Der eine Andere - Catharina Clas - E-Book

Der eine Andere E-Book

Catharina Clas

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Beschreibung

Was frau besser NIE mit dem besten Freund ihres Freundes machen sollte: Ihn abends allein im eigenen Vorgarten treffen. Ständig an ihn denken und auf ein zweisames Picknick mit ihm hoffen. Nachts mit ihm zusammen auf einem Spielplatz abhängen und sich von ihm küssen lassen.Von prickelnden Versteckspielchen im Holzhäuschen ganz zu schweigen. Tja, daran hat sich Emmy leider nicht gehalten. Jetzt ist sie verwirrt und weiß nicht, ob ihre Liebe zu ihrem festen Freund Jo überhaupt noch wahr ist. Was bedeutet Jos bester Freund Sam für sie? Und warum fühlt sie sich plötzlich so unwiderstehlich zu ihm hingezogen?

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Catharina Clas

Der eine Andere

Vollständige eBook-Ausgabe der Hardcoverausgabe

bloomoon, München 2016

© 2016 bloomoon, ein Imprint der arsEdition GmbH, Friedrichstr. 9, 80801 München

Alle Rechte vorbehalten

Text: Catharina Clas, vermittelt durch die Literaturagentur Birgit Arteaga, München

Umschlaggestaltung: Grafisches Atelier arsEdition unter Verwendung von Bildmaterial von Thinkstock

Umsetzung ebook: Zeilenwert GmbH

ISBN eBook 978-3-8458-1555-8

ISBN Printausgabe 978-3-8458-1125-3

www.bloomoon-verlag.de

Für Volker

Jede Frau kennt ihn.

Den einen Mann, der ihre Knie in Pudding verwandelt und ihr Blut zum Kochen bringt. Den Mann, bei dem sie schwach werden könnte, obwohl sie vergeben ist.

Jede Frau kennt ihn.

Den einen Anderen.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Widmung

Jede Frau kennt ihn.

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

Circa 6480 Kilometer weiter östlich

Danke

Weitere Titel

Leseprobe zu "Wir zwei für immer"

1.

Emmy quiekte erschrocken auf, als sie um die Hüfte gepackt wurde. Schnell legte Jonathan seine Hand auf ihren Mund und drückte sie gegen die Wand. Emmy spürte die kratzende Oberfläche des kalten Backsteins auf der Haut und sofort rieselte ein Frösteln über ihren Rücken.

»Was machst du denn hier?«, flüsterte sie und warf einen hastigen Blick über ihre Schulter. Im Pausengewimmel hatte niemand etwas von Jonathans Überfall mitbekommen.

»Ich will dich entführen.« Er zwinkerte ihr zu und küsste sie sanft auf den Mund. »Heute ist doch mein freier Tag.«

»Was?« Emmy schaute ihren Freund verblüfft an. »Ich hab noch bis ein Uhr Unterricht.« Wieder blickte sie sich verstohlen um. Dann zog sie Jo in eine Nische unter der Treppe. Zu zweit passten sie gerade so hinter den schmalen Mauervorsprung. Jo stand dicht vor ihr. Der Stoff seines T-Shirts streifte Emmys Arm. »So, hier findet uns keiner«, wisperte sie.

Jo warf Emmy einen belustigten Blick zu. »Hey, in drei Tagen beginnen die Sommerferien. Ihr macht doch sowieso nichts mehr.«

»Trotzdem.« Emmy versuchte zu widerstehen; natürlich wäre sie mit Jo viel lieber auf der Stelle von hier verschwunden, als noch zwei Stunden in der Hitze der stickigen Schule zu sitzen. Aber sie hatte noch nie blaugemacht. Okay, fast nie. Denn das eine Mal zählte nun wirklich nicht. Sie hätte in Mathe eine glatte Sechs kassiert, und damit wäre ja auch niemandem geholfen gewesen.

»Was hältst du davon, wenn wir an den See fahren?« Jo drückte sich noch näher an Emmys nackte Haut. Sie trug nur Shorts und ein Top und konnte seinen Puls mit jeder Pore spüren. Jo fuhr mit dem Zeigefinger langsam über Emmys Schlüsselbein und ließ ihn dann unter den Träger ihres Tanktops gleiten. »Um diese Uhrzeit ist am See gar nichts los. Da wären wir sicher alleine«, flüsterte er.

»Ich … ich kann nicht. Bitte lass das.« Emmys Versuche, Jos Hand abzuschütteln, waren nicht sehr überzeugend. Mit so viel Gegenwehr hätte sie noch nicht einmal eine Fliege aufscheuchen können. Jonathan zog sie näher zu sich heran und küsste sie leicht auf die Lippen. Das war hochgradig unfair, denn er wusste genau, dass sie ihm nicht widerstehen konnte, wenn er diese Verführer-Nummer abzog. Für einen kurzen Moment gab sie nach und ließ ihren Kopf gegen seine Brust sinken.

Doch dann fiel ihr wieder ein, dass sie vorgehabt hatte, standhaft zu bleiben. Erst jetzt bemerkte Emmy, dass es um sie herum verdächtig leise geworden war.

»Mist, die Pause ist um. Ich muss los.«

Jo machte keine Anstalten, die Hände von ihr zu lassen. Sein Atem streifte sachte über ihre Schultern. Emmy stöhnte leise auf.

»Das kann ich echt nicht bringen«, hörte sie sich sagen, während sie darüber nachdachte, ihre Hände unter seinem Shirt zu vergraben.

»Was macht ihr denn heute noch Wichtiges?«

»Englisches Theater. Die anderen sind alle schon in der Aula«, hauchte Emmy geistesabwesend.

»Die merken bestimmt gar nicht, wenn du fehlst.«

»Aber morgen hab ich dann keine Ahnung, worum es ging.«

»Du willst englisches Theater? Kannst du haben.« Jo knabberte an Emmys Ohr. »Love is not a sprint, it’s a marathon.«

»Oho, so belesen«, kicherte Emmy.

»A relentless pursuit that only ends when she falls into your arms. Or hits you with the pepper spray.«

»Was war das denn?« Lachend schob Emmy ihren Freund von sich weg. »Shakespeare klingt anders.«

»Habe ich behauptet, dass es höhere englische Dichtkunst war?« Jo zwinkerte Emmy grinsend zu. »Das ist aus Big Bang Theory.«

Emmy lachte laut auf.

»Also, wie schaut’s aus, darf ich Sie entführen, Lady No-Show?« Theatralisch zog er sie mit einem Ruck in seine Arme und gab ihr einen langen Kuss.

Emmys Knie wurden weich. In ihrem Unterleib siegte ein prickelndes Kribbeln gegen jede Vernunft. Jo hatte ganz eindeutig gewonnen.

Emmys Herz pochte schneller. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Fehlen unbemerkt bleiben würde. Doch kneifen wollte sie jetzt auch nicht mehr. Schule schwänzen sah ihr gar nicht ähnlich, aber obwohl sie sich Sorgen machte, erwischt zu werden, gefiel es ihr irgendwie. Es war aufregend. Im Schatten des Gebäudes rannten sie zum Parkplatz. Glücklicherweise lief ihnen dabei tatsächlich niemand über den Weg. Erleichtert und völlig außer Atem ließ sich Emmy auf den Beifahrersitz des VW Golf fallen.

»Meine kleine Rebellin«, lachte Jo und beugte sich vom Fahrersitz aus zu ihr hinüber, bis sein Gesicht nur noch Zentimeter von ihrem entfernt war. »Ganz ehrlich, ich hätte nicht gedacht, dass du wirklich mitkommen würdest.« Ein Grinsen umspielte seine Mundwinkel.

Emmy knuffte ihn lachend in die Seite. »Das war ja auch ein ganz mieser Trick.«

»Ich freue mich, dass du dabei bist. Immerhin habe ich noch etwas für uns vorbereitet.« Jo warf Emmy einen geheimnisvollen Blick zu, legte sich den Gurt an und startete seinen Wagen. Sofort blies die Klimaanlage heiße Luft in Emmys Richtung. Ein Vormittag am See war schätzungsweise viel gesünder, als bei diesen Temperaturen Englisch zu lernen. Wer Hitzefrei abschaffte, der musste auch mit diversen Selbstschutzmaßnahmen der Schüler rechnen. Emmy rechtfertigte ihr Verhalten im Stillen, bis sie sich langsam relativ guten Gewissens mit der Planänderung dieses Vormittags anfreunden konnte.

»Ist es okay, wenn ich meinen iPod ans Radio anschließe?« Emmy begann, in ihrer Tasche zu kramen.

»Was willst du denn hören?«

»Cro«, antwortete sie vorsichtig.

»Och komm schon, hast du nichts anderes dabei? Du weißt doch, dass ich den Typen mit seiner blöden Panda-Maske nicht leiden kann.«

»Nur ein Lied. Oder zwei.« Emmy sah ihren Freund mit großen Bambi-Augen an.

»Na gut.«

Zufrieden stöpselte sie ihren iPod in die Anlage und lehnte sich relaxt im Beifahrersitz zurück. Ihr Blick wanderte aus dem Fenster. Sie hatte es tatsächlich getan. Ganz spontan und draufgängerisch. Genau so, wie sie es sich schon oft ausgemalt hatte. In ihrer Vorstellung war sie immer wieder mit Jo durchgebrannt, um sich dann irgendwo auf der Welt durch den wilden Dschungel zu schlagen oder in Asien die höchsten Gipfel zu erklimmen. Nur leider fehlte ihr zu solchen Abenteuern der Mumm. In ihrem echten oberbayrischen Landleben war Emmy einfach nur lieb, nett und immer anständig.

Doch wenigstens hatte sie einmal, als es darauf ankam, eine Entschlossenheit an den Tag gelegt, die sie selbst verblüfft hatte. Emmy erinnerte sich noch genau daran, wie angespannt sie vor ihrem ersten Kuss gewesen war. Heute kam ihr die Nervosität natürlich ziemlich lächerlich vor, doch damals, mit fünfzehn, war einfach alles neu und ganz schön aufregend gewesen. Zumal Chantal Kreilhuber auch ein Auge auf Jonathan geworfen hatte. Emmy hatte also handeln müssen.

Sie hatte ihre Chance auf einer Party bekommen, bei der Chantal so betrunken gewesen war, dass sie mit dem Kopf auf der Tischplatte einschlief und niemand irgendwelche Anstalten machte, ihre Wangen aus der Asbach-Cola-Pfütze zu ziehen, in der sie sich hin und her wälzte. Sehr sexy. Selbst wenn Jonathan tatsächlich etwas für sie übrig gehabt hätte, wäre ihm die Lust bei diesem Anblick sicher vergangen.

Emmy hatte in diesem Moment genau gewusst, dass das ihre Gelegenheit war. Jetzt oder nie. Sie ordnete die Aufregung in ihrem Bauch. Und trotz der Gedanken, die in ihrem Kopf Achterbahn fuhren, schaffte sie es, einigermaßen locker zu bleiben.

»Hast du Lust, nach draußen zu gehen?«, fragte Emmy schüchtern und stellte ihren Pappbecher mit dem Sekt auf einem Regal ab.

»Gern.« Jonathan lächelte und nahm seinen Anorak von der Garderobe.

Emmy zog sich ihre Jacke über und wickelte den Schal um ihren Hals. Nach einem letzten Blick auf Chantal, die sich schnarchend an der Nase kratzte, schlüpfte Emmy durch die Haustür in die eisige Winterluft. Die Januarnacht war klirrend kalt und der Mond spiegelte sich romantisch in den zugefrorenen Pfützen.

Emmy schwitzte. Ihr Puls schnellte mit jedem Atemzug weiter nach oben. Jo lächelte sie aufmunternd an und berührte sie leicht am Arm, wobei der Stoff seiner Winterjacke leise knisterte. Aus dem Inneren des Hauses wummerte der Bass, doch draußen herrschte trotzdem eine ruhige, friedliche Stimmung.

Ein Zittern vibrierte durch Emmys ganzen Körper, was jedoch nur teilweise an den Minusgraden lag. Nervös trippelte sie hin und her und wusste nicht recht, was sie tun sollte, obwohl sie ganz genau wusste, was sie tun wollte. In diesem Moment spürte Emmy, dass sie ihre Aufregung beiseiteschieben musste. Einfach mal nicht nachdenken. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste Jo leicht auf die Lippen. Sein Atem und die angenehme Wärme seiner Haut streiften über ihr Gesicht. Er zog Emmy zu sich heran, und sie wünschte sich in diesem Moment, dass sie sich für immer hier im schneebedeckten Garten umarmen könnten.

In dieser frostigen Mondnacht hatten sich die beiden zum allerersten Mal geküsst. Und Jonathans Küsse waren auch heute noch etwas ganz Besonderes für Emmy. Sie konnte einfach nicht genug davon kriegen. Emmys Fuß wippte im Takt zu Cros Traum, während sie gedankenverloren aus dem Autofenster auf die sattgrüne Landschaft blickte.

»Ich hab gar keinen Bikini dabei!«, rief Emmy plötzlich erschrocken auf.

»Dann schwimmst du eben nackt«, grinste Jonathan.

»Das würde dir wohl gefallen …«

»Sicher.« Er zwinkerte ihr zu und lenkte den Wagen auf die Bundesstraße. Die Klimaanlage hatte den ersten Hitzeschock überwunden und kühlte das Auto nun auf eine angenehme Temperatur herunter.

»Können wir bitte kurz bei mir daheim vorbeifahren? Schule schwänzen und Nacktbaden an einem Tag sind echt zu viel für mich.«

»Natürlich fahren wir bei dir vorbei.« Jo streichelte beschwichtigend über Emmys Oberschenkel. »Ich kenn dich doch, Emmchen.«

Emmy schenkte ihm einen dankbaren Blick. Auf der einen Seite war es toll, dass er sie so gut kannte, aber andererseits wollte Emmy ihm auch mal beweisen, dass sie die Draufgängerin sein konnte, die sie seit ihrer Kindheit immer hatte sein wollen.

Emmy wusste, dass Jonathan nur Augen für sie hatte, aber sie befürchtete, dass es ihm irgendwann langweilig werden könnte, wenn sie ihm nicht zeigte, dass sie auch eine mutige, verwegene, impulsive Seite besaß und nicht immer so lange über alles nachdachte, bis jede Gelegenheit für Spontaneität verstrichen war. Sie waren jetzt seit fast anderthalb Jahren zusammen und eigentlich lief alles perfekt. Doch Jo war schon neunzehn, und auch wenn er sagte, dass ihn der Altersunterschied nicht störte, hatte Emmy manchmal das Gefühl, dass sie sich gelegentlich ein wenig zu kindlich verhielt. Und das wollte sie ändern. Sehr bald.

Jonathan lenkte den Golf am Westufer des Starnberger Sees entlang in Richtung Süden. Immer wieder glitzerten die Wellen zwischen den Bäumen hindurch, die am Ufer wuchsen. In der Ferne erhoben sich die Alpen klar in den tiefblauen Himmel. Überall blühten die Sonnenblumen, und einige Kühe schauten ihnen gleichmütig kauend hinterher, als sie vorüberfuhren. Hier draußen war es ziemlich ländlich und sehr idyllisch. Aus Sicht einer autolosen Siebzehnjährigen befanden sie sich also am Arsch der Welt. München war nur mit der S-Bahn erreichbar und die Haltestelle befand sich gute zehn Kilometer von Emmys Heimatort entfernt.

»Ist das nicht das Auto von deiner Mum?«, fragte Jo, als sie in die Einfahrt von Emmys Elternhaus einbogen.

»Stimmt. Sie sollte doch eigentlich bei der Arbeit sein«, wunderte sich Emmy und reckte den Hals, aber sie konnte nichts Verdächtiges entdecken. »Vielleicht ist sie heute mit einer Kollegin gefahren. Die haben da manchmal so eine Fahrgemeinschaft.« Emmy zuckte mit den Schultern. »Ich bin gleich wieder da.« Sie drückte Jo einen Kuss auf die Wange und lief ins Haus. Drinnen war es angenehm kühl. Alle Rollläden waren heruntergelassen, um die Hitze des Tages auszusperren. Emmy streifte ihre Flipflops ab und stieg die Treppe in ihr Zimmer hinauf. Der pinke Bikini hing über der Lehne des Schreibtischstuhls, wo sie ihn am Tag zuvor zum Trocknen aufgehängt hatte. Da sie sich nicht sicher war, ob Jo auch ein Handtuch für sie eingepackt hatte, lief sie durch den Flur zum Badezimmer. Als sie die Tür fast erreicht hatte, hörte sie plötzlich die Stimme ihrer Mutter. Instinktiv drückte sich Emmy gegen die Wand. Dass ihre Mutter sie beim Schuleschwänzen erwischte, hätte ihr gerade noch gefehlt.

»Ja, er kommt gleich«, hörte Emmy sie sagen. Durch einen Spalt in der Badezimmertür konnte Emmy sehen, wie ihre Mutter gerade einen Blick auf ihre Armbanduhr warf. »In zehn Minuten.«

Sie lauschte in den Telefonhörer, während sie mit einer Hand ihre Frisur zurechtzupfte.

»Natürlich bin ich aufgeregt, was denkst du denn?«, fuhr sie fort. »Deshalb habe ich das Treffen doch auf einen Vormittag unter der Woche gelegt. Du weißt ja genau, wie die Nachbarn tratschen, sobald sie irgendetwas mitbekommen.«

Neugierig schlich Emmy näher. Der weiche Teppichboden dämpfte die Schritte ihrer nackten Füße. Mit wem wollte ihre Mutter sich treffen? Das war doch wohl die Höhe. Was auch immer es war, ihr Vater hatte offenbar keine Ahnung davon.

»Danke«, sagte ihre Mutter schließlich. »Ciao.«

Im nächsten Moment stand sie auch schon im Flur und blickte ihrer Tochter direkt in die Augen. Emmy rührte sich nicht von der Stelle und starrte erschrocken zurück.

»Emmy!« Sie wirkte wie ertappt.

»Was machst du denn hier?«, versuchte Emmy es mit Flucht nach vorne.

»Ich habe doch heute frei, weil ich mit Eva zu IKEA fahren will.«

Emmy schlug sich vor die Stirn. Das hatte sie komplett vergessen. Die beste Freundin ihrer Mutter war vor Kurzem umgezogen und die beiden wollten diverse Billys, Ektorps, Poängs und allerhand Pflanzen für die neue Wohnung besorgen.

»Mit wem hast du da gerade telefoniert?« Trotzig schob Emmy ihr Kinn vor. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.

»Unwichtig.« Ihre Mutter winkte ab und schaute sie ernst an. »Emmy, warum bist du nicht in der Schule?«

Mist, sie war wohl diejenige, die jetzt Ärger bekam, obwohl ihre Mutter ihn wahrscheinlich viel mehr verdient hätte. Emmy konnte noch immer nicht fassen, dass sie sich mit fremden Männern traf. Ihre Mutter schaute sie abwartend an. Hätte sie nicht ihren Bikini in der Hand gehabt, dann wäre Emmy vielleicht mit einer gefakten Krankheit davongekommen.

»Emmy, gerade von dir hätte ich das nie erwartet.«

Und ich hätte nie von dir erwartet, dass du Papa hintergehst, dachte Emmy trotzig. Doch sie sagte lieber nichts.

»Was hast du jetzt vor?« Die Mutter deutete auf den pinken Bikini.

»Nichts.«

»Wartet Jonathan unten auf dich?«

Konnte sie Gedanken lesen? Emmy schaute erstaunt auf. »Woher weißt du das?«

»Ich war auch mal siebzehn«, lächelte sie. »Also, dann hau schon ab. Ausnahmsweise!« Verblüfft starrte Emmy ihre Mutter an. Die drückte ihr ein buntes Badetuch in die Hand und bugsierte sie dann zur Treppe. »Viel Spaß! Und liebe Grüße an Jonathan!«, rief sie noch.

Irritiert stieg Emmy die Stufen hinunter.

»Weißt du was?«, murmelte sie, als sie sich wieder neben Jo ins Auto plumpsen ließ. »Meine Mutter hat mich erwischt und lässt mir das einfach so durchgehen.«

»Cool.«

»Und ich glaube, dass sie Papa betrügt.«

Schweigend startete Jonathan den Wagen und sie rollten langsam aus der Einfahrt.

»Das glaube ich nicht«, sagte er schließlich. »Deine Eltern sind nur entspannter, als du immer denkst. Wahrscheinlich haben sie früher selbst manchmal blaugemacht. Und bei deiner Mum kann ich mir echt nicht vorstellen, dass sie fremdgeht«, fügte er hinzu.

»Aber ich hab da gerade ein ziemlich seltsames Telefonat belauscht. Außerdem wollte sie mich ganz eindeutig loswerden.« Emmy schilderte ihm die Begegnung im Hausflur.

»Emmy, lass das erst mal sacken. Es gibt bestimmt eine ganz harmlose Erklärung dafür.«

»Hm.« Emmy schaute aus dem Fenster und beobachtete die Vögel, die in Formation über den Himmel glitten.

»Mach dich mal locker. Da wird schon nichts sein. Und ganz generell glaube ich, dass du dir weniger Gedanken über alles machen solltest. Das würde dir und deinem Leben ganz guttun.« Lächelnd berührte Jo ihren Oberarm und konzentrierte sich dann wieder auf die Straße.

Emmy seufzte. Wenn er nur wüsste … Sie war sich schon darüber im Klaren, dass sie ein bisschen lässiger werden sollte. Eben genau die Draufgängerin aus ihren Träumen. Also hatte sie beschlossen, einmal ein Risiko einzugehen, ohne vorher zu viel darüber nachzudenken. Na ja, vielleicht kein allzu großes Risiko, doch sie würde ihre Komfortzone definitiv verlassen. Nur wusste Jo davon noch nichts. Schon beim Gedanken an ihr Vorhaben wurde Emmy ganz kribbelig. Vielleicht war heute ein ganz guter Zeitpunkt, endlich mit der Sprache rauszurücken.

Jonathan bog in einen kleinen Waldweg ab. Eine Minute später kam das Auto auf einem Schotterparkplatz knirschend zum Stehen.

»Ich hab noch was für dich«, verkündete Jo und hievte eine Kühlbox aus dem Kofferraum.

Emmy ließ ihre Schultasche im Auto liegen und half ihm beim Tragen. Der Weg zum Strand schlängelte sich zwischen einigen Bäumen hindurch. Direkt dahinter befand sich eine große Liegewiese. Die klaren Wellen spülten weiter unten verlockend über die Steine des Kiesstrands und es roch nach frischer, nasser Erde. Hier am See wehte eine leichte Brise, die sich in Emmys blonden Haaren verfing und samtig über ihre Haut glitt. Das war so viel besser als Schule. Emmy konnte es kaum erwarten, ins kühle Wasser zu springen.

Die beiden suchten sich eine gemütliche Stelle im Halbschatten unter einer großen Linde und breiteten die Strandmatten aus, die Jo mitgebracht hatte. Da sie tatsächlich alleine waren, zog sich Emmy schnell ohne Sichtschutz um. Als sie kurzzeitig alle Hüllen fallen ließ, pfiff Jo anerkennend durch die Zähne.

»Warte, ich mach auch mit«, sagte er schnell und zog sich seine Schwimmshorts bis zu den Knöcheln nach unten.

»Spinner«, bemerkte Emmy trocken und rückte ihren Bikini zurecht.

»Was denn? Ich dachte, wir machen es uns gemütlich«, antwortete Jo grinsend und zog die Hose wieder hoch.

Lachend warf Emmy ihre Klamotten nach ihm und er hob schützend beide Arme vor sich.

»Deckung! Tieffliegende Dessous!«, rief er und stürzte sich schreiend auf Emmy. Die beiden rollten durchs Gras, bis sie prustend zwischen einigen Gänseblümchen liegen blieben.

Jonathan küsste Emmy auf die Stirn. »Ich hab ein Picknick vorbereitet. Hast du Hunger?« Emmy nickte. Jo half ihr auf und sie machten es sich auf ihren Strandmatten bequem. »Hier.« Er öffnete den Deckel der Kühlbox.

»Sushi? Du bist ja verrückt!« Mit leuchtenden Augen beobachtete Emmy, wie Jo die Styroporschachteln zwischen den Kühlakkus hervorfischte und sorgfältig Sojasoße, Ingwer und Wasabi auf der Strandmatte drapierte.

»Überraschung gelungen?«

»Und wie! Ich hatte da drinnen eher belegte Brötchen erwartet.« Emmy deutete auf die Box. »Danke! Du bist der Beste«, strahlte sie und zückte ihre Essstäbchen.

»Emmy.« Jo beugte sich kurze Zeit später zu ihr herüber und fütterte sie mit dem letzten Avocado-Maki. »Wir sind ganz allein.« Er streifte mit den Lippen über Emmys Schulter.

»Das können wir nicht machen«, kicherte sie verlegen und griff nach der Mineralwasserflasche.

Jos Hände wanderten langsam hinauf zu ihrem Bikinioberteil. Emmy legte die Flasche wieder weg und zog die Kühlbox als Sichtschutz heran. Dann warf sie verstohlene Blicke in alle Richtungen, doch sie konnte niemanden entdecken. Nur Gänseblümchen und einen Touristendampfer in der Ferne.

Jonathan kümmerte sich gar nicht darum, ob irgendjemand sie beobachten könnte. Er war bereits damit beschäftigt, den Knoten von Emmys Bikini zu lösen. Sie ließ sich zurücksinken und Jo warf ihr Bikinioberteil schwungvoll zur Seite. Dann zwinkerte er ihr triumphierend zu und legte sich mit seinem durchtrainierten Körper auf sie. Emmy spürte die Hitze seiner Haut und ließ ihre Finger fest über seinen glatten Rücken gleiten. Jo reagierte mit einem leisen Schnaufen. Er drückte seine Lippen auf Emmys Mund und sie spürte seine Zunge an ihrer. Erst sanft und vorsichtig, dann heftig und fordernd. Emmy vergaß völlig, dass sie sich auf einer öffentlichen Liegewiese befanden und nur von einer Kühlbox abgeschirmt wurden. Sie dachte nur noch an Jo und dieses unglaubliche Prickeln. Ihre Bikinihose und seine Shorts landeten im Gras, und Jo vergrub seine Finger in ihrem Haar, bevor er sie von dort mit leichtem Druck über ihre Wirbelsäule streifen ließ. Emmys Herz begann schneller zu schlagen, ihr Atem ging schwer und heiß. Sie rollten von der Strandmatte, doch das interessierte sie gar nicht. Alles, was zählte, war das Feuer und der Sog, der die beiden mit sich riss. Wild, schnell, zärtlich und beherrschend. Emmy hielt reflexartig die Luft an. Ein gänsehautartiges Ziehen breitete sich von ihrem Nacken her über die Wangen aus und zog ihren Körper wohlig in einen zuckenden Krampf.

Jonathan strahlte Emmy an. Er beugte sich zu ihr herunter und gab ihr einen langen Kuss. Dann rollte er sich wieder zurück auf die Strandmatte.

Emmy setzte sich auf. »Ich kann nicht glauben, dass wir das getan haben. Hier. Am helllichten Tag.« Lächelnd schüttelte sie den Kopf und schlüpfte wieder in ihren Bikini.

Jo zog nur grinsend seine Augenbrauen nach oben. »Hast du Lust, schwimmen zu gehen? Ich brauch jetzt ’ne Abkühlung.«

Jonathans Schulschwänzer-fast-Ferientrip war vollkommen gelungen. Bevor die anderen Badegäste kamen, hatten sie noch genügend Zeit, um völlig ungestört im See zu schwimmen, eine Wasserschlacht zu veranstalten und in den Wellen zu knutschen. Schließlich ließen sie sich erschöpft in die Wiese fallen.

Die Wassertropfen auf Jonathans sonnengebräunter Haut schimmerten regenbogenfarben in der heißen Nachmittagssonne. Seine nassen Haare standen in alle Richtungen ab und Emmy konnte sich an ihrem Freund einfach nicht sattsehen. Nie. Jetzt war definitiv die Gelegenheit, es Jo zu erzählen. Sie wollte über ihren Schatten springen und etwas tun, das sie noch nie mit irgendjemandem getan hatte. Eine leichte, wohlige Gänsehaut kräuselte ihre Arme.

»Was hältst du eigentlich von einem gemeinsamen Urlaub in den Sommerferien?« Emmy ließ ihre Finger über seinen Rücken wandern.

»Das ist ganz schön spontan, meinst du nicht?« Jo stützte sich auf seine Ellenbogen und schaute Emmy mit einem leicht gequälten Gesichtsausdruck an.

Jede Reaktion wäre ihr lieber gewesen als diese. »Sorry, war ja nur so eine Idee.« Emmy winkte ab. Das war natürlich eine glatte Lüge. Sie hatte sich schlicht und einfach die ganze Zeit über nicht getraut, diesen Schritt mit Jo zu wagen. Ansonsten hätte sie die Urlaubsidee sicher schon vor einigen Monaten angesprochen.

»Du hast doch noch nichts geplant, oder?« Er schaute Emmy fragend an.

»Nee.« Sie spürte, dass das nicht besonders überzeugend klang. Emmy hatte eine genaue Vorstellung von ihren Ferien gehabt. Eigentlich hatte sie mit Jonathan nach Italien fahren wollen. Oder Kroatien. Auf alle Fälle weit weg von ihren Eltern. Denn die durften auf keinen Fall mitkriegen, was Emmy vorhatte. Und dann hätte sie Jo im Urlaub mit ihrem Vorhaben überrascht.

»Emmchen, es ist nicht so, dass ich nicht mit dir wegfahren will.« Jo streichelte Emmy sanft übers Kinn. »Aber Samuel kommt über den Sommer her.«

»Wer?«

»Wir sind seit unserer Kindheit die besten Freunde. Leider sind seine Eltern vor ein paar Jahren nach Bremen gezogen und Sam war schon ewig nicht mehr hier. Wir haben uns ein paar Mal in Bremen getroffen und einmal zum Urlaub auf Mallorca, aber mit einem Besuch in Bayern hat es in letzter Zeit nicht geklappt. Seine Familie hat aber immer noch ein Ferienhaus in der Nähe. Sam wird den ganzen Sommer über hier sein und dort bei der Renovierung helfen. Und, na ja, ich auch. Das hab ich ihm versprochen.«

Emmy ließ geknickt den Kopf hängen. Verfluchter Samuel. Er machte schon im Vorfeld alles kaputt.

»Ihr werdet euch bestimmt gut verstehen, Emmy. Ich bin mir sicher, dass es ganz toll wird. Wir fahren einfach in den Herbstferien eine Woche weg. Okay?«