Der goldene Topf - E. T. A. Hoffmann - E-Book

Der goldene Topf E-Book

E.T.A. Hoffmann

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Beschreibung

Bis heute gilt "Der goldene Topf" von E.T.A. Hoffmann als Höhepunkt romantischer Erzählkunst. Die 1814 erstmals erschienene Geschichte erzählt vom Studenten Anselmus, dem ein neuer Lebensabschnitt bevorsteht – und mit diesem verbunden die wichtigen Fragen nach seiner beruflichen Zukunft und der großen Liebe. Anselmus fühlt sich auf der Suche nach Antworten vom Pech verfolgt. Als er einer alten Marktfrau versehentlich ihren Apfelkorb umrennt, und sie ihm daraufhin lauthals Beschimpfungen hinterherruft, beginnt eine wilde Reise zwischen realer und magischer Welt. Bis zum Ende schwankt Anselmus zwischen beiden Sphären, bleibt er bei Veronika und ihrer bürgerlichen Lebensform oder verschwindet er mit seiner großen Liebe Serpentina nach Atlantis, dem wunderbaren Zauberland der Poesie? In "Der goldene Topf" betreibt E.T.A. Hoffmann ein meisterhaftes Spiel zwischen Fantasie und Wirklichkeit. Und wer könnte das vom Autor selbst so bezeichnete "Märchen aus der neuen Zeit" besser mit einem Nachwort versehen als Michael Köhlmeier, der Erzähler und Märchenmeister unserer Gegenwart? So sind es nicht nur Köhlmeiers Affinität zur Romantik und seine Begeisterung für die Märchentradition in der deutschen Literatur, sondern auch seine herausragende Begabung im Zeichnen diabolischer Figuren, die ihn zum Experten für diesen Text ausweisen.

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E. T. A. Hoffmann

DER GOLDENE TOPF

Mit einem Nachwort von Michael Köhlmeier

C.H.BECK textura

ZUM BUCH

Bis heute gilt «Der goldene Topf» von E. T. A. Hoffmann als Höhepunkt romantischer Erzählkunst. Die 1814 erstmals erschienene Geschichte erzählt vom Studenten Anselmus, dem ein neuer Lebensabschnitt bevorsteht – und mit diesem verbunden die großen Fragen nach seiner beruflichen Zukunft und der großen Liebe.

Anselmus fühlt sich auf der Suche nach Antworten vom Pech verfolgt. Als er einer alten Marktfrau versehentlich ihren Apfelkorb umrennt und sie ihm daraufhin lauthals Beschimpfungen hinterherruft, beginnt eine wilde Reise zwischen realer und magischer Welt. Bis zum Ende schwankt Anselmus zwischen beiden Sphären, bleibt er bei Veronika und ihrer bürgerlichen Lebensform oder verschwindet er mit seiner großen Liebe Serpentina nach Atlantis, dem wunderbaren Zauberland der Poesie? In «Der goldene Topf» betreibt E. T. A. Hoffmann ein meisterhaftes Spiel zwischen Fantasie und Wirklichkeit. Und wer könnte das vom Autor selbst so bezeichnete «Märchen aus der neuen Zeit» besser mit einem Nachwort versehen als Michael Köhlmeier, der Erzähler und Märchenmeister unserer Gegenwart? So sind es nicht nur Köhlmeiers Affinität zur Romantik und seine Begeisterung für die Märchentradition in der deutschen Literatur, sondern auch seine herausragende Begabung im Zeichnen diabolischer Figuren, die ihn zum Experten für diesen Text ausweisen.

ÜBER DIE AUTOREN

E. T. A. Hoffmann, 1776 in Königsberg/Ostpreußen geboren, 1822 gestorben in Berlin, gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller der Romantik. Neben «Der goldene Topf» zählen «Der Sandmann», «Das Fräulein von Scuderi» und «Lebens-Ansichten des Kater Murr» zu seinen bekanntesten Werken.

Michael Köhlmeier, 1949 in Hard am Bodensee geboren, lebt in Hohenems/Vorarlberg und Wien. Für sein literarisches Werk wurde er vielfach ausgezeichnet, zuletzt 2017 mit dem Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung sowie dem Marie Luise Kaschnitz-Preis für sein Gesamtwerk und 2019 mit dem Ferdinand-Berger-Preis.

INHALT

DER GOLDENE TOPF – Ein Märchen aus der neuen Zeit

ERSTE VIGILIE

ZWEITE VIGILIE

DRITTE VIGILIE

VIERTE VIGILIE

FÜNFTE VIGILIE

SECHSTE VIGILIE

SIEBENTE VIGILIE

ACHTE VIGILIE

NEUNTE VIGILIE

ZEHNTE VIGILIE

EILFTE VIGILIE

ZWÖLFTE VIGILIE

Gedanken, als ob sie zur Mitternacht gedacht worden wären, und ein Gespräch mit einem Freund – beides in Hoffmanns Manier (von Michael Köhlmeier)

DER GOLDENE TOPF

Ein Märchen aus der neuen Zeit

ERSTE VIGILIE

Die Unglücksfälle des Studenten Anselmus. Des Konrektors Paulmann Sanitätsknaster und die goldgrünen Schlangen.

Am Himmelsfahrtstage Nachmittags um drei Uhr rannte ein junger Mensch in Dresden durchs schwarze Tor und gerade zu in einen Korb mit Äpfeln und Kuchen hinein, die ein altes häßliches Weib feil bot, so, daß alles, was der Quetschung glücklich entgangen, hinausgeschleudert wurde, und die Straßenjungen sich lustig in die Beute teilten, die ihnen der hastige Herr zugeworfen. Auf das Zetergeschrei, das die Alte erhob, verließen die Gevatterinnen ihre Kuchen- und Branntweintische, umringten den jungen Menschen und schimpften mit pöbelhaftem Ungestüm auf ihn hinein, so daß er vor Ärger und Scham verstummend, nur seinen kleinen nicht eben besonders gefüllten Geldbeutel hinhielt, den die Alte begierig ergriff und schnell einsteckte. Nun öffnete sich der festgeschlossene Kreis, aber indem der junge Mensch hinaus schoß, rief ihm die Alte nach: Ja renne – renne nur zu, Satanskind – ins Krystall bald dein Fall – ins Krystall! – Die gellende, krächzende Stimme des Weibes hatte etwas entsetzliches, so daß die Spaziergänger verwundert stillstanden und das Lachen, das sich erst verbreitet, mit einem Mal verstummte. – Der Student Anselmus (niemand anders war der junge Mensch) fühlte sich, unerachtet er des Weibes sonderbare Worte durchaus nicht verstand, von einem unwillkürlichen Grausen ergriffen, und er beflügelte noch mehr seine Schritte, um sich den auf ihn gerichteten Blicken der neugierigen Menge zu entziehen. Wie er sich nun durch das Gewühl geputzter Menschen durcharbeitete, hörte er überall murmeln: «der arme junge Mann – Ei! – über das verdammte Weib!» – Auf ganz sonderbare Weise hatten die geheimnisvollen Worte der Alten dem lächerlichen Abenteuer eine gewisse tragische Wendung gegeben, so daß man dem vorhin ganz Unbemerkten jetzt teilnehmend nachsah, und die Frauenzimmer dem wohlgebildeten Gesicht, dessen Ausdruck die Glut des innern Grimms noch erhöhte, so wie dem kräftigen Wuchse des Jünglings, allen Ungeschick, so wie den ganz aus dem Gebiete aller Mode liegenden Anzug verziehen. Sein hechtgrauer Frack war nehmlich so zugeschnitten, als habe der Schneider, der ihn gearbeitet, die moderne Form von Hörensagen gekannt und das schwarzatlasne wohlgeschonte Unterkleid, gab dem Ganzen einen gewissen magistermäßigen Styl, dem sich nun wieder Gang und Stellung durchaus nicht fügen wollte. – Als der Student schon beinahe das Ende der Allee erreicht, die nach dem Linkischen Bade führt, wollte ihm beinahe der Atem ausgehen; er sah sich genötigt, langsamer zu wandeln, aber kaum wagte er den Blick in die Höhe zu richten, denn noch immer sah er die Äpfel und Kuchen um sich tanzen und jeder freundliche Blick dieses oder jenes Mädchens war ihm nur der Reflex des schadenfrohen Gelächters am schwarzen Tor. So war er bis an den Eingang des Linkischen Bades gekommen; da sah er ganz wehmütig, wie eine Reihe festlich gekleideter Menschen nach der andern herein zog. Musik von Blasinstrumenten ertönte von innen und immer lauter und lauter wurde das Gewühl der lustigen Gäste. Die Tränen wären dem armen Studenten Anselmus beinahe in die Augen getreten, denn auch er hatte, da der Himmelfahrtstag immer ein besonderes Familienfest für ihn gewesen, an der Glückseligkeit des Linkischen Paradieses Teil nehmen, ja er hatte es bis zu einer halben Portion Kaffee mit Rum und einer Bouteille Doppelbier treiben wollen, und um so recht schlampampen zu können, mehr Geld eingesteckt, als eigentlich erlaubt und tunlich war. Und nun hatte ihn der fatale Tritt in den Äpfelkorb um Alles gebracht, was er bei sich getragen. An Kaffee, an Doppelbier, an Musik, an den Anblick der geputzten Mädchen – kurz! – an alle geträumten Genüsse war nicht zu denken; er schlich langsam vorbei und schlug endlich den Weg an der Elbe ein, der gerade ganz einsam war. Unter einem Holunderbaume, der aus der Mauer hervorgesprossen, fand er ein freundliches Rasenplätzchen, da setzte er sich hin und stopfte eine Pfeife von dem Sanitätsknaster, den ihm sein Freund, der Konrektor Paulmann geschenkt. – Dicht vor ihm plätscherten und rauschten die goldgelben Wellen des schönen Elbstroms, hinter demselben streckte das herrliche Dresden kühn und stolz seine lichten Türme empor in den duftigen Himmelsgrund, der sich hinabsenkte auf die blumigten Wiesen und frisch grünenden Wälder und aus tiefer Dämmerung gaben die zackigten Gebirge Kunde vom fernen Böhmerlande. Aber finster vor sich hinblickend, blies der Student Anselmus die Dampfwolken in die Luft und sein Unmut wurde endlich laut, indem er sprach: «Wahr ist es doch, ich bin zu allem möglichen Kreuz und Elend geboren! – Daß ich niemals Bohnen-König geworden, daß ich im Paar oder Unpaar immer falsch geraten, daß mein Butterbrod immer auf die fette Seite gefallen; von allem diesen Jammer will ich gar nicht reden; aber, ist es nicht ein schreckliches Verhängnis, daß ich, als ich denn doch nun dem Satan zum Trotz Student geworden war, ein Kümmeltürke sein und bleiben mußte? – Ziehe ich wohl je einen neuen Rock an, ohne gleich das erstemal einen Talgfleck hineinzubringen oder mir an einem übeleingeschlagenen Nagel ein verwünschtes Loch hineinzureißen? Grüße ich wohl je einen Herrn Hofrat oder eine Dame, ohne den Hut weit von mir zu schleudern oder gar auf dem glatten Boden auszugleiten und schändlich umzustülpen? Hatte ich nicht schon in Halle jeden Markttag eine bestimmte Ausgabe von drei bis vier Groschen für zertretene Töpfe, weil mir der Teufel in den Kopf setzt, meinen Gang gerade aus zu nehmen, wie die Laminge? Bin ich denn ein einziges mal ins Kollegium oder wo man mich sonst hin beschieden, zu rechter Zeit gekommen? Was half es, daß ich eine halbe Stunde vorher ausging, und mich vor die Türe hinstellte, den Drücker in der Hand, denn so wie ich mit dem Glockenschlage aufdrücken wollte, goß mir der Satan ein Waschbecken über den Kopf oder ließ mich mit einem Heraustretenden zusammenrennen, daß ich in tausend Händel verwickelt wurde und darüber alles versäumte. – Ach! Ach! wo seid ihr hin, ihr seligen Träume künftigen Glücks, wie ich stolz wähnte, ich könne es wohl hier noch bis zum geheimen Sekretär bringen! Aber hat mir mein Unstern nicht die besten Gönner verfeindet? – Ich weiß, daß der geheime Rat, an den ich empfohlen bin, verschnittenes Haar nicht leiden mag, mit Mühe befestigt der Friseur einen kleinen Zopf an meinem Hinterhaupt, aber bei der ersten Verbeugung springt die unglückselige Schnur und ein muntrer Mops, der mich umschnüffelt, apportiert im Jubel das Zöpfchen dem geheimen Rate. Ich springe erschrocken nach und stürze über den Tisch, an dem er frühstückend gearbeitet hat, so daß Tassen, Teller, Tintenfaß – Sandbüchse klirrend herabstürzen und der Strom von Chokolade und Tinte sich über die eben geschriebene Relation ergießt. ‹Herr, sind Sie des Teufels›, brüllt der erzürnte geheime Rat und schiebt mich zur Türe hinaus. – Was hilft es, daß mir der Konrektor Paulmann Hoffnung zu einem Schreiberdienste gemacht hat, wird es denn mein Unstern zulassen, der mich überall verfolgt! – Nur noch heute! – Ich wollte den lieben Himmelsfahrtstag recht in der Gemütlichkeit feiern, ich wollte ordentlich was darauf gehen lassen. Ich hätte eben so gut wie jeder andere Gast in Linke’s Bade stolz rufen können; Marqueur – eine Flasche Doppelbier – aber vom besten bitte ich! – Ich hätte bis spät Abends sitzen können und noch dazu ganz nahe bei dieser oder jener Gesellschaft herrlich geputzter schöner Mädchen. Ich weiß es schon, der Mut wäre mir gekommen, ich wäre ein ganz anderer Mensch geworden; ja, ich hätte es so weit gebracht, daß wenn diese oder jene gefragt: wie spät mag es wohl jetzt sein, oder: was ist denn das, was sie spielen? Da wäre ich mit leichtem Anstande aufgesprungen ohne mein Glas umzuwerfen oder über die Bank zu stolpern; mich in gebeugter Stellung anderthalb Schritte vorwärts bewegend, hätte ich gesagt: Erlauben Sie, Mademoiselle, Ihnen zu dienen, es ist die Ouvertüre aus dem Donauweibchen, oder: es wird gleich sechs Uhr schlagen. – Hätte mir das ein Mensch in der Welt übel deuten können? – Nein! sage ich, die Mädchen hätten sich so schalkhaft lächelnd angesehen, wie es wohl zu geschehen pflegt, wenn ich mich ermutige zu zeigen, daß ich mich auch wohl auf den leichten Weltton verstehe und mit Damen umzugehen weiß. Aber da führt mich der Satan in den verwünschten Äpfelkorb und nun muß ich in der Einsamkeit meinen Sanitätsknaster. –» Hier wurde der Student Anselmus in seinem Selbstgespräche durch ein sonderbares Rieseln und Rascheln unterbrochen, das sich dicht neben ihm im Grase erhob, bald aber in die Zweige und Blätter des Holunderbaums hinauf glitt, der sich über seinem Haupte wölbte. Bald war es, als schüttle nur der Abendwind die Blätter, bald als kos’ten Vögelein in den Zweigen, die kleinen Fittige im mutwilligen Hin- und Herflattern rührend. – Da fing es an zu flüstern und zu lispeln, und es war, als ertönten die Blüten wie aufgehangene Krystallglöckchen. Anselmus horchte und horchte. Da wurde, er wußte selbst nicht wie, das Gelispel und Geflüster und Geklingel zu leisen halbverwehten Worten:

Zwischen durch – zwischen ein – zwischen Zweigen, zwischen schwellenden Blüten, schwingen, schlängeln, schlingen wir uns – Schwesterlein – Schwesterlein, schwinge dich im Schimmer – schnell, schnell herauf – herab – Abendsonne schießt Strahlen, zischelt der Abendwind – raschelt der Tau – Blüten singen – rühren wir Zünglein, singen wir mit Blüten und Zweigen – Sterne bald glänzen – müssen herab – zwischen durch, zwischen ein schlängeln, schlingen, schwingen wir uns Schwesterlein. –

So ging es fort in Sinne-verwirrender Rede. Der Student Anselmus dachte: das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert. – Aber in dem Augenblick ertönte es über seinem Haupte, wie ein Dreiklang heller Krystallglocken, er schaute herauf und erblickte drei in grünem Gold erglänzende Schlänglein, die sich um die Zweige gewickelt hatten, und die Köpfchen der Abendsonne entgegenstreckten. Da flüsterte und lispelte es von Neuem in jenen Worten, und die Schlänglein schlüpften und kos’ten auf und nieder durch die Blätter und Zweige, und wie sie sich so schnell zu rühren anfingen, da war es, als streue der Holunderbusch tausend funkelnde Smaragden durch seine dunkle Blätter. «Das ist die Abendsonne, die so in dem Holunder spielt», dachte der Student Anselmus, aber da ertönten die Glocken wieder und Anselmus sah, wie eine Schlange ihr Köpfchen nach ihm herabstreckte. Da fuhr es ihm durch alle Glieder wie ein elektrischer Schlag, er erbebte im Innersten – er starrte herauf und ein Paar herrliche dunkelblaue Augen blickten ihn mit unaussprechlicher Sehnsucht an, so daß ein nie gekanntes Gefühl der höchsten Seligkeit und des tiefsten Schmerzes seine Brust zersprengen wollte. Und wie er voll heißen Verlangens immer die Augen anblickte, da ertönten stärker in lieblichen Akkorden die Krystallglocken und die funkelnden Smaragden fielen auf ihn herab und umspannen ihn in tausend Flämmchen um ihn herflackernd und spielend mit Goldfaden. Der Holunderbusch rührte sich und sprach: «Du lagst in meinem Schatten, mein Duft umfloß dich, aber du verstandest mich nicht. Der Duft ist meine Sprache, wenn ihn die Liebe entzündet.» Der Abendwind strich vorüber und sprach: «ich umspielte deine Schläfe aber du verstandest mich nicht, der Hauch ist meine Sprache, wenn ihn die Liebe entzündet.» Die Sonnenstrahlen brachen durch das Gewölk und der Schein brannte wie in Worten: «ich umgoß Dich mit glühendem Gold, aber du verstandest mich nicht; Glut ist meine Sprache, wenn sie die Liebe entzündet.»

Und immer inniger und inniger versunken in den Blick des herrlichen Augenpaars, wurde heißer die Sehnsucht, glühender das Verlangen. Da regte und bewegte sich alles, wie zum frohen Leben erwacht. Blumen und Blüten dufteten um ihn her, und ihr Duft war wie herrlicher Gesang von tausend Flötenstimmen, und was sie gesungen, trugen im Wiederhall die goldenen vorüberfliehenden Abendwolken in ferne Lande. Aber als der letzte Strahl der Sonne schnell hinter den Bergen verschwand, und nun die Dämmerung ihren Flor über die Gegend warf, da rief wie aus weiter Ferne eine rauhe tiefe Stimme:

Hei, hei, was ist das für ein Gemunkel und Geflüster da drüben? – Hei, hei, wer sucht mir doch den Strahl hinter den Bergen! – genug gesonnt, genug gesungen – Hei, hei, durch Busch und Gras – durch Gras und Strom! – Hei, – hei – Her u – u – u nter – Her u – u – u nter! –

So verschwand die Stimme wie im Murmeln eines fernen Donners, aber die Krystallglocken zerbrachen im schneidenden Mißton. Alles war verstummt und Anselmus sah wie die drei Schlangen schimmernd und blinkend durch das Gras nach dem Strom schlüpften; rischelnd und raschelnd stürzten sie sich in die Elbe, und über den Wogen, wo sie verschwunden, knisterte ein grünes Feuer empor, das in schiefer Richtung nach der Stadt zu, leuchtend verdampfte.

ZWEITE VIGILIE