Der Geschmack von wildem Honig - Susan Wiggs - E-Book
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Der Geschmack von wildem Honig E-Book

Susan Wiggs

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Beschreibung

Der Duft von frischen Kräutern, köchelnden Soßen und frisch gebackenem Brot gehört zu Bella Vista wie die Apfelhaine und Lavendelfelder. Kein Ort ist Isabel lieber als dieser. Früher träumte sie davon, die Welt zu entdecken und sich kulinarisch inspirieren zu lassen. Doch irgendwo auf dem Weg hat sie ihre Abenteuerlust verloren. Ganz im Gegensatz zu Cormac O’Neill. Der Reporter hat die ganze Welt bereist und ist nun nach Bella Vista gekommen, um für ein Buch über Isabels Großvater zu recherchieren. Er spürt eine beinahe greifbare Sehnsucht in Isabel, die sie sich bemüht zu verbergen. Ein zehn Jahre altes Video von ihr, das er im Internet gefunden hat, soll sie daran erinnern, welche Träume sie einst hatte. Damit öffnet er eine Tür in ihre Vergangenheit, die besser für immer geschlossen geblieben wäre.

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Seitenzahl: 588

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Susan Wiggs

Der Geschmack von wildem Honig

Roman

Aus dem Amerikanischen von Ralph Sander

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2015 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Deutsche Erstveröffentlichung

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

The Beekeeper’s Ball

Copyright © 2014 by Susan Wiggs

erschienen bei: MIRA Books, Toronto

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.àr.l

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Daniela Peter

Titelabbildung: Getty Images, München

Autorenfoto: © Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

ISBN eBook 978-3-95649-392-8

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder

auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich

der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Alle handelnden Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Für zwei wundervolle Ladies namens Clara Louise – meine Mutter und meine Enkelin

TEIL I

Eine Biene, die auf Nahrungssuche ist, wird nur in den seltensten Fällen stechen, es sei denn, sie erschreckt sich oder sieht eine Gefahr für den Bienenstock. Nimmt eine Biene eine Bedrohung wahr oder wird sie durch Pheromone alarmiert, die auf einen Angriff hinweisen, wird sie sich dem Angreifer entgegenstellen und ihn stechen. Der Stachel der Arbeiterbiene besitzt einen Widerhaken. Wird das Opfer gestochen, verfängt sich der Widerhaken in der Haut und der Stachel wird aus dem Körper der Biene gerissen, was innerhalb weniger Augenblicke zu deren Tod führt.

Der Stachel der Bienenkönigin besitzt hingegen keinen Wider haken.

Die Königin kann wiederholt zustechen, ohne zu sterben.

Bienenstich

Der traditionelle Bienenstich wird nach einem ziemlich aufwendigen Rezept hergestellt. Diese etwas vereinfachte Version schmeckt aber genauso köstlich. Am besten genießt man Bienenstich am Nachmittag bei einer guten Tasse Kaffee.

Teig

270 g Mehl

¾ TL Salz

4 EL Butter

2 Eier

2 EL Honig

60 ml warmes Wasser oder Milch

1½ TL Trockenhefe

Verrühren Sie alle Zutaten in einer Rührschüssel, bis Sie eine leicht klebrige, elastische Teigkugel erhalten. Legen Sie diese auf ein leicht geöltes Brett und kneten Sie den Teig 5 bis 7 Minuten lang, bis er sich gleichmäßig weich anfühlt. Falls Sie einen Mixer mit Teighaken haben, benutzen Sie stattdessen diese für 4 bis 7 Minuten bei mittlerer Geschwindigkeit. Legen Sie den Teig in eine mit Butter gefettete Schüssel und rollen Sie ihn herum, bis alle Seiten eingefettet sind. Decken Sie die Schüssel dann mit einem feuchten Küchentuch oder Klarsichtfolie ab und lassen Sie den Teig ca. 1 Std. gehen, bis er sich merklich vergrößert hat.

Nun geben Sie den Teig wieder auf ein leicht geöltes Brett und falten ihn einmal zusammen (dabei gibt er eventuell ein leicht seufzendes Geräusch von sich). Kleiden Sie dann eine gebutterte 25-cm-Springform oder eine 33 x 20 cm große Backform mit dem Teig aus. Keine Angst, wenn er sich anfangs wieder vom Rand löst. Nachdem er eine Weile geruht hat, wird sich das Gluten entspannen und der Teig lässt sich besser verarbeiten. Nach ungefähr 30 Minuten drücken Sie ihn noch einmal in Form.

Während der Teig ruht, bereiten Sie die Füllung zu.

Honig-Mandel-Glasur

6 EL Butter

2 EL Konditorsahne (36–40 % Fett)

75 g Zucker

165 g gehobelte Mandeln

3 EL Honig

eine Prise Salz

Die Butter in einem Topf bei mittlerer Hitze schmelzen. Zucker, Honig und Sahne unterrühren. Das Ganze zum Kochen bringen und 3 bis 5 Minuten köcheln lassen, bis ein goldfarbener Sirup entsteht. Gehobelte Mandeln unterrühren, leicht abkühlen lassen und dann vorsichtig auf dem Teig verteilen.

Den Kuchen bei 175 °C ca. 25 Minuten backen, bis die Glasur eine tiefgoldene Färbung erreicht hat und der Teig durch ist. Den Kuchen auf einem Gitter ganz auskühlen lassen.

Während der Kuchen abkühlt, können Sie die Cremefüllung zubereiten.

Vanillesahne

240 ml minus 2 TL leicht geschlagene Konditorsahne

480 ml Vanillesoße oder -pudding, entweder selbst gemacht, fertig gekauft oder auch als Pulver zum Anmischen, ganz nach Ihren Fertigkeiten und Wünschen

1 EL Honig

1 EL Bärenjäger oder ein anderer Honiglikör

Den abgekühlten Kuchen in Stücke oder Rhomben schneiden und mit der Vanillesahne, einem Schlückchen Medovina, Kaffee oder Tee servieren. Medovina ist ein süßer, aus Honig hergestellter Wein – das älteste bekannte alkoholische Getränk.

[Quelle: Variation eines traditionellen Rezepts]

1. KAPITEL

Die oberste Regel in der Bienenzucht lautete: Ruhe bewahren, und Isabel hatte sich geschworen, niemals dagegen zu verstoßen. Als sie jedoch den gewaltigen Schwarm Honigbienen betrachtete, der sich an dem Ast des Ligusterbaums versammelt hatte, fürchtete sie, ihren eigenen Schwur brechen zu müssen.

Die Imkerei war für sie noch Neuland, aber das konnte nicht als Entschuldigung herhalten. Sie hatte gedacht, bereit zu sein, um ihren ersten Schwarm zu fangen. Sie hatte jedes in der Stadtbibliothek von Archangel auffindbare Buch zum Thema Bienenzucht gelesen, sich ein Dutzend Videos im Internet angeschaut. Doch nirgendwo war ein Wort darüber verloren worden, dass das Summen von Tausenden Bienen das wohl unheimlichste Geräusch sein würde, das sie je in ihrem Leben gehört hatte. Es erinnerte sie an die Musik der fliegenden Affen in Der Zauberer von Oz.

„Denk jetzt nicht an fliegende Affen“, ermahnte sie sich im Flüsterton. Was natürlich dazu führte, dass sie an nichts anderes denken konnte.

Sie musste alle Willenskraft und Selbstkontrolle aufbringen, um sich nicht in den nächsten Bewässerungsgraben zu werfen und so laut sie konnte nach Hilfe zu rufen.

Dabei hatte der Tag so vielversprechend angefangen. Sie war bei Anbruch der Morgendämmerung voller Elan aus dem Bett gesprungen, um einen weiteren perfekten Tag in Sonoma zu begrüßen. Nur ein paar Nebelschwaden hatten sich von der Küste kommend bis in die Täler verirrt, wo sie sich wie ein Brautschleier auf das Grün und Gold der Hügel legten. Isabel hatte sich in aller Eile Shorts und T-Shirt angezogen und sich dann mit Charlie auf die morgendliche Gassirunde vorbei an Apfelbäumen und Walnussbäumen gemacht. Dabei hatte sie tief die nach Lavendel und frischem Gras duftende Luft eingeatmet. Der Himmel auf Erden.

In letzter Zeit wachte sie jeden Morgen sehr früh auf, weil sie zum Ausschlafen einfach zu aufgeregt war. Sie arbeitete an dem größten Projekt, an das sie sich je herangewagt hatte: die Umwandlung ihres Zuhauses in eine Kochschule. Die Arbeiten näherten sich ihrer Vollendung, und wenn alles nach Plan lief, würde sie pünktlich zur Erntezeit die ersten Gäste in der Bella Vista Cooking School willkommen heißen.

Die weitläufige, im Stil einer Mission erbaute Hazienda mit ihrer Apfelplantage und den Gemüsegärten war der ideale Ort für ihr Projekt. Das Anwesen war für sie und ihren Großvater alleine schon seit Langem eine zu schwere Belastung; zudem waren ihre eigenen Träume stets eine Nummer zu groß für ihr Budget gewesen. Kochen war ihre große Leidenschaft, und ihr gefiel die Vorstellung, einen wunderschönen Ort zu erschaffen, an dem sie mit anderen Träumern zusammenkommen konnte, um ihnen die kulinarischen Künste zu vermitteln. Und nun hatte sie endlich einen Weg gefunden, wie sie in das Haus hineinwachsen konnte, das sich immer zu riesig angefühlt hatte.

Isabel war entschlossen, das Haus auf jede nur mögliche Weise wiederzuerwecken, es mit der vibrierenden Energie der Lebenden zu erfüllen. Sie war so dankbar, endlich die Mittel zu haben, um diesen Ort zu seiner früheren Größe zurückzuführen.

Was bedeutete, die Hazienda der Welt wieder zu öffnen. Sie wollte mehr daraus machen als ein Anwesen, auf dem sie und ihr Großvater ihre Tage verbrachten. Sie hatte schon viel zu lange wie eine Einsiedlerin gelebt. Diesen Sommer stand eine Hochzeit mit ganz vielen Gästen an. Und im August würde sie die Schüler ihrer Kochschule beherbergen.

Den Kopf voller Pläne für den Tag war sie mit Charlie, ihrem hochbeinigen Deutschen Schäferhund, zu den Bienen gegangen. Bei den Bienenstöcken angekommen, die an einem Hang nahe einem zerfurchten Feldweg am Ende der Obstplantage standen, hatte sie das Geräusch der fliegenden Affen gehört und erkannt, woher es stammte – von einem Bienenschwarm.

Es war ein völlig natürliches Geschehen. Wie eine Königswitwe, die ihrer Nachfolgerin Platz machte, hatte die Bienenkönigin den Stock verlassen, um sich eine neue Unterkunft zu suchen. Dabei hatte sie mehr als die Hälfte ihrer Arbeiter mitgenommen. Durch die Beschäftigung mit der Fachliteratur wusste Isabel, dass sich ein solcher Vorgang nur selten so früh am Tag ereignete. Aber die Morgensonne schien inzwischen schon sehr intensiv, und Kundschafterbienen waren unterwegs, um nach dem idealen neuen Zuhause zu suchen, während sich der Rest an einem Ast festklammerte und geduldig wartete. Isabel als zuständige Imkerin musste den Bienenschwarm einfangen und ihn in einen leeren Stock schaffen, bevor die Späher zurückkehrten und den Schwarm an einen unbekannten Ort führten.

Sie hatte bereits eine SMS an den lokalen Bienenexperten Jamie Westfall geschickt. Erst letzte Woche hatte er ihr einen Flyer in den Briefkasten gesteckt: Tausche Imkerdienste gegen Honigernte. Sie war ihm noch nie persönlich begegnet, trotzdem hatte sie für alle Fälle seine Telefonnummer behalten. Dummerweise war ein Schwarm in dieser Zwischenphase sehr flüchtig, und wenn der Mann nicht schnell kam, wäre Isabel auf sich allein gestellt. Sie hatte sich nun noch ihren Overall, den Hut mit Schleier sowie die Handschuhe übergezogen und näherte sich mit einer Baumschere und einem Karton mit Deckel dem am Ast hängenden Schwarm.

Das müsste eigentlich ganz einfach sein, dachte sie. Abgesehen davon, dass dieses Ding wie ein furchterregender, rötlicher, lebendiger Bart dort hing. Das Summen erfüllte ihren Kopf und floss dann durch ihren Körper wie das Blut durch ihre Adern. Sie rief sich in Erinnerung, dass sie keine Angst haben musste, trotz des angsteinflößenden Aussehens und wütenden Geräuschs des Schwarms. Die Bienen suchten nur nach einem Zuhause, das war alles. Diesen Wunsch konnte wohl jeder auf der Welt verstehen. Und gerade Isabel, denn sich irgendwo zu Hause zu fühlen war ihre größte Sehnsucht.

„Na gut“, murmelte sie, ohne die Ansammlung laut summender Bienen aus den Augen zu lassen. Ihr Herz raste. Die Aussicht, einen Bienenschwarm einzufangen, sollte sie eigentlich begeistern. Es war der ideale Weg, um weitere Bienenstöcke zu füllen, und verhinderte, dass die Bienen sich irgendwo niederließen, wo sie nicht erwünscht waren, beispielsweise in den preisgekrönten Apfelbäumen ihres Großvaters.

In diesem Stadium der Schwarmbildung waren die Bienen sehr sanftmütig. Da sie sich noch nicht um die Produktion von Honig kümmern mussten und auch kein Zuhause hatten, das es zu verteidigen galt, gab es keinen Grund, sich angriffslustig zu verhalten.

Charlie legte sich gleichmütig ins hohe Gras, um sich zu sonnen.

„Ich krieg das schon hin“, sagte sie. „Das ist der perfekte Schwarm. Haha. Verstehst du das, Charlie?“ Sie schaute zu dem dünnen Schäferhund. „Der perfekte Schwarm. Ich lach mich schlapp.“

Isabel kam es nicht seltsam vor, mit einem Hund zu reden. Das hatte sie schon immer getan. Als Einzelkind auf Bella Vista aufgewachsen, in der Abgeschiedenheit der Obstplantagen und Weingärten, streng behütet von den übervorsichtigen, aber liebevollen Großeltern, hatte sie schnell gelernt, sich selbst als Gesellschaft zu genügen. Als Erwachsene hielt sie sich anderen Menschen gegenüber zurück, weil das Leben es sie so gelehrt hatte.

„Jetzt geht’s los, Charlie“, sagte sie. „Ich fange an, also keine lauten Geräusche und keine plötzlichen Bewegungen.“

Sie griff nach dem Karton und stellte ihn unter den Ast, der sich unter dem Gewicht der Tiere leicht bog. Verdammt, war das ein riesiger Schwarm. Die Sonne brannte auf ihren Rücken und machte ihr bewusst, dass ihr die Zeit davonlief.

Mit zitternden Händen griff sie nach der Baumschere. „Jetzt“, sagte sie und wappnete sich. „Ich sollte nicht noch länger warten.“ Sie hatte genug von verpassten Chancen. Es war an der Zeit, zur Tat zu schreiten. Ihr Herz raste noch immer vor Nervosität, als sie die Schere ansetzte, zusammendrückte und den Ast durchtrennte. Ast und Schwarm landeten im bereitgestellten Karton – jedenfalls zum größten Teil.

Das Summen wurde lauter, und einzelne Bienen lösten sich aus dem Schwarm. Isabel stand kurz davor, die oberste Regel zu vergessen und in Panik auszubrechen. Wobei – wenn der Schwarm verschwände, was machte das schon? Es ging hier ja wohl kaum um eine Frage von Leben und Tod.

Aber um eine Frage des Stolzes. Sie wollte Bienen züchten. Bella Vista war schon immer eine bewirtschaftete Farm gewesen, deren Plantagen und Gärten die Familie Johansen seit Ende des Zweiten Weltkriegs ernährten.

„Also gut, Mädels“, presste sie hervor. „Weiter geht’s.“ Sie beugte sich vor und drehte den Ast behutsam so, dass er in den Karton passte. Die Bienen, die dabei herausfielen, krabbelten gleich wieder zu ihrem Schwarm hinein, denn nur das sicherte ihr Überleben.

Am ganzen Leibe zitternd, hob Isabel den Karton an. Er war schwer. Schwerer, als sie erwartet hatte. Und die Bienen wirkten aufgebracht. Sie bewegten sich schneller – oder vielleicht bildete sie sich das auch nur ein. Sie überlegte, ob es wohl bedeutete, dass die Kundschafter auf dem Rückweg waren.

Ein stechendes Gefühl in ihrer rechten Schulter ließ sie beinahe die Kontrolle verlieren. „Au“, rief sie. „Au, au, au. Ihr solltet eigentlich gutmütig sein. Was stimmt nicht mit dir?“ Sie musste das arme Tier wohl versehentlich in ihrem Overall eingeschlossen haben, und das war nun die Quittung dafür. An sich selbst gewandt fügte sie hinzu: „Langsam und vorsichtig. Angeblich bin ich gut darin, langsam und vorsichtig zu sein. Zu gut sogar, wenn es nach Tess geht.“

Ihre Schwester Tess war von ihnen beiden die deutlich Impulsivere, und manchmal trieben Isabels Bedächtigkeit und Vorsicht sie in den Wahnsinn.

Jetzt stand der entscheidende Augenblick unmittelbar bevor. Ihre nächste Aufgabe war es, den Schwarm in den bereitstehenden Bienenstock zu schaffen.

Genau in dem Moment bellte Charlie einmal, stand auf und trottete in Richtung Straße. Über das Summen der Bienen hinweg hörte Isabel das Geräusch eines Automotors. Ein Arbeiter auf dem Weg zur Obstplantage?

Sie drehte sich in dem Augenblick um, als ein bananengelber Jeep mit offenem Verdeck und Überrollbügel über die Hügelkuppe kam und so schnell über den zerfurchten Feldweg fuhr, dass der Kies unter den Reifen nur so spritzte. Etliche Bienen flogen hektisch aus dem Karton. Einige von ihnen landeten auf dem Schleier vor Isabels Gesicht.

Beruhige dich, hätte sie am liebsten geschrien. Du machst sie nur nervös.

Der Jeep kam in einer Staubwolke zum Stehen, und ein groß gewachsener Fremder sprang heraus, wobei er sich am Überrollbügel abstützte. Der Mann hatte lange Haare und breite Schultern, er trug eine olivgrüne Cargohose, ein schwarzes T-Shirt und eine Pilotensonnenbrille. An einem Bein trug er eine bewegliche Schiene, was ihn leicht humpeln ließ.

Jamie Westfall? überlegte Isabel. Im Moment hätte sie gegen ein wenig Hilfe nichts einzuwenden.

„Wohnen hier die Johansens?“, wollte der Mann mit tiefer Stimme wissen.

Charlie gab ein Schnauben von sich und setzte sich wieder ins Gras.

„Oh, gut, Sie haben meine SMS erhalten“, sagte sie und behielt dabei weiter den Karton mit dem schwirrenden Bienenvolk im Auge. „Perfektes Timing. Sie kommen gerade rechtzeitig, um mir zur Hand zu gehen.“

„Wie bitte? Nehmen Sie Drogen?“, erwiderte er und musterte sie argwöhnisch, als versuche er, durch ihren Schleier zu sehen. „Das ist ein gottverdammter Bienenschwarm!“

„Richtig. Wenn es Ihnen also nichts ausmacht …“

„Verdammt, mich hat was gestochen!“ Er schlug sich gegen den Hals. „Was zum Teufel …? Himmel! Das ist ja bestimmt ein Dutzend von diesen Sch…! Himmelherrgott!“ Er fluchte weiter, während er aufgebracht nach einigen Nachzüglern schlug. Er fluchte sehr viel. Er unterbrach seine Schimpftirade bloß durch andere Schimpfwörter, ohne zu begreifen, dass er die Tiere mit seinem Herumgezappel nur noch aggressiver machte. Auch Isabel verspürte erneut einen schmerzhaften Stich, diesmal am Knöchel, wo die Beine des Overalls nicht hauteng abschlossen.

„Hören Sie auf. Sie machen sie nur noch wütender.“ Und so einer will ein Imker sein, dachte sie.

„Ach, meinen Sie? Tut mir leid, Lady, ich verschwinde von hier. Ich bin doch …“

„Ich dachte, Sie sind hier, um mir zu helfen.“ Das Summen schwoll weiter an, und es kam noch mehr Leben in den ohnehin schon hektischen Schwarm. „O nein …“ Sie stellte den Karton ab und wehrte mit der Hand ein paar Tiere ab. Die Kundschafter waren zurückgekehrt. Sie wurde schon wieder gestochen, dieses Mal am Handgelenk.

„Mein Gott! Passen Sie auf!“ Der seltsame Fremde packte sie, drückte sie zu Boden und warf sich schützend auf sie. Charlie setzte zu einem warnenden Bellen an.

Panik machte sich in Isabel breit, aber die hatte nichts mit den Bienen zu tun. Es war eine Panik, die sich wie eine kalte Stahlklinge anfühlte, und ehe sie sich’s versah, verlor sie sich und wurde in die Vergangenheit geschleudert, zurück an einen finsteren Ort, von dem sie damals geglaubt hatte, ihm niemals entkommen zu können. „Nein“, zischte sie rau. Sie wand sich unter dem Mann, drückte den Rücken durch, riss das Knie nach oben … und traf.

„Aah, heilige Scheiße, was haben Sie denn für ein Problem?“ Der Mann rollte sich zur Seite, zog die Knie an die Brust und drückte beide Hände gegen seinen Schritt. Die Brille rutschte ihm von der Nase, und er stöhnte laut auf.

Isabel robbte zur Seite, ohne ihren Blick von dem Mann abzuwenden. Er war groß, er roch nach Schweiß und dem Staub der Straße, und in seinen Augen blitzte der Schmerz auf. Aber wenigstens hatte er ihr nicht wehgetan.

Sie war von ihrer Überreaktion genauso überrascht wie er. Ganz ruhig, ermahnte sie sich. Kein Grund zur Panik. Ihr Puls beruhigte sich allmählich wieder. Schließlich wandte sie den Blick ab und sah gerade noch, wie der Schwarm sich erhob. Wie ein dichter Schleier aus schwerer Seide stieg er auf und segelte davon. Die Wolke aus Insekten wurde kleiner und kleiner, schwebte dahin wie ein losgerissener Ballon.

„Sie kommen zu spät, jetzt sind sie alle weg“, sagte sie und rieb sich die Schulter. Finster dreinblickend stand sie auf und trat frustriert gegen den Karton. Von dem nun verwaisten Ast fielen ein paar tote Bienen herunter.

„Sie können sich auch gern später bei mir bedanken“, sagte der Mann, der sich inzwischen hingesetzt hatte und sie aus zusammengekniffenen Augen betrachtete.

„Bedanken?“, wiederholte sie ungläubig.

„Ja, bedanken!“, gab er schroff zurück.

„Was für ein Imker sind Sie eigentlich?“

„Ähm … sehe ich etwa aus wie ein Imker? Ich dachte, Sie sind hier die Bienenexpertin, oder ist das, was Sie da tragen, eine moderne Form der Burka?“

Sie nahm den Hut ab und ließ ihn auf den Boden fallen. Die Haare klebten ihr an Kopf und Hals, so nass geschwitzt war sie von den schlussendlich nutzlosen Anstrengungen. „Sie sind nicht Jamie Westfall?“

„Ich weiß nicht mal, wer das ist. Wie ich schon sagte, ich bin auf der Suche nach der Farm der Johansens.“ Er sah sie forschend an. Ihr entging nicht das satte, dunkle Grün seiner Augen, das sie an Blattwerk im Schatten erinnerte. Dieser Mann sah verdammt gut aus, auch wenn sein Gesicht von den Bienenstichen ein wenig entstellt war.

„O mein Gott“, sagte sie. „Sie sind einer von den Handwerkern!“ Der Fliesenleger hatte sich für heute angekündigt, um in der Lehrküche die letzten Majolika-Fliesen zu verlegen.

„Wenn das Ihr normaler Umgang mit Handwerkern ist, dann möchte ich nicht erleben, was Sie mit jemandem anstellen, der es sich mit Ihnen verscherzt. Na ja, fangen wir einfach noch mal von vorn an.“ Vor Schmerzen leise stöhnend, stand er auf. „Ich bin Cormac O’Neill“, fuhr er fort. „Normalerweise würde ich Ihnen die Hand geben, aber Sie sind mir ein bisschen unheimlich.“

Der Name sagte ihr gar nichts. Auf der Liste der Handwerker, die im Lauf des letzten Jahres für sie gearbeitet hatten, stand kein O’Neill. „Und weswegen sind Sie hier?“, wollte sie wissen.

„Ich bin hier, weil ich … o Himmel … ich muss sterben.“ Er schlug sich auf seine nackten Arme, ins Gesicht und an den Hals.

„Was? Ach, jetzt hören Sie schon auf, so fest habe ich nun auch wieder nicht zugetreten.“ Und dann sah sie, dass er wie ein Sack Kartoffeln wieder zu Boden ging. „Wirklich?“, fragte sie. „Wirklich?“

„Ich bin gestochen worden.“

„Das sehe ich.“ Neben den Stichen im Gesicht sah sie jetzt auch Schwellungen am Hals sowie an Armen und Händen. „Tut mir leid. Aber das sind bloß Honigbienen“, fuhr sie fort. „Deren Stiche sind nicht tödlich.“

„Es sei denn, man ist höchst allergisch.“ Seine Stimme klang mit einem Mal, als sei seine Zunge angeschwollen, und sein Atem ging pfeifend.

Isabel kniete sich neben ihm hin. „Sie sind allergisch? Höchst allergisch?“

„Anaphylaxie“, antwortete er und riss am Kragen seines T-Shirts.

„Aber wenn Sie so allergisch sind, warum sind Sie mir dann zu Hilfe geeilt?“

„Weil Sie gesagt haben, ich käme gerade richtig und Sie bräuchten eine helfende Hand.“ Sein Gesicht lief rot an, die Augen bekamen einen glasigen Ausdruck. Er sah tatsächlich so aus, als würde er jeden Moment sterben.

Das sollte mich nicht überraschen, dachte Isabel, ich habe mit Männern noch nie viel Glück gehabt.

2. KAPITEL

Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie und zog den Reißverschluss ihres Overalls auf, um in der Innentasche nach ihrem Handy zu suchen – bis ihr einfiel, dass sie es gar nicht mitgenommen hatte.

Cormac fasste sie am Handgelenk, die unverhoffte Berührung ließ sie erneut zusammenzucken. Dieses Mal schlug sie jedoch nicht um sich, sondern versteifte sich nur unter seinem kräftigen Griff. „Hey“, hustete er pfeifend hervor. Sein Kopf wurde knallrot, so sehr kämpfte er darum, Luft zu kriegen. „Tasche“, sagte er. „Da ist ein EpiPen drin. Schnell!“

Verdammt. Das wurde ja immer schlimmer. Er atmete so angestrengt ein, dass die Halsschlagadern deutlich hervortraten. Isabel lief zu seinem Jeep und entdeckte einen ziemlich ramponiert aussehenden Seesack. Er war extrem schwer und landete mit einem dumpfen Knall auf dem Boden. Staub wirbelte auf. Isabel öffnete den Reißverschluss. Eine Duftwolke aus ungewaschenen Socken und Sonnencreme schlug ihr entgegen, während sie sich durch T-Shirts, Jeans und Badehosen wühlte.

„Sind Sie sich sicher, dass er hier drin ist?“, rief sie. Mit wachsender Ungeduld fing sie an, die Sachen hinter sich zu werfen. Briefe. Ein Knäuel aus Schnüren. Bücher. Wer ging mit so vielen Büchern auf Reisen? Und dann noch nicht mal Reiseführer wie Bali für Insider, sondern Ausgewählte Werke von Ezra Pound. Unendlicher Spaß. War das wirklich sein Ernst?

„Lila Kulturtasche“, keuchte er.

„Aha.“ Sie entdeckte die längliche Tasche und öffnete sie. „Wonach muss ich suchen? Was ist überhaupt ein EpiPen?“

„Eine Adrenalinspritze“, erwiderte er. „Durchsichtiges Röhrchen … gelbe Kappe.“

Die Kulturtasche war mit allem vollgestopft, was man als Reisender irgendwann irgendwo vielleicht mal gebrauchen konnte. Sie drehte die Tasche um und ließ den Inhalt auf den Boden regnen. Zahnbürste, Wattestäbchen, Zahnpasta, Tuben und Tiegel, Snacktüten aus dem Flugzeug, Einwegrasierer.

Dann stieß sie auf ein durchsichtiges Röhrchen mit einem medizinisch aussehenden Aufkleber und las die aufgedruckte Bedienungsanleitung.

„Spritzen Sie es mir schnell“, sagte Cormac. Hände und Gesicht waren noch stärker angeschwollen, seine Lippen hatten sich bläulich verfärbt. „Jagen Sie’s … mir einfach … rein!“ Dabei deutete er vage auf seinen Oberschenkel.

Sie zog die Kappe ab und schob die Nadel heraus. Sie kannte sich damit ein wenig aus, weil sie während ihrer Zeit auf der Kochschule auch einen Kurs über Lebensmittelallergien besucht hatte. „Ich habe so etwas noch nie gemacht.“

„Das ist kein … Hexenwerk.“

Mit einem entschlossenen Nicken eilte sie wieder zu ihm zurück und drückte ihm den EpiPen gegen den Oberschenkel. Vor Aufregung musste sie wohl einen falschen Winkel erwischt haben, da sich die kurze Nadel im Stoff seiner Hose verfing und ein wenig Flüssigkeit heraussprühte.

„O mein Gott!“, rief sie. „Ich habe die Nadel abgebrochen!“

„Nehmen Sie … den anderen … da sollte … noch einer sein.“

Sie zwang sich, Ruhe zu bewahren, und stieß schließlich auf die zweite Spritze. Als sie zu ihm zurückkam, stellte sie verdutzt fest, dass er mittlerweile seine Hose ein Stück nach unten geschoben und einen sehr männlichen, sehr muskulösen Oberschenkel freigelegt hatte. Und ihr entging nicht, dass er keine Unterwäsche trug.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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