Der Fürst der Highlander - Highland Lovers: Erster Roman - Hannah Howell - E-Book
SONDERANGEBOT

Der Fürst der Highlander - Highland Lovers: Erster Roman E-Book

Hannah Howell

0,0
4,99 €
1,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Als Feinde geboren, zu Liebenden bestimmt … Der historische Liebesroman »Der Fürst der Highlander« von Hannah Howell jetzt als eBook bei dotbooks. England im Jahr 1473. Drei Tage noch, dann soll er am Galgen sterben: Der schottische Edelmann Sigimor Cameron ist zu spät in das Land seiner Feinde gekommen, um einem alten Freund zur Hilfe zu eilen – nun hat dessen Mörder ihn in den Kerker werfen lassen. Doch auch die schöne Schwester des Toten schwebt in Gefahr: Jolene weiß, dass man ihr nach dem Leben trachtet. Gemeinsam gelingt es dem ungleichen Paar, aus dem Schloss zu entkommen. Vor ihnen liegt eine waghalsige Flucht in die rettenden Highlands. Und obwohl der stolze Schotte und die schlagfertige englische Lady keine Gelegenheit auslassen, sich leidenschaftlich zu streiten, hegen sie bald auch zarte Gefühle füreinander … Aber ihre Feinde holen unbarmherzig auf! Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das Romance-Highlight »Der Fürst der Highlander« von New-York-Times-Bestseller-Autorin Hannah Howell ist der Auftakt der Saga »Highland Lovers«. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 468

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

England im Jahr 1473. Drei Tage noch, dann soll er am Galgen sterben: Der schottische Edelmann Sigimor Cameron ist zu spät in das Land seiner Feinde gekommen, um einem alten Freund zur Hilfe zu eilen – nun hat dessen Mörder ihn in den Kerker werfen lassen. Doch auch die schöne Schwester des Toten schwebt in Gefahr: Jolene weiß, dass man ihr nach dem Leben trachtet. Gemeinsam gelingt es dem ungleichen Paar, aus dem Schloss zu entkommen. Vor ihnen liegt eine waghalsige Flucht in die rettenden Highlands. Und obwohl der stolze Schotte und die schlagfertige englische Lady keine Gelegenheit auslassen, sich leidenschaftlich zu streiten, hegen sie bald auch zarte Gefühle füreinander … Aber ihre Feinde holen unbarmherzig auf!

Über die Autorin:

Hannah Howell, geboren 1950 in Massachusetts, kann ihren amerikanischen Familienstammbaum bis in das frühe 17. Jahrhundert zurückverfolgen – liebt aber vor allem die Geschichte Englands und Schottlands; auf einer Reise dorthin lernte sie auch ihren späteren Ehemann kennen. Hannah Howell hat in ihrer schriftstellerischen Karriere über 60 Liebesromane veröffentlicht, darunter den großangelegten Zyklus über die Familie Murray, in dem sie mitreißend vom Schicksal mehrerer Generationen einer weitverzweigten schottischen Highlander-Dynastie erzählt. Hannah Howell wurde für ihr Werk mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Golden Leaf Award und dem Preis des Romantic Times Bookclub Magazine.

Bei dotbooks erschienen die folgenden Romane von Hannah Howell:

HIGHLAND HEROES: Das Schicksal des Highlanders; Die Lust des Highlanders; Das Schwert des Highlanders

HIGHLAND ROSES: Die Spur des Highlanders; Die Sehnsucht des Highlanders

HIGHLAND LOVERS: Der Fürst der Highlander; Der ungezähmte Highlander; Der Held der Highlands

HIGHLAND DREAMS: Das Begehren des Highlanders; Der Stolz des Highlanders; Die Versuchung des Highlanders

»Der Kuss des Schotten«

»Das Herz des Highlanders«

***

eBook-Neuausgabe Januar 2020

Die amerikanische Originalausgabe dieses Romans erst 2005 unter dem Titel »Highland Conqueror« bei Zebra Books, New York.

Copyright © der Originalausgabe 2005 by Hannah Howell, published by Arrangement with Kensington Publishing Corp., New York, NY, USA

Copyright © der deutschsprachigen Erstausgabe 2006 Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg

Copyright © der Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von VJ Dunraven Productions sowie shutterstock/inigocia, Yellowj, enterphoto

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96148-996-1

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Der Fürst der Highlander« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Hannah Howell

Der Fürst der Highlander

Roman

Aus dem Englischen von Andrea Hahn

dotbooks.

Kapitel 1

England – Frühling 1473

»Hör auf, mich anzustarren!«

Liam Cameron hob als Antwort auf die grollende Aufforderung seines Cousins eine Augenbraue. »Ich habe nur auf deinen Vorschlag gewartet, wie du uns aus diesem Mist herausholen willst.«

Sigimor stöhnte auf und lehnte seinen Kopf gegen die feuchte Steinwand, an die er gekettet war. Er nahm an, Liam wusste, dass er keinen Vorschlag hatte. Er, sein jüngerer Bruder Tait, sein Schwager Nanty MacEnroy sowie seine Cousins Liam, Marcua und David lagen in einem Verlies in Ketten, das sich tief unten im Burgfried eines englischen Lords befand. Sie brauchten mehr als nur einen Plan, um aus diesen Fesseln zu entkommen. Dazu bedurfte es schon eines Wunders. Doch Sigimor glaubte nicht, dass er in der letzten Zeit viel dazu beigetragen hatte, ein solches zu verdienen.

Er beschloss, dies sei das letzte Mal, dass er versuchen würde, eine gute Tat zu vollbringen, und schnitt eine Grimasse. Nicht Wohltätigkeit hatte ihn nach Drumwich geführt, sondern eine Schuld. Er schuldete Lord Peter Gerard sein Leben, und als dieser Mann seine Hilfe erbat, hatte er keine andere Wahl, als sie ihm zu leisten. Unglücklicherweise war die Bitte zu spät gekommen, denn die Schwierigkeiten, von denen Peter geschrieben hatte, hatten ihn zwei Tage, bevor Sigimor seine Leute durch die mächtigen Tore von Drumwich führte, das Leben gekostet. Es war schnell klar geworden, dass Peters Cousin Harold keine Notwendigkeit sah, irgendeinen Eid zu respektieren, den sein eigener, nun toter Verwandter geleistet hatte. Sigimor fragte sich, ob es eine Ironie des Schicksals war, dass er ausgerechnet im Haus jenes Mannes sterben sollte, der ihm einst das Leben gerettet hatte.

»Du hast keinerlei Plan, nicht wahr?«

»Nein, Liam, ich habe keinen«, antwortete Sigimor. »Wenn ich geahnt hätte, dass Peter sterben könnte, bevor wir hier ankommen, hätte ich mir einen Plan zurechtgelegt, um mit dieser Komplikation fertig zu werden, aber ich habe diese Möglichkeit nie auch nur einen Augenblick in Betracht gezogen.«

»O Gott«, murmelte Nanty, »wenn ich schon in diesem verfluchten Land sterben muss, dann will ich lieber in der Schlacht fallen, als gehängt werden wie ein diebischer Armstrong oder Graham.«

»Zählt nicht deine Gilly ein paar Armstrongs zu ihren Verwandten?«, fragte Sigimor.

»Ach ja, vergiss sie. Die Armstrongs von Aigballa. Cormac, der Laird, heiratete Gillys Cousine Elspeth.«

»Sind sie Schurken?«

»Nein. Na ja, nicht alle von ihnen. Warum?«

»Wenn uns ein Wunder widerfährt und wir aus dieser Falle entkommen, brauchen wir möglicherweise einige Verbündete für die Heimreise.«

»Sigimor, wir befinden uns im verdammten England, im Verlies einer gut befestigten Burg eines verdammten englischen Lairds, angekettet an eine dreifach verdammte Mauer und dazu verurteilt, in zwei Tagen zu hängen. Ich glaube nicht, dass wir uns groß darüber Sorgen machen müssen, was wir für die Heimreise brauchen oder nicht brauchen. Es wird nämlich keine Heimreise geben. Zumindest so lange nicht, bis dieser Bastard Harold beschließt, unsere Leichen unseren Verwandten zur Beerdigung zurückzuschicken.«

»Ich merke schon, wir sollten uns besser nicht an dich wenden, um bessere Laune zu bekommen.« Er ignorierte Nantys zaghaften Fluch. »Ich würde gerne wissen, warum keine Wache aufgestellt wurde, die auf uns aufpassen soll.«

»Möglicherweise weil wir an die Wand angekettet sind?«, stellte Liam gedehnt fest.

»Ich könnte vielleicht mit meiner geballten männlichen Stärke die Ketten aus der Wand reißen«, murmelte Sigimor.

»Ha, ha! Diese Mauern müssen mindestens zehn Fuß dick sein.«

»Acht Fuß und sechs Zoll, um genau zu sein«, erwiderte eine lebendige weibliche Stimme.

Sigimor starrte die klein gewachsene Frau an, die vor den dicken eisernen Gitterstäben ihres Gefängnisses stand. Er fragte sich, warum er von ihrer Ankunft rein gar nichts mitbekommen hatte. Das Wort »Mein« schoss ihm durch den Kopf und erschreckte ihn so sehr, dass er sie fast anstarrte. Die Frau, die da stand, glich in nichts jenen Frauen, die er in seinen ganzen zweiunddreißig Jahren begehrt hatte. Außerdem war sie Engländerin.

Als ob dies nicht schon genug war, kam noch hinzu, dass sie zart gebaut war. Sie war mindestens einen Fuß kleiner als er mit seinen mehr als sechs Fuß und schlank. Er wollte seine Geliebten groß und füllig haben, sah das geradezu als eine Notwendigkeit an für einen Mann von seiner Statur. Ihr Haar war dunkel, fast schwarz. Er aber bevorzugte helles Haar bei seinen Frauen. Sein Körper jedoch schien plötzlich seine gewohnten Vorlieben vergessen zu haben. Er straffte sich vor Anspannung. Die Tatsache, dass er an eine Wand angekettet war, hatte ihn offensichtlich um seinen Verstand gebracht.

»Und die Metallspitzen, die die Ketten an der Wand befestigen, wurden einen Meter und gut neun Zentimeter in die Tiefe getrieben«, fügte sie hinzu.

»Tja, es sieht nicht so aus, als ob Sie hierher gekommen sind, um uns aufzumuntern«, bemerkte Sigimor schleppend. »Ich weiß nicht, ob es überhaupt etwas gibt, das man sagen könnte, um sechs Männer in gute Stimmung zu versetzen, die an eine Mauer angekettet sind, um auf ihre Hinrichtung zu warten. Sicher nicht, wenn es sich um sechs Highlander handelt, die an die Wände eines englischen Verlieses angekettet sind.«

»Da ist etwas Wahres dran. Wer sind Sie?«

»Ich bin Lady Jolene Gerard.«

Wenn sie glaubte, dass sie imposanter wirken würde, wenn sie ihren Rücken straffte, während sie sich vorstellte, dann hatte sie sich bedauerlicherweise getäuscht, ging es Sigimor durch den Kopf. »Peters Schwester oder seine Gemahlin?«

»Seine Schwester. Peter wurde von Harold ermordet. Sie kamen zu spät, um ihm zu helfen.«

Obwohl nicht die geringste Spur eines Vorwurfs in ihren Worten zu finden war, spürte Sigimor den Stachel der Schuld. »Ich verließ Dubheidland gleich am Morgen, nachdem ich Peters Nachricht erhalten hatte.«

»Ich weiß. Ich fürchte, Harold erriet, dass Peter nach Hilfe geschickt hatte. Harold ließ alle Wege zu unseren Verwandten scharf bewachen, weshalb Peter nach Ihnen sandte. Ich bin mir noch immer nicht sicher, wie Harold entdeckte, was Peter getan hatte.«

»Können Sie beweisen, dass Harold Peter ermordet hat?«

Jolene seufzte und schüttelte den Kopf. »Ich fürchte nein. Ich zweifle trotzdem nicht daran. Harold wollte Drumwich haben, und nun gehört es ihm. Peter war gesund und munter, und nun ist er tot. Er starb schreiend vor Bauchschmerzen. Harold behauptet, der Fisch sei verdorben gewesen. Zwei andere Männer starben ebenfalls.«

»Nun ja, das ist möglich.«

»In der Tat, solche Tragödien sind nicht so selten. Doch bevor der verdorbene Fisch vergraben wurde, fraßen zwei von Harolds Hunden davon. Sie gingen nicht ein, wurden nicht einmal ein bisschen krank. Natürlich weiß Harold nicht, dass ich das gesehen habe. Die Hunde schnappten Fischbrocken von Peters Teller, als sein plötzliches Unwohlsein Harolds Aufmerksamkeit auf sich zog. Ich beobachtete es, weil ich die Hunde wegdrängen musste, um zu Peter zu kommen.«

»Wer starb außer Peter?«

»Die beiden Männer, die am verlässlichsten zu Peter standen. Der Koch hatte den Fisch als ein besonderes Festessen für die drei Männer zubereitet, da es ihre Lieblingsspeise war. Es wurde behauptet, dass nicht genug Fisch gefangen worden sei, um dieses Mahl für alle zuzubereiten. Es wurde ihnen zudem der Letzte des besten Weines serviert. Ich glaube, dass darin das Gift war, oder der größte Teil des Gifts, aber ich konnte keine Spur davon entdecken. Weder in der Kanne, aus der er ausgeschenkt wurde, noch in den Krügen, in die er gefüllt wurde. Ich konnte sie nicht schnell genug an mich bringen, bevor sie sauber gescheuert wurden.«

»Haben Sie den Koch befragt?«, wollte Liam wissen.

»Er war verschwunden«, antwortete sie.

Sigimor fluchte und schüttelte den Kopf, während er seine Männer hastig vorstellte. »Dann ist zu befürchten, dass Harold ungestraft davonkommt. Sie haben keinen Beweis für seine Schuld, und ich bin nicht in der Situation, Ihnen dabei helfen zu können, einen zu finden. Es wird wohl klug sein, wenn Sie sich einen anderen Aufenthaltsort suchen, jetzt, wo Harold hier der Herr ist.«

»Aber er ist nicht der Lord of Drumwich. Noch nicht. Es gibt da noch ein kleines Hindernis.«

»Welches kleine Hindernis?«

»Peters Sohn.«

»Ehelich?«

»Selbstverständlich. Reynard ist jetzt fast drei Jahre alt. Seine Mutter starb bei der Geburt.«

»Wenn Sie sicher sind, dass Harold Ihren Bruder getötet hat, dann bringen Sie am besten diesen kleinen Kerl aus seiner Reichweite«, sagte Liam.

Sigimor stellte fest, dass Jolene nur für einen kurzen Augenblick zu Liam hinsah, bevor sie ihren Blick wieder auf ihn richtete. Liam mochte nicht in Höchstform sein, verschmutzt und ein klein wenig angeschlagen, aber Sigimor war überrascht, dass die kleine englische Dame Liams hoch gelobte Schönheit zwar zu bemerken und anzuerkennen, dann aber abzulehnen schien. Das geschah selten, und Sigimor war fasziniert.

»Ich habe Reynard versteckt«, sagte sie.

»Und Harold hat nicht versucht, die Wahrheit aus Ihnen herauszubekommen?«, fragte Sigimor.

»Nein. Ich bin mir sicher, dass er das gerne versuchen würde, aber ich habe mich ebenfalls versteckt. Harold kennt nicht alle Geheimnisse von Drumwich.«

»Kluges Mädchen. Aber das kann nur kurze Zeit funktionieren. Liam hat Recht, Sie müssen sich und das Kind von hier fortbringen.«

Jolene starrte den großen Mann an, von dem Peter sich Rettung erhofft hatte. Dass der Highlander eine alte Schuld hoch genug achtete, um nach England zu ziehen, war ein überzeugender Hinweis darauf, dass er ein Mann von Ehre war, einer, dem man glauben konnte, dass er zu seinem Wort stand. Es war gewiss viel versprechend, dass bisher nicht einer der Männer trotz der fürchterlichen Situation, in der sie sich befanden, irgendetwas von ihr erbeten hatte. Stattdessen beeilten sie sich, ihr zu sagen, dass sie sich und Peters Sohn und Erben aus Harolds tödlicher Reichweite entfernen solle. Es waren zudem große, starke Männer, die sich bestimmt, wenn sie befreit wurden, geradewegs auf den Weg zurück in die Highlands machen würden. Harold würde es nicht einfach haben, ihnen dahin zu folgen.

Es beunruhigte sie etwas, dass sie scheinbar nicht aufhören konnte, den großen Mann anzusehen, der Sigimor hieß. Die meisten Frauen würden sich atemlos von jenem Mann namens Liam angezogen fühlen. Trotz des Schmutzes und der blauen Flecken konnte sie leicht Liams Schönheit erkennen, eine männliche Schönheit, die im Moment durch das flackernde Licht der Fackeln an den Wänden noch verstärkt wurde. Gewiss, sie hatte hingesehen, den Zauber des Mannes wahrgenommen und sofort ihren Blick wieder Sigimor zugewandt. Mit dreiundzwanzig, dachte sie, sollte sie aus dem Alter längst heraus sein, sich irgendeiner blödsinnigen Vernarrtheit in einen Mann hinzugeben. Aber sie befürchtete, dass es genau das war, woran sie im Augenblick krankte. Die Tatsache, dass sie den Mann nicht ganz so deutlich sehen konnte, ließ den Zauber, den er auf sie ausübte, noch befremdlicher erscheinen.

Sie rief sich innerlich zur Ordnung. Es gab nur eine Sache, an die sie zu denken hatte, und das war, Reynard in Sicherheit zu bringen. Drei Tage und drei Nächte lang hatte sie Harolds Gebrüll gehört, während er Drumwich absuchte und die Leute befragte. Letzte Nacht waren seine Verhöre brutal geworden, sie füllten die Säle mit den gellenden Schreien jener, die er foltern ließ. Bald würde einer der wenigen, die die Geheimnisse von Drumwich kannten, nicht mehr standhalten und Harold gestehen, wo er sie und Reynard finden konnte. Der Schmerz würde selbst den Treuesten die Zunge lösen. Es war absolut notwendig, dass sie den Jungen weit wegbrachte, und da sie keine Möglichkeit hatte, jemanden ihrer übrigen Familie zu erreichen, waren diese Männer ihre einzige Hoffnung.

»Ja, ich muss den Jungen und mich von hier wegbringen, weit weg, an einen Ort, wo es für Harold zu gefährlich und schwierig wird, uns hinterherzujagen – wenn nicht sogar unmöglich«, sagte sie. An der Art, wie Sigimor sie anstarrte, konnte sie erkennen, dass er zu verstehen begann, warum sie hier war.

Sigimors ganzer Körper spannte sich an, Hoffnung keimte in ihm auf. Sie behauptete, sie halte sich versteckt, doch jetzt stand sie deutlich in Sichtweite, ohne Angst davor, entdeckt zu werden. Es war da auch etwas in der Art, wie sie davon sprach, den Jungen zu einem weit entfernt gelegenen Ort zu bringen, einem Ort, den Harold nur mit großen Schwierigkeiten erreichen könnte. Rechnete man noch den fest auf ihn gerichteten Blick hinzu, war sich Sigimor fast sicher, dass sie seine Hilfe in Anspruch nehmen wollte. Er bemerkte, dass seine Begleiter genauso angespannt waren wie er, ihre Blicke waren fest auf Lady Jolene gerichtet. Er war nicht der Einzige, dessen Hoffnungen plötzlich geweckt worden waren.

»Es gibt in England wahrscheinlich nicht viele Orte, an die Sie reisen können, ohne dass Harold Ihnen folgen könnte«, sagte Sigimor.

»Es gibt in der Tat nur sehr wenige. Keine, um ehrlich zu sein. Der Versuch, meine Verwandten zu erreichen, hat bereits einen Mann das Leben gekostet. Dieser Weg ist für mich versperrt – wie er es auch für Peter war. Deshalb muss ich unbedingt einen anderen finden.«

»Mädchen, es ist nicht nett, einen Mann aufzuziehen, der an eine Mauer gekettet ist und darauf wartet, gehängt zu werden.« Er zog die Luft ein, als sie lächelte, denn dies verlieh ihrem blassen, dreieckigen Gesicht eine Schönheit, die gefährlich anziehend war.

»Vielleicht wollte ich Sie dazu bringen, ein Angebot zu machen, bevor ich gezwungen sein würde, eine Forderung zu stellen. Wenn Sie mir das anbieten, was ich suche, kann ich schnell darüber nachdenken und es annehmen, wobei ich mir alle möglichen Rechtfertigungen für ein solches Handeln zurechtlegen kann. Wenn ich bitten muss, erkläre ich offen meine Niederlage und muss glattweg zugeben, dass ich das nicht allein vollbringen kann. Dies zu schlucken, wäre ziemlich bitter.«

»Schlucken Sie es.«

»Sigimor!« Liam blickte finster auf seinen Cousin und lächelte dann Lady Jolene freundlich an. »Mylady! Wenn Sie uns aus diesem dunklen Ort befreien, schwöre ich Ihnen den heiligen Eid, dass wir Ihnen auf jede uns mögliche Weise helfen werden, das Kind am Leben und in Freiheit zu erhalten.«

»Dies ist ein äußerst großzügiges Angebot, mein Herr«, antwortete Jolene, sah dann allerdings zurück zu Sigimor, »aber erlaubt Ihnen Ihr Herr, einen solchen Eid zu schwören? Hat er womöglich vor, Ihr Gelöbnis zu achten und sich daran zu halten?«

Sigimor knurrte irgendetwas und ignorierte eine ganze Minute lang die Blicke seiner Männer. Dann nickte er. »Ja, er hat es vor. Wir werden den Jungen mitnehmen.«

»Und mich.«

»Warum sollten wir Sie auch mitnehmen? Wenn er Herr dieser Burg ist, stellen Sie keine Gefahr für Harolds Besitz dar.« Sigimor hatte selbstverständlich erwartet, dass sie darauf bestand mitzukommen, aber er wollte ihre Gründe dafür kennen.

»Doch, ich bin eine Gefahr für Harold«, sagte sie mit sanfter, kalter Stimme, »und das weiß er ganz genau. Wenn es nicht wegen Reynard wäre, würde ich hier bleiben und ihn teuer für Peters Tod bezahlen lassen. Doch ich habe Peter geschworen, dass ich Reynard mit meinem eigenen Leben bewachen werde. Seit ich diesen Jungen betreue, seit dem Tod seiner Mutter im Kindbett, gab es keine Notwendigkeit für diesen Eid, aber ich habe ihn trotzdem abgelegt.«

Und deshalb mussten sie sie mitnehmen, grübelte Sigimor. Sie hat das Kind zwar nicht zur Welt gebracht, aber sie war mit Herz und Verstand Reynards Mutter, und so empfand es höchstwahrscheinlich auch das Kind. Das gab ihm außerdem die beste Möglichkeit, sie unter Kontrolle zu halten, auch wenn ihm seine Instinkte sagten, dass das nicht einfach sein würde. All das zählte jedoch nicht. Er war nicht fähig gewesen, Peter zu retten, aber nun bekam er die Gelegenheit, Peters Schwester und seinen Sohn zu retten. Und was noch besser war: Damit konnte er die Männer retten, die er mit in diesen tödlichen Sumpf gezogen hatte.

»Dann befreien Sie uns, Mädchen«, sagte Sigimor, »und wir werden uns an der Last dieses Eides beteiligen.«

Ihre Hände zitterten leicht ob der großen Erleichterung, die sie durchströmte, während Jolene herauszufinden versuchte, welcher der vielen Schlüssel in das Schlüsselloch des Verlieses passte. Sie dachte darüber nach, dass Hoffnung eine eigenwillige Sache war. Für einen kurzen Moment hatte sie sich tatsächlich einer Ohnmacht nah gefühlt, und sie dankte im Stillen Gott dafür, dass sie vor diesen Männern nicht solch eine beschämende Schwäche zeigen musste.

»Sie wissen nicht, welchen Schlüssel Sie nehmen müssen?« Sigimor verspürte zu gleichen Teilen Verärgerung und Belustigung, als er ihren Kampf mit den Schlüsseln beobachtete.

»Woher sollte ich?«, murmelte sie. »Ich habe nie jemanden in diesen Zellen eingeschlossen.«

»Haben Sie nicht denjenigen gefragt, von dem Sie sie bekommen haben, welchen Schlüssel man nehmen sollte?«

»Nein, er hat geschlafen.«

»Ich verstehe. Also beten wir, dass keine andere Wache beschließt herunterzuwandern, während Sie herumsuchen.«

»Es gibt keine Wachen, die hier herunterwandern könnten. Sie schlafen.«

»Alle.«

»Ich hoffe es.«

»Die Männer, die unter Waffen stehen, auch?« Sie nickte. »Schläft denn jeder auf Drumwich?«

»Fast. Ich habe ein paar wach bleiben lassen, und zwar diejenigen, die darauf versessen sein könnten, von Drumwich zu fliehen, wenn sie die Chance dazu erhielten.« Jolene schrie triumphierend auf, als sie die Tür entriegelte. Sie öffnete sie und grinste Sigimor an.

Sigimor hob einfach nur eine Augenbraue und schüttelte leicht die Ketten, die ihn noch immer an die Wand fesselten. Der gereizte Blick, den sie ihm zuwarf, während sie auf seine Seite eilte, das gewaltige Rasseln der Schlüssel, die sie laut klirren ließ, all das brachte ihn fast zum Lachen. Er seufzte lang und tief, als sie beim Schloss seiner Ketten erneut anfing, jeden Schlüssel auszuprobieren. Und er hörte sie etwas murmeln, von dem er annahm, dass es ein Fluch war.

Seine Belustigung verschwand schnell, als sie sehr nah bei ihm stand. Trotz ihrer zarten Gestalt wurde sein Körper von ihrem weichen, frischen Duft erregt. Er heftete seinen Blick auf ihre kleinen Hände, ihre schmalen Handgelenke sowie ihre langen schlanken Finger und versuchte seinem Verstand einzuprägen, dass sie zerbrechlich war. Sein Körper aber fuhr fort, dieser Wahrheit keine Beachtung zu schenken. Er ignorierte auch die Tatsache, dass ihr Haar, welches über ihren schmalen Rücken und über ihre schlanken Hüften in einem dicken Zopf hinunterhing, schwarz oder fast schwarz war – eine Farbe, die nie in seiner Gunst gestanden hatte. Und in gleicher Weise verdrängte er die Tatsache, dass ihr Kopf kaum bis zu seinem Brustbein reichte. Alles an ihr war falsch für einen Mann seiner Größe und seiner Vorlieben, aber sein Körper widersprach seinem Verstand aufs Deutlichste. Es war ihm ein Rätsel, und er wusste nicht, ob er es jemals lösen konnte.

»Sind Sie ganz sicher, dass Harolds Männer schlafen?«, fragte er sie in dem Versuch, seinen Verstand auf nahe liegende Probleme zu lenken und den sanften Schwung ihres langen, zierlichen Halses zu übersehen.

»Ja. Ich habe ein paar angestoßen, um sicher zu sein.« Sie fand es sehr viel schwieriger, als es eigentlich sein sollte, sich darauf zu konzentrieren, den richtigen Schlüssel zu finden und den groß gewachsenen Mann, bei dem sie so dicht stand, nicht zu beachten.

»Wie haben Sie das bloß gemacht?«

»Ich habe Gift in das Bier und den Wein gemischt, die zum Abendessen gereicht wurden. Ich befahl außerdem zwei Mägden, den übrigen Männern in eben dem Augenblick von mir vorbereitetes Wasser zu geben, in dem die anderen, die sich zum Essen in der großen Halle niedergelassen hatten, zu trinken begannen. Fast alle von ihnen begannen zur gleichen Zeit einzuschlafen.

»Fast alle? Was geschah mit denen, die nicht eingeschlafen sind?«

»Ihnen wurde schnell ein leichter Schlag auf den Kopf verabreicht. Da!« Sie lachte ihn an, als sie ihn von seinen Ketten befreite, nur um die Stirn zu runzeln, als er den Schlüssel aus ihrer Hand riss. »Ich bin fähig, einen Schlüssel zu benützen.«

»Wenn Sie ihn finden«, gab er gedehnt zurück, während er die anderen befreite. »Wie lange, glauben Sie, wird Ihr Gift auf Harold und seine Männer wirken?«

»Bis zur Dämmerung oder etwas länger«, antwortete sie, wobei sie darüber nachdachte, dass sechs große Männer in Ketten sehr viel weniger einschüchternd wirkten als sechs große Männer ohne Ketten, die dastanden und sie anstarrten.

»Wie viel Zeit haben wir noch bis zur Dämmerung?«

»Höchstens zwei Stunden.«

Sigimor stemmte seine Hände in die Hüften und blickte grimmig auf sie hinunter. »Warum haben Sie so lange gewartet, um zu kommen und uns zu befreien?«

»Ich hatte ein paar Türen aufzusperren, mich um ein paar von Harold zugefügte Wunden zu kümmern und jenen zur Flucht von Drumwich zu verhelfen, die mir freundlicherweise geholfen hatten. Dann hatte ich einige Vorräte zusammenzupacken, die wir mitnehmen können, und die Sachen zusammenzusammeln, die Harolds Männer Ihnen weggenommen haben. Und bedenkt man, dass ich,eine kleine Frau, jeden kämpfenden Mann auf Drumwich mit der Hilfe von nur zwei Mägden in den Schlaf versenkt habe, dann glaube ich, dass Ihre unausgesprochene Kritik unangebracht ist.«

»Sie war nicht unausgesprochen.«

»Sigimor«, fuhr ihn Liam an, bevor er Jolene anlächelte. »Sie haben es gut gemacht, Mädchen.«

»Vielen Dank, gütiger Herr.« Jolene erwiderte sein Lächeln.

Sanft, aber bestimmt, schob Sigimor Liam von Jolene weg. Er mochte nicht verstehen, was ihn zu dieser winzigen, dünnen Engländerin hinzog, aber bis er sich von dieser Schwäche erholt hatte, wollte er nicht, dass irgendein anderer Narr ihr zulächelte und umgekehrt. Schon gar nicht Liam, dem die Hälfte aller Frauen von Schottland ohnmächtig zu Füßen lag.

»Wie haben Sie geplant, uns alle hier rauszubringen?«, wollte er von ihr wissen.

»Wenn Sie möchten, können wir einfach durch das Haupttor hinausmarschieren«, antwortete Jolene. »Ich dachte, wir verschwinden so ruhig und geheim wie möglich. Wenn es keine offensichtlichen Anzeichen für unsere Verabschiedung gibt, wird es wohl eine Weile dauern, bis Ihre Flucht entdeckt wird.«

»Irgendwie glaube ich, dass Harold es sofort verdächtig vorkommen wird, wenn er eine ganze Burg voll noch schlafender oder gerade erwachender Männer vorfindet.«

»Ach, natürlich. Sie haben Recht. Und ich nehme an, die fehlenden Pferde und das, was ich in den Ställen gemacht habe, wird sie ebenfalls alarmieren.«

Es klang, als ob sie sich darüber amüsierte, dachte Sigimor und grinste innerlich. »Dann führen Sie uns. Ich möchte so viel Entfernung wie möglich zwischen uns und Harold bringen, bis er aufwacht.«

Als sie aus dem Verlies hinausging und die Männer hinter ihr in ihren Schritt fielen, sagte Jolene: »Je schneller wir Schottland erreichen, desto schneller werden wir Harold los.«

Sigimor bezweifelte, dass es so leicht sein würde, sagte aber nichts, während er ihr einen dunklen, engen Gang entlang folgte, der von den Zellen wegführte. Harold hatte bereits gemordet, um Drumwich zu rauben. Lady Jolene fürchtete eindeutig um ihr Leben und das ihres Neffen. Wenn man nach den nächtlichen Schreien ging, dann wandte Harold brutale Methoden an, um sie und den Knaben ausfindig zu machen. So jemand würde nicht aufhören, sie zu verfolgen, nur weil sie die Grenze zu einem Land überschritten hatte, das ein Engländer nicht sonderlich liebte. Sigimor war davon überzeugt. Harold würde ab sofort für eine ganze Zeit eine Unannehmlichkeit für sie sein. Während er den sanften Schwung ihrer schlanken Hüften beobachtete, fluchte Sigimor innerlich. Harold würde nicht die einzige Unannehmlichkeit sein, die vor ihm lag.

Kapitel 2

Die plötzliche Lichtflut ließ Sigimor schnell blinzeln, er bemühte sich, seine Augen an das Brennen zu gewöhnen und zu sehen, wohin die kleine Engländerin sie geführt hatte. Bis sie außerhalb der Mauern von Drumwich waren und Richtung Schottland ritten, würde er vernünftigerweise in ihrer Umgebung Vorsicht walten lassen. Er war sich nicht sicher, was schlimmer sein konnte, als in einem finsteren Verlies angekettet zu sein und auf den Tod zu warten. Er schuldete den fünf Männern, die mit ihm geritten waren, zumindest all seine Stärke, seine Intelligenz und seine Geschicklichkeit, um sie frei und sicher von Drumwich wegzubringen.

Ein leises Geräusch zog seinen Blick auf ein Bett aus Decken und Fellen, das auf dem Boden eines niedrigen Raumes lag. Er kam näher, um auf den kleinen Jungen hinunterzustarren, der dort lag und ihn ebenfalls anstarrte. Volle, rabenschwarze Locken kennzeichneten ihn als Verwandten von Jolene, aber diese großen Augen waren von einem klaren, strahlenden Blau. Als der kleine Junge ihn anlächelte, lächelte Sigimor zurück.

»Wie erstaunlich«, bemerkte Jolene, während sie ihren Neffen hochhob. »Er ängstigt sich kein bisschen vor Ihnen.«

»Warum sollte er vor mir Angst haben?«, fragte Sigimor und sah sie stirnrunzelnd an.

»Ach, warum wohl? Vielleicht, weil Sie ein Fremder sind, der wie ein Berg gebaut ist und wie ein Abtritt stinkt!«

»Ich stinke nicht wie ein Abtritt.«

Er ließ sich seine Waffen von einem grinsenden Liam reichen.

»Wo sind die Vorräte?«

Jolene zeigte auf die sieben Säcke, die sie sorgfältig gepackt hatte. »Dort. Für jeden einer. Bevor er geflohen ist, sattelte Old Thomas die Pferde, und die Satteltaschen sind mit all den Dingen bepackt, die Sie mitgebracht haben, und mit all dem, was sonst noch hineinpasste. Weinschläuche, Wasserschläuche und Bettzeug sind bereits an den Sätteln befestigt.« Sie schenkte Liam ein kurzes, dankbares Lächeln, als er ihr zu Hilfe kam und Reynard mit einer Decke sicherte, die um ihren Körper geschlungen war, wodurch der Junge eng an ihrer Brust lag.

In dem Augenblick, als sie alle ihre Umhänge übergeworfen hatten, gab ihr Sigimor einen kleinen Schubs. »Führen Sie uns weiter, Mädchen.«

Sie nickte und ergriff, da Sigimor ihren Sack zusammen mit seinem eigenen hochnahm, eine Fackel, um sie aus ihrem kleinen Versteck wegzubringen. Einer der Männer hinter ihr hatte offensichtlich auch eine Fackel genommen, und sie war froh über das zusätzliche Licht.

Trotz der Sicherheit, die sie in den Gängen unter der Burg gefunden hatte, hasste sie sie und ihre erstickende Finsternis. Nur in dem kleinen Raum hatte sie gewagt, ausreichend Fackeln und Kerzen anzuzünden, um die Dunkelheit zu verdrängen. Das Einzige, das sie in den kalten Eingeweiden der Feste versteckt bleiben ließ, war ihre Angst vor Harold.

Die Tatsache, dass sechs große Männer hinter ihr hermarschierten, trug viel dazu bei, ihre Angst vor Harold und vor den finsteren Orten, an denen sie Schutz gesucht hatte, zu unterdrücken.

Als sie eine dicke Eichentür erreichten, die tief in die Steinmauer eingelassen war, warf sie einen Blick zurück auf Sigimor. »Diese Tür führt zu einem Tunnel, der uns zu den Ställen bringen wird.« Sie runzelte leicht die Stirn. »Er wird ziemlich eng für Männer Ihrer Statur werden.«

»Nicht so eng wie ein Strang«, erwiderte Sigimor gedehnt und bewegte sich, um die Tür zu öffnen.

Jolene verzog das Gesicht bei der modrigen Luft, die aus dem Gang entwich, als Sigimor die schwere Tür aufschob. Nur einmal, kurz nach Harolds Ankunft auf Drumwich, hatte sie den Gang inspiziert, um sich davon zu überzeugen, dass er im Notfall benutzbar war. Er war dunkel, feucht, eng und stellenweise sehr niedrig. Sie hatte gezittert und war derart entsetzt, dass sie nicht durch den Tunnel zurückkehrte, sondern es riskierte, durch die Ställe zum Burgfried zurückzukehren. Sie war sich nicht sicher, ob die Anwesenheit von sechs starken Männern die Reise leichter werden ließ. Um sich selbst zur Ordnung zu rufen, straffte sie ihren Rücken und begann die Männer in den Durchgang hineinzuführen. Sie zitterte jedoch, als sie hinter dem letzten Mann, der hineinging, die Tür ins Schloss fallen hörte.

Der unebene Boden machte es unmöglich, sich schnell zu bewegen, und Jolene bekämpfte ständig den Drang zu laufen, diesem Ort zu entkommen, der sie bis auf die Knochen frieren ließ. Als sie die Tür erreichten, die zu den Ställen führte, bebte sie. Sie fühlte, wie Sigimor sich auf die Tür zubewegte, aber sie konnte nicht auf seine höfliche Hilfeleistung warten. Jolene stieß die Tür auf und torkelte in den hinteren Teil des Stalls, wobei sie fast in die Heuballen und die Werkzeugsammlung fiel, die die Tür vor Blicken schützen sollten. Es dauerte einen Augenblick, bis sie sich weit genug beruhigte, um zu erkennen, dass sie nicht die Einzige war, die dastand und langsam tief Luft holte. Als sie sah, dass Sigimor bereits auf die Pferde zuschritt, ohne ein Anzeichen, dass er eben erst aus einem Ort aufgetaucht war, der stark an eine Gruft erinnerte, verspürte sie den gewaltigen Drang, ihm einen Tritt zu versetzen.

»Verdammt noch mal, Sigimor«, brummte Nanty, der sich ebenfalls zu den Pferden begab, »beunruhigt dich denn nie etwas?«

»Doch, der Gedanke zu hängen«, antwortete Sigimor.

Sigimor warf einen Blick auf die beiden Männer, die an einem Heustoß zusammengesackt waren und heftig atmeten. Obwohl er Jolenes Leistung bei ihrer Flucht bewundern musste, fand er es etwas beunruhigend, dass eine kleine, zierliche Frau fähig gewesen war, alle kämpfenden Männer der Burgfeste auszuschalten. Zudem hegte er den Verdacht, dass es mehr war als nur Harolds Befehl, der diese Männer dazu bringen würde, ihnen nachzusetzen. Viele der Männer würden Rache für diese Demütigung suchen.

Als er sah, dass Liam auf dem Sprung war, Jolene beim Aufsitzen zu helfen, schnitt Sigimor ihm den Weg ab. Er packte sie um ihre schmale Taille und setzte sie auf ihr Pferd. Nachdem er ihre schlanken, bestrumpften Beine bewundert hatte, half er ihr, ihre Röcke hinunterzuziehen, um sie zu bedecken. Aus Gründen, die er jetzt nicht näher hinterfragen mochte, wollte er nicht, dass fünf andere Männer ihre Beine sahen.

Ihr verwirrter Blick und Liams Grinsen irritierten ihn. Er wusste nicht, was er getan hatte, das sie verwirrte, und Liam, beschloss er, sah zu viel zu klar. Sigimor knurrte mürrisch, dass sie Zeit verlieren würden, saß auf und führte sie aus dem großen Stall hinaus. Er griff sofort nach seinem Schwert, als er zwei Männer sah, die in der Nähe der offenen Tore standen.

»Nein!«, schrie Jolene auf und ritt an seine Seite. »Das sind nur Old Thomas und sein Sohn.« Sie ritt Sigimor etwas voraus und schüttelte ihren Kopf über den stämmigen, grauhaarigen Thomas. »Dir wurde befohlen, diesen Ort zu fliehen.«

»Wir verlassen diesen Ort, sobald Sie ihn verlassen, Mylady«, sagte der Mann. »Hab mir gedacht, dass diese Tore fest hinter Ihnen geschlossen werden sollten und dass Sie damit keine Zeit verlieren wollten. Bin mir nicht sicher, ob es Ihnen was bringt, wenn alles so aussieht, wie es sollte. Aber wenigstens werden diese Idioten ein bisschen rumgucken müssen, um sicher zu sein, dass alle geflohen sind, wenn diese Tore fest verschlossen sind, oder?«

»Du bist ein guter Mann, Thomas. Hab meinen Dank. Aber sorg bestimmt dafür, dass du so weit wie irgend möglich und so schnell wie irgend möglich von hier wegkommst.«

»Werden wir, Mylady, sobald ich sicher bin, dass in den Ställen alles so gemacht wurde, wie Sie es befohlen haben. Passen Sie auf sich auf, und machen Sie sich keine Sorgen, der Bastard wird dafür bezahlen.«

»Von deinen Lippen in Gottes Ohren. Lebt wohl, beide.«

Als sie aus den Toren ritten, fragte Sigimor sie: »Was haben Sie in den Ställen veranlasst?«

»Alle Sattelgurte durchzuschneiden und übel riechenden Dung auf die Trensen zu schmieren«, antwortete Nanty und grinste Jolene an.

»Kluges Mädchen«, murmelte Sigimor. »Das kann einen Tag einbringen, vielleicht sogar noch mehr.«

Jolene nickte. »Genau das hofften wir, aber ein tobender Harold kann findig sein.« Sie küsste Reynard auf den Kopf. »Und solange dieser Junge lebt, kann Drumwich nie von Harold beansprucht werden.«

Sigimor nickte langsam, als er darüber nachdachte. »Wut und Habsucht. Beides kann einen Schurken dazu anstacheln, einen großen Vorsprung zu überwinden. Am besten bringen wir zwischen uns und Drumwich so viel Abstand wie möglich, und das so schnell wie möglich.«

Er hatte kaum aufgehört zu reden, als er schon sein Pferd zu einem etwas schnelleren Tempo anhielt. Die anderen folgten sofort seinem Beispiel. Sigimor fluchte auf die Dunkelheit, weil sie ihre Flucht behinderte und sie zwang, ihre Reittiere viel langsamer gehen zu lassen, als er es vorhatte. Ein voller Galopp auf die Grenze zu, das war es, was er sich ersehnte, aber es würde mehrere Stunden dauern, bis er diesem Drang nachgeben konnte. Mit einem Blick auf Jolene und den Jungen erkannte er, dass es noch mehr Augenblicke geben würde, in denen sie rasten oder langsamer reiten mussten, als er es vorhatte. Selbst wenn diese Verzögerungen selten und in großen Abständen erfolgten, konnten sie schnell den Vorsprung einbüßen, mit dem sie gesegnet worden waren. Es konnte ein mühsam gewonnenes Rennen in die Obhut von Dubheidland werden.

***

Mit Hilfe des gut aussehenden Nanty setzte Jolene den widerspenstigen Reynard sicher in seine Schlinge und bestieg ihr Pferd. Es war erst Mittag, aber sie fühlte jetzt schon den Schmerz von langen, ungewohnten Stunden im Sattel. Keiner der Männer beklagte sich, aber sie wusste, dass sie die Pausen nicht mochten, die wegen ihres Neffen notwendig waren. Dies war erst die zweite, und sie hatte sich wirklich beeilt, aber das Bedürfnis der Männer, sich weiterzubewegen, war so stark, dass sie es fast fühlen konnte. Sie nahm an, dass diese Männer bei ihrem Rennen zur Grenze ohne Reynard und sie nur um ihrer Pferde willen halten würden. Es war schwer, ihr Zusammenzucken zu verbergen, als Sigimor sofort zum Galopp überging. Offensichtlich hatte er entschieden, dass die Pferde lange genug ausgeruht hatten, um einige weitere Stunden harter Reise auszuhalten.

Sie betete, dass Harold nicht folgen würde, hatte aber das beklemmende Gefühl, dass ihr Flehen nicht erhört würde. Harold konnte ihr nicht zutrauen, dass sie ihn in Ruhe lassen würde, dass sie nicht versuchen würde, ihn von Drumwich zu vertreiben, sobald sie Schutz und Verbündete gefunden hatte. Er konnte nicht erlauben, dass Peters Sohn am Leben blieb und gegen ihn benutzt werden konnte, dass er erwachsen wurde und kam, um sein Erbe einzufordern. Jolene bezweifelte, dass Harold es sich zweimal überlegen würde, sich nach Schottland zu schleichen, um sie zur Strecke zu bringen. Das Einzige, das ihr zum Vorteil gereichte, war, dass er einigermaßen vorsichtig sein musste, sobald er Schottland betreten hatte, und dass er sich aus Angst vor der Entdeckung seiner Verbrechen keine Verbündeten suchen konnte.

Aber sie hatte Verbündete gefunden, dachte sie, indem sie einen Blick auf die sechs grimmig dreinschauenden Männer warf, die mit ihr ritten. Obwohl Sir Sigimor Cameron Peter sein Leben schuldete und nun ihr dasselbe schuldig war, begann sich Jolene schuldig zu fühlen, weil sie diese Männer in ihre Probleme hineingezogen hatte, denn Harold war verdorben, verschlagen und tödlich. Sie hatte diese Männer in Lebensgefahr gebracht, und sie fragte sich, ob das anständig oder richtig war. Englisches Land und englische Titel bedeuteten ihnen nichts und würden es auch nie tun. Im Gegenteil, sie nahm an, diese Schotten wären glücklich, wenn der gesamte englische Adel ins Meer gespült würde.

Reynard brabbelte etwas von einem Wild, das er sah, und Jolene seufzte, als sie darauf antwortete. Es war unmöglich, dem Kind viel Aufmerksamkeit zu schenken, während sie tief in ihren eigenen sorgenvollen Gedanken versunken war und direkt auf die Grenze zuritt. Sein kurzes Eindringen in ihre Gedanken erinnerte sie daran, warum sie dies alles machte. Sie mochte vor lauter Sehnsucht danach vergehen, Harold für Peters Tod bezahlen zu lassen, Reynards Sicherheit aber hatte Vorrang. Reynard war ein Teil von Peter, eine lebende Erinnerung an ihren Bruder und der Träger sämtlicher Hoffnungen und Pläne Peters bezüglich der Zukunft von Drumwich. Bis Harold besiegt wurde, galt jeder ihrer Schritte, jede ihrer Handlungen und jeder ihrer Gedanken Reynards Leben und seiner Sicherheit.

Diese Erkenntnis beruhigte trotzdem nicht völlig ihr Gewissen hinsichtlich der Camerons. Sie sagte sich unentwegt, dass Peter es annehmbar gefunden hatte, um ihre Hilfe beim Kampf gegen seinen Feind zu bitten, deshalb sollte sie dies auch tun.

Dann grübelte sie wieder darüber nach, dass Männer keine Schwierigkeit damit hatten, andere Männer zu bitten, mit ihnen zu kämpfen und ihr Leben zu riskieren. Ehre und der Ruhm einer Schlacht für die rechte Sache waren wie Essen und Trinken für einen Mann. Sie nahm an, dass sie nicht lange über die Möglichkeit von Niederlage und Tod nachgedacht hatten. Unglücklicherweise tat sie das aber. In dem Augenblick, in dem sie diese Männer gebeten hatte, ihr zu helfen, in dem Augenblick hatte sie die Verantwortung für deren Leben übernommen, und sie war sich nicht sicher, ob sie solch eine Last tragen konnte. Doch was hatte sie für eine andere Wahl?

Zu der Zeit, als die Sonne fast untergegangen war und sie anhielten, um für die Nacht ein Lager aufzuschlagen, quälte sie sich noch immer mit dieser Frage. Die schmerzvolle Müdigkeit ihres Körpers verdrängte sie aber. Jolene musste sich nach dem Absteigen für einige Minuten an ihrem Sattel festklammern, bevor sie sicher sein konnte, dass ihre Beine sie tragen würden.

Da Reynard unmittelbar nach ihrer kurzen nachmittäglichen Pause eingeschlafen war, hatten sie bis jetzt nicht mehr angehalten. Sie hatten die Pferde kaum langsamer gehen lassen, als der Junge aufgewacht war und sich Erleichterung verschaffen musste. Obwohl Reynard sehr viel Spaß daran hatte, war Jolene immer noch etwas entsetzt darüber, wie Sigimor den Knaben so gehalten hatte, dass er das, was er tun musste, tun konnte, ohne abzusteigen. Er hatte danach den kleinen Jungen bei sich behalten, und Jolene musste widerwillig zugeben, dass sie über diese Gefälligkeit sehr froh war.

Mit einem Blick auf das Feuer, das Liam bereits entfacht hatte, fragte sich Jolene, wie gut ihre Chancen stünden, mit einem Anschein von Grazie dorthin zu gelangen. Nicht gut, beschloss sie nach einem erfolglosen Versuch von ihrem Pferd wegzugehen, bei dem sie gespürt hatte, wie ihre Beine zitterten. Als sie sich gegen ihr Pferd lehnte, überlegte sie, wann und ob die Männer endlich bemerken würden, dass sie bisher nicht zu ihnen gestoßen war und immer noch nicht ihr armes, erschöpftes Pferd versorgt hatte.

»Ich glaube, Sigimor, das Mädchen könnte ein kleines Problem haben«, sagte Nanty, als er sich neben Sigimor an das Feuer setzte.

Sigimor sah zu Lady Jolene hin, die sich nicht einen kleinen Schritt von ihrem Pferd entfernt hatte, seit sie abgestiegen war. »Sie ist nicht an lange Ritte gewöhnt. Ich habe den Verdacht, dass sie noch nie weiter als über die Ländereien ihres Bruders getrottet ist.«

»Himmel, selbst ich fühle mich wund geritten. Hab's noch nie gemocht, den ganzen Tag im Sattel zu verbringen.« Als Nanty Anstalten machte aufzustehen, um offensichtlich Jolene zu helfen, weiteten sich seine Augen leicht, denn Sigimor legte ihm derb die Hand auf die Schulter und drückte ihn nieder. »Ihr Pferd muss versorgt werden, wenn nicht mehr.«

»Ich kümmere mich um sie. Pass auf den kleinen Jungen auf.«

Sigimor betrachtete Lady Jolene eingehend, während er zu ihr ging. Sie wirkte erschöpft, blass und unordentlich. Unglücklicherweise sah sie für ihn immer noch viel zu attraktiv aus. Obwohl es bleich war, war ihr Gesicht nach wie vor schön. Strahlende, von vollen Wimpern umrahmte, silbergraue Augen, eine schmale, gerade Nase und ein Mund, dessen volle, herrlich geformte Lippen einen Heiligen in Versuchung führen konnten. Er sollte sich ärgern wegen ihrer Müdigkeit und ihrer Unfähigkeit, bei ihrem Tempo mitzuhalten. Stattdessen wollte er sie verwöhnen, und er empfand ehrliche Hochachtung dafür, wie sie ihr Bestes gegeben hatte, ohne zu klagen. Nicht gut, dachte er und betrachtete sie mit gerunzelter Stirn.

»Sie gehen besser etwas umher, sonst werden Sie zu steif, um sich zu bewegen«, sagte er und grinste sie an, als sie ihn wütend ansah.

»Haben Sie vielen Dank für Ihren freundlichen Rat«, erwiderte Jolene, die unfähig war, all ihren Sarkasmus aus der Stimme zu verbannen. »Sobald sich meine Beine geneigt fühlen, das zu tun, was sie tun sollen, werde ich ihn sicher befolgen.« Der tiefe Seufzer, den er ausstieß, hatte ihrer Meinung nach einen kräftigen Tritt gegen sein Schienbein verdient, aber sie war nicht fähig, sich dieses Vergnügen zu gönnen.

»Was machen Sie da?«, verlangte sie zu wissen, als er seinen starken Arm um ihre Schultern legte und sie von ihrem Pferd wegzerrte.

»Sie herumführen.« Obwohl sich sein Körper sofort anspannte, als sie strauchelte und ihren Arm um seine Taille legte, damit sie sich abstützen konnte, gab Sigimor vor, nichts zu bemerken. »Liam, kümmere dich um ihr Pferd«, trug er seinem Cousin auf, bevor er Jolene zu der Lichtung brachte, wo sie lagerten.

»Ich dachte, ich sei gut an das Reiten gewöhnt«, murmelte sie, als sich ihre Verlegenheit etwas gelegt hatte.

»Es dauert Jahre, um sich daran zu gewöhnen, tagelang zu reiten.«

»Tagelang?«

»Ja, tagelang. Solange nichts anderes nötig ist, reiten wir direkt nach Dubheidland. Die einzigen Verbündeten, die ich auf diesem Weg habe, sind meine Verwandten, die MacFingals. Wenn Harold uns nicht zu sehr auf den Fersen ist, werden wir dort eine kurze Rast einlegen.«

»Wie weit sind diese MacFingals entfernt?«

»Vier weitere Tage harten Ritts, wenn wir und unsere Reittiere es durchhalten können.«

Noch weitere vier Tage im Sattel wie dieser, und Jolene, da war sie sich sicher, musste zur Burg der MacFingals auf einer Trage transportiert werden. Ihre Beine benahmen sich zwar inzwischen wieder, wie sie es sollten, aber nun spürte sie allzu sehr, wie schlimm ihr Hinterteil schmerzte.

Sie hörte Reynards Kichern und sah, dass Nanty mit dem Kind eine Art Tauziehen spielte. Dieser Anblick linderte zwar nicht ihren Schmerz, doch er brachte ihre Klagen zum Schweigen. Der Junge war die Zukunft der Gerards of Drumwich. Eine kleine körperliche Beschwerde war ein geringer Preis, den man dafür zu zahlen hatte.

»Besser?«, fragte Sigimor, als sie schließlich beim Feuer stehen blieben.

»Ein wenig. Gibt es hier genug Wasser für mich, um etwas von dem Staub wegzuwaschen?« Es beunruhigte sie, wie widerwillig sie einen Schritt von dem Mann wegging, um etwas Abstand zwischen sich und seinen großen, starken Körper zu bringen.

»Die Engel meinen es gut mit Ihnen, Mylady. Es gibt hier in der Nähe einen kleinen Bach. Sie können ein Bad nehmen, auch wenn es sicherlich etwas kalt sein wird.«

»Selbst wenn er fest zugefroren wäre, würde ich ein Loch in das Eis schlagen, um mich gründlich zu waschen.«

»Holen Sie, was Sie dafür brauchen, und ich bringe Sie hin.«

»Sie brauchen mir nur den Weg zu zeigen und ich ...«

»Nein. Sie werden nicht allein hingehen.«

»Aber ich kann nicht vor einem Mann baden!«

»Ich werde Ihnen den Rücken zudrehen. Das ist das einzige Zugeständnis, das ich machen werde. Sie und der Knabe werden so lange nicht allein gelassen, ohne Wache, bis Harold keine Bedrohung mehr für Sie ist.« Er verschränkte die Arme über seiner Brust und forderte sie wortlos auf zu widersprechen.

Jolene öffnete den Mund, um heftig zu protestieren, entdeckte dann aber den Ausdruck in seinen herrlichen grünen Augen. Er würde nicht umschwenken. Anders als manche Männer war er bereit, mit ihr zu diskutieren, aber darauf einzugehen, wäre Zeitverschwendung gewesen. Sie hatte ihn um seine Hilfe und seinen Schutz gebeten, und offensichtlich hatte er sehr feste Vorstellungen davon, was dies beinhaltete. Da er sich schon als ein Mann erwiesen hatte, der sein Wort hielt, beschloss sie, seinem Versprechen, dass er ihr nicht zusehen würde, Vertrauen zu schenken. Sie sammelte schnell die Dinge zusammen, die sie brauchte, um den Reiseschmutz abzuwaschen und auch den anhaltenden Geruch aus den Tagen, die sie in den Eingeweiden von Drumwich verbracht hatte. Nachdem sie nach Reynard gesehen hatte, um sich zu versichern, dass er in der Obhut der Männer zufrieden war, folgte sie Sigimor eilig.

Jolene hatte den Eindruck, dass der Mann sehr lange Beine hatte, sie rannte beinahe, um mit dem, was für ihn zweifelsohne ein lockeres Einherschreiten war, Schritt zu halten. Lange, wohlgeformte Beine, dachte sie. Obwohl sie nie zu denen gehört hatte, die die Formen eines Mannes zu eingehend studierten, musste sie zugeben, dass es angenehm war, Sigimors aufrechten Rücken zu beobachten, während er sich bewegte.

Er war englisch angezogen, zwar nicht sehr kostbar, aber Sigimors eng anliegende Kleidung passte so perfekt, wie sie es noch bei keinem anderen Mann gesehen hatte. Entweder war Sigimor etwas eitel, oder er hatte keine Ahnung davon, wie eng seine Kniehose saß oder wie viel seines wohlgeformten Hinterteils von dem kurzen Wams enthüllt wurde. Jolene war etwas entsetzt darüber, wie gerne sie ihn beobachtete. Es verursachte ihr ein befremdliches Gefühl, seltsam und angenehm zugleich.

Ab dem Augenblick, als die Lichtverhältnisse entsprechend waren, hatte sie ihn bei ihrem Wegritt aus Drumwich studiert. Er besaß nicht Liams Schönheit, aber er war dennoch ein gut aussehender Mann. Sein Haar war voll, fiel bis über seine Schultern und war von einem kräftigen, dunklen Rot. Er hatte zahlreiche Gesichtszüge mit seinem Cousin Liam gemeinsam, aber Sigimors lange, gerade Nase war etwas kühner, sein Kinn etwas kräftiger und sein Gesicht etwas herber. Liam war herzzerreißend schön, und zwar auf eine Art, die einem sofort ins Auge stach, wohingegen Sigimor jene Schönheit besaß, die etwas länger brauchte, um diese aufwühlende Wirkung in einer Frau zu entfalten. Seine Augen waren von einem verblüffend klaren Grün, sie lagen unter schwach gebogenen Brauen und waren von braunen Wimpern umrahmt, die voll und lang genug waren, um eine Frau neidisch werden zu lassen. Sigimor war äußerst anziehend, weder zu klein noch zu groß, und seine Lippen waren voll genug, um Gedanken an Küsse wach werden zu lassen. Jolene war sich sicher, dass dies ein Gesicht war, das sie immer gerne betrachten würde, fühlte sich aber bei diesem Gedanken beunruhigt.

Als sie das Wasser erreichten, deutete Sigimor nur darauf und wendete sich dann um. Jolene legte eilig ihre Kleider ab; das kühle Wasser würde so erfrischend sein, wie es aussah, und sie fühlte sich plötzlich ziemlich erhitzt.

Doch diese Hitze verflüchtigte sich sofort, als sie in das eiskalte Wasser stieg und einen Laut des Erschreckens kaum unterdrücken konnte. Ihr Bad würde sehr kurz sein, dachte sie sich, als sie anfing, sich den Staub von der Reise abzuwaschen.

Sie hatte gescherzt, als sie sagte, sie würde ein Loch ins Eis schlagen, um ein Bad zu nehmen, dieses Wasser fühlte sich jedoch so an, als hätte sie genau das gemacht.

Sigimor sagte sich unablässig, dass es eines Gentlemans nicht würdig sei zu versuchen, einen Blick auf die badende Jolene zu erhaschen. Dann aber schob er einen Anflug von Schuldbewusstsein mit einem Achselzucken beiseite.

Er hatte nur gesagt, dass er ihr den Rücken zuwenden würde. Die Versuchung, einen flüchtigen Blick auf den Körper, nach dem er sich sehnte, werfen zu können, war zu groß, um widerstehen zu können.

Immerhin bestand die Möglichkeit, dass ein befriedigender Blick auf ihre schlanken Formen ihn daran erinnerte, warum er vollbusige Frauen bevorzugte, und er sich dadurch von dieser fremdartigen, ungewöhnlichen Begierde befreien konnte.

Gerade als er seinen Kopf weit genug herumgedreht hatte, um sie zu sehen, stand sie im Wasser auf. Sigimor zog so schnell die Luft ein, dass er fast husten musste und sich damit verraten hätte. Der eine Blick hatte ihn nicht geheilt. Stattdessen musste er nun das Bedürfnis bekämpfen, sich seine Kleider vom Leib zu reißen und sich zu ihr zu gesellen. Die Erinnerung daran, dass sie eine Lady von hoher Geburt und wahrscheinlich eine Jungfrau war und dass ein solch plötzlicher Versuch sie zweifellos schreiend in die Berge hätte laufen lassen, zähmte seine Lust nur ein klein wenig. Er fragte sich, warum und wann er der Schönheit einer kleineren Frau gegenüber blind geworden war.

Ihre Haut war wunderbar blass und ohne Narben. Sigimor glaubte nicht, dass er je eine solch schmale Taille gesehen hatte. Und dennoch waren die sanfte Rundung ihrer Hüften und die feste, runde Form ihres Hinterns weiblich genug, um sein Blut zu erhitzen.

Dicke Stränge nassen schwarzen Haares zeichneten die schmale Linie ihres Rückens nach und betonten die vornehme Blässe ihrer zarten Haut. Als sie sich ein wenig umwandte, konnte er die Rundung ihrer Brüste erkennen. Sie waren ein bisschen kleiner als die, an die er gewöhnt war, aber sie waren makellos geformt, fest und an der Spitze mit rosigen Brustwarzen ausgestattet, die im kalten Wasser hart geworden waren. Als sie ihren flachen Bauch wusch, beobachtete er, wie das Wasser hinabrann zu dem zarten kleinen Dreieck aus dunklen Locken, an dem ihre Schenkel zusammentrafen. Er stöhnte beinahe.

Hastig wandte er sich ab. Er musste seine hämmernde Begierde unter Kontrolle bringen. Das modische Gewand, das er für die Reise nach England angelegt hatte, verbarg wenig, und er wollte sie nicht schockieren. Es brauchte einige Zeit, bis er spürte, dass er seine Leidenschaft genug abgekühlt hatte, um sich wieder in der Gesellschaft einer Dame sehen lassen zu können. Er war froh, dass er Kleider zum Wechseln mitgebracht hatte, denn er brauchte einen Sprung in das eiskalte Wasser, um seine Glut gänzlich zu löschen. Da er seine Unfähigkeit bemerkte, den Eindruck ihrer blassen, schlanken Schönheit aus seinem Gedächtnis zu streichen, hätte er einen loseren Sitz seiner Kniehosen und ein längeres, wattiertes Wams begrüßt. Lady Jolene mochte zu unschuldig sein, um all die äußerst deutlichen Zeichen für seine fiebrige Erregung zu bemerken, aber seine Männer waren es nicht. Sigimor hegte nicht den Wunsch, ihnen Grund zur Erheiterung zu sein.

»Das war genau das, was ich brauchte«, sagte Jolene, die das ausgewechselte Hemd benutzte, um ihr Haar zu trocknen. »Ziemlich kalt allerdings, aber das war es wert.«

Die Art, wie sie ihn anlächelte, ließ Sigimors Begehren wieder aufflammen, und er befahl: »Drehen Sie sich um.«

Schon während er zum Wasser schritt, legte er nun auch seine Kleider ab.

Verblüfft über den knurrigen Befehl, staunte Jolene den Mann an. Ihre Augen öffneten sich fast schmerzhaft und sie fühlte Röte ihre Wangen erhitzen, während sie beobachtete, wie er seine Kleider von sich schleuderte. Doch sie konnte sich nicht überwinden, sich von diesem Anblick abzuwenden. Sie biss sich auf die Lippen, um ein Keuchen zu unterdrücken, als er seinen Rumpf entblößte. Seine Schultern waren breit, sein Rücken glatt und gerade und seine Hüften schmal. Seine Haut war nicht so blass, wie sie es bei einem rothaarigen Mann erwartet hatte, sondern von einem schwachen Goldton. Die Muskeln seiner Arme waren deutlich sichtbar, doch glatt und nicht so ungelenk hervorquellend, wie sie es bei einigen anderen Männern gesehen hatte. Zudem waren Streifen mit komplizierten Mustern in die Haut seiner Oberarme geprägt. Dann riss er sich seine Hosen herunter, und ihr wurde fast schwindlig durch die Hitze, die in ihr aufflammte. Die schwache goldene Farbe zog sich über seinen ganzen Körper. Sein Hintern war ebenfalls gut geformt und so fest, wie sie es sich ausgemalt hatte, und seine langen Beine besaßen dieselbe glatte Stärke wie seine Arme.

Plötzlich erkannte sie, wie leicht ihre lustvollen Blicke entdeckt werden konnten. Jolene wandte sich ab und bekämpfte heftig den Drang, einen Blick auf seinen Vorderkörper erhaschen zu wollen. Dieser Mann verwandelte sie in eine schamlose, leichtfertige Person. Noch nie zuvor war sie so ungemein an der Gestalt eines Mannes interessiert und noch nie zuvor so sehr von dem Anblick berührt gewesen. Es war nicht gerade tröstlich zu entdecken, dass irgendein rothaariger Schotte der Erste war, der ihr weibliches Interesse und Begehren weckte. Sie war Tochter, Schwester und Tante von englischen Grafen. Es war reine Unvernunft, zu erlauben, dass sich wegen eines Lairds aus den Highlands ihr Blut erhitzte und ihr Herz hämmerte. Ihre verstorbenen Verwandten drehten sich vermutlich in ihren Gräbern um.

Er bereitete ihr Kopfzerbrechen. Wie konnte sie sich so schnell von einer Frau, die kaum Interesse an Männern hatte, in eine Frau verwandeln, die so heftiges Interesse, ja fast Begierde für einen großen rothaarigen Schotten empfand?

Sie hatte die üblichen mädchenhaften Träume von einem gut aussehenden, heldenhaften Geliebten geträumt, einem, der sie mit einem leichten Kitzeln der Lust zurückließ. Aber dies war nicht einfach ein bloßes Kitzeln, über das man lächeln und das man dann vergessen konnte. Dies war ein starkes Gefühl, heftig und unwillkommen. Es war eine sehr schlechte Zeit, für eine solche Faszination, die vielleicht sogar wahre Lust war.

Dann kam Sigimor an ihre Seite, nahm ihre Hand und führte sie zum Lagerplatz zurück. Die Wärme seines Körpers floss mit jedem ihrer Herzschläge durch Jolenes Körper. Es war solch eine unschuldige Geste, und doch verursachte sie ein leises Zittern in ihrem Inneren. Eine Möglichkeit, diese Gefühle zu begraben, gab es nicht – für keinen von beiden. Er saß während des Essens dicht an ihrer Seite und hielt diese Gefühle am Leben, verstärkte sie. Als sie ihre raue Decke auf dem Boden auslegte, bereitete Sigimor sein Bett nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt hin. Während sie sich mühte, all das anziehende männliche Fleisch, das sich innerhalb ihrer Reichweite befand, zu ignorieren, überlegte sich Jolene, dass sie sich nie von ihrem Interesse für ihn lösen könnte, wenn er weiterhin so nah bei ihr bleiben würde. Es sah so aus, als ob das Unternehmen, Reynard am Leben zu erhalten und in Sicherheit zu bringen, nicht die einzige gefährliche Schlacht sein würde, die sie in den vor ihr liegenden Tagen zu schlagen hatte.

Kapitel 3

Jolene stieß einen Fluch aus, als ihre Begleiter plötzlich einen wilden, Ohren betäubenden Schrei von sich gaben und ihre Pferde zum Galopp anspornten. Ihr Reittier wartete nicht auf ihren Befehl, sondern schloss sich dem Rennen an. Sie wagte einen kurzen Blick nach hinten, während sie sich anstrengte, einigermaßen die Kontrolle über ihr Pferd zu behalten. Sie hatten sich den ganzen Tag über schnell vorwärts bewegt, allerdings heimlich und unter Umgehung von Menschen und Orten, in der Hoffnung, Harold ihre Verfolgung so schwer wie möglich zu machen. Dieser plötzliche laute Ausbruch war äußerst befremdlich. Noch eigenartiger war die Art und Weise, wie sich Nanty und Liam aufführten, als die Männer jäh anhielten. Während sie ihr Pferd direkt neben dem Sigimors zügelte, beobachtete Jolene, wie die beiden von ihren Pferden sprangen und den Boden küssten.

»Verrückte Dummköpfe«, sagte Sigimor, aber ein kaum wahrnehmbares Lächeln umspielte seinen Mund.

»Ich vermute, es gibt eine vernünftige Erklärung dafür«, erwiderte Jolene.

»Wir sind nun in Schottland, Mädchen.«

»Oh. Ich verstehe.«