Der einsame Weg - Arthur Schnitzler - E-Book

Der einsame Weg E-Book

Arthur Schnitzler

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Beschreibung

Dieses eBook: "Der einsame Weg" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Das Stück spielt um 1900 in Wien. Nach Jahren begegnet der Maler Julian Fichtner wieder Gabriele. Einst hatte er sie verführt und verlassen, um seine Freiheit als Künstler nicht aufzugeben. Sie hat den Akademieprofessor Wegrat geheiratet, hat inzwischen in Felix und Johanna zwei erwachsene Kinder. Keiner ahnt, dass Felix in Wahrheit Julians Sohn ist. Gabriele, die todkrank ist und weiß, dass sie nicht mehr lange zu leben hat, offenbart den Kindern die Wahrheit. Julian hofft, für Felix eine Vaterfigur sein zu können, aber dieser bekennt sich zu Wegrat, dem falschen Vater und echten Menschen. Johanna indessen sperrt sich gegen die Zukunft, die ihre Mutter für sie vorbereitet - sie verlobt sich nicht mit dem jungen Arzt Reumann, sondern liebt Herrn von Sala, einen alten Freund der Familie, den sie schon von Kindheit an kennt. Arthur Schnitzler (1862-1931) war ein österreichischer Erzähler und Dramatiker. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der Wiener Moderne.

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Arthur Schnitzler

Der einsame Weg

Schauspiel in fünf Akten

e-artnow, 2014
ISBN 978-80-268-1918-9

Inhaltsverzeichnis

Personen
Erster Akt
Zweiter Akt
Dritter Akt
Vierter Akt
Fünfter Akt

Personen

Inhaltsverzeichnis

Professor Wegrat, Direktor der Akademie der bildenden Künste

Gabriele, seine Frau

FelixundJohanna, deren Kinder

Julian Fichtner

Stephan von Sala

Irene Herms

Doktor Franz Reumann, Arzt

Dienerbei Fichtner

Dienerbei Sala

Stubenmädchenbei Wegrat

Wien – Gegenwart

Erster Akt

Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene
Sechste Szene
Siebente Szene

Erster Akt

Das kleine Gärtchen am Hause des Professor Wegrat. Es ist beinahe gänzlich von Häusern umschlossen, so daß jeder freie Ausblick fehlt. Rechts im Garten das kleine einstöckige Haus mit gedeckter Holzveranda, von der drei Holzstufen herabführen. Auftritt sowohl von der Veranda aus als auch rechts und links vom Hause. Ungefähr in der Mitte der Bühne ein grüner Gartentisch mit passenden Sesseln, ein bequemerer Fauteuil, links an einem Baum eine kleine Eisenbank.

Erste Szene

Inhaltsverzeichnis

Johanna spaziert im Garten auf und ab. Felix tritt auf in Ulanenuniform.

Johannasich umwendend. Felix!

Felix. Ja, ich bin's.

Johanna. Grüß' dich Gott. – Wie ist denn das möglich, daß du schon wieder Urlaub bekommen hast?

Felix. Es ist nicht auf lang. – Nun wie geht's der Mama?

Johanna. In den letzten Tagen ganz leidlich.

Felix. Meinst du, sie würde erschrecken, wenn ich so unerwartet vor sie hinträte?

Johanna. Nein. Aber warte doch lieber ein bißchen, jetzt schlummert sie. Ich komme eben aus ihrem Zimmer. – Wie lang bleibst du denn bei uns, Felix?

Felix. Morgen Abend geht's wieder fort.

Johannamit dem Blick ins Weite. Fort . . .

Felix. Es klingt nur so großartig. Gar so weit ist man ja doch nicht, in keiner Beziehung.

Johanna. Du hast es ja so sehr gewünscht . . . Auf seine Uniform deutend: Nun hast du's erreicht. Bist du nicht zufrieden?

Felix. Jedenfalls ist es das Vernünftigste von allem, was ich bisher angefangen habe. Denn nun spüre ich wenigstens, daß ich unter gewissen Umständen etwas leisten könnte.

Johanna. Ich glaube, du würdest es in jedem Beruf zu etwas bringen.

Felix. Ich zweifle doch, daß ich als Advokat oder als Techniker meinen Weg gemacht hätte. Und im Ganzen fühle ich mich jetzt bedeutend wohler als jemals zuvor. Es scheint mir nur manchmal, als wenn ich nicht zur rechten Zeit geboren wäre. Vielleicht hätt' ich auf die Welt kommen sollen, als es noch nicht so viel Ordnung gab, als man allerlei wagen konnte, was man heute nicht mehr wagen darf.

Johanna. Ach, du bist doch frei, kannst dich rühren.

Felix. Doch nur innerhalb gewisser Grenzen.

Johanna. Weiter wie diese werden sie jedenfalls sein.

Felixum sich blickend, lächelnd. Es ist doch kein Gefängnis . . . Der Garten ist wirklich hübsch geworden. Wie armselig sah's da aus, als wir Kinder waren. – Was ist denn das? Ein Pfirsichspalier! Das macht sich sehr gut.

Johanna. Eine Idee von Doktor Reumann.

Felix. Das hätt' ich mir denken können.

Johanna. Wieso?

Felix. Solche Nützlichkeitseinfälle trau' ich in unserer Familie niemandem so recht zu. Wie steht's denn übrigens mit seinen Aussichten? . . . für die Professur in Graz mein' ich natürlich.

Johanna. Darüber ist mir nichts Näheres bekannt. Sich abwendend.

Felix. Die Mutter hält sich wohl in diesen schönen Tagen viel im Freien auf?

Johanna. Ja.

Felix. Liest du ihr noch manchmal vor? Versuchst du, sie ein wenig zu zerstreuen? aufzuheitern?

Johanna. Als wenn das so leicht wäre.

Felix. Man muß sich eben zusammennehmen, Johanna.

Johanna. Du hast gut reden, Felix.

Felix. Wie meinst du das?

Johannavor sich hin. Ich weiß nicht, ob du mich verstehen wirst.

Felixlächelnd. Warum sollt' ich dich mit einem Male nicht verstehen können?

Johannaihn ruhig ansehend. Ich habe sie nicht mehr so lieb, seit sie krank ist.

Felixbefremdet. Wie?

Johanna. Nein, es ist unmöglich, daß du es ganz verstehen kannst. Immer weiter rückt sie von uns ab . . . Es ist, wie wenn jeden Tag neue Schleier über sie herabsänken.

Felix. Und was sollte das zu bedeuten haben?

Johannasieht ihn ruhig an.

Felix. Du glaubst . . . ?

Johanna. Ich täusche mich nicht in diesen Dingen, das weißt du, Felix.

Felix. Ich weiß es? . . .

Johanna. Als die kleine Lilli von Sala sterben mußte, hab' ich es gewußt, – bevor die andern ahnten, daß sie krank würde.

Felix. Du hattest es geträumt – und warst ein Kind.

Johanna. Ich hatte es nicht geträumt. Ich hab' es gewußt. Herb. Ich kann das nicht erklären.

Felixnach einer Pause. Und der Vater – ist er gefaßt?

Johanna. Gefaßt? . . . Denkst du denn, er sieht auch die Schleier sinken?

Felixnach einem leichten Kopfschütteln. Es sind Einbildungen, Johanna, – gewiß. – Aber nun will ich doch . . . Wendet sich dem Hause zu. Der Vater ist noch nicht zu Hause?

Johanna. Nein. Er kommt jetzt gewöhnlich recht spät. Er hat sehr viel in der Akademie zu tun.

Felix. Ich werde sie womöglich nicht aufwecken; ich geb' schon acht. Über die Veranda hinab.

Zweite Szene

Inhaltsverzeichnis

Johanna eine Weile allein, hat sich auf einen Gartensessel gesetzt, die Hände über den Knien ineinander verschlungen. Sala tritt ein. Er ist 45 Jahre alt, sieht aber etwas jünger aus. Schlank, beinahe mager, glatt rasiert. Dunkelblondes, rechts gescheiteltes, nicht zu kurzes Haar, das an den Schläfen zu ergrauen beginnt. Seine Züge sind scharf und energisch, die Augen grau und klar.

Sala. Guten Abend, Fräulein Johanna.

Johanna. Guten Abend, Herr von Sala.

Sala. Man sagt mir, Ihre Frau Mama schlummere ein wenig; so habe ich mir erlaubt, indessen in den Garten zu treten.

Johanna. Felix ist eben angekommen.

Sala. So? Haben sie ihm schon wieder einen Urlaub gegeben? Zu meiner Zeit waren sie bei dem Regiment viel strenger. Allerdings lagen wir damals an der Grenze, in Galizien irgendwo.

Johanna. Das vergess' ich immer, daß Sie das auch mitgemacht haben.

Sala. Ja, es ist schon lange her. Hat auch nur ein paar Jahre gewährt. Aber es war recht schön, wenn ich so zurückdenke.

Johanna. Wie das meiste, was Sie erlebt haben.

Sala. Wie so manches.

Johanna. Wollen Sie sich nicht setzen?

Sala. Danke. Setzt sich auf die Lehne eines Gartenfauteuils. Darf ich? Er nimmt eine Zigarette aus seiner Dose und zündet sie nach einem zustimmenden Nicken Johannas an.

Johanna. Wohnen Sie schon in Ihrer Villa, Herr von Sala?

Sala. Morgen zieh' ich ein.

Johanna. Sie freuen sich wohl sehr darauf?

Sala. Dazu wär' es zu früh.

Johanna. Sind Sie so abergläubisch?

Sala. Wenn's darauf ankommt – o ja. – Aber es ist nicht deshalb. Ich beziehe sie nur vorläufig, nicht definitiv.

Johanna. Warum denn?

Sala. Ich werde auf Reisen gehen – für längere Zeit.

Johanna. So? Sie sind sehr zu beneiden. Das möcht' ich auch können, in der Welt herumfahren, mich um keinen Menschen kümmern müssen.

Sala. Noch immer?

Johanna. Noch immer . . . Wie meinen Sie das?

Sala. Nun, ich erinnere mich, daß Ihnen schon als ganz kleinem Mädchen diese Wanderpläne durch den Sinn gingen. Was wollten Sie nur werden? . . . Tänzerin, glaub' ich. Nicht wahr? Eine sehr berühmte natürlich.

Johanna. Warum sagen Sie das, als ob es so etwas Nichtiges wäre, eine Tänzerin zu sein? Ohne ihn anzusehen. Gerade Sie sollten das nicht, Herr von Sala.

Sala. Warum denn gerade ich nicht?

Johannablickt ruhig zu ihm auf.

Sala. Ich weiß nicht recht, wie Sie das meinen, Fräulein Johanna . . . oder sollt' ich doch . . . Einfach. Johanna, haben Sie gewußt, daß ich Sie damals sah?

Johanna. Wann?

Sala. Im vorigen Jahre, als Sie auf dem Lande wohnten, und ich einmal in der Mansarde übernachtete. Es war heller Mondschein, und eine Elfe, glaub' ich, schwebte auf der Wiese umher.

Johannanickt lächelnd.

Sala. Schwebte sie für mich?

Johanna. Ich hab' Sie wohl gesehen, wie Sie hinter dem Vorhang standen.

Salanach einer kleinen Pause. So werden Sie vor andern Menschen wahrscheinlich doch nie tanzen.

Johanna. Warum? . . . Ich hab' wohl schon. Und Sie haben mir auch damals zugesehen. Es ist freilich lange her. – Es war auf einer griechischen Insel. Viele Männer standen im Kreise um mich her – Sie waren unter ihnen – und ich war eine Sklavin aus Lydien.

Sala. Eine gefangene Prinzessin.

Johannaernst. Glauben Sie nicht an solche Dinge?

Sala. Wenn Sie es wünschen – gewiß.

Johannaernst bleibend. Sie sollten alles glauben, woran die andern nicht glauben können.

Sala. Wenn die Stunde dazu kommt, tu ich's wohl.

Johanna. Sehen Sie, – ich für meinen Teil kann mir alles andere eher vorstellen als dies, daß ich nun zum ersten Male auf der Welt sein sollte. Und es gibt Augenblicke, in denen ich mich ganz deutlich an allerlei erinnere.

Sala. Und solch ein Augenblick war damals?

Johanna. Ja, vor einem Jahre, als ich in einer mondhellen Sommernacht über eine Wiese tanzte. Es war gewiß nicht das erstemal, Herr von Sala. Nach einer kleinen Pause, plötzlich in anderm Tone. Wohin reisen Sie eigentlich?

Saladen Ton aufnehmend. Nach Baktrien, Fräulein Johanna.

Johanna. Wohin?

Sala. Nach Baktrien. Das ist ein sehr merkwürdiges Land, und das Merkwürdigste ist, daß es gar nicht mehr existiert. Ich schließe mich nämlich einer Gesellschaft an, die im November dahin abgeht. Sie haben vielleicht in der Zeitung davon gelesen.

Johanna. Nein.

Sala. Es handelt sich um Ausgrabungen an der Stätte, wo vermutlich das alte Ekbatana stand – vor etwa sechstausend Jahren. Das liegt noch vor Ihrer lydischen Zeit, wie Sie sehen.

Johanna. Wann sind Sie denn auf diese Idee gekommen?

Sala. Erst vor wenigen Tagen. Gesprächsweise sozusagen. Graf Ronsky, der Leiter der Sache, hat mir so große Lust dazu gemacht. Es gehörte nicht viel dazu; er kam einer alten Sehnsucht von mir entgegen. Lebhafter. Denken Sie nur, Fräulein Johanna: Mit eigenen Augen sehen, wie solch eine begrabene Stadt allmählich aus der Erde hervortaucht, Haus um Haus, Stein um Stein, Jahrhundert um Jahrhundert. Nein, es war mir nicht bestimmt, dahinzugehen, eh' mir dieser Wunsch erfüllt wird.

Johanna. Warum reden Sie denn vom Sterben?

Sala. Gibt es einen anständigen Menschen, der in irgend einer guten Stunde in tiefster Seele an etwas anderes denkt?

Johanna. Ihnen ist wohl nie ein Wunsch unerfüllt geblieben.

Sala. Keiner . . . ?

Johanna. Ich weiß, daß Sie auch viel Trauriges erlebt haben. Aber manchmal glaub' ich, Sie haben auch das ersehnt.

Sala. Ersehnt . . . ? Genossen, wenn es kam, da mögen Sie wohl recht haben.

Johanna. Wie gut versteh' ich das! Ein Dasein ohne Schmerzen wäre wohl so armselig wie ein Dasein ohne Glück. Pause. Wie lang ist's her?

Sala. Was meinen Sie?

Johannaleise. Daß Frau von Sala gestorben ist.

Sala. Das ist sieben Jahre her, beinahe auf den Tag.

Johanna. Und Lilli . . . im selben Jahre?

Sala. Ja, Lilli starb im Monat drauf. Denken Sie noch manchmal an Lilli, Fräulein Johanna?

Johanna. Recht oft, Herr von Sala. Ich habe seither keine Freundin gehabt. Vor sich hin. Zu ihr müßte man jetzt auch »Fräulein« sagen. Sie war sehr schön. Sie hatte so dunkles blauschillerndes Haar wie Ihre Frau und so klare Augen wie Sie, Herr von Sala. Vor sich hin. »Nun gingt ihr beide, gingt ihr Hand in Hand, die dunkle Straße in ein lichtes Land . . .«

Sala. Was Sie für ein Gedächtnis haben, Johanna.

Johanna. Sieben Jahre ist das vorbei . . . wie sonderbar.

Sala. Warum sonderbar?

Johanna. Sie bauen sich ein Haus und graben versunkene Städte aus und schreiben seltsame Verse, – und Menschen, die Ihnen so viel gewesen sind, liegen schon seit sieben Jahren unter der Erde und verwesen, – und Sie sind beinahe noch jung. Wie unbegreiflich ist das alles!

Sala. Du, der da weiterlebt, laß ab zu weinen, sagt Omar Nameh, geboren zu Bagdad im Jahre 412 der mohammedanischen Zeitrechnung als Sohn eines Kesselflickers. Übrigens kenn' ich einen, der dreiundachtzig Jahre alt ist; er hat zwei Frauen begraben, sieben Kinder, von den Enkeln ganz zu geschweigen, und spielt Klavier in einem schäbigen Praterwirtshaus, während sich auf der Bühne Künstler und Künstlerinnen produzieren in Trikots und fliegenden Röckchen. Und neulich, als die armselige Produktion zu Ende war und man die Laternen auslöschte, spielte er rätselhafterweise auf dem gräulichen Klimperkasten unbeirrt weiter. Und da haben wir ihn eingeladen, Ronsky und ich, sich zu uns zu setzen, und haben mit ihm zu plaudern angefangen. Und nun erzählte er uns, daß das letzte Stück, das er da oben gespielt hatte, seine eigene Komposition war. Wir machten ihm natürlich unsere Komplimente. Und da leuchteten seine Augen, und mit seiner zittrigen Stimme fragte er uns: »Glauben Sie, meine Herren, wird mein Werk Erfolg haben?« Dreiundachtzig Jahre ist er alt und seine Karriere endet in einem kleinen Praterwirtshaus und sein Publikum sind Kindermädchen und Feldwebel, und seine Sehnsucht ist, – daß die ihm Beifall klatschen!

Dritte Szene

Inhaltsverzeichnis

Johanna, Sala, Doktor Reumann .

Doktor Reumann. Guten Abend, Fräulein Johanna. Guten Abend, Herr von Sala. Reicht beiden die Hände. Wie befinden Sie sich?

Sala. Vorzüglich. Man ist Ihnen doch nicht verfallen, wenn man einmal die Ehre gehabt hat, Sie um Rat zu fragen!

Doktor Reumann. Daran hatt' ich selbst schon vergessen. Aber es gibt Leute, die sich dergleichen einbilden. – Mama ruht wohl ein wenig, Fräulein Johanna?

Johannawar durch das kurze Gespräch zwischen dem Arzt und Sala betroffen und betrachtete Sala aufmerksam. Sie wird wohl schon wach sein. Felix ist bei ihr.

Doktor Reumann. Felix . . . ? Man hat doch nicht etwa um ihn telegraphiert?

Johanna. Nein, soviel ich weiß. Wer hätte denn . . . ?

Doktor Reumann. Ich dachte nur. Ihr Papa ist manchmal so ängstlich.

Johanna. Da kommen sie.

Vierte Szene

Inhaltsverzeichnis

Johanna, Sala, Doktor Reumann, Frau Wegrat und Felix von der Veranda her.

Frau Wegrat. Grüß' Sie Gott, lieber Herr Doktor. Was sagen Sie zu der Überraschung?

Freundliches Händedrücken zwischen den Herren.

Frau Wegrat. Guten Abend, Herr von Sala.

Sala. Ich freue mich, gnädige Frau, Sie so wohl zu sehen.

Frau Wegrat. Ja, es geht mir ein wenig besser. Wenn nur die traurige Jahreszeit nicht so nahe wäre.

Sala. Aber gnädige Frau, jetzt kommen ja erst die allerschönsten Tage. Wenn die Wälder rot und gelb schimmern, der goldene Dunst über den Hügeln liegt und der Himmel so fern und blaß ist, als schauerte ihn vor seiner eigenen Unendlichkeit –!

Frau Wegrat. Das möchte man wohl noch einmal sehen.

Doktor Reumannvorwurfsvoll. Gnädige Frau –

Frau Wegrat. Verzeihen Sie, es kommen einem manchmal solche Gedanken. Heiterer. Wenn ich nur wenigstens wüßte, wie lange mir mein guter Doktor noch erhalten bleibt.

Doktor Reumann. In dieser Hinsicht kann ich Sie beruhigen, gnädige Frau: Ich bleibe in Wien.

Frau Wegrat. Wie? Ist die Sache schon entschieden?

Doktor Reumann. Ja.

Felix. Ist also richtig ein anderer nach Graz berufen worden?

Doktor Reumann. Das nicht. Aber der andere, dem die Stelle so gut wie sicher war, hat sich auf einer Bergtour den Hals gebrochen.

Felix. Da wären doch jetzt Ihre Chancen die allerbesten? Wer außer Ihnen käme denn noch in Betracht?

Doktor Reumann. Meine Chancen wären jetzt gewiß nicht übel. Aber ich habe es vorgezogen, zu verzichten.

Frau Wegrat. Wie?

Doktor Reumann. Ich nehme eine Berufung nicht an.

Frau Wegrat. Sind Sie so abergläubisch?

Felix. Sind Sie so stolz?

Doktor Reumann. Keines von beiden. Aber der Gedanke, irgend einen Vorteil dem Malheur eines andern zu verdanken, wäre mir außerordentlich peinlich. Meine halbe Existenz wäre mir vergällt. Sie sehen, das ist weder Aberglaube noch Stolz, es ist ganz gemeine, kleinliche Eitelkeit.

Sala. Das ist raffiniert, Herr Doktor.

Frau Wegrat. Ich höre aus alldem nur, daß Sie bleiben. Ja, so niedrig beginnt man zu denken, wenn man krank ist.

Doktor Reumannabsichtlich abschweifend. Nun, Felix, wie behagt's Ihnen denn in Ihrer Garnison?

Felix. Sehr gut.

Frau Wegrat. Bist du also ganz zufrieden, mein Kind?

Felix. Ich bin euch sehr dankbar. Dir besonders, Mama.

Frau Wegrat. Warum mir besonders? Die letzte Entscheidung stand ja doch beim Vater.

Doktor Reumann. Ihm wäre es natürlich lieber gewesen, wenn Sie einen friedlicheren Beruf erwählt hätten.

Sala. Es gibt ja heutzutage gar keinen, der friedlicher wäre.

Felix. Da haben Sie recht, Herr von Sala. – Übrigens hab' ich Ihnen Grüße vom Oberstleutnant Schrotting zu überbringen.

Sala. Danke sehr. Denkt denn der noch an mich?

Felix