Der eifersüchtige Estremadurer - Miguel de Cervantes Saavedra - E-Book

Der eifersüchtige Estremadurer E-Book

Miguel de Cervantes Saavedra

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Beschreibung

"Der eifersüchtige Estremadurer" ist eine Erzählung von Miguel de Cervantes Saavedra. Miguel de Cervantes Saavedra (* vermutlich 29. September 1547 in Alcalá de Henares, getauft am 9. Oktober 1547 in Alcalá de Henares; † 23. April 1616 in Madrid) war ein spanischer Schriftsteller. Der Autor des Don Quijote gilt als Spaniens Nationaldichter.

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Seitenzahl: 59

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Inhaltsverzeichnis

Der eifersüchtige Estremadurer

Impressum

Der eifersüchtige Estremadurer

Vor etlichen Jahren verließ ein junger Edelmann einen Flecken in Estremadura und zog wie ein zweiter verlorener Sohn in verschiedenen Gegenden von Spanien, Italien und Flandern umher, worüber er in die Jahre kam und sein Vermögen zusetzte. Am Ende seiner vielfachen Reisen, als bereits seine Eltern tot waren, und sein Vermögen größtenteils durchgebracht, begab er sich nach der großen Stadt Sevilla, wo er Gelegenheit genug fand, das Wenige, was ihm noch geblieben war, zu vergeuden.

Wie er sich in dieser großen Geldnot sah, und auch nicht viele Freunde hatte, nahm er seine Zuflucht zu einem Mittel, zu dem so manche andere Verschwender in dieser Stadt zuletzt greifen. Er beschloß nämlich, nach Indien zu gehen, diesem Zufluchtsorte der Verzweifelten in Spanien, dieser Freistätte der Bankrottierer, diesem Hafen der Mörder, diesem Schutz und Schirm der Gauner, dieser Lockspeise der Buhlschwestern, wo viele in ihren Hoffnungen sich betrogen finden und nur wenige ihre Lage wirklich verbessern.Wie daher eine Flotte nach Terra Firma abging, ward er mit dem Befehlshaber derselben einig, schnürte sein Bündel, versah sich mit Mundvorrat, schiffte sich in Cadiz ein und sagte Spanien Lebewohl. Die Flotte lichtete die Anker, und zur allgemeinen Freude schwellte ein sanfter und günstiger Wind die Segel, so daß er in wenig Stunden das Land ihren Blicken entrückte und ihnen die weiten Flächen des großen Vaters der Gewässer, des Ozeans, zeigte. Unser Reisender war nachdenklich und erwog die vielen und mannigfaltigen Gefahren, die er in den Jahren seiner Wanderung bestanden, und die schlechte Wirtschaft, die er sein ganzes Leben hindurch geführt hatte, und das Ergebnis seiner Betrachtung war der feste Vorsatz, seine Lebensweise zu ändern, mit dem Vermögen, das ihm Gott bescheren würde, anders hauszuhalten und vorsichtiger als bisher mit den Weibern umzugehen.

Auf der See herrschte fast völlige Windstille, während dieser Sturm bei Philipp von Carrizales vor sich ging (so heißt nämlich derjenige, der den Stoff zu dieser Erzählung hergegeben hat). Auf einmal erhob sich der Wind, und wütete so heftig gegen die Schiffe, daß sich niemand auf seinem Sitze halten konnte, und so war auch Carrizales genötigt, seiner Gedanken sich zu entschlagen und sich bloß mit den Gefahren der Reise zu beschäftigen. Diese lief so glücklich ab, daß sie ohne irgendeinen Unfall in den Hafen vonCarthagena einliefen. Und um uns nicht bei dem aufzuhalten, was außer unserem Zwecke liegt, bemerken wir bloß, daß Philipp, wie er nach Indien ging, ungefähr achtundvierzig Jahre alt war, und in den zwanzig Jahren, die er dort zubrachte, sich durch Fleiß und Betriebsamkeit ein Vermögen von mehr als anderthalbhunderttausend Krontalern erwarb.

Wie er sich nun reich und glücklich sah, erwachte in ihm die Sehnsucht, die allen so natürlich ist, nach seinem Vaterlande zurückzukehren und ungeachtet der vorteilhaften Aussichten, die er hatte, sein Geld zu vermehren, verließ er Peru, wo er ein so großes Vermögen erworben hatte, setzte es in Gold- und Silberbarren um, ließ es, um sich keinen Ungelegenheiten auszusetzen, registrieren und kehrte nach Spanien zurück. Er stieg in San Lucar ans Land und langte, ebenso reich an Geld wie an Jahren, in Sevilla an. Er erhielt ohne Schwierigkeit seine Schätze, und wollte jetzt seine Freunde aufsuchen, die aber alle mit Tode abgegangen waren. Er beschloß darauf, nach seiner Heimat zu reisen, ob er gleich bereits Nachricht hatte, daß auch dort ihm der Tod keinen Verwandten übriggelassen habe. Wenn ihn früher, wie er in den dürftigsten Umständen nach Indien ging, mancherlei Gedanken bestürmten und ihn mitten auf den Wogen des Meeres keinen Augenblick Ruhe gelassen hatten, so bestürmten sie ihn jetzt nicht minder aufdem festen Lande, obwohl aus einer verschiedenen Ursache. Denn wenn ihn damals die Armut nicht schlafen ließ, so raubten ihm jetzt seine Schätze die Ruhe; denn Reichtum ist für den, der nicht an seinen Besitz gewöhnt ist, noch ihn zu gebrauchen weiß, eine ebenso drückende Last, als es Armut für den ist, der beständig damit zu kämpfen hat. Sorgen verursacht das Gold und Sorgen der Mangel daran. Doch dem Einen wird durch einen mäßigen Besitz abgeholfen, während die andern mit den Schätzen wachsen.

Carrizales betrachtete seine Barren nicht mit den Augen eines Filzes – denn in den wenigen Jahren, wo er Soldat gewesen war, hatte er gelernt, freigebig zu sein –, sondern er ging mit sich zu Rate, was er eigentlich damit anfangen sollte. Denn ließ er sie ganz, so waren sie ein toter Schatz für ihn, und behielt er sie im Hause, so dienten sie Habgierigen zum Köder und Dieben zur Lockspeise. Die Lust war ihm bereits vergangen, zu dem unruhigen Handelsgeschäfte zurückzukehren, und er glaubte bei seinen Jahren Geld genug zu haben, um für seine Lebenszeit auszureichen. Er wünschte wohl, in seiner Heimat zu leben, und indem er sein Geld auslieh, sein Alter ruhig und ungestört dort zuzubringen, um nun soviel wie möglich Gott zu leben, nachdem er mehr als er sollte der Welt gelebt hatte. Doch auf der andern Seite erwog er die große Armut, die in seinem Geburtsorte herrschte, und daß ersich dort allen den Zudringlichkeiten aussetzen würde, mit denen Arme ihren reichen Nachbar zu bestürmen pflegen, zumal wenn niemand anders im Orte ist, zu dem sie in der Not ihre Zuflucht nehmen können.

Dann wünschte er auch, jemanden zu haben, dem er einmal nach seinem Tode sein Vermögen hinterlassen könnte. Er fühlte darum seiner Kraft an den Puls und glaubte noch das Ehejoch tragen zu können. Aber schon bei dem bloßen Gedanken ans Heiraten befiel ihn eine solche Angst, daß sein Entschluß davon wie der Nebel vom Winde verging. Denn auch in seinem ehelosen Stande war er der eifersüchtigste Mensch von der Welt und bei dem bloßen Gedanken ans Heiraten ward er dergestalt von Eifersucht geplagt, von Argwohn beunruhigt und von Grillen geängstigt, daß er ein für allemal beschloß, das Heiraten aufzugeben.

Wie er hierüber mit sich einig war, und noch über seine künftige Lebensweise schwankte, führte ihn sein Schicksal eines Tages durch eine Straße, wo er an einem Fenster ein Mädchen von dreizehn bis vierzehn Jahren erblickte, die so reizend und einnehmend war, daß der alte Carrizales, unvermögend Widerstand zu tun, seine Altersschwäche der Jugend Leonorens (so hieß das schöne Mädchen) gefangen gab. Er konnte sich nicht enthalten, augenblicklich tausenderlei Betrachtungen anzustellen. Das Mädchen, dachteer, ist schön, und nach dem Äußeren des Hauses zu urteilen, kann sie nicht reich sein. Sie ist noch Kind, und ihre Jugend kann mich vor Argwohn sicherstellen. Ich will sie heiraten, einsperren und nach meinen Grundsätzen erziehen; so wird sie keine andere Denkungsart bekommen als die, welche ich ihr beibringe. Ich bin noch nicht so alt, daß ich die Hoffnung aufgeben müßte Erben zu bekommen. Ob sie etwas mitbringe oder nicht, kann nicht in Anschlag kommen; denn der Himmel hat mir genug beschert, und Reiche müssen nicht nach Geld, sondern nach Neigung wählen. Denn gegenseitige Neigung verlängert bei Eheleuten das Leben, und Abneigung verkürzt es. Wohlan! das Los ist geworfen, und das ist das Mädchen, das mir der Himmel bestimmt hat.

Nach diesem Selbstgespräch, das er nicht ein-, sondern hundertmal bei sich wiederholte, redete er einige Tage darauf mit Leonorens Eltern und erfuhr, daß sie zwar arm, aber von Adel seien. Er machte sie mit seiner Absicht, seiner Person und seinem Vermögen bekannt, und warb sehr angelegentlich um die Hand ihrer Tochter. Sie baten sich Bedenkzeit aus, damit sie nähere Erkundigungen über ihn einziehen könnten, und auch er von ihrem Adel sich in dieser Zeit überzeugen könne. Man nahm Abschied voneinander, erkundigte sich beiderseits, fand alles bestätigt, und Leonore ward die Braut des Carrizales, nachdemer ihr vorher zwanzigtausend Dukaten als Leibgedinge verschrieben hatte; in solche Liebesflammen war die Brust des eifersüchtigen Alten versetzt.