Der flüchtige Schimmer des Mondes - Edith Wharton - E-Book

Der flüchtige Schimmer des Mondes E-Book

Edith Wharton

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Beschreibung

Scharfsinnig nimmt hier die »grand old lady« Edith Wharton die amerikanische High-Society in Europa aufs Korn. Susy und Nick Lansing, beide ebenso unternehmungslustig wie brillant auf dem gesellschaftlichen Parkett, haben leider ein unpraktisches Manko: Sie sind ohne einen Cent. Weil sie trotzdem das Leben im Luxus lieben, verlegen sie sich ungeniert aufs Schmarotzen. Die beiden spüren immer mehr, dass sie unfrei sind, abhängig von ihren reichen Freunden. Eines Tages kommt es zum Eklat.

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www.piper.de

 

Übersetzt aus dem Amerikanischen von Inge Leipold

 

Neuauflage einer früheren Ausgabe

ISBN 978-3-492-97969-6

© Piper Verlag GmbH, München 2017

© D. Appleton and Company, New York und London 1922 Titel der amerikanischen Originalausgabe: »The Glimpses of the Moon«

Neuausgabe 1994 bei Collier Books/Macmillan, New York

© William R. Tyler 1994

© der deutschsprachigen Ausgabe: Piper Verlag GmbH, München 1995, 1996

Covergestaltung: zero-media.net, München

Covermotiv: FinePic®, München

Datenkonvertierung: abavo GmbH, Buchloe

 

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Inhalt

Cover & Impressum

Teil 1

Er ging für sie beide auf, …‎

Lansing schnippte den Rest …

Ihr Monat in Como …‎

Charlie Streffords Villa …

So belanglos das Anzeichen …

Nach diesem ersten, …

Auch Nick Lansing spürte …

Es war nicht Mrs. Vanderlyns Schuld, …‎

Mr. Nelson Vanderlyn, …‎

Mit einem Seufzer der Erleichterung …

Aber es gab doch gewisse …

Im Mailand-Expreß breitete sich …

Teil 2

Als Violet Melrose …

Am nächsten Tag …

Die wenigen Stunden mit Streff …

Unter einem Sonnensegel …

Susy hatte beschlossen, …

»Aber ich verstehe nicht«, …

Da war es wieder, …

Die Mortimer Hicks …

Auf der Heimfahrt …

Strefford würde in Kürze …

Sie floh weiter, …

Nick Lansing war …

Teil 3

Im steten Nieselregen …

Zwei Tage, nachdem sein Anwalt …

Susy und Lord Altringham saßen …

Die Nachricht ihres Mannes lautete …

Die Bewohner des kleinen Hauses …

Zwei Taxis, bis unters Dach bepackt, …

Teil 1

Er ging für sie beide auf, ihr Honigmond, über einem See, der als malerischer Hintergrund romantischer Anwandlungen solche Berühmtheit genoß, daß sie einigermaßen stolz auf ihren Mut waren, ihn trotzdem zum Schauplatz ihrer Romanze gewählt zu haben.

»Man muß schon völlig humorlos sein – oder geradezu übermütig, um sich auf so ein Wagnis einzulassen«, meinte Susy Lansing, als sie beide, lässig auf die unvermeidliche Marmorbalustrade gelehnt, das Gestirn beobachteten, das sie beschützte und jetzt seinen Zauberteppich über das Wasser zu ihren Füßen breitete.

»Ja – oder man hat das Angebot von Strefford, in seiner Villa zu wohnen«, ergänzte ihr Mann und spähte durch die Zweige zu einem langgezogenen fahlen Fleck, dem der Mondschein allmählich die Umrisse einer weißen Hausfront verlieh.

»Ach, komm schon – wir konnten schließlich unter fünf Angeboten wählen. Zumindest wenn man die Wohnung in Chicago dazurechnet.«

»Du hast recht, mein Liebling.« Er legte seine Hand auf ihre, und diese Berührung weckte von neuem das Gefühl verwunderten Frohlockens, das jedesmal in ihr aufstieg, wenn sie sich das Abenteuer bewußtmachte, auf das sie sich eingelassen hatten. Auf die ihr eigene Art fügte sie mit einem verhaltenen Lachen hinzu: »Oder laß die Wohnung weg – wir wollen ja nicht prahlen –, und denk nur an die anderen Einladungen: das Haus von Violet Melrose in Versailles, die Villa deiner Tante in Monte Carlo – und ein Hochmoor!«

Absichtlich erwähnte sie das Moor nur beiläufig, aber doch mit genügend Nachdruck, damit er ihr ja nicht vorwerfen könnte, es zu unterschlagen. Allerdings schien er nicht die Absicht zu haben. Er bemerkte lediglich: »Armer Fred«, und sie begnügte sich mit einem unbekümmerten: »Nun ja …«

Seine Hand ruhte weiter auf ihrer; lange standen sie schweigend, von der Schönheit der Nacht sanft umhüllt. Sie fühlte nur noch den warmen Strom von seiner Hand zu ihrer Hand, während der Mondschein über ihnen ein zauberisches Band von einem Ufer zum anderen zog.

Endlich sagte Nick Lansing: »Versailles im Mai, das wäre unmöglich gewesen: innerhalb von vierundzwanzig Stunden hätte uns die gesamte Pariser Clique die Tür eingerannt. Und Monte Carlo kam nicht in Frage, weil alle dachten, daß wir genau dorthin fahren würden. Es war also – mal ganz im Ernst – keine allzu große geistige Leistung, sich für Como zu entscheiden.«

Sofort wehrte sich seine Frau gegen dieses Herunterspielen ihrer Fähigkeiten. »Immerhin bedurfte es ziemlicher Überredungskunst, bis du eingesehen hast, daß wir den Spott über Como ertragen können.«

»Nun ja, mir wäre etwas nicht so Erlesenes lieber gewesen; zumindest habe ich das gedacht, bis wir hier angekommen sind. Jetzt ist mir klar, dieser Ort ist eine idiotische Wahl, es sei denn, man ist vollkommen glücklich. Und dann ist er – so gut wie jeder andere.«

Sie nickte unbeschwert. »Außerdem hat Streffy sich wirklich alle Mühe gegeben. Schon allein die Zigarren – von wem er die wohl hat, was meinst du?« Nachdenklich fügte sie hinzu: »Sie werden dir fehlen, wenn wir hier wegmüssen.«

»Oh, ich bitte dich, laß uns heute abend nicht von Abreise sprechen. Was interessieren uns Raum und Zeit? – Riechst du das Zeug da drüben, davon würde die Flasche eine Guinee kosten. Was ist das? Kamelien?«

»Mhm … Glaube schon. Oder Gardenien … Oh, die Glühwürmchen! Schau … Da, wo der Mond sich im Wasser spiegelt. Äpfel aus Silber in einem Netz aus Gold …« Sie lehnten sich so eng wie möglich aneinander und blickten gebannt auf das Glitzern der gekräuselten Wellen.

»In einem solchen Augenblick könnte ich sogar eine Nachtigall ertragen«, sagte Lansing.

Ein leises Glucksen kam aus den Magnolien hinter ihnen, dem ein langgezogenes Wispern aus dem Lorbeergestrüpp über ihren Köpfen antwortete.

»Schon ein bißchen spät im Jahr für sie: sie hören auf, und wir fangen gerade erst an.«

Susy lachte. »Ich hoffe nur, wir sagen einander genauso liebevoll auf Wiedersehen, wenn es soweit ist.«

Fast hätte ihr Mann geantwortet: »Sie verabschieden sich nicht voneinander, sie machen sich nur daran, für Nachwuchs zu sorgen.« Da in seiner Zukunftsplanung derlei jedoch nicht vorgesehen war – und in der von Susy ebensowenig –, lachte auch er und drückte sie fester an sich.

Die Frühlingsnacht zog sie immer tiefer in ihren Bann. Allmählich war das Wellengekräusel sanfter geworden und in seidige Glätte übergegangen, und hoch über den Bergen wechselte die Farbe des Mondes an dem mit verblassenden Sternen gesprenkelten Himmel von Gold zu Weiß. Jenseits des Sees verloschen die Lichter einer kleinen Stadt, eins nach dem anderen, und das ferne Ufer verlor sich in zerfließender Schwärze. Mit der leichten Brise, die an- und abschwoll, stieg der Duft von Blumen und Gras aus dem Garten auf; ein großer weißer Nachtfalter wurde über das Wasser getrieben, als wäre er ein Blütenblatt einer Magnolie. Die Nachtigallen waren verstummt, und das Plätschern des Brunnens hinter dem Haus war plötzlich aufdringlich.

Mit verträumter Stimme sagte Susy: »Ich habe darüber nachgedacht und meine, wir müßten es mindestens noch ein Jahr lang schaffen.«

Ihr Mann nahm ihre Bemerkung ohne jede Überraschung oder Mißbilligung auf; seine Antwort zeigte, daß er sie nicht nur verstand, sondern insgeheim das gleiche gedacht hatte.

»Du meinst, auch ohne die Perlen deiner Großmutter?« fragte er.

»Ja, auch ohne die Perlen.«

Er zögerte, dann fuhr er zärtlich flüsternd fort: »Sag mir nur, wie wir das anstellen sollen.«

»Na schön, setzen wir uns erst einmal hin. Nein, mir sind die Kissen am liebsten.«

Er streckte sich in einem Korbliegestuhl aus, sie kuschelte sich auf ein paar herumliegende Bootskissen und lehnte ihren Kopf an seine Knie. Um sie herum nichts als Frieden und Schönheit und Dauer, und ihr Glück war so vollkommen, daß es fast eine Erleichterung war, sich an den stürmischen Hintergrund aus Rechnungen und geliehenem Geld zu erinnern, vor dem sie es in seiner ganzen Zerbrechlichkeit errichtet hatten. »Leute mit einem Bankguthaben können gar nicht so glücklich sein«, meinte Susy grüblerisch.

Leute mit Bankguthaben waren seit jeher ein Schreckgespenst für Susy Branch, und für Susy Lansing sollten sie es weiterhin sein – nur noch gefährlicher. Sie verabscheute sie, verabscheute sie doppelt, als die natürlichen Feinde der Menschheit und als Leute, denen man ständig zu Gefallen sein mußte. Den größten Teil ihres Lebens hatte sie in ihrer Gesellschaft zugebracht, sie wußte fast alles über sie und beurteilte sie mit der verächtlichen Klarsichtigkeit, die eine fast zwanzig Jahre dauernde Abhängigkeit ihr verliehen hatte. Aber jetzt milderte nicht nur die friedfertig stimmende Liebe ihre Feindseligkeit, sondern auch die Tatsache, daß sie von ebendiesen Leuten mehr – und wieviel mehr! – bekommen hatte, als sie und Nick in ihren tollkühnsten Plänen je zu hoffen gewagt hatten.

»Schließlich verdanken wir ihnen all das hier«, sagte sie nachdenklich.

Ihr Mann, ganz in die träumerische Schönheit des Augenblicks versunken, hatte seine Frage nicht wiederholt, aber sie dachte weiter darüber nach. Ein Jahr – ja, sie war sich jetzt sicher, mit ein wenig Geschick müßten sie es ein ganzes Jahr lang schaffen. »Es«, das war ihre Ehe, ihr Zusammensein, weit weg von Leuten, die ihnen nicht lagen, in einer Kameradschaft, für die sie beide von Anfang an dankbar waren; aber zumindest sie hatte sich nicht träumen lassen, wieviel ihr diese Harmonie bedeuten würde.

Bei einer ihrer ersten Begegnungen – einem jener Abendessen, zu dem die Gillows eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft eingeladen hatten, die sie für »literarisch« hielten – war ihr der junge Mann, der zufällig neben ihr saß und von dem es hieß, er habe etwas »geschrieben«, als die Art von Luxus erschienen, den eine reiche Erbin Susy Branch sich aus reinem Übermut gegönnt hätte. Der verarmten Susy Branch machte es Spaß, sich auszumalen, was diese erfundene Doppelgängerin mit ihren Millionen machen würde, und das war es auch, was sie an ihren reichen Freunden am meisten störte – daß sie ihre Millionen so ohne jegliche Phantasie verschleuderten.

»Mir wäre so ein Ehemann lieber als eine Motorjacht«, dachte sie am Ende ihres Gesprächs mit dem jungen Mann, der etwas geschrieben hatte. Ihr war auf der Stelle klar gewesen, daß nichts, was seine Feder je hervorgebracht hatte oder noch hervorbringen würde, ihn in die Lage versetzen könnte, seiner Ehefrau etwas Aufwendigeres als ein Ruderboot zu bieten.

»Seiner Ehefrau! Als ob er je eine haben würde. Er gehörte ja auch nicht zu den Typen, die wegen einer Jacht heiraten.« Trotz ihrer Vergangenheit hatte Susy sich genügend innere Unabhängigkeit bewahrt, um verborgene Anzeichen davon bei anderen zu entdecken, und auch die Neigung, sie spontan genau jenen Vertretern des anderen Geschlechts zuzuschreiben, die sie zufällig interessierten. Für Leute, die sich mit dem brüsteten, was sie nur hätten hinzunehmen brauchen, empfand sie instinktiv Verachtung. Sie hatte selbst vor, irgendwann zu heiraten, denn schließlich wollte sie nicht ewig auf reiche Leute angewiesen sein; aber sie würde warten, bis sie jemanden fand, der ein Maximum an Reichtum mit zumindest einem Minimum an Umgänglichkeit verband.

Auf Anhieb hatte sie erkannt, daß der Fall des jungen Lansing genau das Gegenteil war: Er war bettelarm – aber so umgänglich, wie man es sich nur vorstellen konnte. Daher beschloß sie, so oft mit ihm zusammenzusein, wie ihr unstetes und verwickeltes Leben es zuließ; und dies erwies sich, dank einer Reihe geschickter Schachzüge, als guter Handel. In den noch verbleibenden Wintermonaten trafen sie sich häufig; so häufig, daß Mrs. Fred Gillow ihr eines Tages unvermittelt und einigermaßen spitz zu verstehen gab, sie »mache sich lächerlich«.

Mit einem langgezogenen »Ach …« sah Susy ihrer Freundin und Gönnerin direkt in die geschminkten Augen.

»Ja«, rief Ursula Gillow aus, und in ihren Augen sammelten sich Tränen, »bevor du dich eingemischt hast, hat Nick mich schrecklich gern gemocht … Ich will dir natürlich keine Vorwürfe machen … aber wenn ich bedenke …«

Susy gab keine Antwort. Wie konnte sie auch, wenn sie bedachte? Das Kleid, das sie trug, hatte Ursula ihr geschenkt; Ursulas Wagen hatte sie zu dem Fest gebracht, von dem sie jetzt gemeinsam zurückkehrten. Sie rechnete damit, den kommenden August bei den Gillows in Newport zu verbringen … Die einzige Alternative war, nach Kalifornien zu fahren, mit den Bockheimers, mit denen auch nur zu dinieren sie sich bislang geweigert hatte.

»Was du dir einbildest, ist völliger Unsinn, Ursula, wirklich; und was mein Einmischen betrifft –«, Susy zögerte und sagte dann leise: »Aber wenn es dich glücklich macht, werde ich es so einrichten, daß ich ihn nicht mehr so oft sehe …« Sie gab sich zutiefst unterwürfig, als sie Ursulas tränenreichen Kuß erwiderte …

Susy Branch stand zu ihrem Wort; schon am nächsten Tag setzte sie ihren kleidsamsten Hut auf und suchte Mr. Lansing in seiner Unterkunft auf. Sie war entschlossen, das Versprechen, das sie Ursula gegeben hatte, zu halten; aber wenigstens wollte sie dabei so hübsch wie möglich aussehen.

Sie wußte, wann der junge Mann aller Wahrscheinlichkeit nach anzutreffen war, denn er mühte sich mit langweiligen Einträgen für eine Volksenzyklopädie ab (V bis X) und hatte ihr anvertraut, welche Stunden dieser verhaßten Aufgabe vorbehalten waren. »Wenn es wenigstens ein Roman wäre«, dachte sie, als sie die schäbige Treppe hinaufstieg; doch sofort machte sie sich klar, daß die Art Roman, die zu lesen sie erträglich fand, ihm auch nicht mehr einbringen würde als die Enzyklopädie. Miss Branch stellte gewisse Ansprüche an die Literatur.

Der Raum, gleichzeitig Wohn- und Schlafzimmer, in den Mr. Lansing sie einließ, war um einiges sauberer, aber kaum weniger schäbig als die Treppe. Da er, wie Susy wußte, sich für fernöstliche Antiquitäten begeisterte, hatte sie sich einen unmöblierten Raum vorgestellt, den nur eine makellos geformte chinesische Bronze oder irgendeine kostbare asiatische Tonscherbe schmückte. Aber solch versöhnlich stimmende Dinge fehlten, und es war offensichtlich kein Versuch gemacht worden, die Ärmlichkeit des Zimmers zu kaschieren.

Lansing begrüßte seine Besucherin mit allen Anzeichen der Freude und mit offenkundiger Gleichgültigkeit gegenüber dem Eindruck, den seine Behausung machen mußte. Er schien sich einzig seines Glücks bewußt zu sein, sie an einem Tag zu sehen, an dem sie sich eigentlich nicht hatten treffen wollen. Seine Freude stimmte Susy einerseits traurig, weil sie ihr Versprechen unbedingt halten wollte, andererseits froh, weil sie ihren hübschesten Hut aufgesetzt hatte, und sie blickte ihn erst einmal schweigend unter der Krempe hervor an, die sie über ein Auge herabgezogen hatte.

So aufrichtig die Zuneigung war, die sie füreinander empfanden, nie hatte Lansing auch nur ein Wort von Liebe verlauten lassen; allerdings schreckte dies seine Besucherin in keiner Weise ab; sie war gewohnt, klar und deutlich ihre Meinung zu äußern, sofern es keine – gesellschaftlichen oder finanziellen – Gründe gab, sie zu verhehlen. So erklärte sie ihm einen Augenblick später, warum sie gekommen war; es war unangenehm, natürlich, aber er würde es verstehen. Ursula Gillow war eifersüchtig, also müßten sie in Zukunft darauf verzichten, sich zu treffen.

Das schallende Gelächter des jungen Mannes war Musik in ihren Ohren; denn ein wenig hatte sie doch befürchtet, er könnte seine Ergebenheit Ursula gegenüber genauso zu seinen alltäglichen Pflichten zählen wie die Arbeit an der Enzyklopädie.

»Was für ein hirnverbrannter Irrtum! Ich kann mir nicht einmal vorstellen, daß sie wirklich mich damit gemeint hat«, protestierte er, doch Susy, deren gesunder Menschenverstand mit der wiedergewonnenen Sicherheit zurückkehrte, schnitt ihm gleich das Wort ab.

»Darauf kannst du dich verlassen, bei solchen Gelegenheiten drückt Ursula sich ziemlich unmißverständlich aus. Und was du glaubst, spielt überhaupt keine Rolle. Wichtig ist einzig und allein, was sie glaubt.«

»Aber nicht doch. Da habe ich wohl auch ein Wörtchen mitzureden, oder?«

Bedächtig sah Susy sich im Zimmer um. Nichts, rein gar nichts ließ darauf schließen, daß er je auch nur einen Dollar übrig gehabt – oder ein Geschenk angenommen hätte.

»Nicht wenn es um mich geht«, sagte sie schließlich.

»Wie meinst du das? Ich bin frei wie ein Vogel …«

»Ich nicht.«

Er wurde nachdenklich. »Oh, wenn das so ist, natürlich … Nur kommt es mir ein bißchen seltsam vor«, fügte er bedrückt hinzu, »daß in diesem Fall der Einspruch von Mrs. Gillow kommt.«

»Und nicht von meinem millionenschweren Bräutigam? Nun, ich habe keinen; in dieser Hinsicht bin ich genauso frei wie du.«

»Aber dann …? Dann geht es doch nur darum, daß wir beide weiterhin frei bleiben.«

Besorgt zog Susy die Augenbrauen hoch. Es würde wohl doch schwieriger werden. »Ich habe gesagt, in dieser Hinsicht bin ich frei. Ich werde nicht heiraten – und ich vermute, du auch nicht.«

»Großer Gott, nein«, rief er heftig aus.

»Aber das heißt noch lange nicht, daß man vollkommen frei ist …«

Er stand direkt vor ihr und stützte sich mit dem Ellbogen gegen die abscheuliche schwarze Marmoreinfassung des Kamins, in dem kein Feuer brannte. Als sie aufblickte, sah sie, wie sein Gesicht sich verhärtete, und sie errötete.

»Um mir das zu sagen, bist du also hergekommen?« fragte er.

»Oh, du willst einfach nicht verstehen – und ich begreife das nicht, weil wir uns doch beide schon so lange mit der gleichen Sorte von Leuten abgeben.« Unvermittelt stand sie auf und legte ihre Hand auf seinen Arm. »Ich wünschte wirklich, du würdest mir helfen.«

Er stand reglos da und ignorierte ihre Hand. »Dir helfen, mir verständlich zu machen, daß die arme Ursula nur ein Vorwand war, daß es in Wirklichkeit einen anderen gibt, der – aus welchem Grund auch immer – tatsächlich das Recht hat, etwas gegen unsere häufigen Treffen einzuwenden?«

Susy lachte ungeduldig. »Du redest wie der Held in einem Roman – so einem, wie meine Gouvernante sie gerne gelesen hat. Erstens würde ich ein solches Recht, wie du es nennst, nie anerkennen – nie.«

»Welches dann?« fragte er, nicht mehr ganz so verärgert.

»Nun ja – ein Recht, wie du es vermutlich deinem Verleger zugestehst.« Seine Antwort war ein unsicheres Lachen. »Eine Art geschäftliche Verpflichtung, nennen wir es einmal so«, fuhr sie fort. »Ursula tut eine Menge für mich. Die Hälfte des Jahres lebe ich auf ihre Kosten. Das Kleid, das ich anhabe, hat sie mir geschenkt. Heute abend wird mich ihr Wagen zu einem Essen bringen. Den Sommer werde ich bei ihr in Newport verbringen … und wenn nicht, bin ich gezwungen, mit den Bockheimers nach Kalifornien zu gehen – also leb wohl.«

Plötzlich brach sie in Tränen aus, und ehe er sie zurückhalten konnte, stürzte sie aus dem Zimmer und die drei steilen Treppen hinunter – obwohl, wenn sie es sich recht überlegte, hatte er überhaupt versucht, sie zurückzuhalten? Sie wußte nur noch, daß sie in der klirrenden Kälte eines strahlenden Wintertages lange Zeit an der Ecke der Fifth Avenue gestanden und gewartet hatte, bis sie durch eine Lücke im Strom von Autos, in denen modisch herausgeputzte Damen saßen, die Straße überqueren konnte – und plötzlich dachte: »Eigentlich hätte ich ja Ursula das Versprechen geben – und mich trotzdem weiter mit ihm treffen können …«

Statt dessen hatte sie, als Lansing sie am nächsten Tag in einem Brief um eine Unterredung anflehte, eine freundliche, aber entschlossene Absage geschickt – und es kurz danach einrichten können, für vierzehn Tage nach Kanada zum Skifahren und anschließend für sechs Wochen auf ein Hausboot in Florida mitgenommen zu werden. –

Als sie in ihrer Rückschau an diesem Punkt angelangt war, beschwor die Erinnerung an Florida die Vision von mondbeschienenem Wasser, den Duft von Magnolien und einer lauen Brise herauf, und ihre Lider wurden wie von einem einschläfernden Zauber schwer. Ja, es hatte eine schlimme Zeit gegeben: aber das war vorbei; und sie war hier, behütet und glückselig, bei Nick; und es waren seine Knie, an denen ihr Kopf lehnte, und vor ihnen lag ein Jahr … ein ganzes Jahr. – »Auch ohne die Perlen«, murmelte sie und schloß die Augen.

Lansing schnippte den Rest von Streffords teurer Zigarre in den See und beugte sich über seine Frau. Arme Kleine. Sie war eingeschlafen. Er lehnte sich zurück und starrte wieder in den silberüberfluteten Himmel. Wie seltsam es doch war, sich das vorzustellen: Dieses Licht verströmte sein Honigmond. Hätte irgend jemand ihm vor einem Jahr gesagt, er würde sich auf ein derartiges Abenteuer einlassen, er hätte erwidert, man möge ihn doch bitte bei den ersten Anzeichen einsperren.

Nicht einmal jetzt zweifelte er an der Verrücktheit dieses Abenteuers. Mochte Susy ihn auch zwanzigmal am Tag daran erinnern, daß sie es geschafft hätten und Sorgen unnötig seien. Selbst im Licht ihrer weitblickenden Gewitztheit und seines momentanen Glücksgefühls wußte er: einer nüchternen Einschätzung konnten ihre Zukunftsaussichten nicht standhalten. Und wie er so dasaß, im Schein des sommerlichen Mondes, ihren Kopf auf seinen Knien, vergegenwärtigte er sich die einzelnen Schritte, die sie schließlich an Streffys Seeufer geführt hatten.

Was Lansing betraf, so hatte alles ohne Zweifel damals begonnen, als er Harvard mit dem großspurigen Entschluß verlassen hatte, sich nichts entgehen zu lassen. Da stand der immergrüne Baum des Lebens, an dessen Wurzeln die vier Flüsse entsprangen; und er war entschlossen, mit seinem kleinen Boot jeden einzelnen der vier Ströme zu erkunden. Zwei von ihnen hatten ihn nicht gerade weit getragen, auf dem dritten wäre er fast im Schlamm steckengeblieben; aber der vierte hatte ihn geradewegs in ein wundersames Reich gebracht. Es war der Strom seiner lebhaften Vorstellungskraft, seines unerschöpflichen Interesses an allem, was schön und ausgefallen und ein wenig verrückt war. Auf diesem Strom hatte er in dem widerstandsfähigen kleinen Boot seiner Armut, seiner Bedeutungslosigkeit und seiner Unabhängigkeit bemerkenswerte Reisen unternommen. Und deshalb hatte er, als Susy Branch – für ihn in der New Yorker Saison das hübscheste und amüsanteste Mädchen weit und breit – ihn mit der höchst widersprüchlichen Enthüllung ihrer zeitgemäßen Ichbezogenheit und ihres altmodischen Anspruchs, ihr Wort zu halten, überrascht hatte, ein unwiderstehliches Verlangen verspürt, zu einer weiteren Kreuzfahrt ins Unbekannte aufzubrechen.

Es gehörte zum Wesen ihres Abenteuers, daß er nach ihrem einzigen Besuch in seiner Behausung sein Versprechen gehalten und nicht versucht hatte, sie wiederzusehen. Er konnte ebenso direkt sein wie sie, und er verstand ihre Schwierigkeiten, was ihn mit ihr fühlen ließ. Er wußte, an welch dünnem Faden die Beliebtheit der Mittellosen hing und auf wie erbarmenswerte Weise ein Mädchen wie Susy Spielball der Launen anderer Leute war. Aber sein Versprechen zu halten war weit lästiger gewesen, als er erwartet hatte. Susy Branch war zu einer köstlichen Gewohnheit geworden in einem Leben, das ansonsten eher langweilig war, und seine Möglichkeiten, sich an etwas zu erfreuen, wurden – das hatte ihr Verschwinden ihm mit einem Mal klar zu Bewußtsein gebracht – immer beschränkter. Vieles, was ihm früher Spaß gemacht hatte, bereitete im jetzt wenig oder gar kein Vergnügen: Seine kleine Wunderwelt war auf die Guckkastenschau in einem Provinznest zusammengeschrumpft. Und die Dinge, die sich ihre anregende Kraft bewahrt hatten – Reisen in ferne Länder, Freude an der Kunst, die Begegnung mit unbekannten Schauplätzen und fremden Kulturen –, wurden allmählich unerreichbar für ihn. Lansing hatte nie mehr als ein paar Pennies besessen, und als er sich erstmals ins Leben stürzte, hatte er eher zuviel davon ausgegeben; er konnte mit nichts Besserem rechnen, als in der Mitte seines Lebens sein Dasein mit schlechtbezahlten Auftragsarbeiten zu fristen, das Ganze etwas erträglicher gemacht durch kurze, karge Ferien. Er wußte, daß er intelligenter war als der Durchschnitt, aber schon vor langer Zeit hatte er eingesehen, daß seine Talente nicht gefragt waren. Gerade siebzig Exemplare des Bändchens mit seinen Sonetten, von einem freundlichen Verleger veröffentlicht, waren verkauft worden; und sein Essay über »Chinesische Einflüsse in der griechischen Kunst« hatte zwar kurzfristig Aufsehen erregt, dann aber nichts als kontroverse Schriftwechsel und Einladungen zu Diners eingebracht. Kurzum, es gab wenig Hoffnung, je wirklich Geld zu verdienen, und seine trüben Zukunftsaussichten ließen ihn der Art von Freundschaft, wie er sie mit Susy Branch erlebt hatte, einen immer höheren Wert zuschreiben. Abgesehen von dem Vergnügen, sie anzusehen und ihr zuzuhören – sich dessen zu erfreuen, was andere zwar nicht in dem Maße zu schätzen wußten, aber ebensogern annahmen –, hatte er das Gefühl, zwischen ihm und ihr bestehe aufgrund einer schon sehr früh entwickelten Toleranz und Ironie eine Art Komplizenschaft. Beide hatten in früher Jugend an der Welt Maß genommen, in die sie zufällig hineingeboren worden waren: Sie wußten recht gut, was die Welt für sie wert war und aus welchen Gründen, und da die Gründe dieselben waren, hatte ihre Vertrautheit diese besondere, erlesene Note. Jetzt war er, wegen der eifersüchtigen Laune einer unzufriedenen Närrin, der er sich nicht mehr verpflichtet fühlte als jeder andere junge Mann, der für gute Diners mit guten Manieren bezahlt, der vollkommensten Freundschaft beraubt, die er je erlebt hatte.

Er ließ seine Gedanken schweifen, dachte an den langen und langweiligen Frühling in New York nach seinem Bruch mit Susy, an seine verdrossen heruntergeschriebenen Artikel, an seine lustlosen Überlegungen, wie er am billigsten und nicht ganz trostlos den Sommer hinter sich bringen könnte, und dann an den Glücksfall, sich eher widerwillig und erst in letzter Minute entschlossen zu haben, einen Sonntag bei den armen Nat Fulmers zu verbringen, in der Wildnis von New Hampshire, und dort Susy zu treffen – Susy, von der er nie gedacht hätte, sie könnte jemanden von der Art der Fulmers kennen.

Sie hatte sich untadelig verhalten – und er ebenfalls –, aber beide waren mehr als froh gewesen, sich zu sehen. Es war verwirrend, sich in ihrer Gesellschaft in einem Haus wie dem der Fulmers aufzuhalten, weit weg von dem großspurigen Luxus, den sie beide gewohnt waren, in dem kleinen, beengten Landhaus, in dem ihr Gastgeber sein Atelier auf der Veranda hatte, ihre Gastgeberin im Eßzimmer Geige übte und fünf allgegenwärtige Kinder durch die Gegend tobten und herumtrompeteten und Kaulquappen in die Wasserkrüge warfen und in dem das Mittagessen zwei Stunden zu spät serviert wurde – und dementsprechend schmeckte –, weil die italienische Köchin Fulmer Modell saß.

Lansing hatte zunächst angenommen, ein Zusammentreffen mit Susy unter derartigen Umständen würde sie beide im Handumdrehen von jeglichem Bedauern kurieren. Der Fall der Fulmers war ein abschreckendes Beispiel dafür, was mit jungen Leuten geschah, die den Kopf verloren; der arme Nat, dessen Bilder kein Mensch kaufte und der plötzlich so schrecklich viele Kinder hatte – und Grace, die für immer die Frau bleiben würde, von der die Leute sagten: »Ich kann mich an sie erinnern, als sie noch ein hübsches Ding war.«

Das Verdächtige daran war jedoch, daß Nat noch nie ein so angenehmer Gesellschafter gewesen war und Grace noch nie so unbeschwert und so voller Musik; und daß man sich trotz all der Unordnung und des Durcheinanders und trotz des miserablen Essens und der verrückten Unbequemlichkeit in ihrer Gesellschaft wohler fühlte als bei jeder noch so aufwendig in Szene gesetzten Landpartie, durch die Susy und Lansing sich je hindurchgegähnt hatten.

Für den jungen Mann war es fast eine Erleichterung, als Miss Branch ihn am zweiten Nachmittag in die enge Diele zog und erklärte: »Diese Kombination – Graces Geige und die Hupe von dem kleinen Nat, das halte ich nicht länger aus. Komm, wir verschwinden, bis die mit ihrem Duett fertig sind.«

»Ich frage mich nur, wie sie das aushalten«, sagte er leise, als er ihr auf den Waldweg hinter dem Haus folgte.

»Könnte der Mühe wert sein, das herauszufinden«, erwiderte sie nachdenklich.

Er blieb jedoch skeptisch. »Oh, gib ihnen noch ein oder zwei Jahre, und sie brechen zusammen. Seine Bilder werden sich nie verkaufen, er wird sie nicht einmal in einer Ausstellung unterbringen.«

»Wahrscheinlich nicht. Und ihr wird nie genügend Zeit bleiben, um etwas aus ihrer Musik zu machen.«

Sie waren bei einem von Kiefern bewachsenen Hügel angelangt, weit oberhalb des Felsvorsprungs, auf dem das Haus gelegen war. Rund umher nur eine scheinbar unbewohnte Landschaft mit langweiligen Wäldern. »Stell dir nur vor, das ganze Jahr über hier angebunden zu sein«, stöhnte Lansing.

»Ich weiß. Aber stell dir erst vor, wie es ist, mit irgendwelchen Leuten durch die Welt zu ziehen.«

»Himmel, ja. Meine Reise nach Indien mit den Mortimer Hicks. Aber mir ist nichts anderes übriggeblieben – was soll man denn machen?«

»Ich wünschte, ich wüßte es«, seufzte sie und dachte an die Bockheimers.

»Wüßte was?«

»Die Antwort auf deine Frage. Wirklich, was soll man machen – wenn man das Problem von beiden Seiten betrachtet. Oder von jeder nur denkbaren Seite, wenn wir schon dabei sind.«

Sie hatten sich auf einem Felsbrocken unter den Kiefern niedergelassen; allerdings hatte Lansing keinen Blick für die Landschaft zu ihren Füßen, da er nur das Flattern ihrer braunen Wimpern sah.

»Du meinst: Nat und Grace hätten es doch am besten getroffen?«

»Woher soll ich das wissen, wenn ich doch sage, daß ich die Sache von allen Seiten betrachte. Natürlich«, fügte Susy hastig hinzu, »ich könnte nicht eine Woche so leben wie sie. Aber es ist wundervoll, wie wenig ihre Lebenslust getrübt ist.«

»Nat war bestimmt nie unterhaltsamer. Und sie hält sich sogar noch besser.« Er wurde nachdenklich. »Offenbar tun wir ihnen gut.«

»Ja – oder sie uns. Das ist die Frage.«

Danach, so erinnerte er sich, hatten sie lange schweigend dagesessen; seine nächste Äußerung war ein jungenhafter Ausbruch gegen die Tyrannei der bestehenden Ordnung gewesen – gefolgt von der leidenschaftlichen Frage, warum sie beide, da sie ja doch nichts daran ändern konnten und beide gewohnt waren, den Tatsachen ins Auge zu blicken, so ungeheuer töricht sein sollten, die einzige Möglichkeit, glücklich zu sein, nicht zu nutzen. An eine eindeutige Antwort Susys auf diese herausfordernde Frage konnte er sich nicht erinnern; aber nach einer weiteren Pause versank die Welt ohnehin in einem Kuß, und schließlich murmelte sie: »Wahrscheinlich hat das noch nie jemand probiert; aber wir könnten es.« Und dann hatte sie ihm das Experiment vorgeschlagen, auf das sie sich jetzt eingelassen hatten.

Von einem verstohlenen Glück wolle sie nichts wissen, erklärte sie und legte ihm mit schönster Unvoreingenommenheit ihre Gründe dar. Erstens würde sie eines Tages heiraten müssen, und wenn sie sich schon auf einen solchen Handel einließe, sollte er ehrlich sein; und zweitens, was Liebe betreffe, würde sie sich nie jemandem hingeben, der ihr nicht wirklich etwas bedeute, und sollte ihr dieses Glück widerfahren, dann würde sie sich nicht durch Schwindeln und irgendwelche Heimlichkeiten die Hälfte der Freude nehmen lassen.

»Ich habe zu viele von dieser Art gesehen. Die Hälfte der Frauen hält sich Liebhaber nur aus Spaß am Lügen und Betrügen, die andere Hälfte ist todunglücklich. Und das wäre ich auch.«

An diesem Punkt hatte sie ihm ihren Plan erläutert. Warum sollten sie nicht heiraten; einander offen und in Ehren angehören, und sei es für noch so kurze Zeit, und zwar mit der eindeutigen Übereinkunft, jeder von beiden sollte, wenn sich eine bessere Möglichkeit bot, auf der Stelle seine Freiheit wiederhaben? Die Gesetze ihres Landes machten einen solchen Wechsel leicht, und die Gesellschaft betrachtete ihn allmählich mit vergleichbarer Nachsicht. Während sie sprach, erwärmte sich Susy zusehends für ihr Thema und begann, die unendlichen Vorteile aufzuzählen.

»Wir könnten einander wirklich von Nutzen sein, ohne uns gegenseitig im Weg zu stehen«, erklärte sie begeistert. »Wir kennen doch die Spielregeln; was der eine nicht sieht, könnte der andere bemerken – was günstige Gelegenheiten betrifft, meine ich. Und als verheiratetes Paar wären wir eine Attraktion. Beide sind wir außergewöhnlich beliebt – das kann man doch wirklich sagen –, und es ist ein Segen für Leute, die zu Diners einladen, auf ein Paar zählen zu können, bei dem beide keine Langweiler sind. Ja, ich glaube wirklich, wir könnten ein zweimal so großer Erfolg sein. Falls eine Steigerung überhaupt möglich ist«, fügte sie mit einem Lachen hinzu. »Ich weiß nicht, wie du das empfindest; die Beliebtheit eines Mannes ist niemals so gefährdet wie die eines Mädchens – aber ich weiß, es würde mein Ansehen ungeheuer heben, wenn ich demnächst als verheiratete Frau auftrete.« Sie blickte auf das langgestreckte Tal zu ihren Füßen und fügte dann, etwas leiser, hinzu: »Und ich hätte gerne, nur für eine kleine Weile, das Gefühl, daß etwas im Leben mir allein gehört – nichts Geliehenes wie ein elegantes Kleid oder ein Auto oder ein Cape für einen Abend in der Oper.«

Zunächst fand Lansing den Vorschlag verrückt und gleichzeitig hinreißend – und er hatte ihm gründlich angst gemacht. Aber Susys Argumente waren unwiderlegbar, ihre Findigkeit unerschöpflich. Hatte er das je richtig durchdacht? wollte sie wissen. Nein. Nun, sie schon; und würde er sie bitte nicht unterbrechen? Erstens wären da all die Hochzeitsgeschenke. Schmuck, ein Wagen, ein Silberservice, ob sie das meine? Ganz und gar nicht. Daran sehe sie ganz deutlich, daß er sich über diese Frage nie richtig Gedanken gemacht hatte. Schecks, mein Lieber, nichts als Schecks – darum würde sie sich kümmern: Sie könnten ungefähr mit fünfzig rechnen, und vermutlich würde er noch ein paar mehr auftreiben. Nun, das alles wäre nur ein Taschengeld. Man würde ihnen Häuser zur Verfügung stellen, in denen sie wohnen könnten; er würde schon sehen. Die Leute hätten immer ihre Freude daran, einem jungvermählten Paar ihr Haus zu überlassen. Es machte soviel Spaß, kurz mal vorbeizuschauen: man fühlte sich dann selbst verliebt und vergnügt. Sie müßten nur der Reihe nach die Einladungen annehmen: ein Jahr lang Flitterwochen. Ob er davor Angst habe? Ob er etwa glaube, sie wären nicht glücklich genug, um das durchzuhalten? Und warum sollten sie es nicht zumindest versuchen – sich verloben und dann weitersehen? Selbst wenn sie sich irren sollte, wenn ihr Plan fehlschlüge, wäre es dann nicht schön gewesen, sich ein oder zwei Monate lang vorzustellen, glücklich zu werden? »Ich habe mir das oft ausgemalt«, schloß sie; »aber es mir zusammen mit dir auszumalen, das wäre irgendwie ganz anders.« –

 

So hatte alles begonnen – und nun lebten sie diesen Traum am Ufer des Sees. So phantastisch unwahrscheinlich es ausgesehen hatte, alle ihre Voraussagen waren eingetroffen. Vielleicht gab es ein paar Glieder in der Kette, die nicht gehalten hatten, vielleicht mußten ein paar Abmachungen und Kunstgriffe noch verdeutlicht werden, na wenn schon, er, Lansing, war jedenfalls entschlossen, mit ihr zusammen dem einmal eingeschlagenen Weg zu folgen: Vorläufig war die Freude, einfach hier sitzen zu können, schweigend und glückselig, ihren Kopf auf den Knien, eins mit der Welt im Licht des Mondes, alles wert, was es in der Vergangenheit gekostet haben mochte, und auch jede Buße, die die Zukunft ihm abverlangen würde.

Er beugte sich zu ihr hinab und küßte sie. »Wach auf«, flüsterte er, »Zeit zum Schlafengehen.«

Ihr Monat in Como sollte in ein paar Stunden enden. Bis zum letzten Augenblick hatten sie auf eine Gnadenfrist gehofft, aber Streffy war es, bei aller Großzügigkeit, nicht möglich, ihnen die Villa noch länger zu überlassen; er hatte sie für ein Heidengeld an reiche Angeber vermieten können, die darauf bestanden, zum vereinbarten Termin Besitz davon zu ergreifen.

In der Morgendämmerung hatte sich Lansing von Susys Seite geschlichen und war zum See hinuntergegangen, um noch einmal hineinzutauchen; als er in dem kristallenen Licht zurückschwamm, blickte er zu dem prachtvollen Blumengarten, dem langgestreckten, flachen Haus mit dem Zypressenhain und zu dem Fenster, hinter dem seine Frau noch schlief. Der letzte Monat war herrlich gewesen und ihr Glück erlesen, auf phantastische Weise vollkommen wie die Szenerie vor ihm. Er tauchte sein Gesicht in das sonnenbeschienene Wellengekräusel und seufzte vor Zufriedenheit.

Es war lästig, den Schauplatz eines so umfassenden Wohlbefindens zu verlassen, aber die nächste Station ihrer Rundreise versprach kaum weniger wundervoll zu werden. Susy war eine Zauberin: Was sie vorhergesagt hatte, traf tatsächlich ein. Man überschüttete sie mit Angeboten, Häuser zu bewohnen; von allen Seiten schienen ihnen wohlwollende Geister zuzufliegen, beladen mit allem nur Erdenklichen, von einem piano nobile in Venedig bis hin zu einem Camp in den Adirondacks. Fürs erste hatten sie sich für Venedig entschieden. Abgesehen von allen anderen Überlegungen scheuten sie die Ausgaben für eine Reise über den Atlantik; so waren sie jetzt auf dem Weg zum Palazzo der Nelson Vanderlyns auf der Giudecca. Im kommenden Winter – darüber waren sie sich einig – wollten sie dann nach New York zurückkehren. Auf diese Weise würden sie sich wieder einmal sehen lassen, woraus sich neue günstige Gelegenheiten ergeben könnten; und tatsächlich dachte Susy bereits an eine passende Wohnung, die eine reiselustige Cousine ihnen bestimmt überlassen würde, wenn man taktvoll mit ihr umging und ihr versprach, ihre Köchin nicht über Gebühr zu beanspruchen. Vorläufig lag die Notwendigkeit, Pläne zu machen, noch in weiter Ferne; und wenn es eine Kunst gab, in der sich der junge Lansing in den achtundzwanzig Jahren seines Lebens vervollkommnet hatte, dann war es die, unbesorgt in der Gegenwart zu leben.

Wenn er in letzter Zeit versucht hatte, sich nachdrücklicher, als es seine Gewohnheit war, mit der Zukunft zu beschäftigen, so nur Susys wegen. Bei der Heirat hatte er sich vorgenommen, ihr gegenüber genauso gelassen zu sein wie sich selbst gegenüber. Nie hätte sie gewollt, daß ihre Partnerschaft für ihn Anlaß zu sorgenvollen Überlegungen gäbe. Nach und nach hatte sie ihm jedoch Einblick in ihre Vergangenheit gewährt, und nun sehnte er sich danach, sie in Zukunft zu beschützen und zu verteidigen. Er konnte die Vorstellung nicht ertragen, daß ein so bezaubernder Geist wie der ihre durch Kompromisse auch nur im mindesten abgestumpft oder herabgewürdigt werden sollte.

Sich selbst nahm er nicht so wichtig: Zu seiner eigenen Orientierung hatte er sich einen behelfsmäßigen Kodex zurechtgezimmert – ein paar »Vielleicht« und »Keinesfalls« –, der sein Leben wesentlich einfacher machte. Es gab Dinge, die ein Mann klar definierter Vorteile wegen hinnahm; und es gab andere Dinge, auf die er sich um keinen Preis einlassen würde. Bei einer Frau, das wurde ihm immer klarer, sah das ganz anders aus. Die Versuchungen waren größer, der Preis beträchtlich höher und die Grenze zwischen »Vielleicht« und »Keinesfalls« weniger starr. Susy, die mit siebzehn auf sich allein gestellt gewesen war und keinen anderen Menschen als einen Tunichtgut von Vater gehabt hatte, der diese Linie hätte ziehen können, schien hauptsächlich dank einer angeborenen Verachtung für die meisten Ziele menschlichen Wahns verschont geblieben zu sein. »Und für so wertloses Zeug hat er sich aufgegeben«, war ihr schroffer Kommentar zum frühen Tod ihres Vaters: Als hätte sie sich längst mit der Tatsache abgefunden, daß man sich für irgend etwas ruinieren müsse, jedoch entschlossen wäre, unnachgiebig zwischen dem, was es wert war, und dem, was es nicht wert war, zu unterscheiden.

Anfangs hatte diese Philosophie Lansing fasziniert; allmählich weckte sie jedoch gelinde Ängste in ihm. Der wunderbare Panzer ihrer hohen Ansprüche hatte sie vor der Art von Risiken geschützt, denen sie bislang ausgesetzt war; was aber, wenn andere, raffiniertere Verlockungen eine Schwachstelle bloßlegten? Gab es, bei all ihren heiklen Unterscheidungen, etwas, das seinen eigenen Regeln entsprach? Konnte nicht gerade ihre Vorliebe für das Beste und Erlesenste zum Anlaß ihres Verderbens werden? Und wenn etwas, was kein »wertloses Zeug« war, ihren Weg kreuzte, würde sie dann auch nur eine Sekunde zögern, sich dafür aufzugeben?

Er war entschlossen, sich an den Pakt zu halten, also nichts zu tun, was die »Chance« des anderen beeinträchtigen könnte; was aber, wenn sich ihr eine Chance bot, die er als solche nicht anerkannte? Er wünschte für sie leidenschaftlich nur das Beste; aber seine Vorstellung von diesem Besten hatte sich im Licht des ersten gemeinsam verbrachten Monats ganz unmerklich, kaum wahrnehmbar verändert.

Seine trägen Schwimmstöße trugen ihn langsam ans Ufer; aber so einzigartig war die Stunde, daß er sich ein paar Meter vor dem Landungssteg an Streffys vertäutem Boot festhielt und seinen Träumen nachhing. – Es war wirklich lästig, abreisen zu müssen; zweifellos war dies der Grund, weshalb er plötzlich alles in Frage stellte. Venedig würde herrlich sein, das verstand sich von selbst; aber nie wieder würde etwas so köstlich sein wie ihre Zeit hier. Und dann – sie hatten nur ein abgesichertes Jahr vor sich; von diesem Jahr war nun ein Monat vergangen.

Widerstrebend ging er zum Haus hinauf und öffnete ein Fenster des in kühlen Farben gehaltenen Salons. Schon waren Anzeichen des Aufbruchs zu sehen. In der Halle standen Schrankkoffer, und auf den Stufen lagen Tennisschläger; auf dem Treppenabsatz kämpfte die Köchin Giulietta mit einer aufsässigen Reisetasche, die sich allen Versuchen, sie zuzuschnüren, widersetzte. Ein Gefühl der Unwirklichkeit ließ ihn frösteln, als wäre der vergangene Monat ein Aufzug in einem Theaterstück gewesen, dessen Bühnenbild jetzt abgebaut wurde, um für ein anderes Stück Platz zu schaffen, in dem er und Susy keine Rollen hatten.

Als er, angezogen und hungrig, wieder nach unten kam, um auf der Terrasse Kaffee zu trinken, hatte er das wohltuende Gefühl der Sicherheit wiedererlangt. Susy war schon da, ausgeruht und fröhlich, eine Rose an der Brust und Sonne im Haar: Sie beugte sich über ein Kursbuch, winkte ihm liebevoll zu, blickte kurz auf und meinte: »Ja, ich glaube, wir können es gerade eben schaffen.«

»Was schaffen?«

»Den Zug nach Mailand – wenn wir um Punkt zehn mit dem Auto losfahren.«

»Mit dem Auto? Mit welchem Auto?«

»Na, mit dem von den Neuen – von Streffys Mietern. Ihren Namen hat er mir nicht gesagt, und der Chauffeur behauptet, er könne ihn nicht aussprechen. Der Chauffeur jedenfalls heißt Ottaviano; ich habe mich schon mit ihm angefreundet. Er ist gestern nacht angekommen, und er sagt, daß sie erst heute abend in Como erwartet werden. Er hat einen Luftsprung gemacht bei der Aussicht, uns nach Mailand rüberzufahren.«

»Großer Gott«, sagte Lansing, als sie eine Pause machte.

Mit einem Lachen sprang sie vom Tisch auf. »Es wird eine Hetzerei werden, aber ich schaffe es schon, wenn du auf der Stelle raufgehst und die letzten Sachen in deinen Koffer wirfst.«

»Ja, aber hör mal – hast du eine Vorstellung, was das kostet?«

Fröhlich zog sie die Augenbrauen hoch. »Jedenfalls bedeutend weniger als Fahrkarten für die Bahn. Ottaviano hat in Mailand ein Liebchen, und das hat er seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen. Als ich das herausgefunden hatte, wußte ich, daß er sowieso dorthin fahren würde.«

Das war ziemlich pfiffig, und er lachte. Aber warum schreckte er mittlerweile schon vor einem so harmlosen Beweis ihrer Fähigkeit zurück, immer alles »zu organisieren«? »Na schön«, sagte er sich, »sie hat ja recht: der Bursche wäre bestimmt auch so nach Mailand gefahren.«

Auf dem Weg zu seinem Ankleidezimmer sah er sie in einer Wolke von leichten Kleidern, die sie mit geschickten Händen in einen letzten Handkoffer preßte. Noch nie hatte er jemanden so gekonnt packen sehen wie Susy: die Art und Weise, wie sie widerstrebende Dinge dazu brachte, in einem Koffer zu verschwinden, war ein Symbol dafür, wie sie Dinge, die ihr nicht behagten, irgendwie in ihrem Leben unterbrachte. »Wenn ich einmal reich bin«, sagte sie häufig, »werde ich mich am meisten darüber ärgern, wenn ein tolpatschiges Dienstmädchen sich an meinen Koffern zu schaffen macht.«

Sie warf ihm über die Schulter einen fröhlichen Blick zu, das Gesicht gerötet von der Anstrengung, und zog ein Zigarrenkistchen aus dem Koffer. »Schatz, sei so gut und steck ein paar von den Zigarren ein, als Trinkgeld für Ottaviano.«

Lansing starrte sie an. »Was, um alles in der Welt, machst du denn mit Streffys Zigarren?«

»Ich packe sie ein. – Du glaubst doch nicht etwa, er hätte sie diesen anderen Leuten zugedacht?« Sie sah ihn aufrichtig verwundert an.

»Ich weiß nicht, wem er sie zugedacht hat – aber uns gehören sie nicht. –«

»Ich verstehe nicht, was daran so Besonderes sein soll. Streffy gehören die Zigarren auch nicht; wahrscheinlich hat er sie irgendeinem Gauner abgeluchst. Und nichts würde ihn mehr ärgern, als wenn ein anderer sie in die Finger bekäme.«

»Unsinn. Wenn sie Streffy nicht gehören, dann mir erst recht nicht. Gib sie mir bitte, Liebes.«

»Ganz wie du willst. Aber mir scheint das eine Verschwendung zu sein; und diese anderen Leute werden mit Sicherheit keine einzige davon bekommen. – Dafür werden schon der Gärtner und Giuliettas Liebhaber sorgen.«

Lansing sah auf die Wogen von Spitzen und Musselin, aus denen sie wie eine rosige Seejungfrau auftauchte. »Wie viele Schachteln sind noch übrig?«

»Nur noch vier.«

»Pack sie bitte aus.«

Plötzlich herrschte ein äußerst angriffslustiges Schweigen zwischen ihnen, und Lansing ärgerte sich über die Unverhältnismäßigkeit zwischen seinem Zorn und dem Anlaß dafür. Das machte ihn noch wütender.

Sie streckte ihm eine Schachtel hin. »Die anderen sind unten in deinem Koffer. Er ist abgeschlossen und verschnürt.«

»Dann gib mir den Schlüssel.«

»Wir könnten sie von Venedig aus zurückschicken, wenn du unbedingt willst. Das Schloß ist so sperrig: dafür brauchst du mindestens eine halbe Stunde.«

»Gib mir den Schlüssel, bitte.« Sie gab ihn ihm.

Er ging hinunter und mühte sich – unter den verdutzten Blicken Giuliettas und dem Grinsen des Chauffeurs, der ihn ab und zu von der Schwelle aus daran erinnerte, wie lange sie bis Mailand brauchten – mit dem Schloß ab, genau die vorausgesagte halbe Stunde lang. Endlich ließ sich der Schlüssel drehen; mit abgebrochenen Fingernägeln, in Schweiß gebadet holte Lansing die Zigarren heraus und stolzierte damit in das leere Ankleidezimmer. Die Sträuße goldfarbener Rosen, die er und Susy am Tag zuvor gepflückt hatten, ließen ihre Blütenblätter auf den Marmorfußboden fallen; blasse Kamelien schwammen in den tazze aus Alabaster zwischen den Fenstern, und mit der Brise vom See stieg Blumenduft aus dem Garten auf. Nie zuvor war ihm Streffys kleines Haus so sehr als ein Hort der Freude erschienen. Lansing stellte die Zigarrenkisten auf eine Konsole und rannte nach oben, um seine letzten Habseligkeiten zusammenzupacken. Als er herunterkam, saß seine Frau schon in ihrem geliehenen Wagen, die Augen funkelnd vor Genugtuung; das Gepäck war geschickt verstaut, und Giuletta und der Gärtner küßten ihre Hand, zum Abschied untröstlich schluchzend.