach. Denn, wenn es jemanden gibt, der keine Gefühle zeigen kann, dann ist das mein Ehemann. Jürgen hat ein Pokerface. In den sechzehn Jahre Ehe habe ich ihn nur selten heftige Emotionen zeigen sehen: Als seine Schwester tödlich verunglückte, bei den Geburten unserer beiden Söhne und als ihm der Titel „Professor“ erteilt wurde. Jürgen hat jahrelang sehr hart für diesen Titel gearbeitet. Ich weiß, wie viele Opfer er für seine Karriere bringen musste. Ich hatte alles aus erster Hand mitbekommen.
Schlagartig werde ich traurig und wütend zugleich. Wütend auf mich, wegen dem, was ich ihm angetan habe. Und traurig, da er mir leidtut. Niemand wünscht sich, in diesem Moment in seiner Haut zu stecken.
Langsam laufe ich um das Sofa herum, um mich vor Jürgen zu stellen. Mir wird plötzlich bewusst, dass ich barfuß bin und außer dem Wollpullover nichts anhabe. Der Pullover geht zwar über meine Hüfte. Dennoch ärgert es mich in diesem Moment sehr, dass ich so leicht bekleidet bin. HURE! EHEBRECHERIN!
„Hallo Jürgen.“ Ich versuche, meine Stimme ruhig und normal klingen zu lassen. Wir stehen uns von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
Wenn die Situation nicht so schrecklich wäre, hätte sie etwas von einer Komödie. Mein Ehemann trifft mich bei meinem Liebhaber Zuhause an und will mit mir „quatschen“.
Ich versuche abzuschätzen, wie Jürgen reagieren wird. Er ist nach außen hin der stille und introvertierte Typ. Aber ich habe ihn auch in Situationen erlebt, in denen er ausgerastet ist, wie ein Löwe herumgebrüllt und mit Sachen um sich geworfen hat. Er kann durchaus zu einer Furie werden, wenn sein Geduldsfaden reißt.
Er sieht mir intensiv in die Augen. Sofort muss ich den Blick abwenden. Ich ertrage das nicht. Wenn Blicke töten könnten, dann wäre ich bestimmt tot umgefallen. Ich fühle mich wie eine Verbrecherin, die dem Richter vorgeführt wird.
Michael steht schweigend, mit verschränkten Armen vor der Brust, einige Meter entfernt und beobachtet uns. Er versucht, sich aus unserem Gespräch herauszuhalten. Ich weiß, wie schwer ihm das fällt und rechne es ihm hoch an.
Wir haben während unserer viermonatigen Beziehung mehrmals über die Situation geredet. Und ich habe Micha klargemacht, dass ich ihn, so gut es geht, heraushalten möchte. Schließlich ist er weder fremdgegangen noch hat er etwas Verbotenes getan. Ich bin diejenige, die betrügt. Ich habe nicht nur meinen Mann betrogen, sondern meine ganze Familie. Und jetzt muss ich dafür geradestehen.
„Ich … es tut mir leid. Wirklich! … ich ...“, stammle ich verzweifelt, da ich das Schweigen nicht mehr ertrage.
„Oh bitte! Spar dir den Schmu!“, unterbricht mich Jürgen barsch. „Wie lange geht das schon?“
Ich wechsle einen kurzen Blick mit Micha.
„Etwa vier Monate.“
„Vier Monate.“, wiederholt Jürgen langsam. „Also seit vier Monaten spielst du uns allen etwas vor. Du tust so, als ob du arbeiten gehst, dabei fickst du den da.“ Er zeigt mit dem Finger auf Micha und erhebt gleichzeitig seine Stimme. „Und abends kommst du dann nach Hause und erzählst uns, wie hart dein Tag war und dass du Überstunden machen musstest. Hältst du uns alle wirklich für so blöd? Mich und die Kinder?“
Meine Hände zittern während er spricht. Noch nie habe ich Jürgen das Wort „ficken“ in den Mund nehmen hören.
Es passt nicht zu ihm, mit solchen Ausdrücken um sich zu werfen. Meine Knie werden weich und ich greife nach dem Sofa, um mich anzulehnen.
„Ich … ich war arbeiten. Wirklich. So ist das nicht.“ Meine Stimme klingt erbärmlich. Zittrig, leise und voller Schuld.
Es ist die Stimme einer Ehebrecherin.
„Ach, halt den Mund, du verdammte Heuchlerin!
Während ich von der Arbeit nach Hause komme, und die Hausaufgaben der Kinder kontrolliere und Vokabeln abfrage, liegst du hier mit einem anderen Mann im Bett.
Weißt du, was du den Kindern damit antust? Oder sind sie dir scheißegal? Du bist Mutter, verdammt nochmal!“
Ich lasse mich schwerer gegen das Sofa sinken. Lange halte ich dieses Gespräch nicht mehr aus. Seine Worte zermürben mich innerlich. Aus den Augenwinkeln beobachte ich, wie Micha sich auf die Lippen beißt. Er ist kurz davor, sich in unser Gespräch einzumischen. Es war wohl doch keine gute Idee, Jürgen in Michas Wohnung hereinzulassen.
„Jürgen, bitte lass uns nach Hause gehen.“, bettle ich verzweifelt. „Wir können über alles reden. Aber nicht hier.“
Er sieht mich an, als ob ich das Erbärmlichste auf der Welt wäre. In seinem Blick liegt pure Verachtung.
„Das hier ist jetzt dein Zuhause. Du hast dich entschieden, Schlampe.“
„Hey, nenn sie nicht so!“, faucht Micha plötzlich.
Die Situation wird gleich eskalieren, wenn ich nichts unternehme. Ich muss Jürgen dazu bringen, Michas Wohnung zu verlassen. Vor meinem geistigen Auge sehe ich bereits, wie die beiden sich an den Kragen gehen.
„Ich nenne sie, wie ich will.“, bellt Jürgen zurück. „Sie ist meine Frau. Und du bist nur Abschaum.“
Michael tritt auf ihn zu. Da erwache ich aus meiner Versteinerung und stelle ich mich, ohne zu überlegen, zwischen die beiden Männer.
„Hört auf. HÖRT SOFORT AUF!“ Ich wende mich an Jürgen. „Lass uns jetzt gehen! Zuhause können wir über alles reden.“
Doch es ist, als ob ich unsichtbar wäre. Micha und Jürgen stehen sich in einem halben Meter Abstand gegenüber und blitzen sich feindselig an.
„Du wusstest doch, dass sie verheiratet ist“, beginnt Jürgen.
„Ja, ich wusste es. Aber ich habe sie zu nichts gezwungen.
Das Problem liegt bei dir. Du kannst deiner Frau nicht das geben, was sie braucht. Sonst würde sie nicht zu mir kommen.“
Michaels Augen funkeln. Es ist offensichtlich, dass er sich Jürgen überlegen fühlt.
„Du verdammtes Stück Scheiße!“, brüllt Jürgen und versetzt Michael einen Stoß.
„HÖRT AUF! Alle beide! Sofort!“, schreie ich. Ich muss die Lawine stoppen, die immer mehr ins Rollen gerät. Jürgen lässt sich normalerweise von Fremden nicht so schnell provozieren. Doch das hier ist etwas anderes. Er fühlt sich in seiner Ehre als Mann gekränkt. Micha hat ihn dort getroffen, wo es am meisten weh tut.
„Michael!“ Ich stelle mich vor ihn und funkle ihn wütend an. „Hol mir meinen Mantel und die Handtasche!“
Dann wende ich mich Jürgen zu. „Wir gehen! Warte im Auto auf mich, ich komme gleich.“
„Du hast doch gehört, wie er über dich denkt.“ Er sieht mich verständnislos an. „Warum lässt du dir das gefallen?“
„Jürgen, warte bitte draußen auf mich. Ich komme sofort. Dann fahren wir nach Hause und reden in aller Ruhe.
Bitte!“ Ich zögere. „Tu das für Lukas und Cédric. Lass dich von ihm“, ich nicke Richtung Michael. „nicht provozieren.“
Ich sehe ihn mit all meiner Überzeugungskraft an.
Schließlich erkenne ich an Jürgens Blick, dass er nachgibt.
„Okay. Ich warte draußen. Aber ich tu das nicht für dich, sondern für die Kinder.“
Als er sich zum Gehen wendet, erinnert er mich an einen geschlagenen Hund. Er tut mir leid. Ich hatte nie gewollt, dass es so kommt.
Da dreht sich Jürgen auf einmal um. „Ich warte aber nur eine Minute. Dann fahre ich.“
Ich nicke. Doch das bekommt er schon nicht mehr mit, da er bereits die Haustür öffnet. Sofort weht eisige Kälte ins Zimmer. Ich schlinge die Arme um mich. Jetzt, wo ich die Situation entschärft und eine Eskalation vermieden habe, fällt mir auf, wie kalt mir eigentlich ist.
„Du frierst ja.“, stellt Michael besorgt fest. Seinen aufmerksamen Augen entgeht nichts. Vor allem wenn es um mich geht. Doch diesmal wickelt er mich mit seiner charmanten Art nicht um den Finger. Seine Worte hallen in meinen Gedanken nach: Du kannst ihr nicht das geben, was sie braucht. Sonst würde sie nicht zu mir kommen.
„Hol mir einfach meinen Mantel und meine Handtasche, okay?“, erwidere ich trocken. Während Michael zur Garderobe läuft, um meine Sachen zu holen, greife ich hastig nach meiner Jeans. Ich habe die Angewohnheit sie auszuziehen, wenn ich bei Michael bin. Zum einen ist das bequemer, wenn man auf dem Sofa sitzt. Zum anderen ist es durch den Kamin auch so schon warm genug.
Außerdem kann Michael dann meine Beine streicheln und es geht schneller, wenn wir übereinander herfallen…
Ich schlüpfe in meine Jeans und schließe den Reißverschluss, als er mir meinen Mantel hinhält. „Hier.“
„Danke.“ Ich vermeide den Augenkontakt mit ihm.
„Hey, es tut mir leid.“ Seine Stimme klingt versöhnlich.
Langsam hebe ich den Kopf. „Was tut dir leid?“
„Was ich vorhin gesagt habe. Du weißt, dass das nicht so gemeint war.“
„Ach ja?“ Ich blitze ihn wütend an. „Wen wolltest du damit eigentlich verletzen? Mich oder meinen Mann?“
Da legt Micha seine Hand auf meine Schulter. „Ich würde dich nie verletzen wollen. Ich war nur so sauer in dem Moment. Er taucht hier plötzlich auf und nennt dich ,Schlampe’...“
„Und du bist besser als er? Was sollte das mit dem ,sonst würde sie nicht zu mir kommen’?“
„Es tut mir leid, wirklich.“ Micha sieht mich niedergeschlagen an. „Ich liebe dich, Kate. Und ich hatte einfach das Gefühl, dass ich dich beschützen muss.
Niemand darf dich ,Schlampe’ nennen und schon gar nicht in meiner Wohnung.“
„Schon gut.“ Mein Ärger verfliegt. Ich greife nach Michas Hand „Ich habe Angst.“, flüstere ich.