Der Gesang der Sterne – Erzählungen und Novellen - Frank Neugebauer - E-Book

Der Gesang der Sterne – Erzählungen und Novellen E-Book

Frank Neugebauer

0,0
3,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein Leben mit fremdartigen, außergalaktischen Wesen hier auf der Erde, in unbekannten Weiten, auf anderen Planeten oder in fernen Sonnensystemen einer unbestimmten Zukunft; wer sagt uns, dass das nicht möglich ist?
Frank Neugebauer erzählt in seinen erstmals in dieser Form zusammengefassten fantastischen Erzählungen und Novellen unter anderem von einer Zugfahrt, die bereits zu Beginn keine normale Reise ist, von einem Gefreiten, er von sich behauptet: »Alles, was ich anfasse, wird zur Waffe. Brett, Nagel, Tasche – jegliches. Tischbein, Erdklumpen, Zuckerpackung – jedwedes. Nennt mich Kain von Midas! Ha, Kain von Midas!«. Eine unbezwingbare Maschine säht Tod und Verderben auf einem fernen Planeten. Doch wozu? Der Planet ist unbewohnt, der nächste Krieg Lichtjahre entfernt. Schließlich kommt die Maschine hinter das fantastische Geheimnis ihrer Existenz und zerbricht doch daran. Und während man im Grenzland des Lebens einen Hochverräter verfolgt, passiert anderenorts etwas Ungeheuerliches …
Lasse Sie sich mit dem GESANG DER STERNE in eine fantastische Welt entführen, in der Science-Fiction zur Wirklichkeit wird.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



 

 

 

Frank Neugebauer

 

 

Der Gesang der Sterne

 

 

 

 

Science-Fiction 

 

 

Erzählungen und Novellen

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv

Cover: © by Steve Mayer mit Bärenklau Exklusiv, 2024 

Korrektorat: Bärenklau Exklusiv

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

www.baerenklauexklusiv.de

 

Die Handlungen dieser Geschichte ist frei erfunden sowie die Namen der Protagonisten und Firmen. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht gewollt.

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Das Copyright auf den Text oder andere Medien und Illustrationen und Bilder erlaubt es KIs/AIs und allen damit in Verbindung stehenden Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren oder damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung erstellen, zeitlich und räumlich unbegrenzt nicht, diesen Text oder auch nur Teile davon als Vorlage zu nutzen, und damit auch nicht allen Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs nutzen, diesen Text oder Teile daraus für ihre Texte zu verwenden, um daraus neue, eigene Texte im Stil des ursprünglichen Autors oder ähnlich zu generieren. Es haften alle Firmen und menschlichen Personen, die mit dieser menschlichen Roman-Vorlage einen neuen Text über eine KI/AI in der Art des ursprünglichen Autors erzeugen, sowie alle Firmen, menschlichen Personen , welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren um damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung zu erstellen; das Copyright für diesen Impressumstext sowie artverwandte Abwandlungen davon liegt zeitlich und räumlich unbegrenzt bei Bärenklau Exklusiv. Hiermit untersagen wir ausdrücklich die Nutzung unserer Texte nach §44b Urheberrechtsgesetz Absatz 2 Satz 1 und behalten uns dieses Recht selbst vor. 13.07.2023. 

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Der Gesang der Sterne 

Rekordomoran 

Von Bremen nach Glüxhaven durchs Devon 

AufzuchtstatI/On für Soldaten 

Disko-Inferno 

Echser: X’R  

Epimetheus 

Das Erwachen der elektrischen Burg 

Haruspex 

Dies Scherengitter 

Auf dem Weg zur entfremdeten Arbeit 

Gejagt im Grenzland des Lebens 

Von Frank Neugebauer ist weiterhin erhältlich, oder befindet sich in Vorbereitung. 

 

Das Buch

 

 

Ein Leben mit fremdartigen, außergalaktischen Wesen hier auf der Erde, in unbekannten Weiten, auf anderen Planeten oder in fernen Sonnensystemen einer unbestimmten Zukunft; wer sagt uns, dass das nicht möglich ist?

Frank Neugebauer erzählt in seinen erstmals in dieser Form zusammengefassten fantastischen Erzählungen und Novellen unter anderem von einer Zugfahrt, die bereits zu Beginn keine normale Reise ist, von einem Gefreiten, er von sich behauptet: »Alles, was ich anfasse, wird zur Waffe. Brett, Nagel, Tasche – jegliches. Tischbein, Erdklumpen, Zuckerpackung – jedwedes. Nennt mich Kain von Midas! Ha, Kain von Midas!«. Eine unbezwingbare Maschine säht Tod und Verderben auf einem fernen Planeten. Doch wozu? Der Planet ist unbewohnt, der nächste Krieg Lichtjahre entfernt. Schließlich kommt die Maschine hinter das fantastische Geheimnis ihrer Existenz und zerbricht doch daran. Und während man im Grenzland des Lebens einen Hochverräter verfolgt, passiert anderenorts etwas Ungeheuerliches …

Lasse Sie sich mit dem GESANG DER STERNE in eine fantastische Welt entführen, in der Science-Fiction zur Wirklichkeit wird.

 

 

Dieser Band enthält folgende Geschichten:

 

› Rekordomoran

› Von Bremen nach Glüxhaven durchs Devon

› AufzuchtstatI/On für Soldaten

› Disco-Inferno

› Echser: X’R

› Epimetheus

› Das Erwachen der elektrischen Burg

› Haruspex

› Dies Scherengitter

› Auf dem Weg zur entfremdeten Arbeit

› Gejagt im Grenzland des Lebens

 

 

***

Der Gesang der Sterne

 

Erzählungen und Novellen

 

 

Rekordomoran

 

Erst nach drei Wochen hat Redleffs seine Zurückhaltung aufgegeben. Er nahm einen Platz ein, den wir ihm nicht zugedacht hatten. Ich meine das ganz buchstäblich: einen Platz einnehmen, wegnehmen, aufbrauchen. Das Gelände, das sich fürs Kampieren eignete, war längst abgesteckt und konnte nicht ohne weiteres erweitert werden. Redleffs hielt sich natürlich daran, überschritt nicht die Grenze, die gar so ohne Sinnlichkeit nicht war – denn wir hatten Pfähle in den Torfboden gehauen und ein weißes Flatterband rund ums Zeltlager gespannt. Weil Redleffs aber konsequent bei den Vorschriften blieb und nicht ins geschützte Stück des Hochmoors auswanderte, baute er im Innern des Karrees; und wir hatten das Nachsehen.

 

*

 

Doch durchaus … Sie ließen mich spüren, wie wenig es Ihnen passte, dass ich die Voliere zwischen den Wohncontainern und den Wissenschaftskabinen aufgestellt hatte. Jedoch geschah das strikt nonverbal, ein Blick reichte. Nein, auf den Vogelbauer angesprochen, gerade heraus, wie man es sich wünscht, hat mich niemand. Sie brachten die uralten Mittel in Anschlag, um mir ihr Missfallen hübsch deutlich einzubläuen: die Nase gerümpft, in weitem Bogen um die Voliere, der Pfad, der ursprünglich hart am Vogelgitter entlangführte, beulte sich nach ein paar Tagen, vielleicht noch am selben Tag nach Ablauf weniger Stunden, vom Morgen bis zum Nachmittag nur, sichtlich aus, gewann Distanz auf mein Geflügel, rückte ab, legte eine Menge Boden dazwischen. Ja, paradox, wo es den anderen doch ausgerechnet darum ging, keinen Raum auf der knappen Scholle zu vergeuden, keinen Fingerbreit Kampierungsfläche preiszugeben – und dann der verschwenderische Bogenschlag!

 

*

 

Etwa die Gestalt eines Fasans, auch eines Prachtleierschwanzes; natürlich wich die Kopfpartie deutlich davon ab, sie bestand wie bei allen Tieren Zwölfhundert-Pietnams aus einer Anzahl in sich gefurchter Hautlappen von fleischroter Farbe. Kein schöner Anblick. Doch Redleffs’ Entscheidung, einen Vogel zu halten und den entsprechenden Bau dafür aufzuführen, war unter keinen Umständen anzufechten, das gaben die Statuten der Dienstverrichtung für extraterrestrische Expeditionen nicht her, ein juristisches Aufbegehren von unserer Seite wäre ins Leere gelaufen. Aber es juckte uns doch, ihm unsere Meinung zu verdeutlichen. Außerdem stellte der Geruch, der dem Gefieder des Tiers entströmte, genug reale Ursache dar, um einen weiten Bogen um die Voliere zu machen.

 

*

 

Von mehr, als in dem Dossier über Zwölfhundert-Pietnam zu lesen stand, wusste ich nicht. Mir genügte die Auskunft, dass das Hochmoor die Reste einer Stadt verbarg, mit langem Atem Architektur wie Artefakt einschichtete, blaugraue Torfe an die Seite der Bauten legte und über ihre unteren Stockwerke hinwuchs. Der Abschluss der Torfe gegen die Bauwerke, die feinen Ränder und eleganten Überwallungen, alles das war in Wirklichkeit keineswegs von solcher Harmonie, wie es diese Satellitenaufnahme ins Bild setzt. Die pustelige Rändelung fortkorrodierter Eisenträger kam einem öfter unter die Füße, wenn man die Wege ins Experimentierfeld hinausnahm, als einem lieb war. Mehr als einmal angelte der Schrott uns Leute von den Beinen, wenn das Gewicht den Körper durch manche rostige Haube holte und in den kavernierten Untergrund nachziehen wollte. Der Beton hatte es nicht weniger in sich; an den Schratten schlitzten wir unsere Kleider auf; die Karrenwannen auf erodiertem Gesimse wirken auf den Fotografien hier nur weniger bedrohlich, weil Torfmoose, die in dünner Decke aufliegen, sie weichzeichnen.

 

*

 

Unser Unmut erwuchs aus dem Missverhältnis von Bescheidenheit, Fleiß, Loyalität früher und Frechheit, Übermut, Eigensinn später. An Bord der LEBENDIGES FOSSIL konnten wir uns des beinahe maschinenhaften Funktionierens Redleffs’ sicher sein. Wie soll ich das näher erläutern? Verstehen Sie bitte, dass wir Wissenschaftler gleichsam Gepäck vorstellten, solange wir nicht nach Zwölfhundert-Pietnam ausgeschifft waren. Die vier aus der Lenkkanzel besuchten eine eigene Messe, wenn sie aßen, ihre Quartiere befanden sich unweit des Bugs, die unseren nahe beim Rücken. Wir zollten der Crew ohne jede Übertreibung allen erdenklichen Respekt; ihre Aufgabe, uns von der Erde nach Zwölfhundert-Pietnam zu bringen, erfüllten sie mit Bravour. Lenkkanzel und technische Besatzung: vor unserem Auge verschmolzen sie zu einer kompakten Funktionseinheit – dass sich in der Person von Redleffs einer herauslösen sollte, ahnten wir nicht voraus. Als es auf Zwölfhundert-Pietnam eintrat, mussten wir anderen sehr enge Fesseln anlegen, um unsere Gefühle zu bezwingen.

 

*

 

… anfangs durch den Vegetationsgeographen Tschenparikeffsky. Von seiner Art der Thesenbildung hielt ich eine Menge; noch an Bord hatte er auf bescheidene Art gute Vorschläge gemacht, selbst zu für ihn fachfremden Problemen, genau! Also schloss ich mich Tschenparikeffsky gerne an, als er mich einlud, ihm bei der Baumhöhenvermessung zu assistieren. Sein wissenschaftliches Credo bestand darin, die Umgebung eines neuen Planeten gestalthaft zu erfassen und nicht von vornherein streng zu zergliedern; ein paar von den anderen Wissenschaftlern, allen voran der grimmige Xeno-Metallurge, beäugten argwöhnisch Tschenparikeffskys unorthodoxe Arbeitsweise. In der reellen Geländearbeit hieß das willkürlich von den dominanten Artefakten absehen, von den Mauerstümpfen, den eingeknickten Pfeilern, den Kuppen der überwachsenen Straßen. Tschenparikeffsky befasste sich lieber eingehend mit der Frage, wie hoch die Bäume aufwuchsen; man konnte daran erkennen, ob sie vor nicht allzu langer Zeit einmal abgeholzt worden waren. Das Hochmoor war mindestens 8000 Jahre alt, doch die am Stubben ausschlagenden Bäume konnten Auskunft über Eingriffe humanoider Lebensformen in die Umwelt geben, die noch in junger Vergangenheit, in geschichtlicher Zeit lagen.

 

*

 

Wir hatten, nachdem telemetrische Daten in genügender Anzahl eingelaufen waren, die Hypothese aufgestellt, dass die humanoide Lebensform Zwölfhundert-Pietnams den Planeten in Raumschiffen verlassen hatte. Sie werden meine Anwesenheit auf Pietnam sofort verstehen, wenn Sie sich vor Augen halten, dass Güte und Reife metallischer Legierungen am ehesten Aufschluss darüber geben, ob eine Spezies in der Verfassung ist, Schiffe für den interstellaren Raumflug zu konstruieren. Redleffs tat, was allerdings sein gutes Recht war, als sei ihm diese Generalhypothese unbekannt. Er half die ersten drei Wochen Tschenparikeffsky. Die Bundschaft konnte mich nicht wundern; dem Vegetationsgeographen saß nämlich der gleiche Dickschädel obenauf. Anstatt sich mit den nächstliegenden, seinen dringlichsten Aufgaben vertraut zu machen, anstatt den Wuchs in den Gebäudehöhlungen zu untersuchen, streifte er zusammen mit Navigator Redleffs gegen Süden, wo auf nährstoffreicherem Grund Moorwald aufwuchs. Wir anderen haben uns nicht weiter damit aufgehalten. Das Landungsstatut sieht jedoch wissenschaftliche Freizügigkeit vor. Ich werde den Teufel tun, und jemandem in disziplinäre Geschäfte hereinreden. Das Wort eines kleinen Metallurgen gilt ohnedies nicht sehr viel.

 

*

 

Nein, nein, nein, wenn Sie das voraussetzen, gehen Sie in die Irre. Ich weiß, heutzutage meint man, ein einzelner Mensch könne gar nichts mehr entdecken, sondern nur noch das Team. Um der Natur etwas abzuluchsen braucht es aber weder einen großen apparativen Aufwand noch die theoretische Vorbereitung von langer, langer Hand. Das war der Theodolit, den ich umriss. Über der Arbeit an Tschenparikeffskys Projekt war die Dämmerung über den Wald hereingebrochen; ich trat rückwärts an die Kiste und fädelte unglücklich ins Dreibeinstativ ein. Der Theodolit warf sich mir entgegen, und ich hielt ihn dumm vor die Brust; das Dreibein jedoch schlug laut und metallisch gegen das Kistenblech. Weshalb ich das so genau erzähle? Weil diese Tonfolge: mein Tritt ans Stativ, mein Aufschrei, das metallische Klingen, weil dieser Dreiklang, der auf leichte Weise kaum von der Natur erzeugt werden konnte, weil dies naturalistische Kurzhörspiel in beiden darauffolgenden Nächten aus dem Wald widerhallte! Es war ein unmögliches Echo – und rührte von einem Tier her, das über eine große Stimmbegabung verfügen musste. Ich hatte die Hartschale leicht aufgeschoben, um nachts besser atmen zu können, die Nacht lagerte direkt vor dem Zelt, süßliche Ausgasungen von Pflanzen durchdrangen sie und störten meinen Gleichgewichtssinn. Das war der Grund, weshalb ich den Fang des lautimitierenden Tiers auf den nächsten Tag verschob.

 

*

 

Mit keinem Wort! Redleffs hat seine Beobachtung … Ach, es war ein nächtliches Geräusch? Jedenfalls hielt er es nicht für nötig, Meldung zu machen. Bitte gestatten Sie mir noch einen Blick auf den Computerauszug! Was soll ich darauf antworten? Offensichtlich haben wir Redleffs’ ordnungsgemäße Eintragung übersehen.

 

*

 

Zunächst nahm ich Abstand, doch am Abend wurde ich redselig, weil wir zu einem guten Stück Fleisch – ja, richtig, Fleisch eines erjagten Tiers, einer Art Kaninchen – Wein getrunken hatten. Das dünkte uns wie eine schöne Verschwisterung der beiden Planeten Erde und Zwölfhundert-Pietnam. Von den Wissenschaftlern schloss sich uns Kanzelleuten lediglich Tschenparikeffsky an. Gegen die anderen wuchs im Laufe des Essens ein Staketenzaun aus Soßenflaschen auf. Zwischen den Etiketten und roten Flaschenbäuchen blickten sie feindlich herüber.

 

*

 

Bei diesem Fressen soll Redleffs alles ausgeplaudert haben? Den Anblick ertrug man nur schwer: die Leute drehten grob die Keulen aus dem Braten, alle sechs. Ich kann nicht in Abrede stellen, dass nicht Teile der Rede zu uns herübergeweht wären – übrigens stark alkoholisch verschossen. Das Wort „Geflügel“ mag gefallen sein. Doch wir gaben nichts darauf, angesichts des Mahls … Unzweifelhaft sprachen sie übers Essen!

 

*

 

Schließlich gelang es mir doch. Der Nebel dünstete aus dem Moor, zum Wald hin schwächelte er bereits, unter den Bäumen war es klar. Die Intensität des Rufs erhöhte sich gegen morgen, wie ich mittlerweile herausgefunden hatte, eher noch. Sehen Sie, das ist ein weiteres Beinpaar, an diesem Skelettpräparat kann ich es gut zeigen. Anfangs macht es einen schaudern, aber schließlich empfindet man es als großen evolutionären Wurf, dass sich das Hexapodentum auf Zwölfhundert-Pietnam bei allen Chordatieren durchgesetzt hat. Nein, Vögel laufen nicht auf vier Beinen, sie verfügen über ein zusätzlichen Schwingenpaar, ähnlich wie unsere irdischen Insekten. Auf jeden Fall legte ich als Köder eine Spur von Pflaumen aus, Pietnam-Pflaumen. Sie wachsen wie manche Pilze dicht unter der Krume, der Rekordomeran scharrt sie frei, weil er ganz wild darauf ist. Erstaunlich übrigens, dass die aphrodisiakische Wirkung nicht nur bei den Rekordomoranen eintritt, sondern auch bei uns Menschen, Lebewesen, die von einem sechshundertsiebzig Parsek entfernten Planeten stammen …! Ein guter Teil der nächtlichen, schwindelerregenden Süße stammte von den Pietnam-Pflaumen.

 

*

 

Redleffs hatte ein Tier gefangen, das gut Stimmen imitieren konnte. Es tschilpte seinen eigenen urtümlichen Gesang und addierte, je länger es in der Voliere Gelegenheit hatte, uns zu belauschen, Geräusche menschlicher Verrichtungen hinzu. Wir beurteilten diese Lautkulisse bald als nachteilig. An den Wiederholungen wurden wir fast krank.

 

*

 

Ich zerlegte den Rekordomoran fachgerecht, den Umgang mit Geflügel hatte ich als junger Mann bei meinen Eltern erlernt. Weder dem Tier noch dem Rest des Teams mutete ich … Nein, in die Freiheit wollte ich den Vogel nicht mehr entlassen, mir schien, dass es nicht gut wäre, wenn er aufgeschnappte Worte an seine Artgenossen weitergäbe. Sicher, die menschliche Sprache wäre sofort eingeschleppt worden – es war Balzzeit, die Interaktion unter den Rekordomoranen hochfrequent. Da stimme ich Ihnen zu: wie ein Papagei, nein, er hat niemals den Sinn dessen, warüber er parlierte, begriffen.

 

*

 

Von Tonaufnahmen weiß ich nicht. Redleffs hatte wie alle anderen Zugang zu den Geräten.

 

*

 

Das habe ich mir gedacht! Dieser Verdacht hatte mich bewegt, die Aufnähmen zu machen. Also Sprache verbirgt sich hinter dem Gesang. Das ist Gerede, Geflüster, Geschrei der Menschen Zwölfhundert-Pietnams – welches ein urzeitlicher Rekordomoran in sein Repertoire aufgenommen und repetiert hat, bis die anderen seiner Art und Zeit einfielen und in unbewusster „Tradition“ auf die Jungvögel übertrugen, indem sie das gleiche Motiv wieder und wieder sangen – bis auf den heutigen Tag! Wird man jemals mehr erfahren als dies: dass dem Vogeltirilieren eine Sprache fremder Menschen unterliegt?

 

*

 

Redleffs trägt die Schuld. Er hätte darauf dringen müssen, die Forschungen in Richtung auf die Rekordomorane zu verlagern. Jetzt ist es zu spät, wir sind abgeflogen, ohne von dieser einmaligen Wissensquelle, wie sie der Gesang vorstellt, gekostet zu haben. Wann, sagen Sie, startet die LEBENDIGES FOSSIL II, in fünf Jahren erst. Das ist eine halbe Ewigkeit, und mein Forscherleben dann bereits beendet.

 

*

 

Ich freue mich daran, weil ich die Entdeckung einer derart verkappten, versteckten, unter Gefieder verborgenen Botschaft nicht auf der Rechnung hatte, die ich vor Antritt der Expedition nach Zwölfhundert-Pietnam aufgemacht habe. Wann, sagen Sie, startet die LEBENDIGES FOSSIL II, in fünf Jahren schon. Ich überlege, wem ich meinen Platz vermache, denn ich selbst als Navigator kann die Forschung doch nicht effizient vorantreiben; vielleicht dem alten Xeno-Metallurgen, möglich, dass er sein Herz an die zweite Expedition noch zu hängen imstande ist.

 

 

***

Von Bremen nach Glüxhaven durchs Devon

 

In Delmenhorst stiegen ein hoher Deichgraf und ein harter Strandvogt steif und verschlossen zu. Dem schwärzlichen Paar hockten dicke, fleischige Wollkappen tief im Gesicht. Die großen Nasen waren in den finsteren Gesichtern wie Segel aufgestellt. Ihre langen, drahtigen, blonden Haare reichten über die Kragen bis auf die dunkelgrünen Mäntel herunter. Auf den Schulterstoffen krustete Salz vom Seewasser weiß und gelblich auf.

Die beiden setzten sich in die Nische nahe der Abteiltür. Ihre Beine und Arme waren für die Enge des Zuges nicht gemacht, so dass sie eine lange Weile aneckten und verkanteten, bis sie eine erträgliche Position gefunden hatten.

Der Zugführer hatte keine Eile, denn er wusste, wo er die Strecke vorteilhaft abkürzen konnte. Schleifend kamen wir in Bremen-Neustadt zum Stehen, dort, wo der Blick zwischen den Lagerhallen hindurch schon mal auf die leeren Fahrwasser der aus- und eingezweigten Weser geht und an den fest gemachten, halb sinkenden, gerade noch dümpelnden Kähnen und Schiffen stockt.

»Die Weiterfahrt nach Glüxhaven verzögert sich um vier Minuten!« Die röhrende Stimme aus dem Bahnhofslautsprecher bat zerwehend um unsere Geduld.

Schlaff angestoßen stand ich auf und schob das Fenster herunter und lehnte mich hinaus. Ein kalter Wind fegte mir ins Gesicht, dass ich schnappte. Aber der frische Hauch war schon durchseucht vom Feinruß der wummernden Diesellokomotive.

Ein blauer, chinesischer Wurm schlängelte sich die schmalen Betontreppen der Bahnstation hinauf. Zehn runde, freundliche Gesichter übersahen den Zug in seiner Länge; und der Kopf befahl seinen Gliedern, auf unseren Waggon einzuschwenken. Der Wurm tanzte in unser Zugabteil, schwankte wie ein Lebewesen, und die zehn Menschen verteilten sich auf die Plätze. Gänzlich uneuropäisch belagerte die chinesische Delegation in blauen Hosen und Jacken je zu dritt einen Doppelplatz. Die neun Männer fiepten ein langes asiatisches Gespräch, schon als der Zug anfuhr.

Die weiße Pflaumenblüte von Mitte Zwanzig, die die Delegation schmückte, drehte sich noch unschlüssig im Kreis, so dass ihr Kleid plötzlich auch rosa erschien. Die einzige Frau der Gruppe Funktionäre blickte mich schmelzend an und setzte sich mir gegenüber auf die Bank, auf Abstand zu meinem Gepäck bedacht, das ich dort abgestellt hatte.

Abrupt, als wäre der Entschluss nicht gereift, sondern sauer aufgestoßen, stellten sich die norddeutschen Deichgrößen hin und stakten durch den Mittelgang – einmal auf und ab. Sie rapportierten im Innern genauestens, dass Angehörige des befreundeten Volkes hier saßen. Anscheinend empfanden sie die neue Völkerfreundschaft als eben noch erträgliches Übel.

Eine Betonmauer, die bislang in einigen Metern Entfernung den Zug eskortiert hatte, sprang plötzlich brutal vor und zwang mich, den halben Blick vom Fenster, das nach draußen ging, zu nehmen und die Chinesin voll anzusehen. Die Pfirsichfrau machte sich unter den prüfenden Blicken der beiden Strohblonden so klein, dass ich annahm, sie wünschte sich in eine dritte Klasse, wenn es eine solche gegeben hätte. Sie war, meinem ersten Eindruck entgegen, gar nicht vierundzwanzig oder fünfundzwanzig, sondern wohl schon über die Vierzig hinaus. Um die Augen zeichneten sich Lachfältchen ab, aber weil ich nicht einschätzen konnte, weshalb Chinesen lachten, vielleicht aus reiner Höflichkeit, konnten die Falten auch ein Abzeichen seelischen Schmerzes sein. Seit der Raumfahrtkatastrophe waren die Chinesen zwar in geografischem Maßstab bis auf Armeslänge herangerückt und hatten ihr Land wenig südlich von Münster, doch Nachbarn waren sie deshalb noch nicht.

 

*

 

»Wohin reisen Sie?«, fragte sie im ungetönten Deutsch der Dolmetscherin.

»Von Bremen nach Glüxhaven durchs Devon«, sagte ich sinnlos, denn die Route war fahrplanmäßig festgelegt; aber ich hatte auch gelogen, denn ich war schon ein paar Stationen vor Bremen eingestiegen; sofort wurde mir noch unbehaglicher zumute.

Sie antwortete: »Natürlich, durchs Devon, ich bin schon sehr gespannt darauf!«

Ahnte sie, dass es mir immer schwerfiel, einen trüben Eindruck, den ein Anblick bei mir hinterlassen hatte, aus meinem Gesicht zu tilgen? Jedenfalls sah man mir die Enttäuschung noch deutlich an, die mir der einfahrende Zug vor einer halben Stunde auf dem Bahnsteig bereitet hatte. Vermutlich hatte ich erwartet, dass ein Zug, der eine Dimension zerbricht, mit Trara einher donnern müsste und von einer stolzen, schnittig-modernen Lok angeführt würde. Aber es war dann doch nur die dellige Wölbung einer Standard-Lok unserer Sechzigerjahre in der Farbe venösen Bluts gewesen, die mich einlud mitzufahren.

»Glauben Sie nicht, dass ich zu denen gehöre, die den Chinesen die Schuld daran geben, dass unsere schöne Welt prismatisch zersprungen ist!«, entgegnete ich verschnupft. »Wir haben den Weltraum verloren, das Devon aber gewonnen. Wenngleich ich darin, dass wir das Schwanenhals-Feld nicht weit genug ausdehnen können, um wirklich das Devon zu besiedeln, einen Schönheitsmakel erkenne.«

Sie reagierte auf meine Ironie ausweichend, erhob sich leicht und legte die Hände zusammen (in einer Geste, die uns Abendländern wie Beten vorkommt) und verneigte sich höflich. »Aber der Anfang ist gemacht!«

Der Zug geriet in diesem Moment in eine Schikane und bremste stark ab. Die Dolmetscherin stürzte vor und traf mit ihrer runden Stirn meine Nase. Schmerzhaft presste sie mir die Brille auf die Nasenwurzel. Wir berappelten uns eilig, setzten uns verlegen auf die Plätze zurück, aber ich haderte doch mit ihr, weil meine Wimpern bei jedem Lidzucken jetzt ungut innen am Brillenglas entlangwischten.

 

*

 

Die Schikane war eingebaut worden, um die Züge auf eine Geschwindigkeit abzubremsen, die die Einfahrt in die Dimensionspforten ermöglichte. Auf halbem Wege zwischen Bremen und Wesermündung verlief in Nord-Süd-Richtung ein tektonischer Grabenbruch von dreihundert Metern Breite. Das Gelände war hier um zwanzig bis fünfzig Meter eingesunken. Auf dem Boden des trockenen Flusses, der das Weserwasser wundersamerweise nicht einließ, spiegelten sich quecksilbrige Pfützen, ein bislang unidentifizierter Stoff in einem unbekannten Aggregatzustand, das so genannte Mondblut, wie der Volksmund formulierte. Mondblut war die äußere Erscheinungsform der dimensionalen Beschädigung der Erde durch die Prismatisierung nach der Raumfahrtkatastrophe.

1943 hatte der Wettlauf der führenden Nationen um die Vorherrschaft im Weltraum mit dem ersten bemannten Flug der Chinesen begonnen.

---ENDE DER LESEPROBE---