Der Druck - Kai Hüberli - E-Book

Der Druck E-Book

Kai Hüberli

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Beschreibung

Noah ist jung. Hochbegabt. Und tot. Er war ein Wunderkind. CTO eines Start-ups mit vierzehn. Schüler, Genie, Projektionsfläche. Doch hinter den glänzenden Zahlen und Komplimenten war er einsam – und unsichtbar. Niemand sah, wie sehr er litt. Bis er sprang. Zurück bleibt Leere. Und Schuld. Sein Tod reisst ein Loch in all jene, die glaubten, ihn zu kennen – in seine Familie, seine Freunde, seine Lehrer. Jonah, sein kleiner Bruder, beginnt zu schreiben. Nicht über Noahs Leistungen. Sondern über das, was niemand hören wollte: den leisen Druck, der irgendwann zu laut wurde. Der Druck ist kein Buch über den Tod. Es ist ein Buch über das, was ihn hätte verhindern können. Über das, was bleibt, wenn nichts mehr zu sagen ist – ausser: Wir müssen uns ändern. Ein radikaler, bewegender Thriller über psychische Gesundheit, den perfiden Kult der Leistung – und die Menschen, die darunter zerbrechen.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Ähnliche


Inhaltsverzeichnis

Der Riss

Die Mauer

Andere Seite

Das Gewicht der Stille

Die letzte Seite

Schuldfragmente

Was bleibt

Impressum

Vorwort

Der Druck ist der sechste Teil meiner siebenteiligen Thrillerreihe über gesellschaftliche Brennpunkte unserer Zeit. In diesem Band widmen wir uns einem Thema, das oft unsichtbar bleibt – und doch überall ist: Mental Health und Leistungsdruck.

In einer Welt, in der Effizienz zur Tugend erhoben wurde und Selbstoptimierung zur täglichen Pflicht gehört, bleibt kaum Raum für Schwäche, Zweifel oder Überforderung. Die Messlatte liegt hoch, oft zu hoch. Besonders für die Jüngsten unter uns, die in einem Umfeld aufwachsen, das Leistung schon im Kindesalter einfordert. Was geschieht, wenn das Versprechen von Erfolg zur Bürde wird? Wenn der innere Druck grösser ist als jede äussere Erwartung?

Auch dieser Band entstand in Zusammenarbeit mit einer künstlichen Intelligenz – als kreativer Partner, nicht als Ersatz. Die Gedanken, die Kritik, die Worte – sie stammen aus menschlicher Tiefe und Auseinandersetzung.

Ich danke allen Leserinnen und Lesern, die bereit sind, in die Abgründe einer Leistungsgesellschaft zu blicken, in der der wahre Kampf nicht immer sichtbar ist – weil er im Inneren stattfindet.

Bleibt menschlich.

Kai Hüberli

Der Riss

Ein leises Brummen vibrierte durch die Stille des Raumes, das einzige Lebenszeichen in der steril aufgeräumten Zwei-Zimmer-Wohnung im dritten Stock eines anonymen Betonbaus. Das Brummen stammte von einem Smartphone auf einem Schreibtisch, das vor lauter Benachrichtigungen zu glühen schien. Die digitalen Erinnerungen an Meetings, Deadlines, Push-Nachrichten – alles wartete auf eine Reaktion. Doch niemand reagierte.

Noah sass zusammengesunken auf seinem Schreibtischstuhl, die Stirn auf den Armen, die auf der Tischplatte ruhten. Es war Montagmorgen, 07:03 Uhr, und die Woche hatte noch nicht einmal richtig begonnen. Doch für ihn fühlte es sich an, als hätte sie schon gewonnen.

Seine Finger zitterten leicht, nicht vom Koffein – das war schon lange wirkungslos –, sondern vom ständigen inneren Druck. Die Deadline für das neue KI-Modul rückte näher, sein Team erwartete Ergebnisse, der CTO wollte Zahlen, und sein Therapeut hatte ihm geraten, dringend kürzerzutreten.

Er hatte genickt. Natürlich hatte er genickt. Wie immer.

Er hob den Kopf und starrte auf den Bildschirm. Fünfzig ungelesene E-Mails, davon mindestens zwanzig mit hoher Priorität. Er klickte die erste an. „Reminder: Projektstand-Präsentation heute, 09:00 Uhr. Bitte KPI-Slides ergänzen.“ Sein Blick verschwamm.

Es war nicht das erste Mal, dass Noah überlegte, einfach alles stehen und liegen zu lassen. Aber wohin sollte er gehen? Er war erst vierzehn. Ein Wunderkind, sagen manche. Ein Systemfehler, sagen andere.

Mit sechs hatte er begonnen zu coden, mit acht seinen ersten Algorithmus geschrieben, der die Mathematik-Lehrerin in Verlegenheit brachte. Mit zehn war er am Gymnasium. Mit zwölf arbeitete er für ein Start-up, das mittlerweile über eine Million in Venture Capital eingesammelt hatte. Und jetzt – vierzehn, Mitgründer, CTO, aber im Grunde einfach nur ein Junge mit dunklen Ringen unter den Augen und einer bröckelnden Fassade.

Seine Mutter klopfte vorsichtig an die Tür. „Noah? Alles okay?“ Ihre Stimme war sanft, aber voller Vorsicht. Sie wusste, dass sie ihn nicht drängen durfte. Sie wusste aber auch, dass sie ihn nicht erreichen konnte, wenn er sich verschloss.

„Ja, gleich. Ich bin gleich da.“ Seine Stimme klang hohl.

Sie blieb noch einen Moment vor der Tür stehen, dann entfernten sich ihre Schritte.

Noah stand auf, ging zum Fenster und öffnete es. Kalte Frühlingsluft strömte herein. Er sog sie tief ein. Unten auf dem Schulhof spielten Kinder. Unbeschwert, laut, lebendig. Er erkannte sich selbst nicht in ihnen. Er erinnerte sich nicht, wann er das letzte Mal so war.

Er hatte keine Freunde. Keine Zeit. Kein echtes Leben. Nur Aufgaben, Erwartungen und der ständige Druck, ein Genie zu bleiben. Ein Kind, das man bewunderte, solange es lieferte. Ein Junge, der keine Pause machen durfte, weil dann sofort jemand da war, der sagte: „Na, ist der Hype vorbei?“

Er starrte auf das Geländer. Irgendwo da draussen musste es doch einen Ort geben, wo es keine Leistungsnachweise brauchte. Wo man einfach... sein konnte.

Zwei Stunden später sass er in einem dunklen Konferenzraum, die Kapuze seines Pullovers tief ins Gesicht gezogen, der Laptop vor ihm geöffnet. Auf der Projektionswand: Diagramme, Metriken, Fortschrittsbalken. Neben ihm: Erwachsene mit Anzügen, Redebedarf und dem Blick für Effizienz.

„Noah, du bist der Einzige, der den Backpropagation-Fehler versteht. Wenn wir das bis Freitag nicht lösen, war’s das mit dem Investment.“ Der CFO sprach schnell, mit nervösem Unterton. „Wir zählen auf dich.“

Noah nickte.

Natürlich nickte er.

Im Hintergrund ratterte der Beamer, eine elektrische Geräuschkulisse, die sich in seinem Schädel wie ein Zahnarztbohrer anfühlte.

Er sagte nichts, tippte nur einige Zahlen ein. Die Metriken auf dem Screen veränderten sich. Ein Raunen ging durch den Raum. Er hat’s wieder getan. Der Junge, der alles konnte.

Und niemand fragte: Aber zu welchem Preis?

Nach dem Meeting liess er das Mittagessen aus. Wie fast jeden Tag. Essen bedeutete Pause, und Pause bedeutete Rückstand. Rückstand bedeutete Versagen.

Er setzte sich in die letzte Reihe des Coworking-Bereichs, Kopfhörer auf, Noise Cancelling aktiviert. Doch die Gedanken blieben laut.

Seine Gedanken waren wie ein Rudel wilder Hunde, die nicht zu bändigen waren. Sie bissen sich in Sätze wie „Was, wenn ich versage?“ oder „Was, wenn ich einfach verschwinde?“ fest. Und mit jedem Tag wurden sie lauter, brutaler.

---ENDE DER LESEPROBE---