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Der Sammelband enthält interessante Raritäten und Spezialitäten, Fragmente und Vorstufen von Erzählungen, die May in späteren Ausarbeitungen berühmt gemacht haben. Der Leser darf sich auf spannende Begegnungen mit Wildwest- und Orienthelden freuen, auf verwegene Abenteuer in altbewährter Karl-May-Manier, aber auch auf weniger bekannte historische Anekdoten und Humoresken aus heimatlichen Gefilden. In den Wildwestgeschichten treffen wir unter anderem einen "jungen", aber bereits genau so skurrilen und kämpferischen Sam Hawkens und erleben den sagenhaften Henrystutzen im ersten Einsatz. Die Titelgeschichte "Der Bowie-Pater" ist ein leider unvollständig gebliebenes Kapitel aus dem Roman "Die Juweleninsel" (Band 46 der Gesammelten Werke). Freuen Sie sich auf mysteriöse Verwicklungen, überraschende Wendungen und den stolzen Indianerhäuptling Rimatta, einen imposanten Vorläufer von Winnetou! Den insgesamt fünfzehn Geschichten sind einführende Kommentare vorangestellt, in denen der May-Experte und -Forscher Christoph F. Lorenz erläutert, wie sich die hier ausgebreiteten Motiv- und Erzählstränge in Mays Gesamtwerk einordnen.
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Seitenzahl: 679
Veröffentlichungsjahr: 2009
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KARL MAY’s
GESAMMELTE WERKE
BAND 84
DER BOWIE-PATER
UND ANDERE ERZÄHLUNGEN
VON
KARL MAY
Herausgegeben von Lothar und Bernhard Schmid
© 2003 Karl-May-Verlag
Als der Karl-May-Verlag im Jahre 1913 daranging, das Werk Mays zu sichten und eine Reihe gesammelter Werke vorzubereiten, lagen vor allem die 33 Bände Reiseerzählungen vor, die May bis zu seinem Tod 1912 bei Friedrich Ernst Fehsenfeld in Freiburg veröffentlicht hatte. Dabei konnte der Schriftsteller in vielen Fällen auf bereits publiziertes Material zurückgreifen und manche Bände (etwaWinnetou II + III ) aus mehr oder wenigerstark geänderten älteren Texten zusammenfügen. Nicht bei Fehsenfeld erschienen waren die acht Jugenderzählungen für den Guten Kameraden, einige Frühwerke und die fünf umfangreichen Kolportageromane für den Verlag von H. G. Münchmeyer. In unveränderter Form wollte May sein Frühwerk und die Kolportageromane sicher nicht wieder herausgegeben sehen. Insbesondere von der Münchmeyer-Textfassung der Kolportageromane distanzierte er sich wiederholt in scharfer Form. Für Dr. Euchar Albrecht Schmid und seine Mitarbeiter stand daher von vornherein fest, dass die Lieferungsromane nur in strenger Überarbeitung in die Gesammelten Werke aufgenommen werden durften, in Einklang mit den Wünschen des Verfassers.
Zahlreiche Probleme stellten sich auch bei der Wiederveröffentlichung der verstreuten frühen Humoresken und kleinen Erzählungen, denn May hatte einige davon in verschiedenen Versionen erscheinen lassen. Als 1927 unter dem TitelProfessor Vitzliputzli (Band 47 derGesammelten Werke) eine erste Auswahl herauskam, nahmen Dr. Schmid und seine Helfer nicht alle Fassungen auf, sondern nur die jeweils schriftstellerisch ausgereifteren Varianten. Etliche in entlegenen Zeitschriften publizierten Texte Mays waren damals ohnehin gar nicht bekannt. Mays Arbeiten für die Zeitschrift Schacht und Hütte etwa konnten erst 1968 als Band 72 der Gesammelten Werke herausgebracht werden. Von anderen Schriften besaß manMaysche Belegexemplare, wie im Fall der kleinen Humoreske Im Wasserständer (heute in Band 47), wusste aber nicht, in welcher Zeitschrift sie erstveröffentlicht worden waren. Für die Wasserständer-Geschichte wurde der Erstdruck im Neuen deutschen Reichsboten erst Ende der 1980er Jahre wieder entdeckt.
Bei der Bearbeitung einzelner Bände im Rahmen der Radebeuler Reihe bis 1945 gab es aber auch andere Probleme, die dazu führten, dass Teile aus den Mayschen Erstausgaben bei der Aufnahme gestrichen oder spürbar verändert werden mussten. Große Schwierigkeiten bereitete beispielsweise der RomanDie Juweleninsel (Band 46 der Gesammelten Werke), der 1880-1882 erstmals in einer Zeitschrift erschienen war.
Die Handlung derJuweleninsel knüpft direkt an die Geschehnisse an, die Karl May in Zepter und Hammer (Band 45 der Gesammelten Werke) erzählt. Held der ersten drei Kapitel ist der junge Kurt Schubert, Sohn des aus Zepter und Hammer bekannten Steuermanns Balduin Schubert. In der Radebeuler bzw. Bamberger Bearbeitung heißt Kurt dann Gerd. Ihm gelingt es nicht nur, dem im mondänen Seebad Fallum als Rüpel auftretenden ‚Tollen Prinzen‘ Hugo von Süderland das Handwerk zu legen, sondern er verhindert auch die Flucht mehrerer wegen ihrer politischen Straftaten und Verbrechen inhaftierten Sträflinge. In einer weiteren Episode des Romans erfahren wir von dem freizügigen Liebesleben des Prinzen Hugo. In seiner Burg Himmelstein verschwinden weibliche und männliche Personen, die sich den Absichten des Prinzen widersetzen, auf Nimmerwiedersehen. Dazu gehören die Komtesse Toska von Mylungen, die der Prinz vergeblich zu verführen suchte, ebenso wie der süderländische Adelige Theodor von Walmy, der unglücklicherweise in dieselbe Frau verliebt war wie der Prinz – in die Kunstreiterin ‚Miss Ella‘. Nur angedeutet werden die amourösen Umtriebe der Mönche und Nonnen zweier Klöster, deren unterirdische Gänge mit denen der Burg Himmelstein verschlungen sind.
Mit der im deutschen Milieu von Nor- und Süderland spielenden Haupthandlung des Romans (Fallum, das exklusive Seebad, erinnert beispielsweise an beliebte norddeutsche Badeinseln wie Borkum) sind zwei exotische Episoden mehr oder weniger eng verbunden. Die eine erzählt von einem indischen Königreich, das von den Engländern auf der Suche nach den Schätzen des Rajah und seiner Schwester erobert wird. Der Begum, Schwester des Herrschers, gelingt nach der Ermordung ihres Bruders mit Hilfe des geliebten korsischen Leutnants Alphons Maletti (in der Bearbeitung Méricourt) – und mit dem Staatsschatz – die Flucht vor den englischen Eroberern. Nach mancherlei Abenteuern stranden sie schließlich mitsamt dem unermesslichen Schatz auf einer einsamen Insel.
Die zweite exotische Handlung steht in Zusammenhang mit den Umtrieben des ‚Tollen Prinzen‘: Der Präriejäger Bill Holmers und sein Freund Fred, Bruder des Theodor von Walmy, erleben in Amerika spannende Abenteuer mit Komantschen und Apatschen und kommen dabei dem ehemaligen Reitknecht Theodors, Georg Sander, auf die Spur, der inzwischen unter dem Namen Rikarroh Mitglied eines Komantschenstammes geworden ist. Sie erfahren von Georg, kurz bevor dieser von einem betrogenen Goldgräber erschossen wird, dass Theodor von Walmy durch eine Intrige des ‚Tollen Prinzen‘ aus dem Wege geräumt wurde, sich aber gar nicht, wie Walmys Familie seit Jahren annahm, in Amerika aufhält. Am Ende des Romans werden die Gefangenen der Burg Himmelstein unter tatkräftiger Leitung des Bowie-Paters, eines seltsamen Westmannes, den mehr als nur ein Geheimnis umgibt, befreit und es gibt eine Doppelhochzeit und Bestrafung der Schurken, wenn auch ohne größeres Blutvergießen.
Die Defekte dieser Handlungsführung lassen sich auch in der kurzen Rekapitulation ohne Weiteres erkennen: Die Verbindung der beiden exotischen Schauplätze mit der Zentralhandlung ist May trotz sorgfältiger Exposition missglückt. Man hat versucht, diese Defekte damit zu erklären, dass nach dem siebten Kapitel derJuweleninsel – also eben der Bowie-Pater-Episode in den USA – ein achtes in der Zählung fehlt. Damit verbunden ist die Hypothese, das achte Kapitel sei vielleicht auf dem Postweg zur Stuttgarter Redaktion der Zeitschrift Für alle Welt/Alldeutschland verloren gegangen.
Diese Annahme wird allerdings durch keinerlei faktische Beweise unterstützt. Viel mehr spricht dafür, dass Karl May, der gleichzeitig mit dem Schluss derJuweleninsel an seiner Orienterzählung Giölgeda Padishanün (Band 1 – 6 der Gesammelten Werke) zu schreiben begann, das Interesse an der Juweleninsel-Handlung und an einer von ihm zweifellos geplanten Verknüpfung der disparaten Handlungsfäden verlor und nur noch darum bemüht war, den Roman zu einem irgendwie gearteten glücklichen Ende zu bringen. Statt das Schicksal Alphons Malettis und der Begum richtig weiterzuerzählen, gibt es am Ende des Amerika-Kapitels nur einen kurzen Bericht, wonach der Schatz und das Tagebuch der beiden Liebenden von Bootsmann Karavey auf der einsamen Insel entdeckt wurde. Die geplante Reise zur Juweleninsel wird zwar erwähnt, aber erst gegen Ende des Romans wird dann noch einmal in minimaler Form die Bergung des Schatzes durch Schubert, Karavey und Gefährten geschildert. Die eigentlich zu erwartende Hauptsache, das Geschehen auf dem titelgebenden Eiland, blieb so nur Andeutung, aber zweifellos nicht durch Textverlust, sondern weil May seines eigenen Romanentwurfs überdrüssig geworden war.
Man kann erahnen, vor welche Probleme Franz Kandolf gestellt war, als er im Auftrag des Karl-May-Verlags die Bearbeitung des Textes übernahm. In der Erstausgabe von Band 46 aus dem Jahr 1926 ist der Name Kandolfs unter den Mitarbeitern Dr. Schmids zwar ungenannt geblieben, aus dem vorhandenen Briefwechsel geht jedoch mit Sicherheit hervor, dass er alle wichtigen Lektoratsentscheidungen fürZepter und Hammer und Die Juweleninsel zumindestvorbereitet hat. Kandolf löste das Kernproblem, indem er die wichtige Verbindung zwischen der indischen Episode und der Haupthandlung des Romans im Sinne Mays ursprünglicher Intentionen rekonstruierte. Die Ereignisse um den Schatz der Begum werden in der Radebeuler bzw. Bamberger Fassung in Form einer Tagebuchaufzeichnung widergegeben; zugleich erhielten der Verlust des Schatzes und seine Bergung durch Karavey und Freunde wesentlich mehr Gewicht, sodass die Bearbeitung nun den Titel Die Juweleninsel mit Recht führen konnte.
Im Zuge dieser Maßnahmen sind einige weitere wesentliche Züge der Urfassung stark verändert worden. Dazu gehören vor allem die Amouren des Prinzen Hugo, die genauso wie das Mönchs- und Nonnenkloster unter der Ägide des katholischen Priesters Franz Kandolf dem Rotstift weichen mussten. Das Gleiche gilt für die Figur des Bowie-Paters: Bei der Neugestaltung der Amerika-Episode wurde sie komplett gestrichen bzw. mit der Rolle des Fred, nun Friedrich von Gollwitz oder Texasfred genannt, zusammengelegt. Ebenso wurde aus Rimatta 1926 Intschu tschuna, der Vater Winnetous. Mit der Eliminierung des angeblichen Paters verschwanden natürlich auch sämtliche bizarren Züge der ursprünglichen Handlung wie z. B. sein absonderliches Bekehrungsgelübde.
Musste der Bowie-Pater auch aus Gründen der inneren Logik aus dem Gesamtzusammenhang derJuweleninsel verschwinden, so kann die Erzählung für sich allein betrachtet doch durchaus neben anderen frühen Mayschen Wildwestabenteuern bestehen. 76 Jahre nach dem erstmaligen Erscheinen von Band 46 der Gesammelten Werke fanden wir es daher an der Zeit, sie als wichtige Ergänzung in die Reihe aufzunehmen. Trotz mancher unzweifelbar trivialer Züge lohnt sich die Lektüre des alten Textes, zumal im Zusammenhang mit dem, was wir über die missglückte Komposition der ursprünglichen Juweleninsel gesagt haben.
Die übrigen im vorliegenden Band vereinten May-Geschichten lassen sich unschwer unter dem Gesichtspunkt ‚Texte aus der Werkstatt eines Erfolgsschriftstellers‘ zusammenfassen. Bereits in den Bänden 71,Old Firehand, und 79, Old Shatterhand in der Heimat, hat derKarl-May-Verlag Frühfassungen Mayscher Reiseerzählungen, Begleittexte zu Illustrationen und andere Fundstücke aus der Dichterwerkstatt veröffentlicht. Eine besonders ergiebige Quelle dafür stellt der 2. Jahrgang der Zeitschrift Frohe Stunden von 1878 dar, erschienen im Verlag von Bruno Radelli, Dresden-Leipzig, für den May auch redaktionell tätig war. Hier sinddie drei Geschichten Der Ölprinz, Vom Tode erstanden und Ein Abenteuer auf Ceylon erstmals veröffentlicht worden. Die beiden letzteren Arbeiten griff der Verfasser später in geänderter Form wieder auf und gestaltete sie um zu längeren Erzählungen. Ein Abenteuer auf Ceylon ist die Urfassung des Girl-Robber und fand Aufnahme in Am Stillen Ozean (Band 11). Die Erzählung Vom Tode erstanden arbeitete May, versehen mit einem komplettneuen Schluss, in den ursprünglichen zweiten Band des Old Surehand (heute Kapitän Kaiman) ein. Der Ölprinz stellt eine interessante Variante des von May mehrfach aufgegriffenen Themas ‚Rettung aus Naturkatastrophen‘ dar, wobei auch der Eingriff des Menschen in die naturgegebene Ordnung zum Thema wird.
Nach seinem Redaktionsjahr bei Radelli, von etwa Anfang 1879 bis 1882, schrieb Karl May vor allem für den Stuttgarter Verlag Göltz & Rühling. Hier, in der FamilienzeitschriftFür alle Welt! und der Parallelausgabe unter dem Titel All-Deutschland!, sind neben dem Roman Die Juweleninsel auch die kleineren Erzählungen Ein Dichter und Tui-Fanua erschienen. Der Held der Erstgenannten ist „Westmann und Poet dazu“. Wenn in der Erzählung vom Deadly Dust (Deutscher Hausschatz, 1880) dann zum ersten Mal der ‚wirkliche‘ Old Shatterhand auftritt, besteht er darauf, nicht nur ein Held des Westens, sondern vor allem ein „writer“ zu sein – auch wenn dieses Motiv in Deadly Dust noch nicht stärker ausgearbeitet wird. Auffällig ist an Ein Dichter ferner, wie hier Züge der reißerischen Kolportage noch recht unvermittelt neben den traditionellen Motiven des Abenteuerromans stehen.
Dass Karl May gelegentlich unter der Willkür seiner Redakteure zu leiden hatte, ist spätestens durch das Kapitel „In der Heimath“ belegt, das von Heinrich Keiter einfach aus der Erstausgabe vonKrüger Bei (Band 21 der Gesammelten Werke) herausgestrichen wurde und dessen Manuskript erst 1997 im Band 79, Old Shatterhand in der Heimat, das Licht einer breiten Öffentlichkeit erblickte. Manchmal griff aber auch der Dichter selbst zum Rotstift; sowurden zwei Episoden aus der Jugenderzählung Der Sohn des Bärenjägers nicht in die spätere Buchausgabe Die Helden des Westens (heute Band 35 der Gesammelten Werke, Unter Geiern) übernommen. Wir machen den Leser darum in dem vorliegenden Band mit Jemmyshumoristischem Bärenabenteuer, aber auch mit der Sage von Häuptling Feuerwasser und Winnetous Erzählung vom Beginn seiner Freundschaft mit Old Shatterhand bekannt.
Drei weitere kurze Texte (Jagd auf wilde Truthühner in Texas, Der erste Elk und Im Mistake-Cañon) zählen zum Kreis jener Arbeiten, die May nach Illustrationen verfasste, die er zur Inspiration vorgelegt erhielt. Die wenigen Zeilen über die Truthuhnjagd sind wohl seit dem Erstdruck 1890 in einer Zeitschrift noch nie in Buchform erschienen; die beiden anderen Kurzerzählungen hat May selbst in den ersten Teil des Old Surehand eingearbeitet, wodurch aber – vor allem im Fall des Mistake-Cañon – der wichtige Zusammenhang zwischen Text und Bild verloren ging. Wir haben den kurzen Skizzen die dazugehörigen Bilder an die Seite gestellt und dokumentieren so eine wichtige Inspirationsquelle Mayscher Fantasie: die Illustration.
Bei der Zusammenstellung des vorliegenden Bandes sind wir weder der chronologischen Reihenfolge der Erzählungen noch ihrem Erscheinen in bestimmten Zeitschriften gefolgt, sondern haben sie den Schauplätzen entsprechend zusammengestellt. Die ersten neun Beiträge spielen in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Mexiko,Tui-Fanua und das ceylonesische Abenteuer in der Südsee bzw. im Orient. Den Abschluss bilden vier Texte aus der Heimat: die bislang mit Ausnahme der Eingangsszene noch nicht im Rahmen derGesammelten Werke abgedruckte Dessauer-Humoreske Der Amsenhändler, dann Ein Stücklein vom alten Dessauer, später zur groß angelegten Geschichte Der Pflaumendieb erweitert (vgl. Band 42 der Gesammelten Werke), und zwei humoristische Arbeiten aus Mays Frühzeit, die der Dichter ebenfalls an anderer Stelle neu bearbeitete; die Zweit- bzw. Langfassungen finden sich in Band 47 der Gesammelten Werke.
Diese Texte, die in Mays erste Redakteurs- und Schriftstellerzeit gehören (nurDer Amsenhändler ist erst später, 1883, publiziert worden) zeigen, wie geschickt er die immergleichen Motive neu zu komponieren, zu variieren und zu kombinieren verstand. So bietet der vorliegende Band wieder einmal einen Blick auf den unbekannteren Karl May. Für wertvolle Hinweise und Vorschläge bei der Auswahl der Erzählungen sind wir Herrn Dr. Gert Horatschek, Kiel, zu Dank verpflichtet.
Christoph F. Lorenz
„Damn! Wenn das so fortgeht, so soll mich der Teufel holen, wenn wir nur die Schwanzhaare eines einzigen Komantschengaules zu sehen bekommen!“
Der Mann, welcher diese Worte sprach, war eine breite, herkulische Gestalt, aus der, wenn sie von Holz gewesen wäre, man füglich zwei lebensgroße menschliche Figuren hätte schnitzen können. Seine gewaltigen Beine steckten in einem Paar langer Wasserstiefel, die er bis an den Leib herangezogen hatte, der von einer hirschledernen Weste bedeckt wurde, über welcher eine aus starker Büffelhaut gefertigte Jacke hing. Auf dem Kopf trug er eine hohe Mütze, die von einer ganzen Menge von Klapperschlangenhäuten umwunden war. Sein Gesicht sah ganz so aus wie die Gegend, in der er sich befand: Es war so dicht bewaldet, dass man nur die Nase und die beiden Augen zu unterscheiden vermochte. In der Hand trug er eine doppelläufige Kentuckybüchse und in dem alten Schal, den er sich um die Hüfte geschlungen hatte, steckte neben einer alten Drehpistole ein Jagdmesser, das mehr einem Hirschfänger als einem Messer glich.
Er wühlte in einem Haufen von Holzasche herum, der den Boden bedeckte und den unumstößlichen Beweis führte, dass hier ein ungewöhnlich großes Feuer gebrannt habe.
„Sage einmal, Fred“, fuhr er verdrießlich fort, „wie lange es wohl her ist, dass diese Asche heiß gewesen ist?“
„Das Feuer ist gestern früh verlöscht“, lautete die schnelle, entschiedene Antwort.
Der Mann, welcher sie gab, war bedeutend jünger als der vorige. Er mochte höchstens fünfundzwanzig Jahre zählen und war ganz in einem jener indianischen Anzüge gekleidet, welche die Savannenstutzer zu tragen pflegen und an denen die Verfertigerinnen Jahre lang zu arbeiten haben. Trotz dieses sauberen Anzugs aber hatte er nicht das Aussehen eines Sonntagsjägers. Man erkannte an seinem starken Nacken die Narbe eines tiefen Messerschnitts, und über die eine Wange zog sich die Spur eines Hiebs, welcher jedenfalls von einem Tomahawk herrührte. Seine Waffen bestanden aus einem Henrystutzen, aus dem man, ohne wieder laden zu müssen, fünfundzwanzig Schüsse tun kann, einem Bowiemesser und zwei Revolvern.
„Richtig!“, stimmte der Riese bei. „Man sieht, dass du kein Neuling mehr bist wie vor zwei Jahren, als ich dich in die Schule nahm. Aber was hilft uns das jetzt? Die Kameraden sind tot, die Pferde gestohlen und die Nuggets geraubt, die wir uns da drüben in Kalifornien zusammengesucht haben, um auch einmal im Osten den Gentleman spielen zu können. Nun rennen wir hinter diesen verdammten Komantschen her und können sie zu Fuß doch nicht einholen. Aber wehe den Halunken, wenn ich, Bill Holmers, über sie komme!“
Er erhob die Faust und schüttelte sie drohend nach Süden hin.
„Ich denke, wir werden schon noch zu dem Unsrigen kommen“, meinte der, den er Fred genannt hatte.
„Denkst du? Ah?“
„Ja.“
„Nun?“
„Die Spur, die wir verfolgen, führt nach dem Rio Pecos, der durch die Sierra Rianca führt, und diese ist ja gegenwärtig die Grenze zwischen dem Gebiet der Komantschen und Apatschen.“
„Was hat das mit unsern Pferden und Nuggets zu tun?“
„Sehr viel! Die Komantschen, welche uns bestohlen haben, können von jetzt an zu jeder Zeit einer Truppe Apatschen begegnen und dürfen also nicht mehr ohne Kundschafter vorwärts gehen. Was folgt daraus, Bill?“
„Hm, dass sie gezwungen sein werden, langsamer zu reiten. Deine Ansicht ist nicht übel! Man sieht es, dass du bei mir in die Schule gegangen bist, und darum will ich dir nicht übel nehmen, dass du diesen tröstlichen Gedanken eher gehabt hast als ich. Die Apatschen fürchtest du also nicht?“
„Nein. Sie sind jetzt den Bleichgesichtern freundlich gesinnt. Sie sind überhaupt edler und tapferer als die Komantschen und besonders seit die meisten ihrer Stämme dem großen Rimatta gehorchen, kann sich ein Jäger mit Vertrauen zu ihnen wagen.“
Da raschelte es hinter ihnen. Beide fuhren blitzschnell herum und erhoben ihre Büchsen. Vor ihnen stand ein Indianer, beinahe so gekleidet wie Fred, nur dass sein eigenes Haar die einzige Kopfbedeckung bildete, welche er trug, und in seinem Gürtel ein Tomahawk von sehr kostbarer Arbeit blitzte. Seine großen dunklen Augen blickten sehr zuversichtlich auf die beiden Jäger, und die Rechte leicht zum Gruße erhebend, sprach er mit freundlicher Stimme:
„Die Bleichgesichter mögen ruhig sein; der rote Mann wird sie nicht töten.“
„Oho!“, antwortete Bill Holmers. „Das wollten wir uns auch verbitten!“
Der Indianer lächelte.
„Haben meine weißen Brüder den Schritt des roten Mannes gehört? Seine Büchse konnte sie töten, ehe sie ihn bemerkten.“
„Das ist wahr!“, gestand Holmers.
„Aber der rote Mann hat die Worte seiner weißen Brüder vernommen; sie sind Feinde der Komantschen und Freunde der Kinder der Apatschen; er wird sich zu ihnen setzen und die Pfeife des Friedens mit ihnen rauchen.“
Er setzte sich ohne Umstände da, wo er stand, auf den Boden nieder, nahm das mit Federn geschmückte Kalumet von der Halsschnur, stopfte es aus dem Beutel, welcher an seinem Gürtel hing, und steckte den Tabak mit Hilfe seines Punks[1] in Brand.
Die beiden Jäger nahmen ihm gegenüber Platz.
Er sog den Rauch seiner Pfeife sechsmal ein, stieß ihn nach den vier Himmelrichtungen, dann empor zur Sonne und endlich nieder zur Erde von sich und gab nachher das Kalumet an Holmers.
„Der große Geist ist mit den Apatschen und mit den weißen Männern. Ihre Feinde seien wie die Fliegen, welche vor dem Rauch unserer Feuer fliehen!“
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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