Der Clan des Greifen - Staffel I. Sechster Roman: Das Spiel - Roland Mueller - E-Book
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Der Clan des Greifen - Staffel I. Sechster Roman: Das Spiel E-Book

Roland Mueller

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Beschreibung

Mitreißend und spannend: Die sechsteilige historische Serie „Der Clan des Greifen“ von Roland Mueller jetzt als eBook bei dotbooks. Südtirol im 15. Jahrhundert: Die unbeherrschte Natur des ältesten Greifenberg-Sohns Wolf bricht sich immer mehr Bahn. Gemeinsam mit seinem Bruder nimmt er einen einflussreichen Kaufmann aus Bozen gefangen. Hagen, dem einstigen Gefährten des Grafen von Greifenberg und mittlerweile Liebhaber der Gräfin, ist bewusst, dass dies nicht ohne Folgen bleiben wird. Und richtig – die Stadt Bozen will die Behinderung des Handels nicht hinnehmen und stellt ein Ultimatum. Droht nun ein Krieg? Gräfin Eleonore von Greifenberg ist bereit, Sühnegeld zu zahlen. Bedeutet dies den Ruin für das Lehen der Greifenbergs? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die sechsteilige historische Serie „Der Clan des Greifen“ von Roland Mueller. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Südtirol im 15. Jahrhundert: Die unbeherrschte Natur des ältesten Greifenberg-Sohns Wolf bricht sich immer mehr Bahn. Gemeinsam mit seinem Bruder nimmt er einen einflussreichen Kaufmann aus Brescia gefangen. Hagen, dem einstigen Gefährten des Grafen von Greifenberg und mittlerweile Liebhaber der Gräfin, ist bewusst, dass dies nicht ohne Folgen bleiben wird. Und richtig – die Stadt Brescia will die Behinderung ihres Handels nicht hinnehmen und stellt ein Ultimatum: sofortige Freilassung des Kaufmanns und eine Entschädigungszahlung. Ansonsten droht Krieg. Gräfin Eleonore von Greifenberg gibt schweren Herzens nach und ist bereit, das Sühnegeld zu zahlen. Bedeutet dies den Ruin für das Lehen der Greifenbergs?

Über den Autor:

Roland Mueller, geboren 1959 in Würzburg, lebt heute in der Nähe von München. Der studierte Sozialwissenschaftler arbeitete in der Erwachsenenbildung, als Rhetorik- und Bewerbungstrainer und unterrichtet heute an der Hochschule der Bayerischen Polizei. Er veröffentlichte zahlreiche Romane, Kurzgeschichten, Kinder- und Jugendbücher.

Bei dotbooks erschienen bereits Roland Muellers historische Kinderbücher Die abenteuerliche Reise des Marco Polo und Der Kundschafter des Königs und seine historischen Romane Der Goldschmied, Das Schwert des Goldschmieds, Das Erbe des Salzhändlers und Der Fluch des Goldes.

Die erste Staffel der historischen Serie Der Clan des Greifen umfasst folgende Bände:

Erster Roman: Die Begegnung.

Zweiter Roman: Der Pakt.

Dritter Roman: Das Vermächtnis.

Vierter Roman: Das Erbe.

Fünfter Roman: Die Rache.

Sechster Roman: Das Spiel.

***

Originalausgabe Januar 2015

Copyright © 2014 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung und Titelbildabbildung: Nele Schütz unter Verwendung von shutterstock/Olga Rutko

ISBN 978-3-95520-742-7

***

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Roland Mueller

Der Clan des Greifen

Das Spiel

Staffel I – SechsterRoman

dotbooks.

Am Anfang hatte sich Eleonore noch selbst dabei ertappt, wenn sie Selbstgespräche führte. Bis dahin hatte sie geglaubt, dass dies nur ganz alte Leute taten, die schon ein wenig wunderlich im Kopf waren. Daher war sie überrascht, dass es auch ihr passierte. Inzwischen fiel es ihr nur noch auf, wenn ihre Kammerzofe sie gleich zwei Mal hintereinander fragte, ob die liebe Frau etwas zu ihr gesagt habe.

»Hagen«, murmelte Eleonore halblaut vor sich hin.

Die Kammerzofe wandte sich zu ihr um.

»Ihr quält Euch, Herrin.«

Eleonore blickte die Frau vor sich still an. In ihrem Kopf war eine Leere, die sie beinahe schmerzte. So etwas kannte sie nicht an sich. Ja, sie hatte seinen Namen genannt, und es fiel ihr schwer, darüber nachzudenken, warum sie es getan hatte. Es war, als wehrten sich ihre Gedanken dagegen, aus Furcht vor der schmerzenden Erkenntnis.

»Der edle Herr Hagen ist fort, liebe Frau.«

»Fort ...«, murmelte Eleonore, und sie nickte kaum merklich.

»Ja, ich weiß.«

Auch früher schon hatte er die Burg verlassen. Viele Male. Sie selbst hatte ihn ja oft genug losgeschickt. Keine Aufgabe und kein noch so geringer Gefallen, den er ihr nicht erfüllt hätte. Aber immer wieder war er zu ihr zurückgekehrt. Wie lange seine Reisen auch dauerten und wer immer ihn dabei begleitete, am Ende kehrte Hagen wieder heim. Zu ihr. So war es doch gewesen, oder? Ja, das sagte sie sich in den Momenten des Zweifels wieder und wieder. So war es, nicht anders. Wie sehr hatten sie ihr heimliches Glück genossen! So sehr, dass die Erinnerung daran jetzt tatsächlich schmerzte. Als ob ihr Kopf die Gedanken nicht aushalten könne. Ja, dieses Mal war es ungewiss, ob er zurückkehren würde. Die Kammerzofe trat zu ihr und nahm sie bei der Hand.

»Setzt Euch hier ans Fenster, und seht das Licht über den Bergen an. Das tut Euch gut, edle Frau, und dann müsst Ihr Euch ausruhen.«

»Nein«, murmelte Eleonore, »ich will mich nicht ausruhen.«

Ja, das hatte sie aus ihren Gedanken verdrängt. Dass er fort war und dass es ihre Schuld war. Ganz allein ihre Schuld ...

***

Erst am späten Abend kam von Schlüsselberg in Bozen an. Der Büttel erwartete ihn zu Pferd bereits am Tor der Stadt und gebot ihm, ihm zu folgen. Hintereinander ritten sie durch die nachtschlafende Stadt. Vor dem Zunfthaus hielten sie schließlich ihre Pferde an. Der Büttel sprang zuerst aus dem Sattel und eilte ins Haus, und von Schlüsselberg tat es ihm nach. Ein Page trat ihnen in den Weg, aber der Büttel scheuchte ihn mit einer Handbewegung zur Seite und eilte, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf. In dem großen, prächtigen Versammlungssaal warteten bereits seit einer Weile sämtliche Vertreter der Zünfte wie auch der Händler. Von Schlüsselberg fand gerade genug Zeit, um sich den Staub aus den Kleidern zu klopfen. Er war todmüde, und die Vorstellung, vor dem Rat die Forderungen des Greifen vorzubringen, bereitete ihm Magenschmerzen. Ausgerechnet er, der es nicht mochte, vor Menschen zu sprechen. Aber hatte er eine Wahl? Mit seinem Leben als Leibwache eines reichen Händlers war er bisher ganz zufrieden gewesen. Die Vorstellung, seinen Brotherrn als Geisel zurückgelassen zu haben, behagte ihm ganz und gar nicht. Nicht etwa, weil er Silberhorn besonders schätzte, sondern weil sein eigenes angenehmes Leben vorbei sein würde, sollte dem Mann etwas zustoßen.

Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt und erstaunlich hell von zahlreichen Kerzen erleuchtet. Der Büttel stellte ihn mit lauter Stimme vor, bevor er ihn bat, vor den Rat zu treten und zu sprechen. Also erzählte der Junker, was ihm und seinem Herrn widerfahren war. Als er berichtete, wie man Silberhorn in das Kloster verschleppt hatte, machte sich das erste Mal Unmut unter den Zuhörern breit. Als er schließlich die Forderungen der Räuber vortrug, setzte lautstarker Tumult ein. Einer der Räte sprang von seinem Platz auf und hob beschwichtigend die Arme. Allmählich ließ der Lärm nach. Am Ende war es still. Von Schlüsselberg kannte diesen Mann. Zweimal war er Meister Truchmann bereits begegnet, wenn sie auch niemals miteinander gesprochen hatten. Der leicht korpulente Händler galt als eines der einflussreichsten Ratsmitglieder der Stadt. Als angesehener Tuchhändler war er weit über die Grenzen von Bozen hinaus bekannt. Er galt als fromm und gottesfürchtig. Mit einer deutlich jüngeren Frau verheiratet, die ihm sieben Kinder geboren hatte, lenkte er die Belange der Stadt mit dem gleichen Geschick wie seine Geschäfte. Er war der offizielle Sprecher dieser Runde, und sein Wort hatte auch darüber hinaus überall großes Gewicht.

»Herr von Schlüsselberg, habe ich Euch gerade richtig verstanden? Man stellt uns also Bedingungen, ja?«

Der Junker nickte erst, bevor er ein »Ja, Herr« hinzufügte.

»Und Ihr bleibt dabei, Ihr habt das Gesicht des Mannes und die seiner Spießgesellen nicht erkannt?«

»Ja, richtig. Genauso ist es, Herr.«

»Ich frage mich, wer wohl zu so einer Tat fähig wäre?«

»Ich habe keine Ahnung, mein Herr.«

Truchmann warf einen grimmigen Blick in die Runde des Rates. Dann fuhr er fort.

»Wir denken alle an einen ähnlichen Überfall, der etliche Wochen zurückliegt. Es war Winter, und überall lag Schnee. Ein Schlittenzug geriet in einen Hinterhalt. Auch damals konnte niemand sagen, wer die Angreifer gewesen waren. Dies ist nun der zweite Überfall auf einen großen Handelszug.«

»Hört, hört!«, riefen einige Zuhörer, während die übrigen zustimmend nickten.

»Sagt nur laut dazu, was passiert ist, ehrenwerter Herr Truchmann«, rief jemand aus der Schar der Zuhörer, »Geld wurde gestohlen und ein Knecht erschlagen! Der Sache hätte man damals viel genauer nachgehen müssen!«

Truchmann hob die Hand und winkte beschwichtigend in Richtung des Rufers.

»Ja, das ist richtig. Genau das ist passiert. Doch es ist nicht gesagt, ob der Überfall damals etwas mit dieser Tat zu tun hat. Alles, was wir wissen, ist das, was uns der Herr von Schlüsselberg soeben berichtet hat. Und wir haben dieses Schreiben von einer unbekannten Hand, in der uns ein Unterhändler angekündigt wird.«

Er hob das Pergament in die Höhe, das ihm ein Bote einen Tag zuvor auf der Straße überreicht hatte. Truchmann zögerte kurz, bevor er weitersprach.

»Ihr habt recht! Diese Geschichte hier klingt reichlich verworren, und ich denke, man sollte endlich einmal die Gräfin befragen. Schließlich ist der Überfall auf dem Land der Greifenbergs verübt worden. Vielleicht weiß sie Genaueres. Aber jetzt sagt uns, Junker, was Ihr uns noch zu sagen habt.«

»Für den Herrn Silberhorn und die Männer, die ihn begleitet haben, wird Lösegeld gefordert.«

»Natürlich, was sonst«, antwortete Truchmann beinahe spöttisch.

Von Schlüsselberg sah die gespannten Mienen der Männer ringsum. Er hob den Kopf. Das fängt ja gut an, dachte er für sich, die glotzen mich alle an, als wäre ich der Kerl, der das Lösegeld bekommen soll. Dabei bin auch ich gefesselt in ein eiskaltes dunkles Loch geworfen worden. Wo ich eine ganze Nacht lang verbringen musste! Er holte tief Luft und begann mit lauter Stimme zu sprechen.

»Eintausend Gulden in Silber verlangt man für meinen Brotherrn! Damit wären er und alle Übrigen wieder frei.«

Truchmann lachte laut auf, und auch die meisten Räte ringsum lachten spöttisch. Andere ballten nur die Fäuste.

»Und woher soll das Geld kommen?«, fragte Truchmann, an den Junker gewandt.

»Nun, von Euch, Ihr Herren des Rates.«

Erneut war höhnisches Gelächter die Antwort, doch als Truchmann den Arm hob, beruhigten sich die Anwesenden schnell wieder.

»Wie kommen diese Strauchdiebe darauf, dass wir das tun würden?«, wollte Truchmann wissen.

»Ihr Anführer sagte, dass all die Schätze im Gepäck meines Herrn von Euch bestellte Waren sind. Andachtsbilder aus Elfenbein, Madonnenschreine und eine schöne Monstranz für die Johanniskapelle am Dom zu Bozen. Diese Waren erhaltet Ihr erst nach der Auslösung meines Herrn.«

Der nun folgende Tumult war ohrenbetäubend. Dieses Mal schlug Truchmann mit der flachen Hand auf das dunkle Holz an seinem Platz. Das deutlich hörbare Geräusch ließ die Männer ringsum rasch verstummen.

»Beruhigt Euch, Ihr lieben Brüder! Ich verstehe Euren Unmut, aber so kommen wir nicht weiter.«

Er wandte sich wieder an den Junker. Doch bevor er etwas sagen konnte, erhob sich einer der Räte. Der große, breite Mann trug ein braunes Barett auf dem Kopf, und sein Gesicht verschwand beinahe vollständig hinter einem mächtigen Bart. Als er laut zu sprechen begann, füllte er mit seiner dröhnenden Stimme den ganzen Raum.

»Brüder, wir hören hier von einem Raubüberfall! Dreist und unverfroren! Nun, das passiert schon mal auf den Straßen in diesen Zeiten. Aber ich kenne Meister Silberhorn gut. Weil ich selbst Geschäfte mit ihm mache. Er ist vorsichtig. Dazu hat er ja bewaffnete Knechte um sich. Und er hat Euch, Junker, als Anführer dieser Leute. Jetzt sagt einmal selbst, Ihr seid ein Ritter und versteht es, ein Schwert zu führen, nicht wahr?«

Von Schlüsselberg nickte zur Bestätigung. Der Sprecher lächelte kaum merklich, bevor er weitersprach.

»Bestimmt habt Ihr schon so manchen Überfall vereitelt, hab ich recht?«

Wieder nickte der Ritter nur statt einer Antwort. Worauf wollte dieser Mann dort hinaus?

»Aber jetzt, Herr Ritter, jetzt steht Ihr hier und erzählt uns eine Geschichte. Und ich frage nun Euch hier, Euch alle, ehrenwerte Brüder und Mitglieder dieses Rates: Wer sagt uns, dass sie überhaupt stimmt, diese reichlich seltsame Geschichte des Junkers von Schlüsselberg?«

Er richtete den Blick nun direkt auf den Ritter.

»Ja, mein Herr, wer sagt uns, dass Euer Herr, der tüchtige Herr Silberhorn, nicht derweil irgendwo im Warmen sitzt und es sich gut gehen lässt?«

»Wieso sollte mein Herr so etwas tun?«

»Warum? Weil es am Ende vielleicht gar keinen Raub gibt. Sondern nur eine Geschichte über einen solchen Raub. Und Ihr erzählt sie uns gerade.«

Der Junker von Schlüsselberg vergaß vor lauter Verblüffung, seinen Mund zu schließen. Truchmann wandte sich an den Redner.

»Erlenburg, das ist ein gewagtes Wort, das Ihr da führt.«

»Mir gleich«, polterte Erlenburg los, »ich sage nur, was die meisten hier denken, es nur nicht auszusprechen wagen. Wie dem auch sei. Ich sage es noch einmal: Ich kenne Silberhorn, und ich weiß, dass seine Geschäfte schon einmal besser liefen. Warum sollte er nicht auf diese Weise versuchen, zu Geld zu kommen?«

Leises Raunen erklang. Erlenburg hob beide Hände, und es wurde still. Der Mann sprach weiter.

»Deshalb mach ich mir Gedanken, ob das, was ich gerade gehört habe, tatsächlich wahr ist.«

Von Schlüsselberg hatte sich von seiner Verblüffung erholt. Die Anschuldigung wog schwer und richtete sich nicht nur gegen seinen Herrn, sondern auch gegen ihn selbst. Besonders gegen seine Ehre als Ritter und Adeliger. Nur mühsam konnte er den Zorn, der in ihm aufstieg, bändigen. Seine anfängliche Müdigkeit war wie fortgeblasen. Entschlossen trat er einen Schritt vor, bis er mit der Hand beinahe das umlaufende kostbar geschnitzte Gestühl berühren konnte.

»Herr, Eure Worte treffen nicht nur meinen Brotherrn, sondern auch mich. Denn wenn ich, der Ritter von Schlüsselberg, auch kein Land und sonst kein Gut mein Eigen nennen kann, so ist mir der Begriff der Ehre doch sehr wohl vertraut. Eine solche Behauptung sehe ich als persönliche Beleidigung an. Deshalb nehmt Ihr augenblicklich zurück, was Ihr gerade gesagt habt, oder ...«

»Oder was?«

Erlenburg legte den Kopf ein wenig schräg, und sein Blick war höhnisch, während er auf die weiteren Worte des Ritters lauschte.

»... oder ich fordere Euch auf Ehre, hier und jetzt. Vor all diesen Herren als Zeugen. Und zwar auf Leben und Tod!«

Auf einmal war es still im Saal. Ein Ritter hatte sie, die Ratsherren, allesamt Bürger dieser Stadt, in die Schranken verwiesen. Damit war in diesem Moment allen Anwesenden klar geworden, dass sich ein Edelmann, selbst wenn er so wie der Junker eher aus dem Niederadel stammte, nicht alles gefallen ließ. Erlenburg murmelte undeutliche Worte. Etliche Mitglieder des Rats flüsterten miteinander, andere wiederum senkten die Köpfe. Da seufzte der Ratsherr plötzlich und ließ sich langsam wieder auf seinen Platz nieder.

»Ich höre, mein Herr!«, rief von Schlüsselberg.

»Schon gut«, brummte Erlenburg. »Ich habe mich wohl ein wenig im Ton vergriffen und bitte Euch, auch im Namen Eures Brotherrn, um Verzeihung.«

Der Blick des Junkers traf auf den Ratsvertreter, und dann nickte er.

»Ich nehme Eure Entschuldigung an.«

Er trat zurück, verbeugte sich knapp und wandte sich dann an Truchmann.

»Bei meiner Ehre, alles verhält sich genau so, wie ich es gesagt habe. Mein Herr, der ehrenwerte Herr Silberhorn, vertraut auf Euch als seine Kunden. Bezahlt Ihr nicht, wollen ihn die Räuber eingekerkert lassen bis zum Jüngsten Tag. Mein Appell richtet sich an Euch als Christenmenschen.«

Truchmann hub an, etwas zu sagen, aber es dauerte ein wenig, bis er die passenden Worte gefunden hatte.

»Wir werden uns beraten, Herr von Schlüsselberg. Solange bitten wir Euch, draußen zu warten.«

Der Junker nickte und warf noch einmal einen Blick in die Runde der Ratsherren. Was für Krämerseelen!, dachte er verächtlich, wandte sich um und verließ den Saal.

***

Der Nebel wurde immer dichter. Hagen, der seit Stunden im Sattel saß, war sich inzwischen sicher, dass er sich verirrt hatte. Das verwunderte ihn, denn er kannte die Gegend gut. Aber in der aufkommenden Dämmerung sah alles ganz anders aus, als er es in Erinnerung hatte. Selbst wenn sich die Nebelschwaden an manchen Stellen ein wenig lichteten, konnte man die Sonne am Himmel allenfalls erahnen. Hagen ritt auf die Spitze eines kleinen Hügels, doch sosehr er auch versuchte, sich zu erinnern, er kannte die Gegend nicht. Hatte er etwa die Lehnsgrenzen, ohne es zu wissen, bereits überschritten? Doch das konnte nicht sein. Denn in welche Richtung man von der Burg aus auch immer aufbrach, brauchte man zu Pferd mindestens einen ganzen Tag, um die Grenzen zu erreichen. Ritt man dabei nach Süden, gelangte man schon bald darauf nach Bozen. Er ritt noch eine Weile, immer in der Hoffnung, ein Gehöft oder sonst eine Unterkunft zu entdecken, um dort ein Nachtquartier zu finden. Aber nichts, kein Haus am Wegesrand. Nicht einmal eine Scheune, in der er hätte unterkommen können. Als schließlich die Dunkelheit hereinbrach, hatte er sich bereits damit abgefunden, irgendwo am Wegesrand nächtigen zu müssen. Doch dann roch er den Rauch eines Feuers, und ein winziger Lichtschein ließ ihn langsamer reiten. Vorsichtig lenkte er sein Pferd näher, während er sein Schwert lockerte. Die Menschengruppe am Wegrand erblickte er erst, als er sie fast erreicht hatte. Jemand schrie plötzlich laut auf, und Hagens Pferd scheute. Er zog sein Schwert. Die blanke Waffe in der Hand, ritt er in den Lichtschein des Feuers. Er war nicht eben ängstlich, aber die unbekannten Gestalten, die vor ihm wie Schemen aus dem Nebel auftauchten, ließen ihn frösteln.

»Gnade!«, rief jemand kläglich.

Das war eine menschliche Stimme, stellte Hagen fest. Also schon mal kein Dämon oder sogar ein Waldgeist. Wie die meisten Menschen in diesen Zeiten glaubte auch er an die Mächte der Finsternis. Ein paar Gestalten unweit der Straße, die gerade eine Grube aushoben, hielten inne.

»Wer seid ihr?«, fragte er.

Niemand antwortete ihm, selbst als er die Frage noch einmal wiederholte. Sie schwiegen auch dann noch, als Hagen aus dem Sattel stieg und mit dem Schwert in der Hand an den Rand der Grube trat. Ängstliche Blicke beobachteten ihn. Auf dem Boden lag ein in Lumpen gehüllter Gegenstand. In dumpfer Ahnung schob Hagen mit der Schwertspitze ein Stück des Stoffs zurück. Wie er es sich gedacht hatte, blickte er in das blutleere Gesicht einer Leiche. Es gehörte einer älteren Frau. Er richtete sich auf und blickte sich um.

»Wer seid ihr?«, fragte er noch einmal.

»Es wird Euch keiner antworten, Herr«, sagte auf einmal ein alter Mann.

Hagen betrachtete ihn verblüfft. Der Mann musste ein geradezu biblisches Alter haben, denn sein Gesicht schien nur aus Falten zu bestehen. Seine Augen waren milchig-trüb, und als Hagen eine abrupte Bewegung mit dem Schwert machte, wichen alle ein wenig zurück, nur der Greis verzog keine Miene.

»Ich bin blind, doch ich höre die Stimme eines reifen Mannes«, begann der Alte.

»Wenn Ihr das hört, Gevatter, soll es wohl so sein«, antwortete Hagen besonders höflich. »Ich bin Hagen vom Wald und stehe im Dienste des Hauses Greifenberg.«

»Der Junker Hagen«, murmelte der Mann. »Ich hab von Euch gehört, edler Herr.«

»Wer seid ihr, und was macht ihr hier?«, beharrte Hagen auf seiner Frage.

»Wir sind Bauern und kommen alle aus dem Eistal.«

»Ich kenne die Gegend. Warum seid ihr so weit von zu Hause fort?«

Der Alte hob den Kopf und deutete mit dem Kinn in Richtung der Leute.

»Sie fürchten den Leibhaftigen.«

»Ihr aber nicht, Gevatter, hab ich recht?«

Der alte Mann lächelte zaghaft.

»Was der von mir will, kann er haben. Ich hab ja nichts, was ihn interessieren könnte. Aber die da haben große Furcht, denn sie haben ihn gesehen.«

»Von wem redet Ihr, Väterchen?«

»Ich werde mich hüten, seinen Namen auszusprechen. Ich bin zwar blind, aber gehört hab ich ihn wohl. Sein schauderhaftes Lachen. Dort drüben liegt Gutta, die Frau von Melchior. Sie ist tot, und wir wollen sie unter die Erde bringen, bevor noch jemand ihre Seele stehlen kann.«

Der Alte nickte in die Richtung, wo die Leiche neben dem halbfertigen Grab lag.

»Was ist mit ihr geschehen?«, wollte Hagen wissen.

»Sie hat sich beim Anblick des Leibhaftigen so sehr erschrocken, dass das Leben sie verlassen hat. Einfach so. Versteht Ihr, sie fiel einfach um und war tot.«

Noch immer hatte von den Übrigen niemand etwas gesagt. Hagen bemerkte, dass der Greis den Namen des Teufels nicht einfach nannte.

»Hört, was ich Euch sage, Herr Ritter. Das Böse zieht durch die Wälder, und die Mächte der Finsternis sind in seiner Begleitung. Das Unheil kommt über uns alle. Wir können nur fortlaufen.«

Hagen blickte den Blinden lange an, und er überlegte. Was der Mann da sagte, klang unheimlich, aber nicht so sehr, dass er sich wirklich fürchtete. Zumindest nicht in diesem Moment. Der Weg vom Eistal führte über die Landstraße am Kloster der Franziskaner vorbei, und wenn er sich trotz des dichten Nebels noch auf dieser Straße befand, dann wusste er wieder, wo er war. Bis zum Kloster war es nicht weit. Die frommen Brüder beherzigten die Gastfreundschaft und würden ihn sicher dort übernachten lassen. Morgen, bei Tagesanbruch, konnte er dann seine Suche nach Wolf und Frieder fortsetzen. So wie er es Eleonore versprochen hatte.

»Ich will noch heute das Kloster erreichen.«

»Daran werden Euch die Dämonen zu hindern wissen, Herr. So wie sie es mit uns getan haben.«

»Das werden wir ja sehen.

Er trat zu seinem Pferd und nestelte am Sattel herum. Einer plötzlichen Eingebung folgend, wandte er sich noch einmal zu der kleinen Schar um.

»Begleitet mich jemand?«

Wie er es erwartet hatte, schwiegen alle. Niemand meldete sich. Nur der alte Mann sprach erneut.

»Fürchtet Ihr Euch jetzt etwa doch noch, Herr Hagen? So ein kühner Ritter wie Ihr?«

Hagen hörte den leisen Spott in der Stimme des alten Mannes. Aber der Respekt vor dessen Alter überwog, und er verkniff sich ein scharfes Wort.

»Ich weiß es nicht, Gevatter. Dazu müsste ich das Böse erst sehen. Und wie immer es aussieht, erst dann könnte ich es Euch sagen.«

Der Alte lachte vergnügt.

»Gute Antwort, Herr Ritter. Ja, wirklich. Eine gute Antwort.«

Hagen blickte noch einmal in die Runde.

»Also, was ist? Wer kommt mit mir?«, fragte er laut.

Als sich niemand meldete, lachte der alte Mann erneut. Er zog mit einem lauten Geräusch die Nase hoch und schüttelte dann den Kopf.

»Ich käme gleich mit Euch, ja, aber ich kann nur hören, riechen, fühlen. Ihr aber braucht jemanden, der sehen kann. Da wäre ich Euch nicht sehr von Nutzen, edler Herr.«

Hagen murmelte ein leises »Nein, nicht sehr, Väterchen« und stieg in den Sattel.

»Ich, Herr! Ich komme mit Euch.«

Ein Junge, hager wie die meisten Dörfler, trat aus der Schar der Wartenden und blickte zu ihm auf. Er trug nur Lumpen am Leib, und Hagen schätzte ihn auf etwa 15 Jahre.

»Du willst mitkommen, ja?«

Der Junge nickte hastig.

»Hast du keine Angst?«

Der Bursche ließ seinen Blick über die Schar schweifen. Unter einem Tuch lugten ein paar dunkle Augen hervor. Blonde Locken blitzten kurz im Licht des Feuers auf. Hagen bemerkte, dass der Blick des Jungen einen Moment lang auf der Gestalt verharrte, und er verstand. »Da will ein junger Geck seiner Liebsten seinen Mut beweisen«, dachte er.

»Wie heißt man dich?«

»Michel. Dem Wegleitner sein Sohn bin ich.«

»Ich kenne einen Wegleitner Michael.«

»Das ist mein Vater.«

»Ah ja. Und wie geht es ihm?«

»Tot, Herr Hagen. Er ist tot.«

Der Junge sagte dies mit einem so ausdruckslosen Ton in der Stimme, dass es Hagen erneut fröstelte.

»Das tut mir leid«, sagte er dann, »was ist geschehen?«

»Ein Baum, Herr. Ein Baum hat ihn erschlagen. Beim Holzmachen.«

Hagen nickte mitfühlend.

»Nun, du willst also mitkommen?«

»Ja, Herr.«

»Dann los. Steig hinter mir auf.«

Der Junge kletterte geschickt auf den Rücken des Hengstes. Da im Sattel kein Platz mehr war, setzte er sich auf die blanke Kruppe des Pferdes.

»Halt dich gut fest«, sagte Hagen.

Der Bursche tat wie geheißen, und Hagen wandte sich zu ihm um.

»Also dann auf zum Kloster der frommen Brüder.«

Michel hinter ihm seufzte kaum hörbar. Aber er sagte nichts mehr.

***

Als sie in der Nähe des Klosters anlangten, schlugen sie im Wald, im Schutz mächtiger Bäume, ihr Lager auf. Sie zündeten kein Feuer an. Hagen gebot dem Jungen nur, sich auszuruhen. Er würde schon aufpassen, und sollte es etwas geben, wollte er ihn wecken. Michel folgte Hagens Worten, und kurz darauf war er bereits eingeschlafen. Aber auch Hagen war müde und konnte nicht verhindern, dass er wenig später im Schutz einer mächtigen Baumwurzel einnickte.