Der Kuss des Schotten - Hannah Howell - E-Book
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Der Kuss des Schotten E-Book

Hannah Howell

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Beschreibung

Er ist ihr Feind – doch sie kann ihn nicht hassen: Der historische Liebesroman »Der Kuss des Schotten« von Hannah Howell als eBook bei dotbooks. Das Jahr 1318 ist eine gefährliche Zeit für große Gefühle … Die schöne Engländerin Jennet wäre niemals freiwillig ins Kloster gegangen – doch nur die dicken Mauern bieten Schutz vor dem Krieg, der unerbittlich zwischen ihrer Heimat und Schottland wütet. Als Krieger aus den Highlands das Kloster überfallen, fällt Jennet in die Hände des kampferprobten Hacon Gillard. Er nimmt sie als Geisel – und spürt doch vom ersten Moment an, dass sie sein Herz in Ketten gelegt hat. Auch Jennet wehrt sich tapfer gegen ihre Sehnsucht, sich Hacon hinzugeben. So beginnt für die beiden ein gefährlicher Tanz, denn ihre verbotene Liebe würde beide zu Verrätern machen … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das Romance-Highlight »Der Kuss des Schotten« von New-York-Times-Bestsellerautorin Hannah Howell. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 583

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Über dieses Buch:

Das Jahr 1318 ist eine gefährliche Zeit für große Gefühle … Die schöne Engländerin Jennet wäre niemals freiwillig ins Kloster gegangen – doch nur die dicken Mauern bieten Schutz vor dem Krieg, der unerbittlich zwischen ihrer Heimat und Schottland wütet. Als Krieger aus den Highlands das Kloster überfallen, fällt Jennet in die Hände des kampferprobten Hacon Gillard. Er nimmt sie als Geisel – und spürt doch vom ersten Moment an, dass sie sein Herz in Ketten gelegt hat. Auch Jennet wehrt sich tapfer gegen ihre Sehnsucht, sich Hacon hinzugeben. So beginnt für die beiden ein gefährlicher Tanz, denn ihre verbotene Liebe würde beide zu Verrätern machen …

Über die Autorin:

Hannah Howell, geboren 1950 in Massachusetts, kann ihren amerikanischen Familienstammbaum bis in das frühe 17. Jahrhundert zurückverfolgen – liebt aber vor allem die Geschichte Englands und Schottlands; auf einer Reise dorthin lernte sie auch ihren späteren Ehemann kennen. Hannah Howell hat in ihrer schriftstellerischen Karriere über 60 Liebesromane veröffentlicht, darunter den großangelegten Zyklus über die Familie Murray, in dem sie mitreißend vom Schicksal mehrerer Generationen einer weitverzweigten schottischen Highlander-Dynastie erzählt. Hannah Howell wurde für ihr Werk mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Golden Leaf Award und dem Preis des Romantic Times Bookclub Magazine.

Bei dotbooks erschienen die folgenden Romane von Hannah Howell:

HIGHLAND HEROES: Das Schicksal des Highlanders; Die Lust des Highlanders; Das Schwert des Highlanders

HIGHLAND ROSES: Die Spur des Highlanders; Die Sehnsucht des Highlanders

HIGHLAND LOVERS: Der Fürst der Highlander; Der ungezähmte Highlander; Der Held der Highlands

HIGHLAND DREAMS: Das Begehren des Highlanders; Der Stolz des Highlanders; Die Versuchung des Highlanders

Der Kuss des Schotten

Das Herz des Highlanders

***

eBook-Neuausgabe März 2020

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1991 unter dem Titel »Conqueror’s Kiss« bei Avon Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2000 unter dem Titel »Im Bann des Rebellen« im Knaur Taschenbuch Verlag, München.

Copyright © der Originalausgabe 1991 by Hannah Howell. Published by Arrangement with Avon Books The Hearst Company.

Copyright © der deutschen Erstauausgabe 2000 bei Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München

Copyright © der Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von VJ Dunraven Productions sowie shutterstock/Helen Hotson, Vladimir Arndt, enterphoto

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96655-170-0

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Der Kuss des Schotten« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

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Hannah Howell

Der Kuss des Schotten

Roman

Aus dem Englischen von Franziska Rinaldo

dotbooks.

Kapitel 1

2. April 1318 – Berwick, Schottland

Ihr leises Summen half wenig, Jennets Magenknurren zu besänftigen. Das ständige Hungergefühl schien innerhalb der dicken, grauen Mauern des Konvents, in denen jede Frau gleichermaßen litt, leichter zu ertragen zu sein. Jennet begann hastig mit ihren morgendlichen Waschungen, in der Hoffnung, daß das eisige Wasser ihre unchristlichen Gedanken vertreiben möge. Sie hatte sich in den Konvent geflüchtet, um Frieden zu finden. Dies würde eine vergebliche Hoffnung bleiben, wenn es ihr nicht gelang, die Bitterkeit, die in ihr gewachsen war, abzuschütteln.

Erneut protestierte ihr Magen laut gegen die Leere. Sie fluchte und bat den Herrn hastig um Vergebung. Solche Ausrutscher hinderten sie daran, dem ständigen Drängen der Äbtissin nachzugeben, die Gelübde abzulegen und sich auf ein Leben als Nonne vorzubereiten. Jennet war nicht sicher, ob sie den für eine Nonne erforderlichen Charakter besaß. Sie war zu bitter, zu zynisch, zu zornig und erbarmungslos. Ein Jahr im Konvent hatte wenig bewirkt, diese Eigenschaften zu läutern.

»Und außerdem«, murmelte sie, während sie in die einfache braune Kutte schlüpfte, »drängt es mich nicht jeden Morgen zum Gebet.«

Sie schüttelte den Kopf und begann ihr langes, kohlrabenschwarzes Haar zu flechten. Die Äbtissin hatte bestimmt bemerkt, wie unordentlich sie war. Als sie ihre Haube befestigte, runzelte sie die Stirn und lauschte angespannt. Es war schwer auszumachen, aber sie glaubte das leise, stetig lauter werdende Dröhnen männlicher Stimmen zu vernehmen. »Vielleicht haben die Schotten endlich die Belagerung abgebrochen«, murmelte sie, setzte sich auf ihre Pritsche und begann die Nadelarbeit, die man ihr aufgetragen hatte. »Oder«, sie erstarrte, die Nadel in der Hand, ein Schreckensschauer durchfuhr sie, »sie haben die Schutzwälle überwunden und die Grenzfestung von den Engländern zurückerobert.« Jennet zwang sich, ruhig zu bleiben und die gedämpften Geräusche zu ignorieren. Sie war in Sicherheit. Trotz allem, was die Äbtissin erzählt hatte, konnte Jennet sich nicht vorstellen, daß die Schotten ein Nonnenkloster schänden würden. Nicht einmal durch achtzehn Jahre Kampf unter dem Bruce konnte ihr Volk so gottlos geworden sein. Mochte auch draußen eine Schlacht toben, hier war sie endlich in Sicherheit. Dieses Mal würde sie der Zerstörung und Gewalt nicht ins Gesicht sehen müssen.

Der Wimpel, an dem sie nähte, war kaum fertig, als ihr bewußt wurde, daß die Geräusche, die sie zu ignorieren versucht hatte, näher gekommen waren. Als sie gerade einen kurzen Blick in die Halle riskieren wollte, sprang die Tür zu ihrer winzigen Kammer auf und krachte splitternd gegen die Steinmauer. Vor lauter Schreck jagte sie sich die Nadel in die Hand. Während sie den Mann anstarrte, der in ihre Zuflucht eingedrungen war, entfernte sie die Nadel mechanisch aus der blutenden Wunde und hob abwesend die Handfläche zum, Mund, um den Schmerz zu lindern.

Er lehnte lässig am Türrahmen, die gepanzerten, starken Arme vor der mit einem Harnisch bewehrten, breiten Brust verschränkt. Der Helm und der daran befestigte Nasenschutz verbargen große Teile seines Gesichts, so daß sie außer seinem Lächeln wenig davon sehen konnte. Sein träges Grinsen verwandelte ihren Schrecken und ihre Furcht in Zorn. Sie blickte ihrem sicheren Tod ins Antlitz, und er lachte über sie. Eine Verwünschung zischend riß sie ihren kleinen Dolch aus einer verborgenen Tasche ihres Gewands. Die angsterfüllten Schreie der Nonnen, die nun durch die Räume hallten, fachten ihren Zorn noch weiter an.

»Und was hast du mit dieser winzigen Nadel im Sinn, Süße?«, fragte er mit voller, weicher Stimme.

»Ich schnitze Euch ein neues Grinsen, Ihr gottloser Barbar«, schrie sie und griff ihn an.

Mühelos packte er sie und umspannte mit seiner gepanzerten Hand ihre schmale Taille, sein Harnisch schnitt in ihre Haut. »Eine Nonne und so grimmig?«

Sie hatte keine Chance, sich aus seinem harten Griff zu befreien, aber das Vergnügen in seiner Stimme stachelte sie an, ihren Dolch nach unten zu stoßen, um ihn zu verletzen. »Ich bin keine Nonne«, kreischte sie, »aber ich habe hier Schutz gesucht, und ich werde Euch auf geradem Weg zur Hölle schicken, weil Ihr diesen heiligen Ort schändet.«

»Eine hübsche Drohung für einen Mann, der bereits exkommuniziert ist.«

»Also hat die Äbtissin die Wahrheit gesagt. Die Männer des Bruce sind vom Papst verfluchte Günstlinge des Teufels.« Sie meinte, einen Ausdruck kühler Belustigung in seinem Gesicht zu erkennen, als plötzlich ein stechender Schmerz ihren Hinterkopf erfüllte.

Hacon fing das viel zu dünne Mädchen auf, als es zusammenbrach, bewußtlos von dem Schlag, den ihr einer seiner Kameraden versetzt hatte. »Ich hatte mich schon gefragt, ob du eingreifen würdest, Dugald, oder ob du einfach daneben stehen und Zusehen wolltest, wie ich abgeschlachtet werde.« Dugald grunzte. Er betrachtete stirnrunzelnd den schweren silbernen Kelch, mit dem er das Mädchen niedergeschlagen hatte und steckte ihn dann zurück in den Sack, den er bei sich trug. »Sie hatte keine Chance. Es wäre eine verdammte Schande, sie zu töten. Das kleine Mädchen hat Mut.«

»Sie töten? Warum sollte ich sie töten?«

»Wir haben Befehl, keine Gnade zu zeigen. Genauso wie der englische König, als er diesen Ort während Baliols Rebellion eingenommen hat. Töte alle, die du erwischst und raube, was du kannst.«

»Und das« – Hacon warf sich das bewußtlose Mädchen elegant über die Schulter – »ist Beute.«

»Tatsächlich? Für mich sieht sie wie ein kleines Mädchen aus. Und wofür brauchen wir eine Nonne, verlassen vom Papst wie wir sind?«

»Sie ist keine Nonne. Bist du so versessen darauf, ihr Blut zu vergießen?«

»Nein. Mir wird übel, wenn ich kleine Mädchen umbringe, und das weißt du sehr wohl. Andererseits wird es mir schlecht ergehen, wenn ich den Schwarzen Douglas erzürne. Der Bruce hat einen harten, grimmigen Mann zu seinem Leutnant ernannt, und es ist nicht besonders klug, ihm in die Quere zu kommen. Douglas will hier kein Lager aufschlagen, sondern weiterziehen. Was willst du dann mit deiner Gefangenen machen? Du kannst sie nicht vor ihm verstecken.«

»Ich will sie gar nicht verstecken. Sie gehört mir und damit Schluß. Jetzt heb ihre Decke auf und hilf mir, sie mir auf den Rücken zu binden.« Er deutete mit dem Kopf auf ihre Pritsche.

Während er tat, wie ihm befohlen, grollte Dugald weiter: »Und wie willst du mit so einer Last kämpfen?«

»Dieses dürre Mädchen ist keine besondere Last. Außerdem bezweifle ich, daß es noch weitere Kämpfe geben wird. Die Stadtbevölkerung flüchtet, soweit sie dazu in der Lage ist. Wir müssen nur noch die Beute in unsere Truhen laden.«

»Wenn wir nicht bald damit anfangen, wird es keine Beute mehr geben.«

Hacon zwinkerte seinem jammernden Vetter zu. »Zerbrich dir nicht unnötig den Kopf. Ich weiß genau, wo wir suchen müssen. Es hat doch schon ganz gut angefangen.« Er deutete auf den Sack, den Dugald trug.

Dugald nickte grimmig, als er die Halle des Nonnenklosters in Richtung Haupteingang durchquerte. Hacon schob die Gefangene auf seinem Rücken bequem zurecht und folgte ihm. Er zuckte zusammen und beschleunigte seine Schritte, als der spitze Schrei einer Frau durch die düsteren Gänge hallte. Er kämpfte lieber in den Straßen gegen die in Panik fliehenden Engländer, als der Vergewaltigung und Ermordung hilfloser Nonnen an einem Ort wie diesem beizuwohnen.

Seit zehn Jahren, seit der Zeit, als sein Bartwuchs noch nicht mehr als der weiche Flaum eines Jungen gewesen war, kämpfte er für Robert den Bruce. Zum Zeitpunkt, als der Bruce aus dem Exil nach Arran zurückgekehrt war, hatte Schottland am Boden gelegen, zu großen Teilen verwüstet. Bruces Sieg gegen die Engländer bei Loudon Hill hatte die Hoffnung des Volkes neu entfacht, und Hacon war einer von vielen gewesen, die dem Anwärter auf den schottischen Thron zur Hilfe eilten.

Aber nun sehnte er sich danach, nach Hause, nach Dubheilrig, zurückzukehren. Statt dessen befand er sich bei einem erneuten Überfall auf englisches Gebiet mitten in einem weiteren blutigen Raubzug durch ein Land, das vom Krieg bereits tief verwundet war.

»Du kannst jetzt nicht aufhören, für den Bruce zu kämpfen«, sagte Dugald, als sie durch die Tore ritten, die in die engen, verwinkelten Gassen Berwicks führten.

»Woher weißt du, daß ich daran gedacht habe?«, fragte Hacon, der sich an der Seite seines Verwandten in das Herz der ummauerten Stadt begab.

»Deine düstere Miene. Die habe ich vorher schon mal gesehen. Du kannst jetzt nicht Weggehen. Sicher, du hast bei Bannockburn den Ritterschlag erhalten, aber bis jetzt hast du noch keinen einzigen Quadratmeter Land gewonnen.«

»Hat dich mein Vater geschickt, damit du mein Gewissen spielst?«

»Nein. Er vertraut darauf, daß du tust, wie dir geheißen. Ich habe nur das Gefühl, ich sollte ehrlich sein. Der Bruce hält unsere Ländereien, die wir damals an die de Umfravilles verloren haben. Und nur er kann sie uns zurückgeben. Nun gut, dieser Krieg hat uns gestählt und wir werden gewiß keine Schwäche mehr zeigen. Außerdem ist es noch tröstlich zu wissen, daß die de Umfravilles das Land wiederum an den Bruce verloren haben, aber das ist natürlich nur ein schwacher Trost, falls der Bruce die Ländereien jemand anderem gibt.«

»Das wird nie geschehen«, murmelte Hacon, als er sich an seinem Vetter vorbeischob. »Los, komm. Falls ich unsere Ländereien nicht durch treue Dienste und die Macht meines Schwertes zurückgewinnen kann, werde ich eben genug erbeuten, um sie zurückzukaufen.« Er galoppierte in die Stadt, voller Vertrauen, daß Dugald ihm Rückendeckung geben würde, wie er es bereits zehn lange, blutige Jahre getan hatte.

***

Hacon lümmelte sich in einem rohen, schweren Stuhl vor dem Feuer, aufrichtig angetan von dem neumodischen Kamin und dem Rauchfang in der Wand. Das war viel besser als die übliche Feuerstelle in der Mitte des Raums, der nur unzureichend durch ein Loch in der Decke entlüftet wurde. Er fragte sich, wie es Dugald immer gelang, solch ausgezeichnete Quartiere zu finden. Dies hier mußte eines der wenigen Häuser in Berwick sein, dessen Dach heil geblieben war, unbeschädigt vom Feuer, das auch jetzt noch in der Stadt wütete. Sein Blick konzentrierte sich auf seine Gefangene, die bewußtlos zu seinen Füßen lag.

Das auf seinen Rücken gebundene Mädchen war zweimal zu sich gekommen. Zweimal hatte sie ihre lieblichen schlanken Hände um seine Kehle gewunden. Zweimal war Dugald gezwungen, sie bewußtlos zu schlagen, um seinen Vetter zu retten. Hacon grinste. Sie hatte Mut. Womöglich hatte Dugald recht – sie war ein Kind des Teufels, obwohl sie in einem Konvent verborgen gewesen war. Sie mochte sich als ausgesprochen lästige Prämie herausstellen.

Aber eine hübsche, dachte er, und beugte sich vor. Sie sah sehr verführerisch aus, hingestreckt auf dem Schaffell, ihre vollen schwarzen Haare fächerartig um ihren Kopf ausgebreitet. Er nahm an, daß ihre viel zu schlanke Figur der Hungersnot zuzuschreiben war, die in diesem Gebiet in den letzten beiden Jahren gewütet hatte, aber er sah kein Fehl darin. Sie war kurvenreich genug, um ihm zu gefallen. Ihre Haut schimmerte so weiß wie Elfenbein mit einem leichten rosigen Hauch, der von guter Gesundheit zeugte. Er erinnerte sich mühelos an ihre zauberhaften, grünen Augen, die vor Zorn und Trotz Funken sprühten, als sie sich im Konvent gegenüber gestanden hatten.

»Glaubst du, ich habe sie verletzt?«

Hacon schaute zu Dugald hinüber, der auf der anderen Seite des Mädchens stand, und schüttelte den Kopf. »Sie atmet ohne Mühe und ihre Augenlider zucken. Sie wird bald erwachen.«

»Dann solltest du besser auf deine Kehle achten.«

Hacon lachte. »Sie besitzt mehr Kampfgeist als viele andere an diesem Ort.«

»Stimmt, und das macht sie zu einem echten Problem. Wäre es nicht klüger, sie hier zurückzulassen?«

»Viel klüger, aber das werde ich nicht tun.«

»Warum? Sie ist doch nichts als ein kleines, dünnes Mädchen?«

»Ah, nun, ich will einfach nicht.« Hacon zuckte mit den Achseln.

Jennet war gerade noch rechtzeitig zu Bewußtsein gekommen, um ihre unvorteilhafte Beschreibung durch einen der Männer und die Antwort des anderen zu hören. Ihr Kopf schmerzte, und sie wußte, daß sie die Schuld trugen. Bemüht, ihr Aufwachen zu verbergen, bewegte sie sich nicht; die Antwort ihres Entführers hatte ihr Interesse geweckt, konnte sie doch ihr Schicksal entscheiden.

Nun jedoch, nachdem feststand, daß ihr die Unterhaltung von wenig Nutzen war, stieß Jennet ein Stöhnen aus, das sie die ganze Zeit zurückgehalten hatte. Sie stützte sich auf einen Ellbogen und betastete zögernd ihren Hinterkopf. Der Mann hatte die Wucht seiner Schläge offensichtlich wohl dosiert, denn sie konnte keine ernsthafte Verletzung entdecken, aber in ihrem Schädel hämmerte es. Langsam hob sie den Blick zu ihrem Entführer.

Er sah immer noch groß aus, ein schlanker, kampfgestählter Mann. Nachdem er nun seinen Helm und sein Harnisch abgenommen hatte, sah sie, daß seine langen, blonden Haare bis zu den breiten Schultern reichten. Sie bezweifelte, daß es seiner Brust viel von ihrer Breite nehmen würde, wenn er den gefütterten Jupon und das enge, blutbefleckte Lederwams ausziehen würde. Seine langen muskulösen Beine steckten in Hosen von guter Qualität, und Stiefel aus hervorragend gewachster, ungegerbter Tierhaut waren lose über seinen Waden geschnürt. Sie erinnerte sich an den Glanz der Armschützer an seinen Unterarmen. Seine Kleidung gab ihr wenig Hinweise auf seine Stellung. Sogar seine Rüstung, rief sie sich ins Gedächtnis, konnte er stückweise auf dem Schlachtfeld von erschlagenen Rittern geraubt haben. Während sie sich vorsichtig aufrichtete, hob sie ihren Blick zu seinem Gesicht empor. Er hatte die schönsten Augen, die sie je bei einem Mann gesehen hatte. Sie waren von einem tiefen, klaren Blau. Sein schmales Gesicht mit den hohen Wangenknochen und der geraden langen Nase zeugte von edler Herkunft. Tatsächlich erinnerte sie sein Aussehen stark an einen Dänen oder Normannen. Ihre Miene verdüsterte sich.

»Seid Ihr Schotte?«, verlangte sie zu wissen. Dieser Mann lächelt zu oft, dachte sie verärgert, als er sie angrinste.

»Ja, ich bin Schotte. Ich sehe meiner Mutter sehr ähnlich, und sie ist eine entfernte Base des Königs von Norwegen, also sollte ich darauf achten, wie ich über dieses Volk spreche.« Er streckte ihr die Hand entgegen. »Ich bin Hacon Gillard von Dubheilrig.«

Sie nahm seine Hand und wurde mit festem Griff auf die Füße gezogen. »Jennet.«

»Jennet? Kein weiterer Name, keine Verwandten? Seid Ihr niemandes Tochter aus dem Nirgendwo?«

»Natürlich bin ich jemandes Tochter.« Sie seufzte und rieb sich mit der linken Hand die Stirn, da Hacon sich Zeit ließ, ihre rechte freizugeben. »Ich bin Jennet, die Tochter von Artair, einem Graeme, der Moira, eine Armstrong, geehelicht hat. Ich komme aus Liddlesdale.«

»Keiner der Namen ist mit großem Reichtum verbunden.« Sie funkelte ihn an. »Richtig, und deshalb werdet Ihr kein Lösegeld erhalten. Meine Mutter wurde von den großartigen Soldaten des Bruce ermordet. Ja, und mein Vater möglicherweise auch. Mir ist nichts geblieben. Am besten, Ihr gebt mich frei. Ich werde Euch nur Ärger bereiten.«

»Daran zweifle ich nicht.« Er stand auf, stemmte die Hände in seine schmalen Hüften und sah auf sie herab. »Trotzdem werde ich Euch behalten.«

»Warum solltet Ihr das wollen?« Sie hatte eine ziemlich gute Vorstellung davon, aber sie fragte sich, ob er ihr die Wahrheit sagen würde.

Hacon streckte den Arm aus, nahm eine Strähne ihres vollen lockigen Haares in die Hand und liebkoste sie mit seinen langen Fingern. »Ihr, Jennet, die Ihr von Liddlesdale sein könntet, seid meine Beute.«

Das war Antwort genug, nahm sie an. Sie sagte sich, daß mit Zorn nichts zu gewinnen war, dennoch ballte sie ihre Hände zu Fäusten. Flucht war immer noch möglich, wenn sie nicht überstürzt handelte, der Furcht nicht nachgab, die ihren Zorn zu überwältigen drohte. Aus dem Augenwinkel sah sie, daß sich der andere Mann verstohlen an ihre Seite bewegte. Sie mußte sicher sein, daß ihr Fluchtversuch unerwartet kam. »Also bin ich eine Gefangene?«

»Ja – meine Beute.«

»Klein und mager, wie ich bin?«

»Ach, nun ja, man kann nicht immer den ersten Preis gewinnen.«

An seinem Tonfall erkannte sie, daß er sich für komisch hielt. Er grinste, und sein Gefährte kicherte leise. Schallendes Gelächter aus dem Hintergrund verriet ihr, daß andere Männer sich ebenfalls an ihrer Zwangslage erfreuten. Dieses Wissen ließ ihr Temperament überschäumen. Die Plünderung Berwicks und ihre eigene unzweifelhaft bevorstehende Schändung waren kein Anlaß zur Heiterkeit.

Sie verfluchte zischend alle Männer, schlug mit beiden Fäusten zu und traf jeden der beiden sie flankierenden Männer sauber und kraftvoll direkt in den Unterleib. Beide heulten vor Schmerz auf und fluchten, als sie sich zusammenkrümmten. Sie raste zur Tür – und rannte direkt in einen schlanken Mann in Rüstung, der die lange, schmale Öffnung versperrte.

Als sie rückwärts stolperte, packte Hacon sie grob an der Schulter. Er schob sie hastig hinter sich. Neugierig, wie sie trotz allem war, konnte sie sich einen Blick auf den Mann, der ihren Fluchtversuch vereitelt hatte, nicht verkneifen. Sie erstarrte und Furcht überwältigte sie. Das konnte kein anderer sein als Sir James Douglas, den einige den »Guten Douglas« nannten, die meisten aber hießen ihn den »Schwarzen Douglas«. Und wahrscheinlich nicht nur wegen der düsteren Farben seiner Kleidung, dachte sie mit einem Schauder und ihr Blick hing wie gebannt an dem blutigen Schwert in seiner Hand. Die Nonnen hatten ihr mehr als eine schaurige Geschichte über diesen Mann erzählt, den sie »des Bruce gottlosen Leutnant« getauft hatten. Etwas an den dunklen Farben, die er und seine Männer trugen, weckte in ihr eine undeutliche Erinnerung, aber diese schwand, als Douglas sprach. Als die ersten Worte aus seinem Mund kamen, versteckte sie sich vollständig hinter Hacons Rücken, voller Angst, man könnte ihr Erstaunen bemerken. Der Schwarze Douglas, die Geißel des Nordens, der Mann, der die englischen Soldaten erzittern ließ, lispelte.

»Habt Ihr ein wenig Schwierigkeiten, Sir Gillard?«, erkundigte sich Douglas.

»Nein, nur eine kleine Rauferei.«

»Ist sie eine Geisel?«

»Nein. Sie gehört zu meiner Beute.«

»Ihr und Eure Männer macht seltsame Beute.« Douglas gab jemand hinter ihm ein kurzes Zeichen und ein junger Soldat wurde gewaltsam in den Raum geschoben. »Ich bin der Überzeugung, daß die einzig lohnende lebende Beute Geiseln sind, für die man ein Lösegeld fordern kann.«

Nachdem Jennet sich etwas an seinen Sprachfehler gewöhnt hatte, warf sie, verwundert über Hacons Anspannung, einen neugierigen Blick auf den Soldaten. Der fragliche junge Mann war offensichtlich grausam zugerichtet worden. Sein bartloses Gesicht war voller Blutergüsse und Kratzer. Er schwankte leicht und hielt ein Bündel Kleidung schützend an seine Brust gedrückt.

»Hat der Junge Euch Ärger gemacht, Sir?«, fragte Hacon. »Einigen. Er hätte beinah einen meiner Männer umgebracht und wäre fast dafür getötet worden, wenn ich nicht gekommen wäre, um ihn zu befreien.«

»Und jetzt?«

»Und jetzt gebe ich ihn an Euch zurück. Flößt dem Kerl ein wenig Vernunft ein. Ich habe keinen Zweifel, daß Ihr und Eure Männer loyal seid. Ihr steht seit zehn langen Jahren für die Sache ein. Trotzdem bin ich überzeugt, daß Ihr im Innersten weich seid. Erbarmen, Sir Gillard, hat keinen Platz in diesem Krieg.«

Ebenso plötzlich, wie er aufgetaucht war, verschwand der Schwarze Douglas wieder. Jennet stieß einen erleichterten Seufzer aus und hörte erstaunt, daß die anderen im Zimmer es ihr gleichtaten. Hacon schob sie zu Dugald, der sie nicht eben sanft am Arm packte. Sie ignorierte ihre zornig funkelnde menschliche Fessel und beobachtete den Jungen, zu dem Hacon hinüberging.

»Deine erste Schlacht, Ranald«, sagte Hacon, »und du versuchst gleich, einen von Douglas eigenen Männern zu erledigen? Bist du so wild auf den Tod, Freundchen?«

»Ich wußte nicht, daß es seine Leute waren«, antwortete der Junge mit rauher, unsicherer Stimme.

»Man kann sie leicht erkennen. Ich erinnere mich, daß ich sie dir gezeigt habe.«

»Ja, Onkel, das habt Ihr. Ich war nicht ganz bei Verstand.«

»Du hast Glück gehabt, daß Douglas guter Stimmung war, sonst würde dein gedankenloser Kopf jetzt durch die Gassen rollen.«

»Ich weiß.«

Jennet konnte sehen, wie schwach der Junge war und machte, getrieben von Mitleid, endlich den Mund auf. »Wenn Ihr wollt, daß er hört, was Ihr ihm zu sagen habt, dann laßt ihn besser sitzen.« Sie zwang sich, nicht unter dem finsteren Blick zusammenzuzucken, den Hacon ihr zuwarf, bevor er Ranald zu einer Bank am Tisch führte.

»Was war so wichtig«, erkundigte sich Hacon bei seinem Neffen, »daß du dein eigenes Leben dafür aufs Spiel gesetzt hast?«

»Ein Säugling.«

Obwohl sie ihr Erstaunen zu unterdrücken versuchte, starrte Jennet, ebenso wie die Männer, mit weit offenem Mund auf das Bündel, das Ranald auswickelte. In dessen Falten lag ein Baby, ein Kind, so schätzte sie, von ungefähr einem Jahr. Einen Moment fürchtete sie um das Leben des Kindes, dann schob sie diese Angst zur Seite. Ranald hätte dieses Kleinkind nicht gerettet, wenn er glaubte, daß sein eigener Verwandter es töten würde.

Hacon beuge sich zu dem Jungen hinunter und verfluchte wieder einmal seine Schwester, die ihn nicht sicher zu Hause angekettet hielt. »Ein Säugling, Freundchen? Was willst du mit einem Säugling?«

»Ich weiß nicht. Ich konnte nicht zulassen, daß sie das kleine Ding töten. Sie wollten es auf eine Pike spießen. Die Mutter …« Ranald starrte auf das großäugige Kind hinab und streichelte mit unsicherer Hand über dessen rotbraune Locken. »Ich konnte die arme Frau nicht retten. Werde ich ihr Flehen um Gnade für immer hören?« flüsterte er. »Vielleicht«, erwiderte Hacon mit ebenso leiser Stimme und seufzte. »Ranald, wir sind hier, um Berwick zu plündern, dann ziehen wir weiter in die nächste Schlacht. Was willst du mit dem Kind machen?«

»Ihr könnt Eure Beute auch nicht mit auf das Schlachtfeld nehmen. Ich könnte das Kind beim Troß lassen.«

»Aber das meiste wird nach Haus geschickt, ins tiefste Schottland, von Wachen begleitet, Männern, die sich nicht um ein kleines Kind kümmern wollen.«

»Ich könnte es bei jemandem hier lassen, wenn wir abrücken.«

»Ja, vielleicht, falls wir jemanden finden. Die meisten sind entweder tot oder verstecken sich. Und möglicherweise müssen wir fliehen. Berwick ist die letzte starke Festung der Engländer in Schottland. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie es kampflos aufgeben.«

Jennet befreite sich aus Dugalds Griff. »Schön, das könnt Ihr alles später besprechen.«

»Kann ich das?«, murmelte Hacon.

Der Ausdruck der Verachtung in ihren wundervollen Augen ärgerte ihn. Er fragte sich beiläufig, ob ihr Zorn nur durch diese Situation hervorgerufen war, oder ob er von einem tiefverwurzelten Haß gegen alle Männer herrührte. Als er sich ins Gedächtnis rief, was sie über das Schicksal ihrer Eltern gesagt hatte, wußte er, daß er sich gegen alle richten konnte, die für den Bruce kämpften.

Dann sah sie den jungen Ranald an. Ihr Ausdruck wurde weicher und Hacon spürte einen deutlichen Stich der Eifersucht. Sie war reizvoll in ihrem Zorn, aber mit dem Ausdruck eines sanfteren Gefühls auf ihrem herzförmigen Gesicht war sie atemberaubend.

»Nun«, bemerkte sie, als sie zu Ranald hinüber ging, »die Verletzungen des Jungen müssen versorgt werden, oder Ihr werdet bald nur noch mit der Luft reden. Holt mir eine Schüssel Wasser und ein sauberes Tuch.«

Hacon gehorchte, bevor ihm klar wurde, was er tat. Als er sie anfunkelte, begegnete sie seinem Blick gelassen. Er stieß einen Fluch aus und holte, worum sie gebeten hatte. Sie hatte recht, Ranalds Wunden mußten versorgt werden. Und dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um ein für allemal zu klären, wer die Gefangene und wer der Entführer war.

Jennet nahm Ranald das Baby sanft ab und legte es in die Arme des Mannes, der neben ihm saß. Der Mann starrte das Kind so entsetzt an, daß sie beinahe grinsen mußte. Dennoch hielt er es völlig sicher, und sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem verletzten Jungen zu.

»Entkleidet ihn bis zur Taille«, befahl sie Hacon. »Seine Bewegungen zeigen mir, daß sich unter seinem Wams weitere Blutergüsse und Verletzungen verbergen.«

Während er ihr gehorchte, zwang sich Hacon daran zu denken, daß ihre Flucht beinah geglückt war. Er mußte sie davon überzeugen, was für ein Fehler das war. Während er ihr bei ihren zielstrebigen Bemühungen um Ranald zur Seite stand, dachte er über das Problem nach. Ihre Gegenwart war von ihm erzwungen, aber sie würde ihr auch das Leben retten. Er würde sie zu der Einsicht zwingen müssen, daß er, obwohl ihr Entführer, gleichzeitig ihr bester Schutz war.

Da sie bemerkte, wie Ranald immer wieder nach dem Kind sah, murmelte Jennet: »Dem Baby geht es gut. Wenn das Kind die Hungersnöte überstanden hat, die das Land im Würgegriff halten, ist es kräftig und wird durchhalten.«

»Ja, aber ich wünschte, ich hätte seine Mutter retten können. Ich hörte ihre Schreie, aber …«

Sie unterbrach seine schmerzerfüllte Rede, indem sie ihm mit einem feuchten Tuch den Mund wischte. »Falls Euch der Tod der Unschuldigen den Seelenfrieden raubt, solltet Ihr Euch besser geschwind ins nächste Kloster begeben.«

»Ich w-will ein Ritter werden«, stotterte er mit einem nervösen Seitenblick auf seinen Onkel, der wachsam neben Jennet stand.

»Dann werdet ihr Eure Ohren verschließen und Euer Herz verhärten müssen. So Ihr durch das Schwert leben wollt, könnt Ihr dem Unheil, das es bringt, nicht entkommen. Wenn Männer in der Schlacht vom Blutdurst überwältigt werden, töten sie alles, was Ihnen über den Weg läuft. Das Beste was Ihr tun könnt, ist diese Blutlust zu kontrollieren und ebenso die Männer, die Ihr einmal führen mögt.«

»Es war nicht richtig. Sie war unbewaffnet.«

»Das waren auch diejenigen, die von den Männern des englischen Königs niedergemetzelt wurden, als er diese Stadt eroberte, genauso wie jene keine Waffen trugen, die der Bruce vor sieben Jahren in Perth abschlachten ließ.« Sie hatte seine Wunden gesäubert und verbunden und erhob sich. »Wenn Armeen durch das Land ziehen, sollten sich die Unschuldigen und Waffenlosen verstecken oder sie fallen an der Seite der Krieger.«

»Wenn Ihr das so genau wißt«, fragte Hacon, »was wolltet Ihr dann an der Tür, als der Schwarze Douglas eintrat?«

»Fliehen«, antwortete sie auf die, wie ihr schien, ausgesprochen törichte Frage.

Voller Zorn packte er sie am Arm und zerrte sie zum Eingang. Er riß die Tür auf und schob sie ein, zwei Schritte nach draußen. Die Nacht war hereingebrochen, aber die Plünderung Berwicks dauerte an. Rauchschwaden und der Geruch von Tod und Verwesung brannten in ihren Augen.

Fackel und Mond beleuchteten die Szenerie nur schwach, aber sie war darüber nicht traurig. Tote bedeckten die Gassen. Die Eindringlinge stürmten nach wie vor auf der Suche nach Opfern und Beute durch die Stadt. Angst- und Schmerzensschreie drangen an ihre Ohren. Die Schotten, die Berwick für Schottland beanspruchten, zeigten genausowenig Gnade wie der englische König Jahre zuvor. Sie war den Tränen nahe.

»Ihr wolltet weglaufen? Und wohin?« verlangte Hacon zu wissen. »Dort hinein? Nicht einmal das Nonnenkloster ist mehr sicher. Ich glaube nicht, daß Ihr lange überleben würdet.«

Er hatte recht, aber sie gab es nicht zu. »Ich bin solchen Gefahren schon zuvor entkommen«, erwiderte sie.

»Ihr wirkt, als ob Ihr ein wenig Verstand hättet. Benutzt ihn, Weib. Euch mag nicht gefallen, wo Ihr jetzt seid, aber das hier ist immer noch besser als die anderen Möglichkeiten, die Euch offenstehen. So wie die Dinge liegen, werden Euch sogar Eure Freunde erst niedermetzeln und danach ihren Fehler bedauern.

Und wenn wir diesen Ort verlassen haben, wäre es klüger, zweimal über einen Fluchtversuch nachzudenken. Ihr marschiert mit dem Feind, Mädel. Glaubt Ihr wirklich, daß irgend jemanden das Warum interessiert?«

Die Hände in die Hüften gestemmt, starrte sie ihn zornig an. »Ihr benutzt den Schrecken dort draußen, damit ich hier drin bleibe, ohne daß Ihr mich fesseln müßtet. Ihr verfolgt damit nur Eure eigenen Ziele.«

»Ihr wißt nichts über meine Ziele.«

»Nein?« Sie lachte leise und zornig. »Da Ihr kein Lösegeld für mich verlangen könnt, kann es nur einen Grund für Euch geben, mich gefangenzuhalten.« Sie sprach leise und beugte sich zu ihm hinüber, damit kein anderer sie hören konnte. »Falls Ihr hofft, daß ich mich deswegen mit Freude vergewaltigen lasse, werde ich Euch eines Besseren belehren.«

»Nein, meine Kleine. Ich wollte Euch nur die Ausweglosigkeit Eurer Situation vor Augen führen. Ihr würdet es Euch leichter machen, wenn Ihr mich nicht als Euren Wärter sondern als Euren Wohltäter sehen würdet.«

»Wohltäter?« Er hätte kein Wort wählen können, das besser geeignet gewesen wäre, ihren Zorn über ihre Angst siegen zu lassen. »Ich wundere mich immer wieder, wie viele Missetäter das Wort Wohltäter gebrauchen. Ihr glaubt doch nicht wirklich, daß Ihr vom Feind zum Freund geworden seid, nur weil Ihr mir nicht genauso wie den armen Nonnen die Kehle durchgeschnitten habt?«

»Ich habe keine einzige Nonne angerührt. Ich habe nur geraubt, was mir gefiel.«

Sie hatte den Verdacht, daß dies der Wahrheit entsprach, aber ignorierte die Unterbrechung. »Ich werde Euch nie als meinen Wohltäter sehen.«

»Ach, natürlich werdet Ihr das.« Zärtlich strich er mit dem Handrücken über ihre zorngerötete Wange. »Natürlich werdet Ihr das. Das Geschenk des Lebens verlangt nach einer angemessenen Gegengabe, meint Ihr nicht?« Als sie ihn nur mit weit aufgerissenen Augen anstarrte, fragte er: »Was denn? Hat es Euch die Sprache verschlagen?«

»Ich glaube«, erwiderte sie sehr deutlich, »man hat mir einmal zu oft auf den Kopf geschlagen.« Sein weiches Lachen war bedrohlich anziehend. »Und«, fügte sie mit einer gewissen Wut hinzu, die immer noch ihre Furcht beherrschte, »wenn Ihr warten wollt, bis ich Euch für mein Leben danke, werdet Ihr hier Wurzeln schlagen.«

Sie drehte sich abrupt um und ging weg, um nach dem verwaisten Säugling zu sehen, für den Ranald sein Leben riskiert hatte. Hacon beobachtete sie lächelnd. Jede ihrer Bewegungen war anmutig und sinnlich. Die Hitze des Verlangens strömte durch seinen Körper. Es würde nicht einfach werden, den begehrten Preis zu gewinnen. Dennoch, grübelte er, als er zu seinem Platz am Feuer zurückkehrte, sein Instinkt sagte ihm, daß es jede Anstrengung wert war.

Kapitel 2

Nun, da sich alle in der beschlagnahmten Unterkunft eingerichtet und gegessen hatten, räkelte sich Hacon in seinem Sessel vor dem Feuer und wandte seine volle Aufmerksamkeit seiner reizvollen Gefangenen zu.

Sie zerteilte ein Stück Leinen zu Windeln für das Baby und beobachtete ihn argwöhnisch. Er hatte ihr für kurze Zeit ein Messer überlassen, aber er vertraute ihr nicht. Sie dagegen traute seinem freundlichen Interesse nicht. Wahrscheinlich wollte er sie nur glauben machen, sie könnten mehr sein als Entführer und Gefangene, damit sie ihm nicht soviel Widerstand entgegensetzte, wenn er sie schließlich nahm.

Aber dennoch, dachte sie, die ruhige Kameradschaft in dem besetzten Haus hatte ihr einiges von ihrer Furcht genommen, auch wenn sie wußte, wie dumm das war. Sie saß mit einer hausfraulichen Arbeit zu Hacons Füßen. Dugald hockte auf einem Schemel zu ihrer Linken und reinigte Hacons und seine Waffen. Die übrigen fünf Männer, die sich im Hauptraum aufhielten, taten dasselbe. Nachdem sie sich einen Schlafplatz für die Nacht gesucht hatten, verbrachten sie den Abend mit kleinen Arbeiten und leisen Gesprächen, bis sie müde waren. Eingehüllt in diese Sicherheit war es für Jennet nur zu einfach zu vergessen, daß sie der Feind waren, der noch Stunden zuvor mit dem Schwert in der Hand geplündert und gemordet hatte. Sie mußte sich zwingen, dies nicht zu vergessen.

»Warum seid Ihr hier, Jennet von Liddlesdale?«, fragte Hacon.

Sie schaute ihn an, beobachtete, wie er seine feingezeichneten Brauen fragend emporzog und seufzte. Wahrscheinlich konnte sie es ihm ruhig erzählen. Wenn sie ihm anvertraute, wie sehr sie bereits unter der Armee des Bruce gelitten hatte, würde er vielleicht freundlicher mit ihr umgehen und sie flüchten lassen oder zumindest konnte sie ihm seine finsteren Absichten ausreden.

»Ich bin schon seit vielen Jahren hier.«

»Aber Ihr seid eine Schottin. Warum seid Ihr in einer englischen Festung?«

»Viele von uns sind Schotten. Immerhin befinden wir uns in Schottland. Ich habe bei einem englischen Paar gelebt, bevor ich vor einem Jahr zu den Nonnen gegangen bin.«

»Die Tochter eines Graeme und einer Armstrong lebt bei Engländern?«

»Ich war Dienstmädchen, die Zofe der Hausherrin.« Und alles andere, dachte sie mit einem Anflug von Bitterkeit.

»Hat Euch keiner Eurer Verwandten aufgenommen? Konnten sie keine Schottin als Dienstherrin für Euch finden?«

Das waren schwierige Fragen. Unter anderen Umständen hätten ihr die Antworten sehr weh getan. Sie konnte jedoch keine böse Absicht dahinter erkennen und seufzte. In diesem Krieg lauerte Verrat an jeder Ecke. Nicht jeder Schotte hieß den Bruce als König willkommen oder sehnte sich nach einem Ende der englischen Herrschaft. Hacon versuchte vermutlich herauszufinden, ob sie das war, was sie vorgab – ein Opfer, das vom Krieg herumgeschleudert wurde, oder eine Verräterin. Jeder in einer englischen Festung gefangene Schotte war verdächtig. Sie hatte den grausamen Beweis für diese gnadenlose Überzeugung mit eigenen Augen gesehen, als ihre Mutter ermordet wurde, und später, als erbarmungslose Schotten ihre eigenen Landsleute in Perth hinrichteten.

»Meine Eltern hatten nie die Absicht, mich dienen zu lassen«, erklärte sie. »Ich war erst neun, als die Soldaten des Bruce das Heimatdorf meiner Mutter überfielen und sie umbrachten. Danach brachte mein Vater mich nach Perth, wo wir solange lebten bis der Bruce es eingenommen hatte. Mein Vater hatte schon geahnt, was beim Fall von Perth passieren würde, also bezahlte er die de Tounays dafür, mich für sich zu fordern. Mir wurde erlaubt, sie zu verlassen, als der Bruce alle hochgeborenen Schotten in Perth zu Verrätern erklärte und hinrichten ließ.«

»Und Euer Vater?«

Hacon fühlte sich einen Moment schuldig, weil er selbst auch in Perth gewesen war. Dies war ein Teil des Krieges, den er ablehnte, aber nicht ändern konnte. Sich öffentlich negativ über die Handlungen des Bruce zu äußern, war der schnellste Weg, als Verräter verurteilt zu werden. Aber auf ihm, Hacon, ruhte die Hoffnung seiner Familie, ihr verlorenes Land zurückzugewinnen. Er konnte es sich nicht erlauben, sein Leben wegzuwerfen, indem er sinnlos gegen Ungerechtigkeit aufbegehrte.

Jennet zuckte die Achseln. »Ich habe nicht gesehen, daß mein Vater getötet wurde, und man hat ihn auch nicht unter den Toten gefunden. Aber ich habe seit jenem Tag nichts mehr von ihm gehört. Ich kann nur annehmen, daß er in Perth gefallen ist.«

Hacon beugte sich nach vorne und murmelte: »Falls er für die Engländer gegen den Bruce gekämpft haben sollte …«

Sie lächelte hämisch. »Mein Vater hatte keine Überzeugungen. Er hat immer für den gekämpft, der am meisten zahlte. Nun bin ich die Geisel von Dieben.«

»Diebe?«

»Sicher, ich habe nicht gesehen, daß Ihr die Sachen auf dem Tisch dort bezahlt habt. Natürlich seid Ihr Diebe.«

»Ihr seid genau die Richtige, um mit solchen Wörtern herumzuwerfen. Die Graemes sind als Diebe wohlbekannt, zumindest die aus dem kargen Landstrich zwischen Esk und Sark. Ja, und die Armstrongs von Liddlesdale können ebenfalls Anspruch auf diesen Titel erheben, sind sie doch verfluchte Räuber. Viele sind der Meinung, man sollte die gesamte Dorfbevölkerung einfach aufhängen. Und Ihr vereinigt beider Blut.«

»Und was, bitte schön, sollen Menschen, durch deren Land jedes Jahr eine plündernde und raubende Armee zieht, sonst tun? Ihre Ländereien sind ein immerwährendes Schlachtfeld. Sind es nicht die Engländer, dann sind es die Schotten. Ihre Felder brennen schneller, als sie ernten können. Sie ernähren mehr Soldaten als Verwandte. Ja, sie waren beide Diebe, sowohl mein Vater als auch meine Mutter, und ihre Familien sind es nach wie vor. Aber sie kleiden das nicht in schöne Worte wie »Schottland von den Engländern befreien und sie nennen sich auch nicht Ritter oder Lords des Königreichs. Sie wedeln nicht mit der Fahne irgendeines Königs oder tragen heilige Reliquien vor sich her. Nein, und sie nennen es auch nicht ›rechtmäßige Beute‹. Sie sind schlicht und einfach Räuber. Das ist alles, was ihnen die vornehmen und ritterlichen Herren gelassen haben.«

Hacon lehnte sich zurück und starrte sie an. Ein kurzer Blick durch den Raum zeigte ihm, daß ihr die übrigen Männer ebenfalls gebannt lauschten. Das Mädchen äußerte ein paar bittere Wahrheiten. Sie hatte das Talent, dem Kampf jeden Glanz zu nehmen. Außer vielleicht für Ranald. Aber Hacon und seine Männer waren lange genug für den Bruce geritten um zu wissen, daß sie recht hatte. Obwohl das Ziel, Schottland zu einen und die englische Marionette auf dem Thron durch einen schottischen König zu ersetzen, ein gutes war, kostete es viel und die Mittel, um es zu erreichen, waren nicht immer ehrenhaft. Nichtsdestotrotz war es befremdlich, daß ein junges Mädchen dies so offen aussprach. Er fand dieses Zeugnis ihrer Intelligenz bestechend.

»Ah, aber wir berauben den Gegner«, sagte er.

»Und wer erklärt ihn dazu?« konterte sie. »Ihr. Ihr wählt Euch einen Anführer, dann sucht sich dieser Mann jemand aus, von dem er sich bedroht fühlt und Ihr reitet alles und jeden über den Haufen und metzelt ihn nieder. Um zu den Feinden zu gehören, muß man nur zwischen zwei Parteien gefangen sein. So wie meine Mutter. So wie ich. So wie diese armen, unschuldigen Nonnen. Hier sitze ich, und Gott ist mein Zeuge, obwohl ich Grund genug dazu hätte, ich bin keines Menschen Feind.«

»Nein?« grinste Hacon. »So spricht die Süße, die versucht hat, mir die Kehle durchzuschneiden und mich zweimal fast erwürgt hätte?«

»Nun, geraubt zu werden, regt mich ein wenig auf«, antwortete sie gedehnt. Dann wandte sie sich ab und begann, einige Kleidungsstücke für das Baby aus einem Stück Tuch zu fertigen, das sie gefunden hatte. »Ich brauche Milch für das Kind.«

»Ach, wirklich? Und woher soll ich die nehmen? Glaubt Ihr, ich kann nur auf eine Laune von Euch eine Amme herbeizaubern?«

»Es ist keine Laune.« Das Baby begann zu greinen und die Not des Kindes stärkte ihren Mut. »Der kleine Kerl braucht sie.«

»Wo soll ich mitten in einer verwüsteten Stadt Milch auftreiben?«

»Falls es hier Kühe gegeben hat, sind sie sicherlich schon schottische Beute. Es stimmt, es gibt hier nicht viel. Die Hungersnot war fürchterlich. Manche Menschen haben sogar ihre Pferde und Hunde gegessen. Aber es gab Ziegen, bevor euch ein Verräter die Tore geöffnet hat. Ich weiß, daß im Konvent welche gehalten wurden. Ihr müßt sie nur finden.«

Ranald kam taumelnd auf die Beine. »Ich werde gehen, Onkel. Ich habe das Kind hierher gebracht.«

»Ja, das hast du. Aber du bist nicht in der Verfassung, durch die Gassen zu stolpern. Außerdem ist es klüger, wenn du Douglas Männern eine Weile aus dem Weg gehst. Setz dich.« Ranald gehorchte und Hacon erhob sich. »Ich werde gehen, aber ich glaube nicht, daß es viel nützen wird.«

»Ihr solltet es bei dem Haus versuchen, wo Ranald das Baby gefunden hat«, schlug Jennet vor, als Hacon sein Schwert gürtete. »Dort könnte eine Ziege oder Kuh versteckt sein. Die Hungersnot war so furchtbar, daß die Menschen es nicht gewagt haben, ihre Tiere unbewacht zu lassen. Eine Ziege könnte sogar im Haus versteckt sein.«

Während sich Dugald von Ranald den Weg zum Haus beschreiben ließ, wandte sich Hacon noch einmal an Jennet. »War es so schlimm?«

»Ja. Es wird sogar behauptet, daß einige Häftlinge ihre schwächeren Zellengenossen gegessen haben.« Sie zuckte nur mit den Achseln, als sie den Ausdruck des Entsetzens auf seinem Gesicht bemerkte. »Wenn es nichts zu ernten und kein Vieh mehr gibt, gibt es nichts zu essen. So einfach ist das.«

Hacon stürmte fluchend aus dem Haus, Dugald dicht auf den Fersen. Er hätte ihre Worte gern verächtlich abgetan, aber das war unmöglich. Es war die simple, bittere Wahrheit. Zu seiner Schande hatte er zu selten an die Unschuldigen gedacht. Er mochte gar nicht daran denken, wieviel Vieh er nach Dubheilrig getrieben hatte, da er nun erkannte, daß er dadurch mitschuldig an der Hungersnot war.

»Du solltest nicht auf die Kleine hören«, murmelte Dugald, der nun neben Hacon herging.

»Warum nicht? Sie sagt die Wahrheit.«

»Ja, aber was nützt dir das Grübeln? Du kannst es nicht ändern. So ist es nun einmal. Wenn du das Vieh nicht nimmst, tut es ein anderer, der dich für einen Dummkopf hält, weil du es hast stehen lassen. Und jeder Mann hier würde es uns nehmen, wenn er die geringste Möglichkeit hätte. So ist es nun einmal.«

»Das macht es nicht richtiger.«

»Nein, aber du kannst es nicht beenden. Du bist nur ein einzelner Mann, auch wenn einige, die gegen dich gekämpft haben, etwas anderes behaupten.« Dugald lächelte schwach, dann wurde er wieder ernst. »Du hast niemals eine Hütte oder ein Dorf in Brand gesteckt oder in wilder Mordlust alle niedergemacht, die dir in den Weg traten. Und die Männer, die mit dir reiten auch nicht. Das ist genug. Du bist nicht in der Lage, jeden Mann, der ein Schwert halten kann, an Mord, Plünderung oder Brandstiftung zu hindern. Nicht einmal der Bruce hat solche Macht.«

Hacon seufzte und nickte. »Und deshalb wird es immer so weitergehen. Sie haßt das, was ich bin.« Noch während er es sagte, fragte er sich, warum es ihn so berührte.

»Für so ein kleines Mädchen ist sie sehr verbittert. Aber das soll dich nicht davon abhalten, mit ihr ins Bett zu gehen.«

»Nein, das wird es auch nicht.« Hacon drehte den Kopf, um Dugald anzusehen und das Verständnis auf dem mürrischen Gesicht seines Vetters tröstete ihn. »Aber dennoch stört mich der Gedanke, daß ihr Körper sich mir öffnet, und vielleicht auch ihr Herz, ihr Verstand mich aber weiterhin für einen Schlächter halten wird. In ihren Augen bin ich ein Mann, der von Blut trieft und nach Tod stinkt.«

»Dann mußt du ihre Meinung ändern, obwohl ich nicht begreife, warum das wichtig sein sollte.«

»Ich auch nicht«, murmelte Hacon und machte sich wieder auf den Weg. »Ich auch nicht, aber das ist es, verflucht seien ihre wundervollen Augen.«

Sie liefen schweigend weiter, bis Dugald das Haus ausfindig gemacht hatte, wo Ranald das Kind gefunden hatte. Die Leiche der Frau lag noch immer mit gespreizten Gliedern davor. Die Leiche eines Mannes versperrte den Eingang. Das Kind, für das Ranald sein Leben riskiert hatte, war ganz offensichtlich eine Waise.

Einmal drinnen durchsuchten er und Dugald das geplünderte Haus. Die wenigen Überreste bewiesen unzweifelhaft, daß es keine armen Leute gewesen waren, aber sie fanden nicht, was sie brauchten. Hacon sammelte pflichtbewußt einige Kinderkleidung, um sie mit zurück zu nehmen. Er fand sich gerade damit ab, den Schwarzen Douglas um Hilfe bitten zu müssen, als ein schwaches Geräusch sie beide aufhorchen ließ.

Sie lauschten angestrengt und waren sich einig, daß das Geräusch von unten kam. Nach kurzer Suche entdeckten sie eine Falltür. Hacon, der zu groß war, mußte oben warten, als Dugald hinunter kletterte. Nachdem die drei verborgenen Ziegen losgebunden und hochgestemmt waren, stand Hacon einfach nur da und starrte sie an.

»Das Mädchen hatte recht«, murmelte er schließlich.

»Ja, sie scheint ein schlaues kleines Ding zu sein. Aber schließlich hat sie hier auch sieben Jahre lang gelebt.«

»Nun, zumindest bei der englischen Familie. Auch wenn sie einen Mann ganz schön aufregen kann, werde ich in Zukunft auf sie hören.«

Dugald nickte. »Sie ist gewitzt.«

»Du klingst überrascht.« Hacon grinste seinen Vetter an, als er drei Seilschlingen neben der Tür erspähte. Sie hatten ganz offensichtlich als Leinen für die Tiere gedient. Er ging hin und sammelte sie ein. »Ich wußte gar nicht, daß du Zweifel am Verstand der Frauen hast.« Er reichte seinem Vetter zwei der Leinen und begann die dritte am Lederhalsband einer der Ziegen zu befestigen.

Ein wenig traurig lächelnd tat Dugald es ihm nach. »Ich habe in letzter Zeit nur wenige Frauen getroffen, die nicht entweder vor Angst schrien oder vor Kummer weinten. In diesem fortwährenden Krieg hat ein Mann wenig Zeit, mit einer Frau zu tändeln.«

»Nein? Lind ich habe geglaubt, du hättest ein Auge auf die hübsche Margaret daheim in Dubheilrig geworfen.« Er lachte leise, als sein Vetter rot wurde und ein finsteres Gesicht machte. »Komm schon, wir sollten sie nach Hause bringen. Ich verstehe nicht viel von Säuglingen, aber ich weiß, daß sie einen Höllenlärm veranstalten können, wenn sie Hunger haben.« Er zog die Ziege hinter sich her und hörte belustigt zu, wie Dugald die beiden anderen verfluchte, die er hinter sich herzerrte.

»Ein Säugling, ein kleines Mädchen und jetzt auch noch drei verfluchte Ziegen«, murrte Dugald. »Glaubst du wirklich, wir schaffen es, sie über Berg und Tal zu ziehen?«

»Ich weiß, daß es schwierig wird, aber wir können sie unmöglich nach Dubheilrig schicken.«

»Also schleifen wir sie beim nächsten Überfall hinter uns her? Das ist doch Wahnsinn.«

Hacon verzog zustimmend das Gesicht, dann zuckte er die Achseln. »Was soll ich sonst tun?«

»Laß sie hier.«

»Dugald, du hast doch gehört, was ich dem Mädchen gesagt habe. Es war die reine Wahrheit. Wenn wir von den Engländern oder ihren Anhängern von hier vertrieben werden, wird man sie als Feind ansehen. Und so, wie wir uns verhalten haben, bedeutet das ihren sicheren Tod. Und wahrscheinlich keinen besonders leichten. Falls wir die Festung halten können, wird Douglas einige Männer als Besatzung hier lassen, und die werden sie als Gefangene betrachten und sie auch so behandeln.«

»Du könntest deinen Anspruch geltend machen.«

»Könnte ich, aber nicht jeder würde sich daran gebunden fühlen. Sobald ich fort bin, wird das nichts mehr wert sein. Er gilt nur solange, wie ich ihn mit meinem Schwert untermauern kann. Nein, sie bleibt bei mir. Wir lassen immer ein paar Männer beim Troß, die sich um die Beute und die Verwundeten kümmern. Sie kann bei ihnen bleiben.«

»Sie und das Kind.«

»Und das Kind.«

»Und die Ziegen.«

»Ja, und die Ziegen«, knurrte Hacon und funkelte seinen Vetter an. »Ja? Sag schon.«

»Sag was?«

»Du hältst mich für einen Narren.«

»Nein, keinen Narren. Sie ist sehr hübsch, das hübscheste Mädchen, das ich jemals gesehen habe. Ich würde mich fragen, was mit dir nicht stimmt, wenn du nicht scharf auf sie wärst.«

»Und warum hörst du dann nicht auf zu sticheln?«

»Ich wollte nur wissen, ob das Anhängsel zwischen deinen Beinen nicht deinen Verstand getrübt hat. Aber um eine Sache möchte ich dich bitten.«

Als Dugald zögerte, runzelte Hacon die Stirn. »Worum geht es?«

»Bestimme Ranald zum Wächter für sie und das Kind.« Er verzog das Gesicht. »Und für diese Mistviecher.«

Hacon seufzte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Du hältst ihn für einen erbärmlichen Kämpfer.«

»Nein, mach ihn zum Beschützer von Frau und Kind und er kämpft ebensogut wie jeder andere, sogar besser als die meisten. Das ist etwas, was er von ganzem Herzen zu tun bereit ist. Aber er hält das Schlachten nicht aus, Hacon. Er wird getötet werden, und wahrscheinlich ein oder zwei von uns mitnehmen. Er ist jemand, der einen gerechten Grund braucht, um gegen einen anderen zu kämpfen. Die Bedrohung seines Landes, seines Heims, seines Besitzes …«

»Oder eines kleinen, hübschen Mädchens und eines hilflosen Kindes.«

»Genau.« Dugald nickte. »Er taugt nicht auf dem Schlachtfeld. Er gehört zu denen, die man zurückläßt, damit sie die Familie beschützen. Er ist kein Feigling, das will ich damit nicht sagen, aber …« Er zog eine Grimasse.

Hacon lächelte und klopfte Dugald auf den Rücken. »Ich weiß, was du meinst. Du hast recht.« Im Weitergehen fügte er hinzu: »Ich hoffe nur, daß ich das fertigbringe, ohne seinen Stolz zu verletzen. Glaubst du, er ist in der Lage, das Mädchen an der Flucht zu hindern?«

Dugald erwiderte: »Sicher, auf jeden Fall, wenn du ihn darauf hinweist, daß sie im Falle einer Flucht ihren närrischen Kopf riskiert. Außerdem ist es besser, wenn er so wenig wie möglich mit Douglas Männern zu tun hat. Ich weiß nicht, wer sein Gegner war, aber zu Douglas Mannschaft gehören ein paar kalte, harte Männer. Sollten sie das Gefühl haben, daß der Junge sie beleidigt hat …«

»Dann wird es kein englisches Schwert sein, vor dem sich Ranald in acht nehmen muß. Sie werden die Verwirrung der Schlacht ausnutzen und den Jungen ermorden. Er kommt zur Nachhut. Ich muß es ihm bloß so sagen, daß er es nicht als Beleidigung oder Kritik auffaßt.«

***

Jennet schrie begeistert auf, als sie die Ziegen ins Haus führten. Sie verlor keine Zeit und fütterte das verärgerte Baby. Hacon kümmerte sich um Ranald und machte es dem Jungen auf einer Strohmatratze auf dem Boden bequem. Der Bursche würde noch ein paar Tage steif sein, aber Hacon war von Herzen froh zu sehen, daß er keine bleibenden Schäden behalten würde.

Es war spät in der Nacht, als Hacon sich endlich zu seinem Lager begab, einem Schaffell vor dem Feuer. Obwohl er Jennet nicht ausdrücklich gesagt hatte, daß sie sein Bett teilen würde, sah er auf ihrem Gesicht keine Überraschung, nur Verdruß, als er sie mit einer Geste aufforderte, sich hinzulegen. Wenigstens hat sie keine Angst, dachte er, als er die Riemen löste, die seine Cuarans hielten und die Lederstiefel auszog. Er war begierig, ihren zarten Körper an den seinen geschmiegt zu spüren. Während er sich bis auf die Hosen entkleidete, betrachtete er zynisch das Kind, das sie in die Mitte gelegt hatte.

»Der Trick wird nicht klappen, Mädel«, sagte er.

»Und welchen Trick meint Ihr, Sir Gillard?« Sie hatte nicht geglaubt, daß sie ihn damit erfolgreich auf Distanz halten konnte, aber so leicht durchschaut zu werden, kränkte sie. »Dies unschuldige Baby zu benutzen, um mich abzuschrecken. Legt es auf Eure andere Seite.«

»Dann liegt er zwischen mir und dem Feuer, das ist zu gefährlich.«

»Ach, ist dies das Problem? Nun, das ist leicht gelöst. Rutscht rüber, Mädchen, wir tauschen die Plätze.«

Sie fluchte innerlich, während sie tat, was er verlangte. Bisher hatte sie es leidlich geschafft, ihre Furcht im Zaum zu halten. Doch jetzt brach sie sich mit aller Wucht Bahn. Sie bemühte sich, sie zu unterdrücken. Sie hatte keine Möglichkeit, gegen ihn anzukämpfen. Ihre Furcht vor ihm zu verbergen war ihre einzige Möglichkeit, etwas von ihrem Stolz zu bewahren.

Sie versuchte, ihn nicht anzuschauen und hielt die Augen fest geschlossen. Zu ihrer großen Erschütterung war sein Bild bereits fest in ihre Netzhaut eingebrannt. Es war eigentlich unmöglich, aber in ihre Angst mischte sich auch ein Teil Faszination.

Er war viel zu gutaussehend, viel zu angenehm anzuschauen. Als er begann, sich zu entkleiden, hätte sie wegschauen sollen, aber sie konnte nicht. Er bestand nur aus festen, harten Muskeln. Ein weiches Dreieck blonder Locken, eine Schattierung dunkler als sein helles Haupthaar, kräuselte sich auf seiner breiten, glatten Brust, und lief dann in einer dünnen Linie seinen Körper hinab in seinen leinenen Lendenschurz. Seine langen, leicht behaarten Beine waren anziehend muskulös und ausgezeichnet geformt. Seine Haut war nicht bleich, wie sie vermutet hatte, sondern von einem warmen Goldton und er hatte bemerkenswert wenig Narben, die sonst so häufig einen Krieger verunstalteten. Eine verlief über seinen Oberschenkel, die andere über die rechte Hälfte seines Brustkorbs, aber keine von beiden war sonderlich groß oder abstoßend.

Ein Makel wäre nützlicher, dachte sie, als er sich neben sie legte. Der Gedanke bei ihm zu liegen, sollte sie eigentlich mit Abscheu erfüllen, aber das tat er nicht, nicht wirklich. Ein perverser Teil ihrer selbst wisperte, daß er wenigstens gut aussah und nicht nach Schlachtfeld roch, nun, da die Vergewaltigung unausweichlich schien. Dies verriet eine Schicksalsergebenheit, die sie erschreckte.

Sie vermutete, daß ihr die tatsächliche Bedrohung unwirklich erschien, weil er sie bis jetzt weder mit Gewalt genommen noch geschlagen hatte. Das war die einzige Erklärung dafür, daß sie ernsthaft darüber nachdachte, wie Hacon wohl als Liebhaber sein mochte. Sie wußte, daß nur wenige Frauen die Chance hatten, einen so gutaussehenden Mann in ihren Armen zu halten. Sie wäre wenig weiblich gewesen, hätte sie nicht zumindest kurz darüber nachgedacht, wie es wohl sein mochte. Nichtsdestotrotz konnten ihr in dieser Situation solche Gedanken und ihre Neugier gefährlich werden. Dieser Mann verhieß keine Liebe sondern Notzucht, nicht Verlangen sondern Schändung. Sie durfte das nicht vergessen.

Als er neben sie glitt und seinen Arm um ihre Taille schlang, erstarrte sie. Er nahm sich Freiheiten heraus, die sie augenblicklich und heftig hätte abwehren müssen, aber sie tat nichts dergleichen. Was würde das ändern? Es könnte ihn verärgern, was höchstens die Brutalität dessen, was sie erwartete, steigern würde. Schlimmer noch, sie empfand das Gewicht seines Arms als angenehm, tröstlich. Trotzdem verkrampfte sie sich instinktiv, als er begann, ihre Haare zu liebkosen und zog abwehrend die Schultern hoch. Spätestens jetzt erwartete sie eine gewalttätige Reaktion. Sie kam nicht. Verwirrung begann ihre Furcht zu verdrängen.

»Geht Ihr immer völlig bekleidet zu Bett«, erkundigte er sich, ignorierte ihre hochgezogenen Schultern und knabberte zärtlich an ihrem Ohr.

»Natürlich nicht, aber ich ziehe mich doch nicht in einem Raum voller Männer aus.« Sie bemühte sich einen kühlen Kopf zu bewahren, aber sie reagierte auf die Wärme seines Mundes, ihr Blut erhitzte sich auf eine Weise, die sie zu verleugnen suchte.

»Ich würde sie nicht zuschauen lassen. Ich würde uns mit meinem Plaid bedecken.«

»Ihr besitzt kein Plaid, zumindest habe ich keines gesehen.«

»Nun, ich trage es nicht ständig. Ich würde Euch darunter vor ihren Blicken verbergen und Euch ganz fest halten.«

»Wenn Ihr mich noch fester haltet, werdet Ihr gleich zwischen mir und dem Kind liegen.«

»Obwohl es mir leid tun würde, Euch so zuzudecken«, murmelte er und ignorierte ihre freche Bemerkung. »Ich möchte Eure Schönheit mit eigenen Augen sehen.«

»Eher schlägt Euch die Altersblindheit.«

Sie war sich sicher, daß er grinste. Sie konnte es beinah spüren, dann fragte sie sich, wieso. Ein Teil ihres Wesens wußte, daß sie ihm trauen konnte. Aber das war purer Irrsinn. Dieser Mann hatte Berwick mit dem Schwert in der Hand betreten, ein Nonnenkloster entweiht und sie, ohne ihr die geringste Wahl zu lassen, aus ihrem Leben gerissen. Jetzt würde er sie zu seiner Hure machen. Er wollte seine Lust an ihr stillen, wie es die Soldaten des Bruce mit ihrer Mutter getan hatten, bevor sie ihr die Kehle durchschnitten. Sie sollte für ihn nur Haß und Verachtung empfinden, aber das war ganz und gar nicht der Fall.

Die Art, wie er ihren Bauch streichelte, ließ in ihr seltsame Gefühle entstehen. Unter seinen langsamen, müßigen Liebkosungen kochte die Hitze in ihrem Körper beinahe über. Sie wollte, daß er damit aufhörte, aber traute sich nicht, seine Hand wegzuschlagen. Ihre Mutter hatte sich gegen ihre Vergewaltiger gewehrt und war um so brutaler geschändet worden. Sie mußte völlige Gleichgültigkeit Vortäuschen, sich kalt geben wie die Wintersonne. Sie ertappte sich bei dem Wunsch, er möge sie einfach nehmen und fertig. Dann aber entschied sie, daß die Verwirrung ihren Geist benebelte. »Hört auf«, sagte sie schließlich und versuchte sich aus seiner Umarmung zu befreien. »Ich möchte schlafen.«

»Wißt Ihr, was ich möchte, Jennet?«, flüsterte er in ihr Ohr. »Nein, und es interessiert mich auch nicht.« Sie fragte sich, wie weit sie gehen konnte, und ob es klug war, diese Grenze auszuloten.

Er ignorierte ihre Antwort und fuhr fort. »Ich will Euch – nackt und warm in meinen Armen. Ich will Eure Hitze spüren, wenn Ihr mich umschlingt.« Er stützte sich auf seinen Ellbogen, beugte sich über sie und küßte sie auf die Wange. »Ich will diesen verlockenden Mund« – er fuhr langsam mit dem Finger ihre Lippen entlang – »weich und feucht von meinen Küssen sehen. Ich will sehen, wie dieses süße Gesicht vor Verlangen glüht – vor Verlangen nach mir.«

»Nun …«, sie fluchte lautlos, als ihre Stimme unnatürlich hoch und gequetscht herauskam. »Ich hoffe für Euch, daß Ihr ein Mann seid, der eine Niederlage mit Würde tragen kann, denn ich habe nicht vor, einen einzigen Eurer Wünsche zu erfüllen.«

Er ließ sich auf das Schaffell zurücksinken, ohne seine Umarmung zu lösen. »Zumindest nicht heute nacht.«

»Niemals«, murmelte sie.

Ihr war kurzzeitig schwach vor Erleichterung, als ihr klar wurde, daß sie, zumindest für diese Nacht, sicher war. Allerdings beunruhigten sie die Gefühle, die hinter ihrer Erleichterung und Furcht lauerten. Noch niemals hatte ein Mann so mit ihr gesprochen. Ein oder zwei hatten ihr deutlich gemacht, daß sie mit ihr ins Bett wollten, aber auf viel rüdere Art. Sie wußte nicht, was sie von Hacons leisen, erregenden Worten halten sollte. Sie weckten Vorstellungen in ihr, verlockende, sündige Bilder.

Sünde, wiederholte sie in Gedanken. Notzucht. Sie mußte daran festhalten und an der Erinnerung an das grausame Schicksal ihrer Mutter. Auch wenn er wie durch ein Wunder beschlossen hatte, sie zu verführen statt zu vergewaltigen. Was Hacon Gillard im Sinn hatte, war Sünde! Eine Sünde, für die sie einen wesentlich höheren Preis zahlen mußte als er.

Kapitel 3

Hacon fluchte und kämpfte darum, die um sich schlagende Jennet festzuhalten. Er war gerade erst eingeschlafen, nachdem er das Verlangen, seine hübsche Gefangene zu besitzen, mühsam unterdrückt hatte, als ihn Jennets Schreie aus dem Schlaf rissen – ein Albtraum quälte sie. Ihre Schreie hatten seine Männer alarmiert, die sofort wachsam und kampfbereit auf die Füße gesprungen waren. Als er Jennet endlich sicher in den Armen hielt, erkannten sie den Grund für den Lärm und legten sich wieder zur Ruhe.

Er machte ein mißmutiges Gesicht, während ihre Tränen seine Brust hinunterrannen. Das war nicht die zärtliche Umarmung, die er sich erträumt hatte.

»Maman! Maman! Aufhören, bitte hört auf. Tut ihr nicht weh!«

»Schsch, Kleine. Ganz ruhig.« Er schüttelte sie leicht. »Wacht auf, Liebes.«

Jennet kämpfte sich langsam aus ihren furchtbaren Erinnerungen zurück in die Realität. Sie brauchte einen Moment, um herauszufinden, wo sie sich befand, dann aber heuchelte sie auch weiterhin Verwirrung, weil sie in seinen Armen bleiben wollte. Die Art, wie er seine großen, rauhen Hände über ihr Haar und ihren Rücken gleiten ließ, besänftigte ihr Zittern. Sie wünschte, er könnte ebenso mühelos die schmerzerfüllten, blutigen Erinnerungen wegwischen, die sie verfolgten.

»Manchmal kann ich sogar das Blut riechen«, flüsterte sie, und erhob keine Einwände, als er sie noch enger an sich zog.

»Redet Ihr von der Ermordung Eurer Mutter?«