Der Clan der Highlanderin - Eva Fellner - E-Book
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Der Clan der Highlanderin E-Book

Eva Fellner

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Beschreibung

Der Zorn einer furchtlosen Kämpferin.

Schottland, 1314: Enja führt mit ihrem Ehemann, dem Schotten James ein Leben zwischen Krieg und Tod im Kampf gegen die Engländer. Doch trotz ihrer großen Liebe wird Enjas Vertrauen erschüttert, als eine schwangere Frau aus James’ Vergangenheit auftaucht. Enja stürzt sich mit den Schotten in den Kampf um Irland und begegnet einem Söldner, der ihr auffallend ähnlich ist. Er stammt aus dem Dorf, in dem sie aufgewachsen ist, und schürt in ihr die Sehnsucht nach der Heimat. Doch ihr Herz schlägt für die Highlands, für ihren Clan – und für James. Sie muss eine schwerwiegende Entscheidung treffen ... 

Ein rasanter historischer Roman vor der atemberaubenden Kulisse der schottischen Highlands mit einer unvergesslichen Heldin.

Im Frühjahr 2024 gehen die Abenteuer der Highlanderin im neuen Roman "Der Kampf der Highlanderin" weiter!

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Seitenzahl: 689

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Über das Buch

Das Leben der Clanführerin Enja auf der Burg Caerlaverock inmitten der schottischen Highlands ist noch immer von der Bedrohung durch die Engländer geprägt. Die Liebe zu ihrem Mann James ist groß, doch eines Tages taucht eine rätselhafte Frau auf der Burg auf. Sie scheint James gut zu kennen – und sie ist schwanger. James will Enja nicht die Wahrheit über die Identität der Fremden sagen. Als der schottische König Enja als Spionin nach Irland schickt, zögert sie nicht. Sie braucht Abstand von James – und begegnet kurz darauf dem gefürchteten Söldner Ragnar, der ihr im Kampf ebenbürtig ist und zu dem sie sich auf seltsame Weise hingezogen fühlt.

Über Eva Fellner

Eva Fellner, mit vollem Namen Eva Fellner von Feldegg, wurde 1968 im oberbayerischen Murnau geboren und arbeitete zunächst als Chefredakteurin einer Fachhandelszeitschrift. Sie gründete eine Agentur für digitales Marketing und unternahm zahlreiche Reisen. Neben asiatischer Kampfkunst interessiert sie sich schon immer für die Welt des Mittelalters.

Im Aufbau Taschenbuch sind bereits ihre Romane „Die Highlanderin“ und „Der Weg der Highlanderin“ erschienen.

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Eva Fellner

Der Clan der Highlanderin

Historischer Roman

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Informationen zum Buch

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Widmung

Prolog — Schottland, Caerlaverock im Januar 1315

1. Kapitel — Dumfries, zwei Nächte zuvor

2. Kapitel — Caerlaverock im Januar 1315

3. Kapitel — Zur selben Zeit in der Provinz Connacht, Irland

4. Kapitel — Irland im Februar 1315

5. Kapitel — Burg Dunguaire, im Frühjahr 1315

6. Kapitel — Bennettsbridge, im Februar 1315

7. Kapitel — Roscommon, Irland am 12. April 1315

8. Kapitel — Tower of London, Anfang Juli 1315

9. Kapitel — Irland, Grafschaft Offaly am 13. April 1315

10. Kapitel — Irland, Connor, Anfang September 1315

11. Kapitel — Irland, Grafschaft Offaly, Juni 1315

12. Kapitel — Wales, Holyhead im September 1315

13. Kapitel — Irland, Kloster Clonmacnoise im September 1315

14. Kapitel — Irland, Connacht, Anfang Oktober 1315

15. Kapitel — Irland, Burg Dunguiare, November 1315

16. Kapitel — Irland, Burg Dunguaire, Dezember 1315

Nachwort der Autorin

Impressum

Wer von diesem historischen Roman begeistert ist, liest auch ...

Diesen Roman widme ich all meinen Freunden, die mich so tatkräftig unterstützt haben. Einen ganz lieben Dank!

Prolog

Schottland, Caerlaverock im Januar 1315

Die kalte Winternacht war früh über die Burg Caerlaverock hereingebrochen und ließ die Menschen schon weit vor Mitternacht einen warmen Schlafplatz suchen. Das mächtige Mauerwerk ragte still aus dem es umgebenden See. Seit einigen Jahren war es der schottische Sitz des Clans, den Lady Enja Douglas in Abwesenheit ihres Mannes James führte. Nur die Wachen auf den Turmmauern beobachteten aufmerksam die Umgebung, um etwaige Feinde anzukündigen. In dieser klaren Winternacht war es von dort oben möglich, viele Meilen ins Land hineinzublicken.

Im großen Saal hatte die Magd kurz zuvor armdicke Holzscheite nachgelegt, um die Glut bis zum nächsten Morgen zu halten. Sie selbst hatte sich in der Küche schlafen gelegt. Ruhe war in der Burg eingezogen, wo am Tage reger Betrieb herrschte. Nur ab und zu war ein Schnarchen oder Husten unter den Deckenbündeln zu hören, die den großen Saal belagerten. Menschen, Hunde und Katzen hatten sich in den einzigen warmen Raum zurückgezogen, der auch vom einfachen Volk als Schlafquartier benutzt werden durfte.

Die von den Frauen von Caerlaverock geknüpften Wandteppiche hingen schwer über dem mannshohen Kamin. Orientalische Teppiche, Instrumente und Sitzkissen waren ordentlich aufgereiht oder aufgehängt. Wappenschilde, Waffen und allerlei Wertgegenstände aus Raubzügen ergänzten die Dekoration in dem von einer geschnitzten Holzdecke überspannten Saal. In die Stille hinein prasselten und spuckten die Holzscheite, die wohl noch ein wenig feucht waren.

Nur ein Mann war noch wach. Er hatte sich vor das Feuer auf einen der aufwändig geschnitzten Stühle mit hoher Lehne gesetzt. Über seinen von der Gicht geplagten Knien lag eine Decke, die Füße steckten in dicken Filzsocken. Der alte Mann saß vornübergebeugt und zog genüsslich an seiner Pfeife. Rauch und feiner Tabak mischten sich mit den scharfen Gerüchen des Feuers. Seine erblindeten Augen starrten hinein, ohne etwas zu sehen. Nur sein Gehör sagte ihm, dass die Zeit der Stille gekommen war. Gotfrid war alt, er hatte das siebzigste Lebensjahr vollendet. Der alte Medicus konnte nichts sehen und kaum laufen, aber sein Verstand arbeitete noch so gut wie früher.

»Es wird langsam Zeit zu sterben«, murmelte der alte Heiler. Weißer Qualm tanzte ein wenig vor seiner Nase und verflüchtigte sich dann. Der Geruch des Tabaks übertünchte die Ausdünstungen von Mensch und Tier. Gotfrid hatte viele Menschen überlebt, fast drei Generationen hatte er kommen und gehen gesehen.

Als junger Mann hatte er noch mit Isaak, dem alten Meister Enjas, die Kreuzzüge der Engländer und Franzosen begleitet. Er war Leibarzt des englischen Königs Edward I. gewesen, bevor er sich nach der Schlacht von Bannockburn dem schottischen König Robert de Bruce angeschlossen hatte.

Wieder nahm er einen Zug aus der Pfeife, die von seinen knotigen Fingern ganz abgegriffen war. Ein krächzendes Husten aus dem Saal lenkte ihn kurzzeitig von seinen Gedanken ab, bevor ein Räuspern wieder für Ruhe sorgte.

Vor acht Jahren hatte er Enja im Heerlager der Engländer zum ersten Mal getroffen. Die mutige Frau war in die Höhle des Löwen gekommen, um seinem damaligen König und Brotherrn zu helfen. Er war erzürnt darüber gewesen, dass eine Heilerin aus dem feindlichen Lager, noch dazu eine Frau, König Edward überhaupt so nahekommen durfte. Aber gegen die Anordnung des damaligen Befehlshabers Aymer de Valence konnte Gotfrid sich nicht durchsetzen.

Gut so, lächelte der alte Medicus in sich hinein, sonst hätte er diese unglaubliche Kriegerin und hochtalentierte Heilerin wohl nie kennengelernt. Enja hatte es damals geschafft, den König für wenige Stunden aus der Bewusstlosigkeit zu holen. Sie verriet ihm später, was sie ihm verabreicht hatte: ein hochdosiertes Opiat, das sie aus dem Orient kannte. Gestorben war der König dann doch, und sie hatte ohne die versprochene Belohnung fliehen müssen.

Seine letzten Jahre durfte Gotfrid nun in ihrer Obhut in Caerlaverock verbringen, und sie tauschten ihr Wissen untereinander aus. Auch die jungen Frauen und Männer, die Enja in ihrer Burg ausbildete, profitierten davon.

Zusammen arbeiteten sie an Enjas Lebenswerk: Sie suchten nach einem Mittel, das den Wundbrand verhindern konnte. Leider starben immer noch zu viele verwundete Krieger daran. Wundbrand war tödlich, aber Isaak musste wohl ein Heilmittel dagegen gefunden haben. Mithilfe seiner Aufzeichnungen und ihres gemeinsamen Wissens waren sie kurz davor, eine wirksame Medizin zu finden.

Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Diese Frau war aus der Fremde gekommen und hatte in Schottland die Herrschaft über Caerlaverock angetreten. Doch die Gesellschaft war noch nicht so weit, die Fesseln des Patriarchats abzustreifen und einer Frau den gleichen Handlungsspielraum zuzugestehen. Mit ihrer Heirat von James Douglas war zumindest ihr Adelstitel gesichert. Aber sie hatte nicht erreicht, wonach sie sich sehnte: Unabhängigkeit von ihrem König und ihrem Mann. Vielleicht, so überlegte der Alte weiter, wird sie eines Tages wirklich aufbrechen, um ihre Heimat und ihre Wurzeln zu finden. Wenn seine Instinkte ihn nicht trogen, musste sie von Island stammen. Die Sehnsucht nach diesem unbekannten Ort, den sie als Kind verlassen musste, stand oft in ihren schönen Augen. Gotfrid brauchte sie nicht zu fragen, denn sie würde es natürlich nie zugeben, aber hier in Caerlaverock würde sie sich immer als Fremde unter Freunden fühlen.

Aber das war es nicht, was ihn in dieser Nacht den Schlaf kostete. So aufgewühlt waren seine Gefühle schon lange nicht mehr gewesen wie an diesem schrecklichen Tag, den die Bewohner Caerlaverocks nie vergessen würden. Und für Gotfrid waren die zurückliegenden Geschehnisse ein weiterer Beweis menschlicher Niedertracht.

Als sie das junge Mädchen ins Krankenlager der Burg gebracht hatten, war die Gruppe um den reisenden Kaufmann völlig aufgebracht gewesen. Sie waren auf dem Weg nach Caerlaverock von einem Trupp englischer Soldaten überrascht worden, deren Hauptmann die junge Tochter des Kaufmanns im Lauf des Abends geschändet hatte. Es war ein brutaler Akt gewesen, den die junge Frau kaum überlebt hatte. Die völlig verängstigte Gruppe brachte das Mädchen nach Caerlaverock. Aber selbst Enja konnte nichts mehr für sie tun. Sie erlag ihren schweren Verletzungen kurz nach der Ankunft in der Burg.

Gotfrid brauchte keine Augen, um zu erkennen, welchen Aufruhr diese Tat bei Enja und den Bewohnern ausgelöst hatte. Sie brauchten einige Stunden, um sich einen Plan zurechtzulegen, wie sie diesem englischen Hauptmann eine Falle stellen konnten. Noch bevor die Leiche des Mädchens begraben war, hatte sich Enja mit ihren Gefährtinnen aufgemacht, ihren Tod zu sühnen.

Ein Schauer ging durch Gotfrids alten Körper. Er konnte sich nur allzu gut ausmalen, was dem Verbrecher blühte. Es war Enjas gutes Recht, den Täter zur Rechenschaft zu ziehen, denn das Verbrechen war auf ihrem Grund und Boden geschehen.

Tief in der Nacht war sie mit ihrer Horde zurückgekehrt. Er war kurz aufgewacht, als sie durch die Halle in ihre Kammern gingen. Seine Gedanken waren trotz seines Alters immer noch klar, aber ein seltsames Schlafbedürfnis übermannte ihn regelmäßig und fesselte ihn an diesen Stuhl. Er zog ihn einem Siechbett vor. Hier in der Halle wollte er seine letzten Stunden verbringen, und zwar an seinem Lieblingsplatz, an dem sich die Menschen Geschichten erzählten und der Musik lauschten. Wie in letzter Zeit häufiger legte sich ein Schleier über seine Gedanken.

Zufrieden lehnte sich der alte Medicus zurück und schloss die faltigen Lider. Tief hatten sich die Lebenslinien in sein Gesicht gegraben, das jetzt endlich die Entspannung offenbarte, die der Schlaf mit sich brachte. Die Hand mit der Pfeife senkte sich langsam nach unten, heiße Asche fiel in Klümpchen auf den Steinboden. Sie verglühte langsamer, als der Tod brauchte, den alten Mann endlich heimzuholen.

1. Kapitel

Dumfries, zwei Nächte zuvor

Dunkle Wolken zogen vor den Mond, der nur als schmale Sichel erkennbar war. Die einsetzende Dunkelheit machte den unebenen Weg zu einer wahren Herausforderung. Hauptmann Roger Mortimer Montgomery, Offizier im Dienste König Edwards II. und bis vor ein paar Tagen noch Befehlshaber auf der Burg Craigmillar, fluchte ungehalten in die Nachtstille hinein. Die wurde nur von dem gleichmäßigen Getrappel und dem Schnaufen der Pferde seines Trupps unterbrochen.

»Wenn es noch dunkler wird, halten wir am Wegesrand, bevor die verdammten Viecher sich verletzen«, rief er ungehalten seinem Leutnant neben sich zu, der sich tief in seine Decke verschanzt hatte, um sich vor der feuchten Kälte zu schützen. Kleine Wölkchen bildeten sich vor seinem Mund und verschwanden in der Schwärze um ihn herum.

Der Angesprochene erwiderte nur mit einem unverständlichen Murmeln tief aus dem Innern seines Umhangs, und eigentlich interessierte es Sir Montgomery auch gar nicht, was sein Offizier zu sagen hatte. Ihm war einfach danach, diese tückische Stille zu unterbrechen, die ihn sich wie der Schlund der Hölle einverleibte. Der Klang seiner eigenen Stimme hatte etwas Beruhigendes, selbst für ihn, den nichts so leicht aus der Fassung bringen konnte.

Der Fackelschein der beiden Kundschafter, die seinem Trupp vorausritten, reichte gerade so weit, dass sein Pferd den Weg finden konnte. Kühle, feuchte Luft überzog jede Kleidung, jedes Haar und jedes Stück Fell mit einem klammen Schimmer, der die Männer erschaudern ließ.

Selbst in seinen langen Reitumhang kroch langsam und unerbittlich die Kälte. Die Füße in seinen Stiefeln spürte er schon lange nicht mehr. Hoffentlich fanden sie diese verfluchte Herberge, die sein Leutnant empfohlen hatte, bevor es Mitternacht wurde. Müdigkeit und Frust begleiteten ihn und seine sechzig Männer seit der unrühmlichen Flucht von Craigmillar Castle. Es war eine der letzten englischen Bastionen gewesen, die den Schotten trotzig standgehalten hatten. Er hätte die Burg nicht mehr lange verteidigen können, die Vorräte waren erschöpft. Seine Entscheidung, sich und seine Männer zu retten, war sicher nicht heldenhaft. Aber auf diese Weise, so rechtfertigte er den Entschluss vor sich selbst, konnten sie an einer anderen Stelle die englischen Grenzen verteidigen. Ein feiger Zug, um die eigene Haut zu retten, würde ihm jedoch sein König vorwerfen: Anstatt heldenhaft in den Tod zu gehen, war er lieber mit eingekniffenem Schwanz geflohen. Feigheit vor dem Feind! Diese Entscheidung würde für immer mit seinem Namen verbunden bleiben.

Bitterkeit kroch seinen Magen hoch. Er würde sich etwas einfallen lassen müssen, um sein Gesicht zu wahren. Erst einmal in London, würde sich seine Flucht schon richtig darstellen lassen. Vielleicht, so sinnierte er diabolisch, hatte der Schottenkönig ihn persönlich mit einem Trick aus der Burg gelockt? Diesem Usurpator war doch alles zuzutrauen …

Der nächste strategische Haltepunkt war Carlisle, dort sollte es noch eine Burg unter englischer Kontrolle geben, die den Schotten die Stirn bot. Einige entbehrungsreiche Tage und Nächte in der unwegsamen Landschaft der Highlands lagen hinter ihnen, die für ihn nicht die Schönheit der Natur, sondern Hinterhalt und Gefahr geborgen hatten. Wie konnten diese feigen Barbaren nur in einem solchen Land hausen mit nichts als den Sternen über ihren verdammten Sturschädeln! Vermutlich hatten sie nicht nur die gleiche Knochenbeschaffenheit, sondern auch noch das dicke Fell dieser zotteligen Biester, die in den Highlands gezüchtet wurden, schlussfolgerte Hauptmann Montgomery kopfschüttelnd.

In seiner Wut über die vertrackte Lage grübelte er auch über die Andersartigkeit dieses schottischen Volkes, das aus Bauern und ungebildeten Tagelöhnern bestand, die seinen gut ausgebildeten Soldaten nicht das Wasser reichen konnten. Die Sprache, die Traditionen, der Stolz – was war es, was diese Schotten dazu antrieb, ihr Leben für solch ein unwirtliches Land zu geben?

Es war richtig gewesen, die Schotten einem führungsstarken englischen König unterzuordnen. Sie waren doch gar nicht dazu in der Lage, sich selbst zu regieren! Das Chaos der letzten Jahre hatte es eindeutig gezeigt. Und doch fühlte er sich zur schmählichen Flucht aus dem Land gezwungen, das seinem König Edward II. von England rechtmäßig zustand. Der geächtete Schottenkönig Robert de Bruce musste in seine Schranken verwiesen werden! Allein seinem Sieg in Bannockburn vergangenes Jahr hatte es dieser Thronschleicher, der sich selbst zum König ernannt hatte, zu verdanken, dass die Schotten wieder Aufwind bekommen hatten. Er war es, der sich Land und Leute für seinen Zweck Untertan machte, der dem rechtmäßigen englischen König Steuern und Lehen unterschlug und selbst die einfachsten Bauern gegen die Engländer aufwiegelte.

Angewidert über seine dunklen Gedanken spuckte der königstreue Hauptmann aus und zog sich seinen Umhang fester um die Schultern. Es wurde Zeit, den Barbaren ein für alle Mal zu zeigen, wer in diesem Land das Sagen hatte. Aber ein politisch schwacher Edward versagte seinen Soldaten die nötige Rückendeckung. Schon mehrmals hatte er als treuer Hauptmann der englischen Armee angemahnt, die strategischen Posten in Schottland mit größeren Truppen zu verteidigen, aber die Antwort aus London ließ auf sich warten. Der König sei gerade mit seinen umliegenden Ländereien schwer beschäftigt, hieß es als Antwort auf jede seiner dringenden Petitionen, weitere Verstärkung sei nicht zu erwarten. Wie bittere Galle lastete der Nachgeschmack der Worte seines Boten noch auf seiner Zunge.

Freiwillig und mit tiefer Enttäuschung hatte Montgomery Craigmillar Castle bei Nacht und Nebel verlassen, ohne einen Nachfolger zu benennen. Die Burg lag mitten im Feindesland, es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die Schotten vor seinem Tor gestanden hätten, um die Übergabe einzufordern. Die Versorgung per Schiff war wegen der schottischen Piraten nicht mehr möglich. Er und seine Männer waren dort oben hoch im Norden regelrecht eingekesselt gewesen. Sicher wären er und seine Soldaten niedergemetzelt und die Köpfe auf Pfähle aufgespießt worden …

Unwillkürlich zog er den Umhang fester zu, allein der Gedanke ließ ihn erschaudern. Es war seine Idee gewesen, sich ohne Gegenwehr aus dieser ausweglosen Situation zu retten. Erst vor wenigen Tagen hatte er sich im Schutz der Dunkelheit mit seinem Bataillon aus den vermeintlich sicheren Mauern der Burg in Richtung England geschlichen.

Schon seit geraumer Zeit hatten Hunger und Krankheit die gesamte Insel wie eine Plage Gottes heimgesucht und vor keiner Mauer Halt gemacht. Die Vorräte waren knapp geworden, seine Soldaten fingen an zu klagen. Sie hätten keine Woche Belagerung überlebt. Alte und Kranke, Frauen und Kinder wurden bei seiner überstürzten Flucht gnadenlos sich selbst überlassen. Sollten die doch sehen, wie sie mit den Schotten klarkamen!

Montgomery schüttelte diese Überlegungen ab wie lästige Fliegen. Er hatte keine Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen. Er musste seine wenigen noch kampftauglichen Männer in Sicherheit bringen – und zwar auf englischen Boden und besser noch nach London. Heute Nacht hatten sie das Feindesland endlich hinter sich gelassen. Fernab der stark benutzten Hauptwege schlich er sich mit seinem Trupp durch die dunklen Wälder über die englische Grenze.

Eigentlich hätte er nun erleichtert sein können. Aber ein untrügliches Gefühl sagte ihm, dass die Schotten für die Jagd auf ein paar englische Soldaten auch gerne mal die Grenzpfosten verschoben. Zum hundertsten Mal blickte sich der nervöse Hauptmann nach seinem Trupp um, konnte aber nur die zahlreichen Fackeln sehen, die sich im Dunkeln hinter ihm den Weg entlang schlängelten. Sechzig Mann waren ihm geblieben. Sechzig Mann, die noch laufen und reiten konnten. Aus der Burg hatten sie alle verbliebenen Vorräte mitgenommen. Sie sollten die wenigen Tage reichen, bis sie Carlisle erreicht hatten. Von dort könnten sie mit neuem Proviant weiter nach London reiten.

Der Ruf eines Fährtenlesers ließ ihn zusammenfahren. »Licht voraus!«, kam es dumpf von der zusammengekauerten Gestalt auf dem struppigen Pony vor ihm. Sofort hielt der ganze Trupp an. Das Hufgetrappel mündete in nervösem Gewieher und Schnauben der erschöpften Pferde, die seit Tagen den ersten Stallgeruch witterten.

»Das muss die Herberge sein, Hauptmann«, mutmaßte sein Leutnant. Er war ein untersetzter Waliser mit starkem Akzent, der nun auf einen erleuchteten Punkt in der Ferne zeigte. »Ich bin mir sicher!«, setzte er noch hinterher, als er die Skepsis seines Befehlshabers spürte.

Hoffnung keimte in Montgomery auf. Hoffnung auf ein warmes Abendessen, auf ein warmes Bett und Wasser, um sich zu waschen. Nichts war ihm mehr zuwider als der Gestank von nassen Pferden und deren Reitern.

Mit Widerwillen dachte er an die Tochter des fahrenden Kaufmanns, deren Weg sie vor wenigen Tagen gekreuzt hatten. Eine exotische Schönheit mit dunklen, geheimnisvollen Augen. Aber ihrem Körpergeruch nach zu urteilen hatte sie seit Wochen kein Bad mehr gesehen. Sie hatten an einer Flussbiegung ihr Nachtlager aufgeschlagen, als die Kaufleute vorbeizogen. Deutlich sah er in seiner Erinnerung ihr hübsches Gesicht vor sich. Sie wollte nichts mit ihm zu tun haben und ging ihm aus dem Weg. Aber er hatte sich die scheue Göre gegriffen, schließlich war er ein englischer Lord und konnte sich die Frauen aussuchen!

Seine Männer hatten das verdammte Weib festgehalten, während er ihr einige Male ins Gesicht schlug, um sie gefügig zu machen – so lange, bis sie zu wimmern anfing. Welch Vergnügen, zu sehen, wie ihre Verweigerung unter seinen Fäusten zerbrach wie Eis unter seinem Stiefel. Da war eine Wut in ihm, etwas Animalisches, das immer hervortrat, wenn eine Frau ihn wegzustoßen versuchte. Sie hatte entsetzt den Kopf geschüttelt, als er ihr lachend prophezeite, dass sie für das kolossale Vergnügen seiner Gesellschaft bezahlen werde. Dieses wertlose Geschöpf hatte ihm kein Wort geglaubt.

Mit einem Ruck hatte er sie auf den Bauch geworfen. Dann hatte er sie von hinten genommen und dabei seinen Trieben freien Lauf gelassen. Immer wieder riss er ihren Kopf an den langen schwarzen Haaren zurück, damit er ihr ins Gesicht sehen konnte. Das Leiden seines Opfers stachelte ihn nur an.

Er war wie im Rausch gewesen. Seine ganze Wut, der Frust und das Gefühl der Feigheit waren durch diesen Akt abgeflossen. Er hatte diesem Weib gezeigt, was es hieß, Macht zu haben – Macht über ihren Körper und über einen Menschen, der ihn nicht ernst genommen hatte. Das restliche Pack hatte er von seinen Männern vertreiben lassen, als einige zugegebenermaßen mutige Begleiter versuchten, das Schlimmste zu verhindern. Vor seinen Männern war er in diesem Moment wieder der ganze Kerl gewesen, der er eigentlich auch war. Der Kaufmann hatte ihm doch tatsächlich noch mit Rache gedroht. Als wäre einer mehr oder weniger schon wichtig! Dieses nichtsnutzige Gesindel sollte doch bei den Schotten Unheil stiften …

Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als vor ihnen ein Gebäude in der Dunkelheit auftauchte, aus dessen Tür ein Lichtschein fiel. Das musste die Herberge sein, von der sein Leutnant gesprochen hatte. Zügig schloss er zur Spitze der Truppe auf.

Ein Mann mit einer Laterne trat heraus und blickte den Soldaten entgegen. Es war ein untersetzter Kerl mit langem Bart. Mehr war im schwachen Lichtschein nicht zu erkennen. Vermutlich war es der Wirt.

»Wer seid ihr?«, fragte der Mann ungehalten über den Ansturm zu so später Stunde. Montgomerys Frust über den ungastlichen Empfang stand ihm ins Gesicht geschrieben.

»Sir Roger Montgomery, Hauptmann der königlichen Streitmacht Edwards II., und seine Soldaten«, kündigte sein Leutnant sie mit lauter Stimme an. »Wir verlangen nach einer Unterkunft und zu essen!«

Obwohl diese Worte keine Widerrede duldeten, erdreistete sich der Wirt, in seinem schweren schottischen Akzent zu fluchen. Vielleicht ahnte er, dass ihm die englische Gruppe Ärger bereiten würde.

In den Grenzregionen verwischten die Sprachgrenzen. Viele der Menschen hier hatten schottische Wurzeln. Montgomery fühlte sich aber in Sicherheit, denn er befand sich eindeutig auf englischem Boden.

»Ich habe nur Platz für zehn Gäste, der Rest kann es sich im Hof gemütlich machen. Die Pferde finden im Stall genug Heu und Wasser«, erklärte sein Gegenüber unwirsch. Der stämmige Wirt hatte die Fäuste in die Hüften gestemmt. Breitbeinig stand er vor den Pferden Montgomerys und seines Leutnants und ließ sich nicht einschüchtern. Verdammtes schottisches Großmaul!

Ein widerwilliges Nicken des Hauptmanns ließ den untergebenen Offizier schließlich nachgeben. »Fünfzehn von uns dürfen in die Stube«, rundete der Leutnant großzügig auf, »aber der Rest bekommt draußen warme Suppe, Brot und Ale. Hast du mich verstanden, Wirt?«

Mit einem undefinierten Brummen bekundete der Wirt auf typisch schottische Art sein Missfallen. Doch schließlich drehte er ihnen den Rücken zu, stapfte durch die Holztür und ließ sie als stumme Einladung offen.

Hier im Grenzgebiet lebten die Menschen vor allem von den Reisenden. Gäste und Wirtsvolk respektierten einander, aber das hieß noch lange nicht, dass man sich mochte. Es war ein ungeschriebener Friedenspakt, um in dieser rauen Zeit und Gegend zu überleben.

Montgomery ließ sich erleichtert vom Rücken seines robusten Pferdes gleiten. Schmerz schoss ihm nach dem langen Ritt in die Beine und ließ ihn eine Weile dort stehen, wo er gelandet war. Erst nach ein paar Augenblicken und kräftigem Aufstampfen konnte er es wagen, sich einigermaßen sicher auf die offene Tür zuzubewegen. Erleichtert trat er in den warmen Lichtschein der Herberge.

Sein Leutnant würde sich um die Soldaten und Pferde kümmern. Er hatte sich jetzt erst einmal ein gutes Ale und eine warme Suppe verdient.

Nach dem Dunkel der Nacht kam ihm das Licht in dem kleinen Schankraum gleißend hell vor, obwohl nur wenige Kerzen die schäbige Stube erhellten. Eine große Feuerstelle gab ein wenig Wärme in dem dicht bestuhlten Raum ab. Die Luft war geschwängert von Rauchschwaden und Ausdünstungen feuchter Kleidung. Seine Sinne mussten sich nach der reinen Luft der schottischen Highlands erst wieder an den Geruch vieler Menschen gewöhnen. Blinzelnd sah er sich die grob behauenen Tische an, die unregelmäßig aufgereiht standen. Ein paar wenige Bänke waren besetzt, meist von Reisenden oder Händlern, die das Pech hatten, in dieser gottverdammten Gegend unterwegs zu sein. Desinteressiert blickten sie nur kurz von ihrem Kartenspiel oder ihrem Gespräch auf, als er durch die Tür trat, und setzten es dann ohne weitere Unterbrechung fort. Die meisten der Menschen hier interessierten ihn nicht besonders.

Anders gestaltete es sich mit einer Gruppe bewaffneter Highlander, die einen großen mit Bechern und Holztafeln übersäten Tisch in der Ecke ganz links belegt hatten. Mit ihren bärtigen und von der Kälte geröteten Gesichtern starrten sie ihn jetzt mit einer Mischung aus offener Feindseligkeit und belustigter Neugier an.

Sicher hatten sie schon in einigen Kämpfen den verhassten Engländern gegenübergestanden, mutmaßte Montgomery. Unauffällig schätzte er deren Kleidung und die zahlreichen Waffen unter dem Tisch ab. Hier drin herrschte der Gastfrieden, denn Freund und Feind vereinte das Bedürfnis nach Essen, Trinken und Wärme.

Hauptmann Montgomery straffte seine steifen Schultern und stakste – so stolz es sein eingerosteter Zustand zuließ – auf einen freien Tisch in der Mitte des Raumes zu. Die unfreundlichen Blicke, die er aus der schottischen Ecke erntete, ignorierte er genauso wie die offensichtlichen Scherze in deren gutturaler Sprache. Wenn ein Mann hungrig war, musste er essen, erinnerte er sich an einen Spruch seines Vaters, erst dann konnte er weiterkämpfen.

Tatsächlich vergingen auch nur ein paar Augenblicke, bis er seine Männer einen nach dem anderen müde und ausgekühlt in den Raum stolpern sah, um die restlichen Tische zu füllen. Der Hauptmann beobachtete aus dem Augenwinkel, wie die hochgewachsenen und kampferprobten Highlander jeden neuen Soldaten mit gesteigerter Aufmerksamkeit musterten. Ihre Gesichter verzogen sich zu Masken unverhohlenen Widerwillens. Insgesamt zählte Montgomery sechs dieser wilden Gestalten, die ihm nicht nur wegen ihrer Größe, sondern auch wegen ihrer Verhaltensweise missfielen. Einen massiven Krieger mit langem dunklem Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel, machte er eindeutig als Anführer der Schotten aus. Mit im Kerzenlicht pechschwarzen, unheilvollen Augen schien dieser ihn mit einer solch spürbaren Wut zu mustern, dass es ihn erschaudern ließ. Immer wieder spürte er die Blicke dieser Kerle abschätzig erst auf sich, dann auf seinen Männern ruhen. Ihm war deutlich bewusst, dass das Einzige, was die Anwesenden miteinander verband, die Aussicht auf ein warmes Bett und eine heiße Suppe war.

Letztere wurde auch sofort serviert, sobald seine abgezählten Mannen lautstark mit ihm am Tisch saßen und nach Essen brüllten. Der Lärm, der den Raum jetzt wieder erfüllte, lenkte Montgomery von seinen dunklen Gedanken ab.

Sein Blick wanderte zum Wirt, der unterdessen aus einem riesigen Eichenfass ein lauwarmes Gesöff zapfte, das Montgomery nicht im Entferntesten an Ale erinnerte, eher an Kuhpisse. Dafür schmeckte die Suppe umso besser. Tatsächlich schwamm neben ein paar Kräutern auch das eine oder andere Stückchen Fleisch in der dunklen Brühe. Die Frage, von welchem Tier, blendete der müde Hauptmann einfach aus. Löffel für Löffel kehrte wieder Leben in seinen Körper zurück, und jetzt erst fiel ihm auf, wer hier im Saal die Suppe servierte.

Direkt vor ihm stand eine winzige Frau mit einer viel zu großen Leinenkappe, deren Stoffzipfel ihr steif vom Kopf wegstanden. Sie grinste ihn geradezu frech an. Ihre großen Augen hatten ein intensives Blau, die ihm, wenn er saß und sie vor ihm stand, auf gleicher Höhe begegneten. Sie standen im starken Gegensatz zu den schwarzen Haaren, die in wirren Büscheln aus der Kappe lugten. Am auffälligsten aber war die Stimme der Zwergin.

»Noch eine Schüssel, du englischer Geck?«, kreischte sie so laut, dass ihm vor Schreck fast der Löffel entglitt.

Sein Gesicht hatte wohl etwas von seiner Überraschung verraten, daher erntete er ein obszönes Grinsen.

»Noch nie ’ne Frau gesehen, die sich zu heiß gewaschen hat, was?«

Die seltsame Figur vor ihm brach in ein groteskes Gelächter aus, das ihn an eine heisere Ziege erinnerte.

Ungläubig strich er sich mit der Hand über die Augen. Spielte ihm etwa die Müdigkeit einen Streich? Aber die unverschämte Zwergin blieb in seinem Blickfeld, und er hielt ihr ungeduldig seine Schüssel hin.

»Mach voll, Weib, bevor ich es mir anders überlege und dich am Spieß über das Feuer hänge!«, spie er ihr entgegen. Voller Verachtung musterte er sie, wie sie sich die viel zu große Schürze doppelt umgebunden und den überflüssigen Stoff um die Schultern drapiert hatte.

Keck legte die kleine Frau den Kopf schief, blinzelte den Hauptmann mit einem gekonnten Augenaufschlag an und säuselte, als hätte er ihr eben das größte Kompliment gemacht: »Ach, Hauptmann, so schlecht schmeckt die Suppe doch auch wieder nicht, oder? Ich habe noch ein paar Rattenfüße und Teufelspilze untergemischt, das ergibt diesen würzigen Geschmack.« Als hätte sie soeben selbst davon probiert, verzog sie das Gesicht in freudiger Verzückung und leckte sich die rosigen Lippen.

Der Hauptmann schluckte. Deutlich nahm er auch die Mienen seiner Kameraden wahr, die nun erschrocken in ihrem Geschlürfe innehielten. Sie hatten genau gehört, was die Zwergenfrau gesagt hatte.

Im Raum wurde es plötzlich sehr still, und selbst die lauten und polternden Stimmen der Highlander waren verstummt.

In diesem Moment sah Montgomery mit ein paar schnellen Schritten eine große Frau in den Raum treten. Sie war zwar ebenfalls mit einer Schürze bekleidet, diese wollte aber nicht so richtig zu ihr passen. Warum, das konnte er nicht sagen. Mit Erstaunen sah er zu, wie dieser Wirbelwind – eine drahtige und überaus hübsche Rothaarige – der Zwergin einen heftigen Schubser verpasste, dass diese quer durch den Raum gegen den Tisch der Highlander prallte.

»Gebt nichts auf das Gequake dieses bescheuerten Huhns, die kann ihr vorlautes Maul nicht halten und schon gar nicht bei euch Engländern!«, bemühte sich die Rothaarige, die Situation zu retten. Mit einer eindeutigen Handbewegung ließ sie erhebliche Zweifel an dem Verstand ihrer Kollegin aufkommen. Seelenruhig nahm die schlanke Frau den Kessel mit der Suppe auf, den die Zwergin auf dem Tisch vor dem Hauptmann abgestellt hatte, und wendete sich ihm zu.

Montgomery fühlte sich plötzlich, als wäre er mitten in ein Tollhaus geritten. Wütend stand er auf, warf dabei fast seinen Stuhl um, und griff dem großgewachsenen Mädchen an den Kragen ihres Kleides. Mit kaum zurückzuhaltender Wut zog er sie zu sich heran, bis ihr Gesicht dicht vor dem seinen war. Auffallend viele Sommersprossen flossen über Nase und Wangen bis hinunter zum Hals. Intelligente graue Augen musterten ihn ohne Furcht. Ohne Furcht? Normalerweise zuckten selbst härteste Soldaten Montgomerys unter seinem Blick zusammen. Berüchtigt für seine Härte und Gnadenlosigkeit, war sein Ansehen in sämtlichen niederen Rängen von angstvollem Respekt geprägt. Spürte dieses rothaarige Weib das nicht? War heute Abend irgendetwas anders? Nahm ihn hier keiner ernst?

Das schlanke Mädchen bog ihm nun geschickt mit einer kräftigen Hand die Finger seiner Rechten zurück und befreite sich aus seinem Griff. Dabei lächelte sie ihn kalt, aber bestimmt an.

»Noch Suppe, der Herr?«, fragte sie betont höflich und hielt ihm die Kelle mit der dunklen dampfenden Flüssigkeit hin. Doch weil ihr Blick ihm sagte, dass sie ihm viel lieber die kochend heiße Flüssigkeit ins Gesicht schütten würde, zögerte er. Irgendetwas stimmte hier nicht, sagte ihm eine Stimme in seinem Hinterkopf. Schlagartig wurde die aufkeimende Wut, die von ihm Besitz ergreifen wollte, von unheilvollem Misstrauen überlagert.

Ohne sie aus den Augen zu lassen, hielt er ihr seine leere Schüssel hin, in die sie mit einer lässigen Bewegung aus dem Handgelenk eine Kelle des heißen Gebräus füllte. Nicht eine Sekunde ließen ihre funkelnden Augen die seinen los – wie eine Schlange, die ihre Beute fixierte. Sie zwang ihn förmlich, ihr in die Augen zu starren. Erst als sie sich umdrehte und den restlichen Männern an seinem Tisch Suppe reichte, brach der Bann, und er setzte sich verwirrt wieder auf seinen Platz.

»Feuriges Mädel, was, Hauptmann?«, raunte ihm sein Nebenmann zu, dessen Atem so nach dem übelriechenden Ale stank, dass er die Nase rümpfte. Ohne eine Antwort abzuwarten, nuschelte dieser weiter: »Würde man gar nicht vermuten in so einer Absteige am letzten Ort der Welt …«

Zufrieden über seine offensichtlich treffende Feststellung rülpste er seinem Satz hinterher.

Montgomery verzog angewidert das Gesicht. Ja, der Kerl hatte recht, in einer so heruntergekommenen Herberge wirkten die zwei Mägde völlig fehl am Platz. Schon etwas benebelt von der Hitze und dem schlecht schmeckenden Ale konnte er dem Mann nur recht geben, während er gierig den schlanken Hintern der seltsamen Magd betrachtete. Ihre Hände und Arme waren ebenfalls schlank und sehnig. Wie sich wohl ihre Brüste anfühlten?

Noch während er ihr lüstern nachstarrte und sich die trockenen Lippen leckte, nahm er im Augenwinkel eine Bewegung wahr. Wieder durchfuhr ihn ein beklemmendes Gefühl. Das konnte doch nicht wahr sein? Montgomery glaubte sich in einer dieser Geschichten, die am Hofe Edwards zur Belustigung der feinen Gesellschaft von den Schaustellern erzählt wurden. Als wären diese Phantasiegestalten aus den Höfen Londons direkt in dieses Nest an der schottisch-englischen Grenze geflogen!

So ein Wesen tauchte nun in einem schlichten, aber eng anliegenden Leinenkleid mit gebauschtem Rock, das schon bessere Zeiten gesehen hatte, neben dem Wirt auf. Sie musste in der Küche gearbeitet haben, denn sie kam wie ein Geist aus der Tür, die sich im hinteren Teil des Schankraums befand. Die attraktive Frau stach nicht nur wegen ihrer ungewöhnlichen Größe hervor, sondern auch durch ihr glänzendes pechschwarzes Haar, das ihr bis über die Schultern reichte. Ein schief geschnittener Pony fiel ihr tief ins Gesicht und verdeckte fast die Augen, die ihn in einer Art und Weise anstarrten, wie es Wölfe taten, die ihre sichere Beute fixierten. Die hellblauen Augen leuchteten wie Kristalle in ihrem blassen Gesicht. Sie hatte so gar nichts von einer Magd an sich und strahlte ein Selbstbewusstsein aus, dass bei Montgomery sämtliche Sinne anschlugen. Augen wie aus Glas sendeten tödliche Blitze aus, die ihm in Mark und Bein fuhren und sein Herz vor Aufregung schneller schlagen ließen.

Ihm wurde bewusst, dass nicht nur er diese auffallende Frau anstarrte, auch die Highlander am Nachbartisch schienen diese schwarzhaarige Schönheit zum ersten Mal wahrzunehmen. Er bemerkte, wie ein Ruck durch die Männer ging. Der große Schotte mit den dunkel gewellten Haaren, den Montgomery sofort als Anführer ausgemacht hatte, erstarrte förmlich und schien von der auffallenden Frau völlig in den Bann gezogen. Die Männer im Raum verstummten plötzlich und drehten sich zu dieser Magd um. Eine merkwürdige Stille folgte.

Der Hauptmann riss sich als Erster von ihrem Anblick los und beobachtete die Schotten genauer. Diese Frau traf offensichtlich auch den Geschmack des Highland Chiefs, und mit ihm würde Montgomery wohl um eine Nacht mit diesem Weib buhlen müssen. Verdammt! Montgomery verfluchte einmal mehr seine inneren Triebe. Was haben die Weibsbilder nur an sich, dass sich Männer für sie zum Narren machten? Unwillkürlich spürte er das Blut durch seine Adern pumpen, und seine Nackenhaare stellten sich auf. Heute Nacht würde dieses Weib ihm zu Willen sein und nicht diesem schottischen Bastard. Seine Männer würden ihm schon den Rücken decken, da war er sich sicher.

Montgomery entließ die Luft aus seinen Lungen, die er unbewusst angehalten hatte. Hätte die Frau nicht diesen erbarmungslosen Blick, hätte er sie als perfekt empfunden. Die schwarzen Haare, die ihn an die kürzlich von ihm geschändete Kaufmannstochter erinnerten, hatten eine anziehende Wirkung auf ihn. Frauen waren dazu da, von ihm unterworfen zu werden. Nur diese hier wirkte so gar nicht zart. Was fehlte ihr?, grübelte er. War es ein sinnliches Lächeln, das die maskenhaften Züge weicher wirken ließ? Egal, heute Nacht würde er ihr notfalls ein Lächeln ins Gesicht schneiden.

Der Lärm in der eng bestuhlten Schankstube schwoll wieder an. Seine Männer legten sich jetzt mächtig ins Zeug, um sich gegenseitig unter den Tisch zu saufen.

Auch Montgomerys plötzlich trockener Hals rief nach Ale. Mit einem großen Schluck schüttete er das schreckliche Gebräu die Kehle hinunter. Dummerweise floss das Zeug in die falsche Röhre, und er konnte den gequälten Hustenanfall nicht mehr unterdrücken. Er knallte noch den Becher auf den Tisch, bevor ihm die Flüssigkeit aus Mund und Nase spritzte. Der Druck trieb ihm die Tränen in die Augen, als ihm eine hilfreiche Hand einen Lappen reichte. Die hochgewachsene Magd mit den schwarzen Haaren war ihm mit katzenhafter Geschwindigkeit zu Hilfe geeilt. Der Lärm in dem übervölkerten Raum ebbte plötzlich wieder ab. Alle starrten ihn und die Frau an, die nun vor seinem Tisch stand, als hätte sie von dem Aufruhr um ihre Person in dem kleinen Gastraum nichts bemerkt.

Mit zufriedener Genugtuung stellte er fest, dass sie doch lächeln konnte, zumindest zogen sich ihre Mundwinkel ein wenig nach oben. Gebannt blickte er ihr in die kalt funkelnden Augen und gab ihr langsam das Tuch zurück, nachdem er sich das Gesicht abgewischt hatte. Sie wäre nicht die erste Frau, die er mit der Aussicht auf heiße Stunden zu einem Schäferstündchen überredete. Gleichwohl hatte diese Frau ein Selbstbewusstsein, das wohl mehr als schöner Worte bedurfte, um sie herumzukriegen. Dabei vertraute er in diesem Raum ganz auf seine Stellung. Allein sein Rang und seine Macht reichte beim niederen Volk, um Weiber in sein Bett zu locken.

Arrogant lächelte er sie an und nahm noch den Becher, den sie ihm reichte. Die Haut ihres Arms, der unter dem hochgekrempelten Ärmel sichtbar wurde, hatte denselben hellen Teint wie das Gesicht. Oberhalb ihres rechten Handgelenks zog sich quer eine Narbe entlang, als hätte jemand versucht, ihr die Hand abzuhacken. Ein Küchenunfall vielleicht?

Er sah, wie sie ihre freie Linke nun keck in der Hüfte abstützte. Das Schürzenkleid zeigte sich zu seinem Bedauern nicht wirklich offenherzig, aber ihre kleinen Brüste wären mit einem tiefen Dekolleté wohl auch nicht besser zur Geltung gekommen. Doch ihr Lächeln erreichte nicht ihre Augen.

Aber ihre Augen! Wie gebannt sah er in diese strahlend blauen Kristalle, die ihn so abschätzig musterten. Dieses Weib brachte mit ihrer Unnahbarkeit sein Blut in Wallung. Eine tiefe Entschlossenheit verankerte sich in seinen Gedanken.

Montgomerys Herzschlag wurde wieder etwas ruhiger. Um Zeit zu gewinnen und seine Gedanken zu ordnen, nahm er einen tiefen Schluck aus dem zweiten Becher, diesmal ohne sich zu verschlucken. Seine Kehle brannte nun nicht mehr, seine Jagdinstinkte erwachten, hungrig tasteten seine Augen den muskulösen Körper dieser Frau ab. Sie schien hart zu arbeiten, schoss es ihm durch den Kopf. Normalerweise stand er mehr auf weiblichere Rundungen, aber er machte auch mal Ausnahmen. Sein Blick blieb wieder bei den schwarzen Haaren hängen, die ihr so lasziv ins Gesicht hingen. Dieses Prachtweib würde heute Nacht ihm gehören, das wurde ihm jetzt klar. Wilde, ungezügelte Gier überflutete ihn. Wie es sich wohl anhören würde, wenn sie vor Angst und Schmerz schrie?

Ich hätte gut daran getan, unseren sorgfältig ausgeklügelten Plan vorher noch einmal zu üben, doch unser Aufbruch aus Caerlaverock war von großer Hektik geprägt gewesen. Wir durften keine Zeit verlieren. Aber dass meine beiden Kriegerinnen sich so danebenbenehmen würden, das hätte ja keiner ahnen können. Natürlich konnte Winnie wieder mal ihre vorlaute Klappe nicht halten. Den Hauptmann so anzugehen, stand ihr überhaupt nicht zu. Sie sollte ihm Suppe reichen, und das war’s. Stattdessen verwickelte sie ihn in ein unnützes Gespräch, das beinahe unseren Plan vereitelt hätte.

Kalays mutiges Eingreifen war auch nicht viel besser, um die angespannte Stimmung in dem von männlicher Aggressivität erfüllten Raum zu beruhigen. Im Gegenteil, es hätte nicht viel gefehlt, und die Stimmung wäre gekippt. Der Hauptmann war in seiner Willkür nicht zu unterschätzen. Zum Glück konnte ich meine Wut noch gerade so unterdrücken. Die beiden Frauen waren zusammen einfach unberechenbar!

Ich musste früher als geplant eingreifen, um unser Vorhaben noch zu retten. Dafür konzentrierte sich alles in der Stube auch gleich auf meine Person, und Winnie und Kalay konnten von den Männern unbeachtet ihren Aufgaben nachkommen. Meinen unheilvollen Blick hatten sie beide noch bemerkt, bevor sie sich anschickten, den Männern das mit einem starken Schlafsud versetzte Bier auszuschenken.

Einzig die Gruppe der Highlander in der hinteren Ecke störte jetzt noch meinen verwegenen Plan, dem arroganten Mörder Roger Montgomery eine Lektion zu erteilen. Die wilde Truppe war hier in der Herberge aus dem Nichts aufgetaucht, ihrer schweren Bewaffnung nach kamen sie vermutlich von einem Überfall auf eine englische Patrouille. Diese Männer waren mit Vorsicht zu genießen. Nur ein falscher Satz, eine falsche Bewegung, und sie würden sich zum Eingreifen aufgefordert fühlen. Dabei waren sie gar nicht Ziel unseres Racheaktes.

Endlich stand ich vor Roger Montgomery, einem schlanken, fast attraktiven Mann mit fliehender Stirn und dunklen Augen. Um seinen Mund konnte ich sinnliche Züge entdecken. Aber sein verkniffener Blick aus kleinen Augen wollte nicht so recht zu diesem Bild passen. Ein gestutzter Schnauzer zierte die Oberlippe, die nun fast zu einem Strich gepresst war. Er musterte mich, als wollte er mich mit seinen Augen verschlingen, hungrig und ein wenig gereizt. Vielleicht lag das auch an dem mächtigen Highland Chief, der mich aus seiner Ecke heraus in demselben Moment fixiert hatte, als ich aus dem Gastraum aufgetaucht war.

Nur eine Sekunde ruhten seine misstrauischen Augen auf meinem Gesicht, dann öffnete er überrascht den Mund.

Ich warf dem schottischen Anführer, der mich trotz meiner Verkleidung sofort erkannt hatte, einen warnenden Blick zu. Ich konnte nur hoffen, dass er mich nicht verraten würde, nicht jetzt!

Inzwischen war ich so angespannt wie mein Bogen kurz vor dem Absetzen des Pfeiles. Ich sehnte den Moment herbei, an dem endlich dieses Schlafmittel wirken würde, das wir seit ein paar Runden an die Engländer verteilten. Kalay hatte sich jetzt zu den schottischen Kriegern gesetzt, wohl um ihnen noch einmal deutlich zu machen, dass sie sich nicht in meine Belange einmischen sollten. Hoffentlich war sie überzeugend genug. Ein Gerangel würde hier wohl ziemlich blutig ausgehen. Wer wusste schon, wie der Rest des englischen Trupps draußen vor der Herberge reagieren würde, wenn der Lärm hier drin von Kampf und Tod zeugte?

Nur noch wenige Augenblicke, beruhigte ich mich selbst, es konnte nicht mehr lange dauern. Mit einer Ruhe, die ich mit eiserner Disziplin bewahrte und die mich selbst überraschte, setzte ich mein wärmstes Lächeln auf.

»Wo kommt Ihr her, mein edler Herr?«, fragte ich.

Er lehnte sich arrogant zurück und erdreistete sich, ein wenig zu grinsen. Seine Lippen waren wohl sehr trocken, denn er befeuchtete sie mehrmals mit seiner Zunge.

»Von den schottischen Highlands, meine Liebe«, antwortete er, »ein schrecklich öder Ort mit all den Wilden um uns herum und kaum genug zu essen, um meine Männer durchzubringen. Ich bin froh, wieder auf englischem Boden und von solch holden Jungfrauen umgeben zu sein.«

Schmieriger Wichtigtuer! Man musste schon taub sein, um nicht mitbekommen zu haben, dass er wie ein geprügelter Hund durch das feindliche Schottland geflohen war. Die Kunde von der Flucht Hauptmann Montgomerys aus Craigmillar Castle hatte sich schneller verbreitet, als seine Pferde laufen konnten. Vor mir saß ein ausgesprochener Feigling, der sich hinter seinem König verkriechen wollte, anstatt auf verlorenem Posten auszuharren und zu kämpfen, bis wütende Schotten ihn aus seiner Burg zerrten.

Seine feige Flucht und das Verbrechen an Lucy erfülltem mich mit tiefem Zorn. Sie war eine junge Frau aus einer fahrenden Kaufmannsfamilie gewesen, die unter meinem Schutz und auf meinem Land ihre Waren feilbot. Nur wenige Tage später war sie von dem Mann vor mir brutal geschändet worden. Ihr verzweifelter Vater hatte sie schwer verletzt und bewusstlos in meine Burg gebracht, aber es war zu spät gewesen. Sie starb in seinen Armen an den Folgen der Tortur. Sie war kaum sechzehn Jahre alt gewesen.

Aber das konnte Montgomery nicht wissen. Und er konnte nicht ahnen, dass er heute Abend für den Tod der unschuldigen Lucy bezahlen würde. Hier mitten im Grenzland würde ich, Enja von Caerlaverock, das Mädchen rächen, das durch seine Hand so hatte leiden müssen.

Verdammt, hatten wir die Dosis richtig berechnet?, fragte ich mich besorgt. Bei den englischen Mitstreitern sah ich von Müdigkeit immer noch keine Spur. Sie tranken und grölten, als wäre mein Schlafmittel wirkungslos. Ein Blick von Winnie bestätigte mir, dass auch sie nervös wurde. Natürlich war es ein großes Fass gewesen, in das wir die Tinktur gefüllt hatten, und die Schlafwirkung sollte auch nicht zu früh einsetzen.

»Nun«, entgegnete ich und bemühte mich um eine weiche Stimme, »auch im Grenzland solltet Ihr Eure Augen offen halten, es lauert an jeder Ecke Gefahr. Bis nach London sind es noch einige Tagesritte …«

Wieder gab ich ihm einen neuen Becher. Anscheinend bereitete ihm meine Anwesenheit großen Durst. Er bedankte sich mit einem blitzschnellen Griff um mein Handgelenk, als ich ihm gerade den Becher gereicht hatte. Die Berührung ließ mich erschaudern. Beinahe hätte ich im Reflex meinen Dolch aus dem Stiefel gezogen und ihn in seinem dreckigen Hals gerammt. Stattdessen schluckte ich meine heiße Wut herunter und stemmte mich gegen das dringende Bedürfnis, meine Hand aus dem eisernen Griff zu ziehen. Sein Gesicht verzog sich zu einer misstrauischen Grimasse, die kleinen Augen sahen erst den Becher in seiner Hand und dann mich an.

»Warum gibst du mir einen neuen Becher, während du meinen Leuten aus dem Krug nachschenkst?«

Natürlich hatte er es bemerkt, er war kein dummer Mensch, das hatte ich sofort gespürt. Um sein aufkeimendes Misstrauen zu ersticken, streckte ich die freie Hand nach seinem Becher aus und versuchte, mir nichts von meiner inneren Unruhe anmerken zu lassen. Zögernd reichte er ihn zurück. Langsam und ohne mein Gegenüber aus den Augen zu lassen, setzte ich ihn mir an den Mund. Mit Schaudern schluckte ich ein wenig von dem Trank, um ihn von meinen guten Absichten zu überzeugen.

»Ihr bekommt natürlich ein besseres Bier als Eure Männer, Mylord«, erwiderte ich. Dann blies ich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Die Haare waren eindeutig zu lang, aber sie verdeckten geschickt das eingestochene Bild auf meiner Stirn, das zu meinem Erkennungszeichen geworden war.

Zufrieden beobachtete ich, wie er mit einem überheblichen Grinsen den Becher zurücknahm und den Rand ableckte, an dem ich vorher meine Lippen hatte. Dabei grinste er unverschämt und ließ mein Handgelenk endlich los. Seine Finger streiften über meine Haut.

»Heute Nacht bist du mein, kleine Wildkatze«, raunte er mir zu und sah mich mit einem hungrigen Blick an, der mir plötzlich wieder bewusst machte, dass ich ein gefährliches Spiel trieb.

In diesem Augenblick bemerkte ich das seltsame Verhalten am Nebentisch. Einer der englischen Soldaten war mit dem Kopf voran auf die Holzplatte gesackt, und die anderen lachten und stupsten ihn immer wieder an. Dann sank der zweite Mann in sich zusammen, noch ein weiterer, und schließlich waren sämtliche Männer Montgomerys an ihren Tischen in einen tiefen Schlaf gesunken. Der selbstverliebte Hauptmann war bis zuletzt so auf mich fixiert, dass er die Stille um sich herum erst bemerkte, als Winnie ihm von hinten einen Dolch an den Hals hielt. Sein Grinsen fiel ihm förmlich aus dem Gesicht.

»Verdammte Huren!«, zischte er noch, bevor er seine Hände hob und Winnie ihn entwaffnen konnte. Jetzt war meine Zeit gekommen! Mit diebischer Freude beobachtete ich die Überraschung in seinem Gesicht, als er mit wildem Blick den Raum überflog und erkannte, dass seine Männer nur noch als nutzlose Kleiderhaufen auf und unter den Tischen lagen. Als ihm klar wurde, dass er mir und meinen Kriegerinnen ausgeliefert war, wurde er blass.

Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. Winnie stand halb hinter ihm, einen langen Dolch in der Hand, den sie lässig in der Hand wirbelte. Sie hatte Kappe und Schürze abgelegt und sah ganz und gar nicht mehr aus wie die lächerliche Zwergin von vorhin. Sie schien ihn sogar ein wenig nervös zu machen, so böse, wie sie ihn nun von der Seite musterte. Der Wirt Finnley sicherte den Ausgang zur Küche, er war als Eingeweihter bisher im Hintergrund geblieben.

Unsicher ging Montgomerys Blick von der kleinen Kriegerin zu mir und dann zu den Highlandern, die nun gespannt beobachteten, was nun geschehen würde. Kalay stand bei ihnen und hatte ebenfalls ihren Dolch gezogen, wegen der Schotten oder wegen Montgomery, das konnte ich nicht sagen. Bisher hatten sich die Männer mit dem wilden Aussehen zurückgehalten. Den einen oder anderen sah ich sogar grinsen und seinen Becher auf unsere Taten erheben. Sie hatten bemerkt, wem der Angriff galt und dass ihre Becher nicht mit Schlafmittel versetzt waren. Gut so.

»Was habt Ihr vor? Wer seid Ihr?«, kam es kleinlaut von Montgomery. Ohne seine Männer hatte der Kommandant schnell sein Selbstbewusstsein verloren. Seine nervösen Blicke huschten zwischen mir und den Schotten hin und her, vielleicht vermutete er einen Zusammenhang zwischen uns.

»Mein Name ist Enja, Lady Douglas von Caerlaverock, und die werten Herren dort hinten sind heute unsere Zaungäste. Sie waren nicht Teil meines Plans und werden sich auch nicht einmischen, Sir Montgomery!« Es war zugleich eine Warnung an die abwartenden Highlander.

Ich trat einen Schritt zurück und zog aus dem mehrlagigen Leinenrock das eingearbeitete Schwert heraus, das ich – für alle anderen unsichtbar – unter den Stoffbahnen versteckt hatte. Fast wären dem Engländer die Augen aus den Höhlen gequollen, als ich plötzlich mit dieser seltsam anmutenden Waffe vor ihm stand. Sicher hatte er solch ein Schwert noch nie gesehen, denn es war die äußerst seltene Waffe eines japanischen Kriegers, eine Katana. Die scharfe Klinge spiegelte den Schein des Kerzenlichts wider und warf Lichtreflexe an die rußige Decke.

»Was wollt Ihr von mir?«, stieß er heiser hervor. »Was habt Ihr vor, wollt Ihr mich erpressen?«

Ich sagte nichts.

»Ich bin der Sohn von Fitzgerald Montgomery, sicher wird Euch mein Vater eine stattliche Summe …«

Er verstummte, als ich die Klinge meiner Katana gegen seinen Kehlkopf drückte. Reflexartig hob er seine Arme, um anzuzeigen, dass er sich nicht wehren würde. Seine Augen irrlichterten. Schweiß stand plötzlich auf seiner Stirn.

»Mich interessiert Euer verdammtes Geld nicht, ich will Euren Kopf, verfluchter Mörder. Euren Kopf für den von Lucy. Erinnert Ihr Euch an sie?«

Sein verwirrter Blick zeigte mir, dass er mit diesem Namen nichts anfangen konnte.

»Lucy war das Mädchen, das Ihr vor ein paar Tagen auf meinem Land geschändet habt«, half ich ihm auf die Sprünge. »Sie ist auf meinem Burghof gestorben.«

Ich zog mir die schwarzen Haare vom Kopf und warf sie vor ihm auf den Tisch. Mit entsetztem Ausdruck starrte er darauf. In seinem Gesicht spiegelte sich erst Überraschung, dann bekam es einen Ausdruck, der mir gar nicht gefiel. Es war fast schon beschämend, wie die Schuld in seinem Gesicht einem widerlichen Selbstbewusstsein Platz machte. Seine Arme, die er erst noch vor Schreck erhoben hatte, verschränkte er jetzt und beugte sich mir sogar ein wenig entgegen.

»Ihr wollt mich für den Tod einer Dirne zur Rechenschaft ziehen?«, fauchte er gehässig. »Wenn Ihr mich dafür umbringt, werdet Ihr es bis an Euer Lebensende bereuen! Den Sohn eines englischen Lords ohne Gerichtsbarkeit wegen einer dahergelaufenen Göre zu verurteilen und zu töten, das wird den Zorn meines Vaters und das des englischen Königs auf Euch ziehen wie Thors Hammer!«

Seltsam, dass er sich der nordischen Götter bediente, um die Macht seines Königs zu veranschaulichen. Hielt er mich für eine keltische Barbarin? Mich beeindruckte das nicht im Geringsten. Angewidert spuckte Winnie neben ihm auf den Boden. Sein Geschwätz verärgerte sie wohl auch.

»Ich kann diesem Schwein gerne sein Maul stopfen, Chief!«, bot sie an, indem sie einen Schritt vortrat und drohend ihren geschliffenen Dolch hob. Aber ich stoppte sie schnell mit einem Wink, und sie ließ widerwillig ihre Hand sinken.

»Gebt Ihr denn zu, das Mädchen geschändet zu haben?«, forderte ich ihn heraus.

Jetzt schaute mich dieser unverschämte Kerl auch noch herablassend an. Woher nahm er nur diese verdammte Arroganz?

»Woher wollt Ihr denn wissen, dass ich es war?«, antwortete er mit einer Gegenfrage.

»Euer Aussehen passt mit den Beschreibungen des Täters überein, die mir Lucys Familie gegeben hat. Zudem sind nicht so viele englische Lords durch mein Land gezogen, als dass es Verwechslungsmöglichkeiten gäbe«, führte ich sachlich an, um ihm klarzumachen, dass seine Schuld eindeutig war.

Langsam stand der Hauptmann auf, um mich mit seiner Größe zu beeindrucken. Er überragte mich um einen halben Kopf.

»Was ich hier sage, ist nicht von Belang. Wenn ich angeklagt werden sollte, dann vor einem ordentlichen Gericht, in dem ich meinen Verteidiger wählen darf.«

Also darauf hoffte er! Er wollte sich aus dieser gefährlichen Situation winden, indem er sein Recht auf einen ordentlichen Prozess einforderte. Dann würde er sich mit Leumundszeugen freikaufen, wie es bei adligen Angeklagten üblich war.

Mein Magen drehte sich bei so viel Ungerechtigkeit um, und meine Hand krampfte sich fester um mein Schwert. Fieberhaft horchte ich in mich hinein, ob ich ihm wirklich ein ordentliches Gerichtsverfahren schuldete. Streng genommen hatte er ein Recht darauf, dachte ich widerwillig.

Da kam mir eine Idee. Sollte er sie doch bekommen, seine Verhandlung.

»Nun gut«, lenkte ich ein und drehte mich von ihm weg, damit er meinen amüsierten Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. »Ihr wollt eine Gerichtsverhandlung, dann bekommt Ihr sie auch.«

Kalay stand mit hochgezogenen Augenbrauen vor der Gruppe Highlander und starrte mich verständnislos an. Von den Schotten ertönte lautstarker Protest, und auch Winnie äußerte mit einem wütenden Schrei ihren Unmut über meine Entscheidung.

Mit einem kräftigen Wurf versenkte ich die Katana an einem der drei Holzpfeiler, die das Dachgebälk hielten. Diese stützten die Decke, die sich schon bedrohlich abgesenkt hatte. Die Waffe blieb zitternd im Holz stecken.

»Ruhe!«

Der Lärm erstarb auf einen Schlag. Erst jetzt drehte ich mich in alle Richtungen und rief: »Wer möchte den Angeklagten verteidigen?«

Schockiert starrte der fassungslose Montgomery um sich, bis sein Blick wieder zu mir zurückkehrte.

»Ihr wollt ja wohl keine Gerichtsverhandlung hier und jetzt führen!«, empörte er sich.

»Natürlich, Angeklagter! Ich bin jetzt Euer Richter und Euer Ankläger, denn was anderes haben wir hier nicht. Die Geschworenen sitzen dort in der Ecke.« Mein ausgestreckter Arm wies auf die Highlander, die inzwischen wieder amüsiert zu ihrem angestammten und deutlich stärkeren Gebräu übergegangen waren, dem Uisge beatha.

»Ihr könnt jetzt noch Winnie, Kalay oder den Wirt Finnley als Verteidiger wählen.«

Montgomerys Fäuste ballten sich, zischend ließ er die Luft aus den Lungen und zeigte dadurch erst recht seine Hilflosigkeit.

»Das ist eine Farce!«, brüllte er. »Das ist keine ordentliche Gerichtsverhandlung, ich akzeptiere das nicht!« Seine Stimme überschlug sich fast.

Winnie trat nun grimmig entschlossen hinter dem Mann hervor. »Ich akzeptiere mein Mandat als Verteidiger.«

»Nun, dann sehe ich die Verhandlung als eröffnet«, bestätigte ich, hob die Haare auf, die noch immer auf dem Holztisch lagen, und setzte sie mir wieder auf.

Der Angeklagte stand noch vor seinem Stuhl und hatte die Arme auf den Tisch gestützt. Nun setzte er sich abrupt. Die weit aufgerissenen Augen fixierten mein Gesicht. Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und eröffnete die Verhandlung.

»Angeklagter«, erklärte ich und neigte meinen Kopf ein wenig nach vorn, »Sir Roger Mortimer Montgomery, Ihr werdet beschuldigt, die fahrende Kaufmannstochter Lucy geschändet und ihr dabei tödliche Verletzungen zugefügt zu haben.«

Immer wieder schüttelte Montgomery ungläubig den Kopf, als befände er sich in einem makabren Traum.

»Gebt Ihr Euer Verbrechen zu?«

Er schnappte nach Luft.

»Habt Ihr noch etwas hinzuzufügen?«, fasste ich ungeduldig nach, während der Hauptmann um Worte rang.

Das Gelächter der Schotten hinter mir wurde lauter.

Montgomery verbarg sein Gesicht in den Händen. Die Geschichte schien sich so gar nicht nach seinem Geschmack zu entwickeln. Jetzt schüttelte er verzweifelt den Kopf und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Hilflos hob er die Arme und antwortete mit einer resignierten Stimme: »Es war eine Dirne und eine fahrende Händlerin. Wen juckt es, ob diese Frau lebt oder stirbt? Wenn es so wichtig ist, dann lasst uns über eine Kompensation reden, aber hört mit dieser lächerlichen Vorstellung auf.«

Verdammter Drecksack! Wut stieg in mir hoch, und ein kalter Schauer lief meinen Rücken hinab. Das Bild des sterbenden Mädchens tauchte plötzlich in meinem Kopf auf.

»Ist die Verteidigung einverstanden, wenn wir auf Tod durch Hinrichtung plädieren?«, fragte ich kalt und sah Winnie dabei eindringlich an. Meine Gedanken waren auf einmal wieder glasklar, seine gefühllosen Worte erinnerten mich daran, weswegen ich hergekommen war.

»Die Verteidigung hält diese Strafe für angemessen, nachdem der Angeklagte das Verbrechen zugegeben hat.« Winnie war so ernst in ihrer Rolle, das hatte ich ihr gar nicht zugetraut.

Ich wandte mich an die »Geschworenen«, die sichtlich Spaß an ihrer Aufgabe hatten.

»Mein Strafmaß ist der Tod durch Enthauptung in Anbetracht seiner adeligen Herkunft«, verkündete ich. »Bitte besprecht Euch und gebt mir Eure Entscheidung bekannt.«

Anstatt sich gemeinsam zu beraten, stand der mächtige Krieger und Anführer der Schotten auf. Mit einem Mal wurde es andächtig still in dem Raum. Erwartungsvoll starrte ich den Mann an, dessen Gesichtszüge mir so vertraut waren. Der hochgewachsene Clanchief erfüllte den Raum mit seiner Präsenz. Nur dem einen oder anderen entfuhr noch ein Gluckser der Heiterkeit.

Er lächelte, seine dunklen Augen ruhten einen Moment auf mir, und mit einem kaum wahrnehmbaren Nicken zeigte er mir seine Anerkennung. Mit Genugtuung nahm ich seine angenehm tiefe Stimme wahr, die das Todesurteil bekräftigte: »Die Geschworenen schließen sich dem Urteil des Richters an. Der Angeklagte Sir Roger Montgomery soll durch Enthauptung den Tod finden als gerechte Strafe für das Verbrechen an Lucy.«

»Das Urteil ist damit endgültig und wird auf der Stelle vollzogen. Im Namen meines Volkes!«, ergänzte ich und sprang auf den Balken zu, in dem meine Waffe steckte. Mit einem kräftigen Ruck riss ich mein Schwert wieder aus dem Holzpfeiler.

Montgomery, der in diesem Moment seine einzige Chance zur Flucht erkannte, sprang panisch auf und versuchte, an Winnie vorbei in die Küche zu hechten. Aber die Rechnung hatte er ohne den Wirt Finnley gemacht. Ein gezielter Haken des bärtigen Mannes brachte den flüchtenden Engländer zu Fall. Finnley packte den taumelnden Mann an seiner Jacke und zwang ihn in die Knie. Die Hände auf den Rücken gedreht und mit dem Bein des Wirts gegen seine Wirbelsäule gedrückt, keuchte Montgomery nur noch entsetzt.

»Gnade …«, wimmerte er, »so habt doch Gnade!«

Mit wenigen Schritten war ich bei ihm und spielte an diesem Abend nun meine dritte Rolle: die des Henkers.

Mit einem einzigen Hieb meiner Katana trennte ich den Halswirbel des Mannes glatt durch und ließ den Kopf des Mörders auf den dreckigen Fußboden rollen. Der Jubel der Schotten und das erleichterte Lachen meiner Gefährtinnen schallte durch den Raum.

Mit einem Schlag hatte ich dieses traurige Kapitel menschlicher Niedertracht beendet und wies Kalay und Winnie an, zügig die Pferde zu holen. Das Schauspiel hatte uns wertvolle Zeit gekostet. Jetzt mussten wir schleunigst weg, bevor die schlafenden Soldaten in der Schankstube erwachten und die draußen ausharrenden Soldaten überhaupt bemerkten, was hier vor sich ging. Die Schotten hatten wohl ähnliche Bedenken und wählten den Hinterausgang für ihre Flucht.

Den Wirt fesselten wir auf sein Geheiß, damit er als Opfer durchgehen würde. Später würde Finnley den englischen Soldaten berichten, was passiert war. Er würde ihnen auch erzählen, wer ihrem Kommandanten den Kopf abgeschlagen hatte. Denn darauf war ich besonders stolz. Die Kunde von meiner Rache sollten alle erfahren. Dann würden die Frauen dieses Landes vielleicht nicht mehr so einfach zum Opfer marodierender Banden werden.

Wir schlüpften einer nach dem anderen aus der rückwärtigen Küchentür und bewegten uns leise in die Stallungen.

Plötzlich stellte sich mir der schottische Anführer in den Weg. Er baute sich vor mir auf und blockierte so den Weg zu den Pferden. Mit einer Spannung im Körper wie bei einer Katze, die dabei war, eine Maus zu fangen, stand ich vor ihm und wappnete mich für das, was kommen musste. Mit meiner Nasenspitze stieß ich fast an sein Kinn, so nahe war ich ihm. Die Dunkelheit wurde nur von einem schwachen Mond erhellt und ließ mich lediglich die Umrisse seiner mächtigen Figur erahnen. Sein Atem blies mir warm ins Gesicht, sein Geruch erinnerte mich an vertraute Nächte.

»Enja!«, raunte seine Stimme verhalten an mein Ohr. »Was sollte das da drin, und wie kommst du so weit ins Grenzland?«

Mein Blick versuchte, im Zwielicht des Hinterhofes seinen Gesichtsausdruck zu deuten, ob er wütend war oder schlicht in seiner Ehre verletzt. Aber nur ein dunkler Schatten war da, wo ich seine Augen vermutete.

Entschlossen packte ich ihn mit beiden Händen an seiner Tunika und zog ihn an mich heran. Mit einem leidenschaftlichen Kuss gab ich ihm zu verstehen, dass ich nicht im Traum daran dachte, mich zu verteidigen, sondern ihm für seine Fragen voll und ganz zur Verfügung stehen würde.

Und James Douglas erwiderte diesen wilden Kuss so verzweifelt wie ein Verdurstender in der Wüste. Atemlos schob er mich von sich weg und sah mich mit einem Ausdruck an, der viel von seinen gemischten Gefühlen preisgab.

»Ich habe dich vermisst, Enja.«

»James«, entfuhr es mir. Sein Kuss hatte mich aus der Fassung gebracht, »ich hatte dir von meinem Vorhaben nichts verraten. Vergibst du mir?«

Seine Mundwinkel zuckten leicht, als müsste er ein Lächeln unterdrücken, schließlich hatte ich ihn noch nie um Erlaubnis gebeten. Aber sein Blick war kompromisslos.

»Ich weiß nicht, Enja«, gab er zögernd zu, »darüber muss ich nachdenken. Einerseits würde ich dir gern den Hintern versohlen für dein unüberlegtes Handeln. Auf der anderen Seite könnte ich den Saum deines Kleides küssen für so viel Courage!«

Sanft fuhr er mit den Fingerspitzen durch die schwarzen Haare, die ich immer noch trug. Es war eine liebevolle Geste. Er schien mich tatsächlich nach den vielen Wochen, in denen er seine Raubzüge im englischen Grenzland durchführte, vermisst zu haben.