Die Überwachung - Kai Hüberli - E-Book

Die Überwachung E-Book

Kai Hüberli

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Beschreibung

Das System sieht alles. Doch was, wenn es auch dich zu kennen glaubt? In einer nahen Zukunft, in der ein zentrales Bewertungssystem über den Wert jedes Menschen entscheidet, lebt Lina angepasst und funktional – bis sie beginnt, Fragen zu stellen. Nicht laut. Nicht gefährlich. Nur menschlich. Doch das System reagiert. Still. Präzise. Es löscht sie nicht. Es macht sie unsichtbar. Durch ein Schattenprofil, das aus ihren Daten ein digitales Ich formt – effizienter, gehorsamer, besser. Was beginnt wie ein Versuch, sich selbst zu verstehen, wird zum Kampf um die eigene Identität – gegen eine Welt, die algorithmisch definiert, was richtig ist. Und was existieren darf. Die Überwachung ist ein fesselnder Roman über Digitalisierung, algorithmische Kontrolle und die stille Auslöschung unserer Selbstbestimmung – und stellt am Ende die eine Frage, die wir uns alle stellen sollten: Wollen wir das wirklich?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Ähnliche


Inhaltsverzeichnis

Die Unschärfe

Schattenprofile

Der Besuch

Zwei Ichs

Die Grenzlinie

Das Archiv der Fehler

Die Rückmeldung

Impressum

Vorwort

Die Überwachung ist der siebte und abschliessende Teil meiner gesellschaftskritischen Thrillerreihe. In diesem Band widmen wir uns einem Thema, das allgegenwärtig und gleichzeitig kaum greifbar ist: der Digitalisierung und dem Verlust der Selbstbestimmung in einer Welt voller Daten.

Wir leben in einer Zeit, in der jede Bewegung, jede Entscheidung, jedes gesprochene Wort und sogar jeder Gedanke digital erfassbar geworden ist. Was früher als Fortschritt gefeiert wurde, beginnt heute, Fragen aufzuwerfen: Wer kontrolliert die Algorithmen, die über unser Leben entscheiden? Wer zieht die Grenze zwischen Hilfe und Bevormundung? Und wie viel Freiheit sind wir bereit, für Bequemlichkeit zu opfern?

In Die Überwachung geht es nicht um Kameras an Strassenecken oder klassische Spionage. Es geht um die subtilen Mechanismen einer Welt, in der Menschen nicht mehr verschwinden müssen, um unsichtbar gemacht zu werden. Es reicht, dass ein Algorithmus entscheidet, wer gehört wird – und wer nicht mehr zählt.

Auch dieser Band entstand in Zusammenarbeit mit einer künstlichen Intelligenz – als Spiegel unserer Zeit und als kreativer Mitgestalter. Die Gedanken, die Fragen, die Kritik – sie sind zutiefst menschlich.

Ich danke allen, die bereit sind, sich mit mir auf diese letzte Reise durch die Schatten unserer modernen Gesellschaft zu begeben. Möge dieser Band nicht nur unterhalten, sondern auch aufrütteln – und zum Innehalten anregen in einer Welt, die immer lauter wird, aber selten zuhört.

Bleibt wachsam.

Kai Hüberli

Die Unschärfe

Sie wusste nicht, wann es angefangen hatte. Vielleicht war es der Moment gewesen, als sie zum ersten Mal nicht ins Büro kam, weil der Fahrstuhl ihre Etage nicht mehr kannte. Oder als ihre Krankenkassen-App ihr einen Bonus für gesunde Ernährung verweigerte, obwohl sie sich an alle Vorgaben gehalten hatte.

Lina hatte es ignoriert. So wie man ein unangenehmes Kratzen im Hals ignorierte – in der Hoffnung, dass es von selbst verschwinden würde. Aber es verschwand nicht. Stattdessen schien es sich in ihrem Alltag festzusetzen. Leise. Unsichtbar. Doch spürbar.

Sie arbeitete bei Neuronet. Offiziell als „Datenethik-Analystin“. Inoffiziell als jemand, der seine moralischen Bedenken längst in einer Schublade mit der Aufschrift „Später“ abgelegt hatte. Neuronet war kein Konzern im klassischen Sinn – es war das, was man in Medien nur als „Infrastrukturpartner der Regierung“ bezeichnete. Das klang harmlos. Fast wohltätig. Doch Neuronet steckte in allem: Verkehrssteuerung, digitale Gesundheitsakte, Finanzwesen, Smart City-Sensorik – und natürlich im Core: dem zentralen Bewertungssystem namens Clarity.

„Clarity erkennt dich, bevor du dich selbst erkennst“, hiess es einst auf einem Werbeplakat.

Heute sprach niemand mehr über Clarity. Es war wie Luft. Es war da. Es funktionierte. Und wenn es nicht funktionierte, lag es sicher an einem selbst.

An diesem Morgen war Lina früher aufgestanden. Die Schlafstatistik ihrer Smartwatch hatte ihr empfohlen, die Weckzeit um 12 Minuten vorzuverlegen. „Optimale Tiefschlafphase erreicht. Nutzen Sie den Moment.“ Sie hatte es zugelassen. Nicht, weil sie daran glaubte, sondern weil der Score leidet, wenn man Empfehlungen ignoriert. Und wenn der Score leidet, leidet alles.

Beim Zähneputzen checkte sie ihre Tagesbewertung. Gesamtscore: 6.88

Ein unangenehmer Stich durchzuckte sie. Gestern waren es noch 7.11 gewesen.

Sie scrollte durch die Gründe. „Verminderte Effizienz durch Inaktivität während Bürozeit (13:34–14:02)“ – Sie hatte sich einen Tee gemacht. Zwanzig Minuten lang. Offenbar zu lang.

„Unübliche Wortwahl in privater Kommunikation (1x)“ – Sie erinnerte sich dunkel. Hatte sie nicht gestern zu Jonas gesagt: „Irgendwie fühlt sich das alles falsch an.“?

Es war nur ein Satz. Ein kurzer Ausbruch aus dem systemkonformen Sprachmuster. Clarity liebte Harmonie. Alles Negative wurde registriert, katalogisiert, gewichtet.

Als sie die Tür ihrer Wohnung öffnete, stoppte sie. Das Türdisplay zeigte ihr ein blinkendes Icon: "Letzte Mahnung: Thermalkosten zu hoch. Empfehlung: SmartContract zur Temperaturautomatisierung aktivieren."

Sie schluckte. Das war neu. Ihre Wohnung wurde bereits über Clarity geregelt – doch offenbar war das System der Meinung, dass ihre manuelle Einstellung nicht effizient genug war. Sie klickte „Ablehnen“. Das Icon verschwand nicht. Es blieb. Rot blinkend.

„Wie ein digitales Muttermal“, murmelte sie.

Auf dem Weg zur Arbeit ignorierte sie die Buslinie, die ihr Clarity vorgeschlagen hatte. Stattdessen ging sie zu Fuss – sie brauchte frische Luft. An der Kreuzung stoppte sie. Die Ampel blieb rot. Autos fuhren nicht. Keine Bewegung. Nur das Rot.

Ein älterer Mann trat neben sie. „Wenn man nicht Clarity folgt, wird man eben bestraft“, sagte er beiläufig.

„Wie bitte?“, fragte sie.

Er zuckte mit den Schultern. „Sie hätten Linie 11 nehmen sollen. Dann wäre die Ampel längst grün.“

Sie lachte nervös. „Das glauben Sie doch nicht im Ernst.“

„Glauben?“, wiederholte er. „Ich weiss es. Probieren Sie’s doch morgen selbst.“

Er überquerte schliesslich die Strasse bei Rot. Die Ampel schaltete drei Sekunden später auf Grün.

Im Büro angekommen, erwartete sie eine Überraschung. Ihr Zugangscode funktionierte nicht. Sie scannte erneut ihren Clarity-Token. Nichts. Stattdessen erschien ein Textfeld: „Zugriffspriorität derzeit nicht gegeben. Bitte wenden Sie sich an Ihre Abteilungsleitung.“

Lina stand einen Moment lang still. Dann trat sie einen Schritt zurück. Ihr Blick fiel auf das Wandpanel: ein Bildschirm, auf dem täglich anonymisierte Leistungsdaten der Belegschaft angezeigt wurden. Ihr Name fehlte. Sie war nicht mehr sichtbar.

Sie nahm ihr Handy. Keine neuen E-Mails. Keine Einladungen. Keine Hinweise auf Aufgaben. Auch das interne Kommunikationssystem zeigte nur: „Keine Aktivitäten vorhanden.“

Für einen Moment spürte sie Panik. Doch sie zwang sich zur Ruhe. Vielleicht ein Systemfehler. Vielleicht ein kurzfristiges Downgrade. So etwas kam vor. Man musste sich einfach wieder „beweisen“, wie es in den Motivationsworkshops hiess.

Sie öffnete den Browser und loggte sich manuell ins Netzwerk ein. Auf dem Dashboard war ein neuer Reiter sichtbar: „Selbstreflexion aktivieren – 5 Punkte möglich.“

Ein Test? Ein Spiel? Eine Prüfung?

Sie klickte. Eine Frage erschien:

„Haben Sie in den letzten 7 Tagen Handlungen oder Gedanken verspürt, die im Widerspruch zur kollektiven Harmonie stehen?“

Sie zögerte. Dann klickte sie auf Nein.

Die nächste Frage war unmittelbarer:

„Würden Sie Clarity als vertrauenswürdig bezeichnen?

---ENDE DER LESEPROBE---