Dämmerschlaf - Edith Wharton - E-Book

Dämmerschlaf E-Book

Edith Wharton

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Beschreibung

Vergnügliche Satire auf die Luxusprobleme der oberen Zehntausend von New York

Das New York der Roaring Twenties ist Schauplatz von Edith Whartons bösestem Roman. Klarsichtig und zum Schreien komisch porträtiert sie eine Gesellschaft, die mit lärmendem Partygetöse alle Sinnfragen übertönt. An mehr als einen leichten Dämmerschlaf ist hier nicht zu denken, denn wer schläft, sündigt nicht – und ist damit nur fader Zaungast einer rauschhaft betriebsamen Welt.

Den Stammplatz in New Yorks High Society zu behaupten ist ein aufreibender Fulltime-Job. Wer wüsste das besser als Pauline Manford? Diszipliniert unterwirft sie sich und das Leben «ihrer Lieben» dem Diktat der besseren Kreise. Trotzdem scheint der Verbleib in den schwindelnden Höhen der Wichtigkeit bedroht. Ist der «Mahatma», Paulines Entdeckung der letzten Saison, nun ein inspirierender Psychoguru oder ein Scharlatan mit einer Vorliebe für nacktes Fleisch? Wie lässt sich die Ehe von Paulines Sohn retten, dessen bildhübsche Frau gelangweilt von einer Karriere in Hollywood träumt? Immer schneller dreht sich für Pauline das Hamsterrad der gesellschaftlichen Verpflichtungen. Alles ist gut, solange der Terminkalender voll ist. Whartons Epochenporträt verrät verblüffende Parallelen zur heutigen Zeit.

  • Neuübersetzung

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Seitenzahl: 445

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EDITH WHARTON

Dämmerschlaf

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt

von Andrea Ott

Nachwort von Verena Lueken

MANESSE VERLAG

ZÜRICH

Titel der amerikanischen Ausgabe:

«Twilight Sleep» (1927)

Übersetzerin und Verlag danken dem Deutschen Übersetzerfonds e.V.

für die Förderung dieser Übersetzung.

Copyright © 2013 by Manesse Verlag, Zürich,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln,

ISBN 978-3-641-11374-2

www.manesse.ch

INHALT

Dämmerschlaf

Erster Teil

Zweiter Teil

Dritter Teil

Anmerkungen

Nachwort

Editorische Notiz

ERSTER TEIL

1

Miss Bruss, die perfekte Sekretärin, empfing Nona Manford an der Tür zum Boudoir ihrer Mutter (dem «Büro», wie es Mrs Manfords Kinder nannten) mit einer Geste liebenswürdigster Zurückweisung.

«Natürlich möchte sie, Liebes – Ihre Mutter möchte Sie immer sehen», erklärte Miss Bruss mit vom ständigen Telefonieren abgewetzter, schneidender Stimme. Miss Bruss, die kurz nach Mrs Manfords zweiter Eheschließung in deren Dienste getreten war, kannte Nona von Kind an und genoss das Recht, sie selbst jetzt, wo sie schon in die Gesellschaft eingeführt war, mit einer gewissen wohlwollenden Vertraulichkeit behandeln zu dürfen. Wohlwollen gehörte zum Stil des Manford’schen Hauses.

«Aber schauen Sie sich ihren Terminkalender an, allein den heutigen Vormittag!», fuhr die Sekretärin fort und reichte Nona ein großes, in Saffianleder gebundenes Notizbuch, in dem in schnörkelloser Sekretärinnenhandschrift eingetragen stand:

«7.30: Mentales Verjüngungstraining

7.45: Frühstück

8.00: Psychoanalyse

8.15: Besprechung Köchin

8.30: Stilles Meditieren

8.45: Gesichtsmassage

9.00: Mann mit persischen Miniaturen

9.15: Post

9.30: Maniküre

9.45: Eurythmische1 Übungen

10.00: Ondulieren

10.15: Modellsitzen

10.30: Empfang der Muttertagsabordnung

11.00: Tanzunterricht

11.30: Geburtenregelungskomitee bei Mrs X»

«Jetzt ist gerade die Maniküre da, wie immer zu spät. Ihre Mutter leidet entsetzlich darunter, dass alle so unpünktlich sind. Dieser New Yorker Lebensstil bringt sie noch um.»

«Ich bin nicht unpünktlich», sagte Nona Manford, gegen den Türrahmen gelehnt.

«Nein, und das ist doppelt verwunderlich. Wo ihr jungen Mädchen die ganze Nacht durchtanzt! Sie und Lita – Sie haben wirklich Ihren Spaß!» Miss Bruss schlug einen geradezu mütterlichen Ton an. «Aber schauen Sie doch einmal diese Liste durch. Sie sehen ja, Ihre Mutter rechnet nicht vor dem Lunch mit Ihnen.»

Nona schüttelte den Kopf. «Nein. Aber vielleicht können Sie mich dazwischenquetschen.»

Sie sprach in freundlichem, sachlichem Ton; beide Seiten prüften die Angelegenheit, spürbar bemüht um Unvoreingenommenheit und Verständigungsbereitschaft. Nona war an die Termine ihrer Mutter gewöhnt; war daran gewöhnt, dass sie zwischen Gesundbeter, Kunsthändler, Sozialarbeiter und Maniküren gequetscht wurde. Sobald Mrs Manford ihre Kinder zu sich kommen ließ, war sie eine perfekte Mutter; aber hätte sie in diesem mörderischen New York mit seinen sich ständig mehrenden Verpflichtungen und Verbindlichkeiten ihrer Familie erlaubt, rund um die Uhr hereinzuplatzen und ihr die Zeit zu stehlen, hätten das ihre Nerven einfach nicht ausgehalten. Und wie viele Pflichten wären dann unerledigt geblieben!

Mrs Manfords Wahlspruch hatte immer gelautet: «Alles hat seine Zeit.» Dennoch gab es Augenblicke, da diese Zuversicht sie im Stich ließ und sie fast glaubte, dass dem nicht so war. Heute Vormittag zum Beispiel, führte Miss Bruss aus, habe sie dem neuen französischen Bildhauer, auf den seit einem Monat ganz New York versessen war, klarmachen müssen, dass sie ihm nicht länger als fünfzehn Minuten Modell sitzen könne, weil sich das Geburtenregelungskomitee um 11.30 Uhr bei Mrs X. treffe.

Nona fand sich zu diesen Treffen selten ein, denn ihre eigene Zeit war – eher durch die Macht der Gewohnheit als aufgrund echter Neigungen – gänzlich von Gymnastik, Sport und der pausenlosen Hetzerei von einem Nervenkitzel zum nächsten in Anspruch genommen, angeblich dem glücklichen Vorrecht der Jugend. Doch sie hatte oft genug einen flüchtigen Blick auf dieses Schauspiel werfen können: auf das Publikum, bestehend aus gescheiten älteren Damen mit schneeweißem Haar und fein zerknitterten, mürbmassierten Gesichtern, die sich eurythmisch bewegten und ihr Lächeln aus glasigem Wohlwollen aufsetzten wie ihr randloses Pincenez2. Sie waren alle von unerbittlichem Ernst, absichtsloser Liebenswürdigkeit und unermesslicher Reinheit und kleideten sich, abgesehen von der jeweiligen «Berühmtheit», die meist schlampig angezogen auftrat, mit Nickelbrille und ungebändigten Haarsträhnen, beinahe zu sorgfältig. Um welches Thema es auch ging, die Damen schienen stets dieselben zu sein; sie vertraten mit stets dem gleichen Eifer die Geburtenregelung und die uneingeschränkte Mutterschaft, die freie Liebe oder die Rückkehr zu den Traditionen der amerikanischen Familie, und weder sie noch Mrs Manford schienen sich klarzumachen, dass diese Lehrmeinungen einander widersprachen. Sie wussten nur, dass sie entschlossen waren, bestimmte Menschen zu zwingen, etwas zu tun, was diese Menschen nicht tun wollten. Nona erinnerte sich beim Blick auf den eng beschriebenen Terminkalender an einen Ausspruch von Arthur Wyant, dem früheren Mann ihrer Mutter: «Deine Mutter und ihre Freundinnen würden gern der ganzen Welt vorschreiben, wie sie ihre Gebete verrichten und sich die Zähne putzen soll.»

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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