Der eingebildete Kranke - Jean-Baptiste Molière - E-Book

Der eingebildete Kranke E-Book

Jean Baptiste Molière

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Beschreibung

Der eingebildete Kranke – eine Komödie in drei Akten des französischen Dichters Molière. Das Stück handelt von dem Hypochonder Argan, der sich nur einbildet, krank zu sein. Er zieht diverse Ärzte zu Rate, die die Einzigen sind, die ihm seine eingebildete Krankheit abnehmen und ihn in dieser unterstützen. Geduldig befolgt er alle Anordnungen seines Arztes Monsieur Purgon und führt sie genauestens aus. Dem Arzt selbst kommt dieser Umstand sehr gelegen, und er verschreibt Herrn Argan überflüssige Behandlungen gegen überteuerte Rechnungen. Argan hingegen möchte – aus rein eigennützigen Motiven –, dass seine Tochter Angelique den Thomas Diafoirus heiratet, einen frisch gebackenen Doktor der Medizin. Angelique ist jedoch in Cléante verliebt.

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LUNATA

Der Eingebildete Kranke

Komödie in drei Akten

Molière

Der Eingebildete Kranke

© 1664 Molière

Originaltitel Tartuffe ou L’Imposteur

Aus dem Französischen von Alfred Wolfenstein

© Lunata Berlin 2020

Inhalt

Personen

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Personen

Argan

Beline, seine zweite Frau

Angelica, seine Tochter

Louison, seine jüngere Tochter

Berald, sein Bruder

Cleant

Diafoirus, Arzt

Thomas Diafoirus, sein Sohn

Purgon, Argans Arzt

Fleurant, Apotheker

Bonnefoi, Notar

Toinette, Mädchen bei Argan

Der Schauplatz ist Paris.

Erster Akt

Erste Szene

Argan (allein in seinem Zimmer, sitzt vor einem Tisch und überprüft mit Spielmarken seine Rechnungen).

Drei und zwei macht fünf, und fünf macht zehn, und zehn macht zwanzig. Drei und zwei macht fünf. »Des weiteren am vierundzwanzigsten ein kleines insinuatives präparatives lösendes Klistier, um die Eingeweide des Herrn Argan anzufeuchten, aufzuweichen und zu erfrischen.« – Was mir an meinem lieben Apotheker Herrn Fleurant so sehr gefällt, ist die immer gleich große Höflichkeit seiner Rechnungen. – »Zu erfrischen. Dreißig Sous.« Gewiß. Aber, werter Herr Fleurant, es genügt doch nicht, nur höflich zu sein. Man muß auch billig sein und die Kranken nicht aussaugen. Dreißig Sous für einen Einlauf! Ich danke. In früheren Rechnungen haben Sie's mir mit zwanzig angesetzt. Zwanzig Sous aber bedeuten in der Apothekersprache zehn. Also schreiben wir zehn Sous. »Des weiteren am gleichen Tage ein gutes, reinigendes Klistier, vorschriftsmäßig zusammengesetzt aus doppeltem Katholikon mit Rhabarber, Rosenhonig und anderen Ingredienzien, um den Unterleib des Herrn Argan auszufegen, auszuspülen und auszuräumen: dreißig Sous.« Erlauben Sie, erlauben Sie! Zehn Sous. »Des weiteren am nämlichen Tage ein hepatischer, soporativer und einschläfernder Julep, um Herrn Argan Nachtruhe zu verschaffen: fünfunddreißig Sous.« Gegen den Julep will ich nichts sagen, ich schlief gut danach. Zehn, fünfzehn und siebzehn Sous und sechs Denare. »Ferner am fünfundzwanzigsten eine gute, reinigende wie stärkende Medizin, gemischt aus frischer Quassia, levantinischem Sennes und anderen Ingredienzien nach der Verordnung des Doktor Purgon, um die Galle des Herrn Argan auszuscheiden und zu entleeren: vier Franken.« Oh, Herr Apotheker, Sie scherzen! Man sollte ein Herz für seine Kranken haben. Doktor Purgon hat nicht verordnet, daß Sie vier Franken dafür rechnen sollen. Seien Sie so freundlich, sich mit dreien zu begnügen. Zwanzig und dreißig Sous. »Ferner am gleichen Tage ein anodiner adstringierender Trank, um Herrn Argan für die Nacht zu beruhigen: dreißig Sous«. Gut, zehn und fünfzehn Sous. »Ferner am sechsundzwanzigsten eine karminative Spülung, um die Blähungen des Herrn Argan zu beseitigen: dreißig Sous.« Zehn, Herr Fleurant. »Am Abend wiederholt: dreißig Sous.« Herr Fleurant, zehn. »Ferner am siebenundzwanzigsten eine heilsame Arznei, um den Stuhlgang zu beschleunigen und die Säfte des Herrn Argan auszutreiben: drei Franken.« Gut, zwanzig und dreißig Sous; freut mich, daß Sie so billig sind. »Ferner am achtundzwanzigsten eine Portion geklärter und versüßter Molken zur Besänftigung, Abkühlung, Besserung und Belebung des Blutes: zwanzig Sous.« Also zehn. »Ferner ein herzhafter und vorbeugender Trank, bereitet aus zwölf Gran Bezoar, Limonensirup, Granatäpfeln und so weiter nach Rezept: fünf Franken.« Oh, lieber Herr Fleurant, nicht so schnell, nicht so schnell! Wenn Sie so eigennützig sind, wird man nicht mehr krank sein wollen. Seien Sie mit vier Franken zufrieden. Zwanzig und vierzig Sous.

Drei und zwei macht fünf, und fünf macht zehn, und zehn macht zwanzig. Dreiundsechzig Franken, vier Sous, sechs Denare. Folglich hätte ich in diesem Monat an Arzneien gebraucht eine, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht. An Spülungen eine, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn, elf, zwölf. Im vorigen Monat waren es zwanzig Spülungen und zwölf Arzneien. Da wundert's mich freilich nicht, wenn ich mich in diesem Monat schlechter fühle als im letzten. Ich will es Doktor Purgon sagen, damit er das wieder in Ordnung bringt. Aber jetzt fort mit dem Haufen. Hallo! – Niemand da. Ich kann sagen, was ich will, man läßt mich immer allein. Es gibt überhaupt kein Mittel, sie hier zu halten. (Er klingelt.) Sie hören nicht. Meine Klingel ist nicht laut genug. Kling, kling, kling! Das macht ihnen gar nichts aus. Kling, kling, kling! Die sind alle taub. Toinette! Kling, kling kling! Gerade als ob ich gar nicht klingelte. Schlafmütze! Klinglinglinglingling! Ich möchte aus der Haut fahren. (Er läutet nicht mehr, sondern schreit): Klinglinglingling! Das Luder! Das unverschämte Frauenzimmer! Unerhört, unerhört, einen armen Kranken ganz allein zu lassen! Klinglinglingling! Zum Erbarmen ist es! Klinglinglingling! Ach, mein Gott, sie lassen mich hier sterben! Klingling, klingling, klingling!

Zweite Szene

Argan, Toinette

Toinette. Ich komme schon.

Argan. Du freches, gefühlloses Ding –

Toinette(stellt sich, als hätte sie sich den Kopf gestoßen). Sie mit Ihrer Ungeduld! Sie hetzen die Leute, daß ich mir eine fürchterliche Beule am Kopf zuzog, als ich gegen den Fensterladen rannte.

Argan(zornig). O du Verbrecherin –

Toinette (um ihn zu unterbrechen und am Schreien zu hindern, klagt immer). Au!

Argan. Seit einer ...

Toinette. Au!

Argan. Seit mindestens einer Stunde ...

Toinette. Au!

Argan. Läßt du mich ...

Toinette. Au!

Argan. Sei still du! daß ich auf dich schimpfen kann.

Toinette. Wie! Auch das noch, nachdem ich mir so weh tat!

Argan. Ich schrie mich deinetwegen heiser!

Toinette. Und ich verschlug mir Ihretwegen den Kopf! Eins wiegt das andere auf. Ich denke, wir verrechnen's gegenseitig.

Argan. Was, du Freche –

Toinette. Wenn Sie auf mich schimpfen, weine ich.

Argan. Mich so allein zu lassen ...

Toinette. Au!

Argan. Du Schlange, du willst ...

Toinette. Au!

Argan. Was! Gönnt sie mir nicht einmal die Freude, sie auszuzanken?

Toinette. So zanken Sie nur, was Sie können! Ich bin einverstanden.

Argan. Aber du läßt mich ja nicht dazu kommen, du störst mich bei jedem Wort.

Toinette. Wenn Sie sich mit Zanken vergnügen, darf ich's wohl mit Weinen! Jedem das Seine, so gehört es sich. Au!

Argan. Gut, gut, man muß sich darein ergeben. Jetzt nimm das alles weg, du Gans, alles weg! (Er erhebt sich.) Hat mein Klistier heute gut gearbeitet?

Toinette. Ihr Klistier?

Argan. Ist viel Galle abgegangen?

Toinette. Ach, damit will ich nichts zu tun haben. Das geht Herrn Fleurant an: er hat den Profit davon, mag er auch den Geruch davon haben.

Argan. Laß mir eine Tasse Fleischbrühe bereitstellen, für das nächste, das ich bald nehmen muß.

Toinette. Der Herr Fleurant und der Herr Doktor Purgon ergötzen sich sehr mit Ihrem Körper. Die haben eine gut melkende Kuh gefunden. Ich möchte sie doch einmal fragen, was Ihnen eigentlich fehlt, daß Sie soviel Arznei brauchen.

Argan. Schweig, unwissendes Ding! Es kommt dir nicht zu, die Verordnungen der ärztlichen Wissenschaft zu kritisieren. Rufe jetzt meine Tochter Angelica her. Ich habe ihr etwas zu sagen.

Toinette. Da kommt sie schon. Sie hat Ihre Gedanken erraten.

Dritte Szene

Argan, Toinette, Angelica

Argan. Tritt näher, Angelica, du kommst gerade recht, ich wollte dich sprechen.

Angelica. Ich höre, lieber Vater.

Argan(läuft plötzlich fort). Warte, warte. Meinen Stock! Ich bin gleich wieder da.

Toinette. Schnell, Herr Argan, schnell! Der Herr Apotheker macht uns zu schaffen.

Vierte Szene

Angelica, Toinette

Angelica (blickt Toinette schmachtend an, sagt vertraulich). Toinette!

Toinette. Was denn?

Angelica. Sieh mich einmal an.

Toinette. Ich tue es schon.

Angelica. Toinette!

Toinette. Ja doch, was soll's mit Toinette?

Angelica. Errätst du nicht, wovon ich sprechen will?

Toinette. Ich ahne es. Von unserm jungen Verliebten. Denn seit sechs Tagen unterhalten wir uns nur über ihn. Es ist Ihnen nicht wohl, wenn Sie von ihm nicht sprechen können.

Angelica. Wenn du das weißt, warum fängst du nicht zuerst davon an? Was ersparst du mir nicht die Mühe, dich auf diese Unterhaltung zu bringen?

Toinette. Sie lassen mir keine Zeit dazu. Man kann Ihnen durchaus nicht zuvorkommen.

Angelica. Ja, ich gestehe dir, ich werde nicht müde, von ihm zu sprechen. Mein Herz sehnt sich innig nach jedem Augenblick, um sich dir zu eröffnen. Aber sage mir, Toinette, tadelst du meine Liebe zu ihm?

Toinette. O bewahre.

Angelica. Tue ich unrecht, mich diesem schönen Gefühl hinzugeben?

Toinette. Wer sagt denn das?

Angelica. Verlangst du, ich solle gegen die flammenden Beteuerungen seiner Leidenschaft gleichgültig bleiben?

Toinette. Um Gottes willen!

Angelica. Du findest doch auch in der seltsamen Art, wie wir uns kennenlernten, irgendeine himmlische Fügung, irgendeinen höheren Sinn?

Toinette. Sicherlich.

Angelica. Wie er meine Verteidigung übernahm, ohne mich zu kennen, das beweist doch unbedingt einen edlen Menschen?

Toinette. Unbedingt.

Angelica. Nicht wahr, man kann nicht großmütiger handeln und nicht in anmutigerer Form?

Toinette. Unmöglich.

Angelica. Findest du ihn nicht auch sehr hübsch gewachsen, Toinette?

Toinette. Ja.

Angelica. Wie reizend sieht er aus, wieviel Adel in seiner Sprache und in seinem Tun!

Toinette. Ja, ja.

Angelica. Kann man sich leidenschaftlicher ausdrücken in jedem Wort, das er zu mir spricht?

Toinette. Man kann's nicht.

Angelica. Unerträglich ist der Zwang, der uns die Äußerungen unserer vom Himmel gelenkten Liebe abschneidet.

Toinette. Unerträglich.

Angelica. Aber glaubst du, gute Toinette, daß er mich wirklich so sehr liebt, wie er sagt?

Toinette. In diesen Dingen kann man freilich für nichts bürgen. Die Mienen der Liebe sehen der Wahrheit sehr ähnlich. Mir sind da schon hervorragende Komödianten begegnet.

Angelica. Ach, Toinette, was sagst du? Wär's möglich, diese Sprache könnte nicht die Wahrheit sein?

Toinette. Sie werden's jedenfalls bald wissen. Er schrieb Ihnen gestern, er wolle um Ihre Hand bitten. Das ist ein gerader Weg, Sie zu überzeugen, ob er es aufrichtig meint oder nicht.

Angelica.