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Das Gleichgewicht der Kräfte ist bedroht und in seiner verzweifelten Bemühung, den Frieden zu wahren, greift der Königsrat zu immer drastischeren Methoden.
Tief verstrickt in diese Machenschaften, stößt der 23-jährige Ares auf ein geheimnisvolles Schriftstück, das einen Hinweis auf den Verbleib verschollener Artefakte liefert - magische Waffen von unschätzbarem Wert im Kampf gegen die dunklen Mächte.
Gemeinsam mit seinen Kameraden begibt er sich auf die abenteuerliche Suche nach ihnen. Ihre Reise führt sie geradewegs ins Dämmerland, eine märchenhafte Welt voller Rätsel, Magie und tödlicher Gefahren...
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Emery J. Wright
Der Halbe Augur
© 2023 Vanessa Reinmuth | Emery J. Wright
Website: www.emeryjwright.com
Umschlag, Illustration: Andrei Dragomir,
Umschlag, Buchtitel Schriftart: Oksana Shevchuk
ISBN
Paperback 978-1-7635323-2-8
e-Book 978-1-7635323-1-1
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter:
Vanessa Reinmuth
Unit 2501 / 11 Angas Street
Meadowbank NSW 2114
Australien
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Für meine Mutter und meinen Stiefvater,
ohne die ich nie gewagt hätte, nach den Sternen zu greifen.
Die ersten Sonnenstrahlen färben den Horizont bereits rot, doch in der kalidurischen Zitadelle herrscht noch immer eine schläfrige Stille.
Die Mediziner und Heiler, die die Nachtschicht bestritten haben, warten in den ihnen zugeteilten Stationen erschöpft auf ihre Ablösung, während der Großteil ihrer Patienten friedvoll schlummert. Nur wenige Frühaufsteher wandern wie von Geistern getrieben durch ihre Zimmer oder liegen auf ihren Betten und starren mit aufgerissenen Augen hinüber zur Tür, als könnten sie dahinter den jungen König ausmachen, der sich durch die Gänge schleicht.
Dieser trägt weder eine Krone noch ein teures Gewand. Über seine einfache Stoffkleidung hat er sich bloß einen weißen Kittel gestreift. Sein zerzaustes, dunkles Haar und die Ringe unter seinen Augen zeugen von einer langen, schlaflosen Nacht. Dennoch haftet seinen Bewegungen eine Leichtigkeit an, während er durch die Treppen und Gänge eilt. Nur hin und wieder hält er inne, um zu horchen oder sich in einen anderen Gang zu drücken, wo er darauf wartet, dass die Mediziner und Heiler vorbeiziehen, bevor er weiterhuscht, flink und leise wie ein Dieb.
Wenige Meter vor einer Flügeltür bleibt er schließlich stehen. Sie steht einen Spalt breit offen und die murmelnde Stimme des Obersten Heilermeisters dringt vom Flur auf der anderen Seite an seine Ohren: »Ich bin mir sicher, ich habe es bereits erwähnt.«
»Was genau habt Ihr ihm denn gesagt?« Diese barsche Stimme kann der junge König ohne einen Moment des Zweifels seinem Kriegsherrn zuordnen:
Alastair.
Der junge König beschließt, sich der angelehnten Tür zu nähern, um die beiden besser belauschen zu können. Seine Bewegungen sind ebenso zügig wie vorsichtig, seine Schritte unhörbar.
»›Ungefährlich ist es nicht‹ oder so etwas in der Art...«, sagt der Heilermeister.
»Ist Euch denn nicht bewusst, dass Ihr sein Leben mit Eurer Nachlässigkeit aufs Spiel setzt, Hadrian? Vergesst nicht, Ihr seid nach wie vor ein Teil des Königsrats. Eure oberste Priorität ist es, die Krone zu beschützen!«
Die Antwort kommt gestochen scharf: »Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass es meine Patienten sind, die für mich Vorrang haben, selbst vor den Belangen des Rats. Wenn also die Chance besteht, dass er einen meiner Patienten rehabilitieren kann, werde ich mich ihm sicher nicht in den Weg stellen.«
»Dann stehen Eure und meine Pflichten in direktem Konflikt miteinander«, gibt Alastair knurrend zurück. »Verdammt nochmal! Ihr beide bringt mich in eine prekäre Lage mit eurer Unvorsichtigkeit!«
Der junge König steht nun unmittelbar vor der Tür und will gerade seine Hand ausstrecken, um sie vollends zu öffnen, als der Heilermeister das Wort erneut ergreift: »Geht es Euch denn wirklich ausschließlich um den Schutz der Krone? In dem Fall muss ich mich fragen, wieso Ihr alleine angereist seid. Weshalb habt Ihr dem Rat nicht mitgeteilt, wo er sich befindet?«
»Worauf spielt Ihr an? Etwa darauf, dass mich Euer Patient schert? Er könnte vor meinen Füßen krepieren und ich würde mich nicht zwei Mal nach ihm umsehen! Nein, ich bin bloß hier, weil ich gehofft habe, an Eure Vernunft appellieren zu können. Aber ich sehe nun, ich war ein Narr, dergleichen erwartet zu haben. Ich hätte den Rat schon längst einschalten sollen.«
Der junge König beschließt, ihr Gespräch zu unterbrechen, indem er die Tür aufstößt.
»Ares?«, entfährt es Alastair überrascht. »Du bist schon wach?«
»Mehr oder weniger«, brummt der junge König, während er den Gang betritt. Die Männer verbeugen sich kurz vor ihm und als sie wieder aufrecht stehen, sieht er von einem zum anderen. »Was macht ihr hier zu dieser frühen Stunde?«
Der Heilermeister - ein mageres, bebrilltes Kerlchen, dessen Verstand und Zunge jedoch schärfer sind als jedes Schwert - kann sich im Gegensatz zu Alastair seine schuldbewusste Miene nicht verkneifen. »Wir haben auf Euch gewartet, mein König.«
Ares zieht die Brauen zusammen. »Ich habe Euch doch klare Anweisungen gegeben, mich nicht so zu nennen.« Er hält auf den Heilermeister zu und bleibt einen Schritt vor ihm stehen. »Auch hatte ich Euch befohlen, meinen Aufenthalt hier geheim zu halten. Bis auf Eure engsten Vertrauten sollte niemand von mir wissen. Sicher könnt Ihr Euch meine Überraschung vorstellen, als ich gestern feststellen musste, dass jeder der Mediziner, die mir gestern begegnet sind, genauestens über meine Anwesenheit Bescheid zu wissen schien.«
Hadrian neigt den Kopf reumütig. »Verzeihung, mein... Herr. Es ist gut möglich, dass mir etwas über die Lippen gekommen ist, das ich besser für mich behalten hätte. Ich werde die Mediziner und Heiler um mehr Diskretion bitten.« Er richtet seine Brille. »Allerdings möchte ich betonen, dass Ihr Euch keine Sorgen darum machen müsst, dass irgendetwas hiervon zum Rat gelangt. Was in Kalidur geschieht, bleibt auch hier. So ist es immer gewesen. Was Euren Kriegsherrn angeht, so kam sein Besuch bloß unerwartet, aber ich habe daraus gelernt und einige Maßnahmen getroffen. Für den Rat stecke ich nun bis zum Hals in Arbeit. Er wird nicht mit mir in Kontakt treten können und meine Vertretung ist bewandter im Lügen als ich.«
An diese Hoffnung klammert sich Ares. »Solange Ihr den Rat von mir fernhaltet, soll es mir egal sein, ob Eure gesamte Belegschaft über mich Bescheid weiß. Warum habt ihr beiden eigentlich auf mich gewartet?«
Hadrian räuspert sich. »Euer Kriegsherr hat mich gestern Abend an etwas erinnert, das ich Euch möglicherweise nicht mit dem nötigen Nachdruck beigebracht habe. Und zwar ist die Sache nicht ganz so ungefährlich, wie es den Anschein hat. Dieser Flügel ist nicht ohne Grund abgesperrt. Die meisten der ehemals Besessenen waren nur kurze Zeit von schwachen Dämonen befallen, weshalb wir in der Lage sind, sie wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Oftmals brauchen sie nicht einmal eine Person aus ihrer Vergangenheit, um ihre Menschlichkeit wiederzufinden. Aber bei diesem Patienten ist das nicht der Fall. Ihr wisst ja selbst, wer ihn besessen hat. Von so etwas erholt man sich nicht so leicht.« Er hüstelt verlegen.
»Ihr müsst nichts schönreden«, sagt Ares leise. »Sagt mir geradeheraus, wie es um ihn steht.«
Der Heilermeister seufzt. »All diejenigen, die lange Zeit oder von starken Dämonen besessen waren, stehen unter strenger Beobachtung. Wir lassen sie nicht aus der Zitadelle, für gewöhnlich selbst dann nicht, wenn sie ihre Erinnerungen zurückerlangen. Nicht nur, weil sie ständig versuchen, sich umzubringen, sondern auch, weil die Dämonen etwas in ihnen zurückgelassen haben. Das Überbleibsel einer Wut, die Saat eines Hasses. Etwas Dunkles eben, das unter der Oberfläche treibt wie eine Seeschlange und jederzeit zuschnappen kann. Meinen Beobachtungen nach geschieht es oftmals dadurch, dass die falschen Erinnerungen angezapft werden. Erinnerungen, die die ehemals Besessenen verdrängen wollen, weil sie sich deswegen schämen oder sich sogar vor ihnen fürchten. Aber manchmal kommt dieses Etwas in ihnen auch grundlos zutage.«
»Wie geht es ihm denn? Habt Ihr heute schon mit ihm gesprochen? Kann er sich an etwas erinnern?«
»Hast du dem Heilermeister nicht zugehört?!«, braust Alastair auf. »Das, was dort hinter dieser Tür sitzt, ist nicht er!«
»Das habe ich damit nicht sagen wollen«, widerspricht ihm Hadrian bestimmt. »Das, was er war, ist noch immer in ihm drin. Doch Ihr müsst vorsichtig sein mit dem, was Ihr ihm erzählt, mein... Herr. Nicht alles wird er so einfach verkraften können. Wenn er sich bedroht fühlt oder wenn Ihr ihn an etwas erinnert, das ihm Angst, Scham, Wut oder Trauer bereitet, dann kann es sein, dass Ihr das Wesen in ihm weckt, das von Horkos geprägt worden ist.«
Ares sieht zu Alastair. »Und ich nehme an, das ist der Grund, aus dem du noch immer hier bist.«
Der Kriegsherr nickt grimmig. »Wenn er etwas tut, was dich in Gefahr bringt, werde ich ihn töten.«
»Das wirst du nicht!«
»Und ob ich das werde! Es ist immerhin meine Pflicht, aber selbst wenn es nicht so wäre-!«
»Ich habe heute Morgen tatsächlich schon mit dem Patienten sprechen können!«, platzt es aus dem Heilermeister hervor. Die zornesroten Köpfe der beiden Männer schnappen zu ihm. Hadrian ertappt sich selbst dabei, wie er die Hände hebt, und lässt sie hastig wieder sinken. »Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Er ist etwas aufgeregt.«
»Aufgeregt?«, forscht Ares nach.
»Eure Geschichte findet Anklang bei ihm. Ich denke, er beginnt sich an etwas zu erinnern. Es ist daher durchaus vernünftig, Euren Kriegsherr über die nächste Zeit an Eurer Seite verweilen zu lassen.« Er wirft Alastair einen frostigen Blick zu. »Sofern er sich zusammenreißen kann und niemanden tatsächlich umbringt.«
Alastair knirscht mit den Zähnen. »Das hängt ganz von ihm ab.«
»Ich danke euch beiden, dass ihr euch Gedanken um meine Sicherheit macht«, sagt Ares. Die Müdigkeit ist urplötzlich von ihm abgefallen. »Mir ist durchaus klar, dass etwas Dunkles in ihm steckt, das vorher nicht da war. Aber ich möchte euch beide daran erinnern, dass ich den Dunklen Prinzen und ihren Schergen gegenübergestanden habe. Mehr als ein Mal. Ich habe das Dunkle gesehen, es an meinem eigenen Körper und in meiner Seele gespürt. Tiefste, reinste Dunkelheit. Und ich habe sie überlebt.« Der junge König schreitet zielstrebig an den beiden Männern vorbei und legt die Hand auf den Knauf der Tür, hinter der der Patient auf ihn wartet. »Das hier ist nichts dagegen.«
»Bitte seid dennoch wachsam«, rät ihm der Heilermeister.
»Natürlich.« Ares wendet sich Alastair zu. »Du willst nicht mitkommen?«
»Nein«, lautet die klare Antwort. »Ich weiß nämlich nicht, was ich tun werde, wenn ich ihm das nächste Mal gegenüberstehe.« Er hält kurz inne und fügt hinzu: »Lass die Tür aber einen Spalt breit offen.«
Als Ares das Zimmer betritt, dreht der Patient bloß den Kopf in seine Richtung. Er sitzt bereits mit grüblerischer Miene am Tisch. In der Nacht hat er von Ares’ Geschichte geträumt und einige Szenen sind ihm dabei so real vorgekommen, als wäre er mittendrin gewesen.
Gleich nach dem Aufstehen sind sie sogar so klar gewesen, dass er sie mit Pinsel und Farbe auf eine Leinwand hätte malen können. Doch das ist mittlerweile schon über eine Stunde her - eine lange Zeit für verblassende Träume - und nun sind ihm die Bilder entschlüpft wie glitschige Aale. Alles, was ihm geblieben ist, ist ein Pochen zwischen den Schläfen und ein verwirrendes Gemisch an widersprüchlichen Gefühlen.
»Guten Morgen«, sagt der Ankömmling, während er neben ihm Platz nimmt. »Wie geht es Euch, Teban?«
»So gut es einem Irren wie mir eben gehen kann«, grummelt der Patient. »Übrigens könnt Ihr mich heute Tobin nennen.«
»Tobin?« Ares ist verwirrt, bis ihm wieder einfällt, was der Patient ihm gestern erzählt hat. »Oh, ich verstehe. Ein neuer Name?«
»Ich habe ihn mir gestern Nacht ausgedacht, nachdem Ihr gegangen seid«, bestätigt Tobin. »Was meint Ihr? Passt er besser zu mir?«
»Die beiden Namen sind sich ziemlich ähnlich...«
Da schmunzelt der Patient. »Tja, ich habe nie behauptet, sonderlich kreativ zu sein, was meine Namen angeht.« Er blinzelt, als ihm gewahr wird, wie blass sein Gegenüber ist. »Ihr seht übernächtigt aus.«
»Das bin ich auch, denn ich habe lange darüber nachdenken müssen, wo ich meine Geschichte am besten wieder ansetze.«
»Warum fangt Ihr nicht einfach da an, wo Ihr gestern aufgehört habt?«
»Weil die drei Jahre nach der Geburt meiner Tochter Meggie und meine darauffolgende Rückkehr in die Steppe zwar wichtig für meine Etablierung bei den Clans waren, es mich aber zu viel Zeit kosten würde, im Detail auszuführen, wie uns das gelungen ist.« Ares sieht auf die beiden Tassen hinab, die vor ihm auf dem Tisch stehen und den intensiven Duft von Minze im Zimmer verströmen.
»Eine Medizinerin hat mir den Tee vor einer Weile gebracht«, erklärt Tobin achselzuckend. »Greift ruhig zu. Wärmer wird er wohl nicht.«
Also nimmt Ares eine Tasse in die Hand. Er schnuppert am Gebräu und nippt vorsichtig daran, bevor er einen ganzen Schluck davon wagt. Der Tee ist lauwarm. »Ich fürchte, ich werde um einen Zeitsprung nicht herumkommen. Das bedeutet leider auch, dass ich einige Geschehnisse werde zusammenfassen müssen und es könnte sich anfangs kompliziert für Euch anhören. Ihr müsst Euch jedoch nichts von dem merken, was ich Euch in den nächsten Minuten darlege, denn all das wird im Laufe der Zeit mehr Sinn für Euch ergeben. Betrachtet meine Zusammenfassung daher bloß als eine Art Vorgeschichte.«
»Nun gut«, sagt Tobin ungerührt. »Ich habe nichts dagegen einzuwenden. Aber bevor Ihr damit anfangt, sagt mir wenigstens, was Ihr damals empfunden habt, Euch nach so langer Zeit das erste Mal wieder in Eure Heimat, die Steppe, zu begeben. Das habt Ihr gestern nämlich mit keinem Wort erwähnt.«
»Das liegt daran, dass sich bei mir nicht jene Freude eingestellt hat, die man vielleicht erwarten mag, wenn man an einen Ort zurückkehrt, den man einst sein Zuhause nannte. All meine Erinnerungen an die Steppe waren überschattet von Cades Tod, meinem Mord an meiner Mutter, dem Blutkönig und seine Dämonen. Ich machte keinen Versuch, Nachforschungen über den Verbleib meines Stammes zu unternehmen. Zu viel Angst hatte ich davor, was ich herausfinden würde. Hatte Horkos seine Drohung wahr gemacht und meinen Stamm vernichtet?«
Ares umklammert seine Tasse mit beiden Händen, als wolle er sich daran aufwärmen. »In den ersten Monaten, die ich in der Steppe verbrachte, kehrten sogar meine Albträume vom Dunklen Prinz zurück. Kjell, mein Meister, musste mir deswegen Beruhigungsmittel verabreichen - und das obwohl wir uns nicht einmal im Norden der Steppe aufhielten, wo wir den Blutkönig und den Dämonenprinzen vermuteten. Stattdessen blieben wir im zentralen Osten der Steppe, in der umkämpften Hauptstadt Al-Khurab.«
»Al-Khurab«, wiederholt Tobin. Der Name der Stadt kommt ihm seltsam vertraut vor.
Ares nickt. Sein Blick ruht auf Tobin. »Erinnert Ihr Euch noch an die Namen der großen Steppenclans?«
Der Patient schüttelt den Kopf und daraufhin sagt Ares: »Insgesamt herrschten vier Clans über den Großteil der Steppe. Die Herunen hatten den Norden besetzt und sich mit dem Blutkönig zusammengetan. Weit im Westen war der Clan der Bosek beheimatet, während die Zentralsteppe von den Rhenari und den Sanael besetzt wurde. Die beiden letzteren Clans waren sich spinnefeind, seitdem die Sanael die Hauptstadt Al-Khurab in Besitz genommen und die Rhenari in die südwestlich gelegene Stadt Umbra verdrängt hatten.«
»Die Sanael waren also der vorherrschende Clan in der Steppe?«, vergewissert sich Tobin.
»Ganz genau. Und es war ebendieser Clan, in den Kjell mich einschleuste. Er selbst hatte sich schon einen Namen als Hauptspion ihres Clanführers Yarran gemacht, dem so genannten ›Dakahn‹. Er erzählte Dakahn Yarran, ich sei ein entlaufener Gladiator, den er an der Grenze aufgegabelt hätte. Die drei Monate bis kurz vor Meggies Geburt sorgte Kjell außerdem dafür, dass auch die Edlen von Al-Khurab mich oft zu Gesicht bekamen.«
»Die Edlen von Al-Khurab? Was soll das sein?«
»Die Edlen existieren sowohl in den Clans der Sanael, der Rhenari als auch der Bosek. Es handelt sich dabei um alte, einflussreiche Familien, die in etwa mit den Adelsfamilien der Distrikte gleichzusetzen sind. Sie sind es, die die Dakahne wählen. Hätten sie mich nicht akzeptiert, wäre ich schneller von der Bildfläche verschwunden, als ich hätte ›Dämmerding‹ sagen können. Doch glücklicherweise gewöhnten sie sich an mich.« Ares grinst. »Muss wohl an meinem Charme liegen.«
Tobin grinst ebenfalls. »Zweifellos.«
Etwas ernster fährt Ares fort: »Nachdem diese erste Hürde überwunden war, gelang es Kjell, Yarran davon zu überzeugen, mich zu einem Spion auszubilden. Dazu sei gesagt, dass mein Meister und ich nie selbst Spionage betreiben mussten. Kjell verfügte nämlich nicht nur über ein Netzwerk aus Schatten in den Distrikten, sondern auch über eines in der Steppe. Und diese Steppenschatten hatten neben den Sanael auch die Rhenari und die Bosek infiltriert. Wir erhielten alle Informationen von ihnen und so konnten wir ungestört nach Artefakten suchen und kehrten gelegentlich sogar in die Distrikte zurück, solange die Aufträge des Dakahns uns dies zeitlich ermöglichten.«
Tobin zieht die Stirn in Falten. Er bemüht sich, Ares zu folgen, aber es ist nicht einfach, denn die Steppe ist ihm fremd und sie ist gestern auch kaum zur Sprache gebracht worden. »Kjell hatte sich also bereits ein Schattennetzwerk in der Steppe aufgebaut?«
»Ja, damit hatte er schon begonnen, Jahre bevor er mich kennenlernte, sodass er dort bereits über drei Dutzend Schatten beschäftigte, als ich hinzustieß. Aber sein Netzwerk war selbst in den Distrikten um einiges umfangreicher, als mir zunächst nahegelegt worden war. Abgesehen von den Schatten der Barone standen auch im Palast tätige Schatten und ein paar Läufer, die er von Ort zu Ort schickte, unter seiner Befehlsgewalt.«
Tobin pfeift beeindruckt durch die Zähne und lehnt sich zurück, als ihm ein Gedanke kommt. »Was war eigentlich mit Krähe? Wurde aus ihm auch ein Schatten?«
»Er war damals noch mein Lehrling, auch wenn er bereits nach zwei Jahren Ausbildung ein Teil des Spionagewerkes der Rhenari geworden war.«
»Moment. Ist das nicht der Clan, der mit Eurem Clan, also den Sanael, verfeindet war?«
Ares bejaht und seine Augen blitzen stolz auf. »Krähe machte sich schnell einen Namen bei den Rhenari und wurde nach einem halben Jahr zu ihrem Hauptspion befördert.«
»So schnell?«, ächzt Tobin.
»Dabei war natürlich auch eine ordentliche Portion Glück im Spiel. Die Sanael und die Rhenari standen, wie gesagt, auf Kriegsfuß miteinander. Eine Gegebenheit, die die Bestrebungen des Rats erschwerte, diese beiden Clans zusammenzuführen, um sie gegen den Blutkönig und seine Dämonen zu wappnen. Es kam uns unwahrscheinlich vor, in absehbarer Zeit einen Frieden oder auch nur einen Waffenstillstand zwischen den Sanael und den Rhenari auszuhandeln, selbst unter Zuhilfenahme meiner Magie. Deshalb beschloss der Rat, den Konflikt stattdessen anzuheizen. Es gelang uns, die beiden Clans durch eine Reihe Missverständnisse und ungeschickt formulierter Berichte aus der Reserve zu locken, was in eine kriegerische Auseinandersetzung ausartete: Das Heer der Sanael und das Heer der Rhenari trafen in der Steppe aufeinander. Es war ein kurzer, beinahe schmerzloser Kampf zwischen den beiden Clans, denn wir hatten die Rhenari mit Falschinformationen gefüttert und sie fatale Fehlentscheidungen treffen lassen, die zu einer frühzeitigen Gefangennahme des rhenarischen Dakahnsohns führte. Eri lautete sein Name. Die Truppen, die von ihm angeführt worden waren, ergaben sich und so konnten wir die Anzahl der Toten geringhalten. Wir hatten gehofft, selbst Eri vor dem Tod bewahren zu können, aber sein Vater - Dakahn Thorak - weigerte sich, mit uns zu verhandeln.«
Ares presst kurz die Lippen zusammen. »Eri starb einen langen und entsetzlich öffentlichen Tod in der Gewalt der Sanael, ohne dass Kjell oder ich etwas dagegen hätten unternehmen können... Nach seiner Hinrichtung belagerten wir die Stadt, doch die Rhenari blieben stur, sie zeigten uns die kalte Schulter - bis Krähe sich einschaltete und es auf sich nahm, sie zur Vernunft zu bringen. Krähe konnte Dakahn Thorak sogar dazu überreden, die Verhandlungen mit den Sanael an seiner statt zu leiten und als sie unverhofft glimpflich für die Rhenari verliefen, entschied Thorak, Krähe zu seinem neuen Hauptspion zu machen. Thorak vertraute Krähe. So sehr sogar, dass er ihn in seinem Herrscherhaus wohnen ließ, was geradezu unerhört für einen Spion war. Kjell war begeistert, denn durch diese Entwicklung hatten wir einen Informanten an der Spitze der Rhenari und wussten immer ganz genau, was bei ihnen vor sich ging.«
Ares fährt sich durchs Haar und seufzt. »Das Problem war nur, dass Krähe eine tiefe Verbundenheit zu den Rhenari verspürte. Das las ich schon früh aus den Briefen meines Lehrlings heraus. Ich mahnte ihn mehrmals, seinen Abstand zu wahren, denn es kommt nie etwas Gutes für einen Schatten dabei heraus, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Aber der Junge konnte nicht aus seiner Haut und im Gegensatz zu uns Schatten, die wir uns sogar voreinander verschlossen, boten ihm die Rhenari jenes Zugehörigkeitsgefühl, das er damals so verzweifelt suchte.«
»Das klingt ganz nach Krähe«, brummt Tobin und kneift die Augen zusammen. »Aber wie konnten die Verhandlungen überhaupt glimpflich für die Rhenari ausgehen? Dieser Thorak hatte doch den Krieg verloren. Was für eine Verhandlungsbasis hatte er da überhaupt?«
»Gar keine«, pflichtet Ares ihm bei. »Umso erstaunlicher war es deswegen ja für Thorak, dass alles, was die Sanael von ihm forderten, Geiseln und die Zusicherung von Waffenhilfe waren. Er konnte ja nicht ahnen, dass das schon seit Monaten so von uns geplant gewesen war. Indem wir die ältesten Söhne der rhenarischen Edlen als Geiseln in die Obhut der Sanael schickten, sicherten wir uns gegen Vergeltungsangriffe ab. Um einiges schwieriger war es jedoch gewesen, Yarran davon zu überzeugen, den Rhenari ihre Autonomität weitestgehend zu gewähren, ihnen sogar ihren Dakahn zu lassen. Erst nach langem Zureden glückte uns dies.«
Ares schmunzelt, als er Tobins besorgten Ausdruck bemerkt. »Ich weiß, das sind eine Menge Informationen auf einmal, aber ich kann Euch beruhigen: Fürs Erste reicht es vollkommen aus, wenn Ihr Euch merkt, dass ich dem Sanael-Clan in der Hauptstadt Al-Khurab zugeteilt war, und der Name des dortigen Oberhauptes Yarran lautete.«
Tobin nickt langsam. »Wie lange hat das alles eigentlich gedauert?«
»Die Vorbereitungen auf die Verhandlungen? Ein ganzes Jahr. Die Verhandlungen selbst nur zwei Wochen. Der Friede brach daher über die Mehrheit der Steppenbewohner ein wie eine Welle des Schocks. Niemand konnte es so recht glauben, bis die Edelsöhne der Rhenari unter strenger Bewachung der Sanael durch die Hauptstadt paradiert wurden. Da erst erwachte ihre Bevölkerung wie aus einem langen, grauen Traum und plötzlich wurde in ganz Al-Khurab gefeiert als gäbe es kein Morgen mehr. Auch Yarran veranstaltete ein Siegesfest in seinem Herrscherhaus, zu dem Kjell und ich geladen waren. Eine Ehre, auf die ich gut und gern verzichtet hätte, nachdem ich hatte miterleben müssen, wie er Eri hatte foltern lassen. Kjell beharrte jedoch darauf, dass ich daran teilnahm.« Ares macht eine Pause und bedenkt Tobin dabei mit einem nachdenklichen Blick. »Im Übrigen hoffe ich, dass Euch Eure Fantasie nicht abhandengekommen ist.«
»Meine Fantasie?«, fragt Tobin, verdattert über den unerwarteten Themenwechsel.
Ares nickt ernst. »Ihr werdet sie heute benötigen. Meine Geschichte handelt nämlich nicht bloß über die Länder dieser Welt. Sie umfasst nicht nur die Steppe und die Distrikte, die Inselvölker Alabatyrs und Cireaniens. Sie ist auch eine Erzählung über eine fremde, ganz und gar magische Welt. Dem Dämmerland.«
Al-Khurab ist keine gewöhnliche Stadt, denn ihre Mauern sind drei Mal so hoch und zwei Mal so breit wie die vergleichbarer Verteidigungsanlagen in den Distrikten. An einem sonnigen Tag kann man Al-Khurab deshalb aus vielen Kilometern Entfernung erspähen. Umso bemerkenswerter ist es, dass die genaue Lage dieser Stadt, wie auch die der Steppenstädte Umbra und Corr, im Ausland solch lange Zeit unbekannt war.
Vermutlich lag es daran, dass jeder, der diese Städte zu Gesicht bekam, in seinen Knochen spürte, dass sie nicht bloß Festungen waren. Sie waren stille, steinerne Warnungen. Natürlich trugen aber auch die Clans dazu bei, dass Fremden beim Anblick der Stadtmauern die Knie weich wurden. Wer nicht mit Pfeilen bespickt oder von Säbeln erschlagen in der Steppe verenden wollte, der war besser beraten, seine Beine in die Hand zu nehmen, anstatt eine Landkarte anzufertigen.
Innerhalb der Stadtmauern Al-Khurabs ging es zur Zeit meines Aufenthalts damals jedoch weitaus weniger beeindruckend zu. Besonders in den weniger betuchten Vierteln dominierten vor allen Dingen rissige Granit- und Tonbauten das Gesicht der Stadt und es roch durchdringend nach Ziegen, Pferdekot und körperlichen Ausdünstungen. Da zur Epoche des Wiederaufbaus jeder einfach dort sein Haus errichtet hatte, wo Platz gewesen war, war über die Jahrzehnte hinweg ein unüberschaubares Labyrinth aus verworrenen Gassen, schrägen Plätzen und unzähligen Sackgassen entstanden.
Im Herzen dieses Wirrwarrs hatte man einen aus mehreren Gebäuden bestehenden Palast errichtet. Im Größten und Prunkvollsten davon, dem Herrscherhaus, lebten Dakahn Yarran und die Edlen Al-Khurabs. Man hatte es ganze sieben Stockwerke hoch gebaut, nur um sicherzugehen, dass selbst die Bewohner der Elendsviertel im Außenbezirk es zu bestaunen vermochten.
Auf einem der oberen Balkons dieses Gebäudes hatte ich Zuflucht vor den Festlichkeiten gesucht, die schon seit der Verkündung des abgeschlossenen Friedensvertrags am Mittag in vollem Gange waren. Seufzend lehnte ich mich über die Holzbrüstung, um hinunter auf die Straßen jenseits der Palastmauern zu spähen, die in dieser warmen Mainacht mit Leben pulsierten.
Der Mond stand bereits am Firmament und für gewöhnlich würde sich zu dieser Zeit niemand mehr vor die Tür wagen, doch heute wimmelte die Südstraße von Menschen. Papierlaternen, so zahlreich wie die Sterne am Himmel, tauchten die Stadt in ihren warmen Schimmer und der Wind wehte mir Musik, Gesang und Lachen ans Ohr.
Die ganze Stadt war in Festlaune, ob des Siegs über die Rhenari und obwohl ich mich bemühte, diese Gelöstheit in mich aufzusaugen, wollte in mir keine Freude aufkommen. Ab und zu hörte ich nämlich einen Ruf, das verzückte Kreischen spielender Kinder oder auch nur ein zu lautes Bellen und auf einmal hatte ich das Echo von Eris Schreien in meinen Ohren.
In diesen Momenten wollte ich einfach nur noch nach Hause. Zu Merle und Wolke. Zu meiner Tochter und meinen Freunden...
»Hier bist du also«, ertönte eine wohlbekannte Stimme.
Aus meiner Versunkenheit gerissen fuhr ich herum. Kjell, der Herr der Schatten, stand an den Türrahmen gelehnt hinter mir. Er hielt zwei Kelche in der Hand und reichte mir einen davon, als er sich neben mich gegen die Brüstung lehnte. Überrascht nahm ich ihn entgegen, nur um festzustellen, dass sich kein Branntwein darin befand, sondern bloß kalter, dunkler Tee.
Trotzdem bedankte ich mich und musterte meinen ehemaligen Lehrmeister von der Seite. Wie ich trug er dunkle Lederstiefel, eine robuste Lederhose sowie ein Leinenhemd, über das er sich einen beinahe knielangen grauen Mantel gestreift hatte. Darauf war auf Brusthöhe auf der linken Seite eine von einem Kreis umrahmte Getreideähre in den Stoff eingenäht - das Clanabzeichen der Sanael.
Kjell lächelte nicht, aber er strahlte dennoch Zufriedenheit aus, während er auf das Getümmel hinabblickte. Bis auf seine pechschwarzen Iriden hatte er sich vollkommen verändert. Die blonden Haare hatte er sich dunkel gefärbt, kaum dass wir die Distrikte verlassen hatten, und selbst sein Gesicht, den Hals und die Hände hatte er sich mit einem bräunlichen Mittel eingeschmiert, damit er den Steppenbewohnern ähnlicher sah.
Bei mir war so viel Aufwand nicht vonnöten, denn als einer ihrer Bastarde besaß ich die sonnengebräunte Haut, das dunkle Haar und die hellgraue Augenfarbe, für die das Steppenvolk bekannt war. Bloß die Narbe an meiner Wange verdeckte ich stets mit einer hautfarbenen Paste. Und um die Gefahr zu verringern, dass mich ein Spitzel des Blutkönigs wiedererkannte, verbarg ich die untere Hälfte meines Gesichts meist zusätzlich mit einem Tuch, wenn ich mich durch die Stadt bewegte.
»Warum bist du nicht unten bei den Edlen?«, fragte Kjell nach einer Weile des Stillschweigens. Sein Blick klebte noch immer auf der Südstraße, wo ein paar Menschen in mehreren kleinen Kreisen zu tanzen begonnen hatten. In der Ferne hörten wir das Schlagen von Trommeln.
»Ich brauchte frische Luft«, sagte ich.
»Wohl eine ganze Menge, wenn du dich seit zwei Stunden nicht mehr hast blicken lassen.«
Ich schwieg und verfolgte die rhythmischen Bewegungen der tanzenden Meute. Zur Abenddämmerung waren die rhenarischen Geiseln auf ebenjener Straße in den Palast geführt worden, auf der sich nun die Tänzer geschmeidig umsprangen. Die Geiseln hatten starr und aufrecht in ihren Satteln gesessen, umringt von der sanaelischen Clanwache. Nur wir Schatten hatten die leisen Anzeichen von Angst und Kummer aus den Zügen der Jungen und Männer ablesen können.
Anfänglich hatte ich befürchtet, dass die Bewohner Al-Khurabs die Geiseln mit Steinen bewerfen oder gar versuchen würden, sie von den Pferden herunterzureißen, doch das war nicht geschehen. Die bloße Anwesenheit von Yarrans Clanwächtern hatte die Gaffer ferngehalten. Der Trupp hatte es unbehelligt in den Palast geschafft. Ob sie jemals wieder einen Fuß hinaussetzen würden, war jedoch ungewiss.
»Was ist los mit dir?«, fragte Kjell. »Was beschäftigt dich?«
Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte.
»Ares«, mahnte er. »Wenn du mir nicht antwortest, werde ich davon ausgehen müssen, dass du dich wieder vor deiner Pflicht zu drücken versuchst.«
»Wie will Yarran denn die Unversehrtheit der Geiseln garantieren, wo doch so viel Blut zwischen den rhenarischen und den sanaelischen Edlen geflossen ist?«, brach es da aus mir hervor. »Ich will gar nicht wissen, wie viele Rechnungen zwischen diesen Familien noch offenstehen. Und nun haben die Sanael die Söhne ihrer Feinde in ihrer Gewalt...«
»Ich verstehe, dass dich das nach wie vor beunruhigt, aber erinnere dich an das, was wir besprochen haben: Die Geiseln haben nichts von Yarran zu befürchten. Dafür sind sie schlichtweg zu kritisch für die Sicherung seiner Herrschaft und auch niemand anders wird ihnen ein Haar krümmen, solange der Dakahn seine Hand über sie hält. Aber du hast natürlich nicht ganz unrecht. Wir werden fortan dafür sorgen müssen, dass die Edlen die politische Bedeutung dieser Geiseln stets vor Augen haben, damit sie gar nicht erst in Versuchung geraten, sich ihren Rachegelüsten hinzugeben.« Er legte eine Hand auf meine Schulter. »Aber momentan sind die Edlen sowieso zu berauscht - sowohl von diesem Sieg als auch vom Alkohol - um sich mit den Geiseln auseinanderzusetzen. Und nun komm. Lass uns wieder hinuntergehen, bevor man uns unsere Abwesenheit als Respektlosigkeit auslegt... Zieh nicht so ein Gesicht, Junge. Die Ablenkung wird dir guttun. Außerdem hat der Dakahn sich bereits nach uns erkundigt. Es ist gut möglich, dass er uns im Laufe der Nacht zu sich bestellt. Wir sollten uns also darum bemühen, uns unter die Menge zu mischen, um erreichbar für ihn zu sein.«
Ich ließ mich von ihm zurück ins Haus geleiten. »Warum glaubst du, will er mit uns sprechen?«
Kjell führte mich geradewegs zur Treppe. »Ich weiß es nicht, aber wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass er unseren Rat in irgendeiner Angelegenheit sucht.«
Wir stiegen die hölzerne Treppe hinunter. Viele Stufen, auf die wir traten, waren zur Mitte hin durchgebogen und auch die Bohlen der Flure, die wir entlangschritten, waren abgelaufen und uneben. Angeblich wäre die Holzverkleidung, die den Großteil der Böden, Wände und Balkons des Herrscherhauses verdeckte, über ein ganzes Jahrhundert alt. Das zumindest hatten mir die Clanwächter weismachen wollen, als sie mich das erste Mal durch das Herrscherhaus geführt hatten.
»Hast du eigentlich getan, worum ich dich heute Morgen gebeten habe?« Kjell sprach nun mit gedämpfter Stimme, denn je weiter wir hinunterstiegen, desto mehr Gäste strömten uns glucksend und plaudernd entgegen.
»Ja, ich habe Fenris zu Krähe nach Umbra geschickt«, sagte ich. »Er ist vor ein paar Stunden bei ihm angekommen. Du hast mir übrigens immer noch nicht erklärt, warum du meinen Dämon plötzlich so dringend an Krähes Seite haben willst.«
Doch darauf antwortete er mir nicht mehr, denn wir hatten die Eingangshalle im Erdgeschoss erreicht, in der die Feierlichkeiten stattfanden. Der große Raum war so überfüllt und stickig, dass ich unwillkürlich die Luft anhielt.
Auch hier wurde gelacht, gejohlt und gesungen. Auf einer Seite spielten zwei Musikanten Flöte und mehrere, spärlich bekleidete Tänzerinnen kreisten dazu ihre Hüften. Dienerinnen liefen umher und gossen den Edlen und anderen geladenen Gästen Branntwein ein. In prächtige, farbenfrohe Festtagskleidung gehüllte Mätressen und Ehefrauen tuschelten miteinander, während die meisten Männer sich kaum mehr in der Senkrechte halten konnten.
Während Kjell zielstrebig auf drei Edle zusteuerte, die ihn bemerkt hatten und zu sich hinüberwinkten, ließ ich mich so unauffällig wie möglich zurückfallen und setzte mich schließlich auf eines der Sitzkissen, die um die Tische entlang der Wände ausgelegt waren. Einige Clanwächter hockten ebenfalls dort. Obgleich sie mich nur vom Sehen her kannten, stießen sie mit mir an, als wären wir alte Freunde. Sie störten sich nicht einmal an meiner Einsilbigkeit.
Ich hatte den Tee bereits ausgetrunken und liebäugelte mit einer Flasche Branntwein, als Kjell, flankiert von zwei grimmig dreinblickenden Clanwächtern, wieder vor mir auftauchte.
Ich erhob mich und wir wurden von den Männern durch eine Schiebetür aus der Halle hinaus eskortiert. Eine Weile schritten wir einen Gang entlang, und dabei nahm das Rauschen und Flüstern zu, das stets durch das Herrscherhaus wehte: ›Wanderer, Wanderer...‹
Bei ihren Raubzügen zur Zeit des Jahrhundertkrieges hatten vor allen Dingen die Sanael und die Rhenari Artefakte in ihren Besitz gebracht. Ursprünglich, um sie zu zerstören. Mit der Zeit jedoch hatten die Dakahne begonnen, diese Gegenstände als Siegestrophäen und somit auch als Symbol ihrer Macht zu sammeln. Es war also nicht weiter überraschend, dass auch Yarran das ein oder andere Artefakt besaß.
Mit jedem zurückgelegten Schritt drückte sich die Magie dieses magischen Objekts stärker gegen meinen Schild, bis mir das Herz vor Aufregung bis zum Hals klopfte. Ich spürte Kjells Blick auf mir ruhen. Eine Frage stand darin geschrieben: Wo ist das Artefakt?
Bisher wussten wir nur, dass sich eines irgendwo in diesem Teil des Gebäudes befand. Nur war er zu gut bewacht, um einfach einzubrechen und es zu stehlen. Deshalb hatten wir uns in Geduld geübt und möglicherweise würde sich das nun endlich auszahlen.
Ich deutete Kjell mit knappen Handzeichen, dass es sich in einem nahegelegenen Raum befinden musste. Er nickte kaum merklich und wir marschierten schweigend weiter, bis wir eine schmale Schiebetür erreichten. Davor mussten wir uns zunächst hinknien, die Köpfe gesenkt. Einer der Wächter, die uns hergebracht hatten, verkündete unsere Namen, bevor sich beide zurückzogen.
An dieser Stelle sollte ich betonen, dass die Namen, die dieser Mann ausgerufen hatte, nicht unsere wahren Namen waren. Es waren Decknamen, die wir uns für die Steppe zugelegt hatten, damit der Blutkönig uns nicht auf die Schliche kam. Um der Verwirrung vorzubeugen, werde ich sie jedoch nicht nennen. Stattdessen werde ich für meine Geschichte an ihrer statt weiterhin bloß unsere echten Namen nennen. Wenn Ihr im Folgenden also hört, wie Yarran und sein Gefolge meinen Meister ›Kjell‹ und mich ›Ares‹ nennen, behaltet Euch im Hinterkopf: Das waren nicht die Namen, unter denen sie uns damals kannten.
»Überlass das Reden am besten mir«, raunte Kjell mir noch zu, bevor die Tür auch schon geöffnet wurde und sich ein warmes Licht in den Flur ergoss. Der herbe Geruch von Nachtkreuz strömte über uns hinweg und als ich mich erhob, um über die Türschwelle zu treten, juckte mir die Nase vom Rauch, der in der Luft stand.
›Wanderer.‹
Hinter uns wurde die Tür mit einem schabenden Geräusch zugeschoben.
»Da seid ihr ja«, sagte der Dakahn mit einer Stimme, die so rau war, als hätte er sich die Kehle wund geschrien. Er saß auf seinem zerwühlten Bett und trug ein locker sitzendes Hemd, unter dem sich seine Clan-Tätowierungen über seine Brust bis hinauf zu seinem kurz gestutzten Bart schlängelten. Er war ein Jahrzehnt älter als ich und das war sehr jung für einen Dakahn.
Eine Frau räkelte sich hinter ihm. Ihre Augen waren glasig und ihr blutroter Lippenstift verwischt. Der Dakahn beugte sich zu ihr und flüsterte ihr etwas zu, woraufhin sie sich erhob und mit ausdrucksloser Miene an uns vorbei zur Tür torkelte. Sie war splitternackt.
Nachdem sie den Raum verlassen hatte, zeigte Yarran auf den Tisch in der Mitte des Raumes. Dort lag auch die Kopfbedeckung, die er für gewöhnlich trug: ein aus Leder bestehender, mit Fuchsfell verzierter Helm, auf dem die Insignien der Götter eingebrannt worden waren und darunter das Clanabzeichen. Hinten und an den Seiten des Helms waren außerdem Lederlappen angebracht, die ihm bis zu den Schultern fielen, wenn er ihn sich aufsetzte. »Nehmt Platz.«
Kjell und ich setzten uns in Bewegung. Im Gehen drehte ich meinen Kopf zum düsteren Schrank in der rechten Ecke des Raumes.
›Wanderer. Ich... spüre... dich...‹
Dort befand sich also das Artefakt.
Wir setzten uns und verharrten still, während sich der Dakahn einen Seidenmantel überzog. Er hockte sich uns gegenüber in den Schneidersitz, seine Pupillen leicht geweitet und das Weiß seiner Augen von roten Adern durchwoben.
Yarran war ein typischer Steppenbewohner. Mit seiner sonnengegerbten Haut, dem fingerlangen schwarzen Haar und dem breiten Körperbau hätte er ganz leicht mit den restlichen Städtern verschmelzen können, wären seine Augen nicht gewesen. Denn diese blieben stets hart und kühl wie Messerklingen, selbst wenn er lächelte, wie jetzt.
»Ich fürchte, ich habe mich noch gar nicht gebührlich bei euch beiden bedankt, dabei habe ich euch die Idee mit den Geiseln zu verdanken«, sagte er. »Vor den Palastmauern spricht man bereits darüber, dass mir gelingen wird, was keinem meiner Vorgänger gelungen ist. Dort nennt man meinen Namen bereits in einem Atemzug mit dem ›Blutkönig‹, jene irrwitzige, alte Legende, die unser verstreutes Volk wiedervereinen soll.« Er lachte und schüttelte den Kopf. »Verrückt, nicht wahr? Und ein Grund, anzustoßen.«
Yarran schnippte mit den Fingern. Ein Rascheln war zu vernehmen und gleich darauf tauchte eine Dienerin hinter einem Vorhang links von uns auf und kniete sich neben uns. Sie stellte ein Tablett auf dem Tisch ab. Darauf standen drei Trinkbecher und eine Tonflasche. Yarran beobachtete sie mit Adleraugen, während sie die Flasche entstöpselte und die Becher gluckernd bis zum Rand füllte. Sie reichte sie uns und nachdem sie das Zimmer durch die Schiebetür verlassen hatte, hob der Dakahn seinen Becher an. Wir taten es ihm gleich.
»Auf euch, meine Spione«, sagte er, »denen ich diesen Sieg zu verdanken habe.«
Der Branntwein schmerzte mir noch in der Kehle, als Yarran das Wort abermals aufnahm: »Wisst ihr, in meinem ganzen Leben habe ich mich nicht sicherer vor Angriffen seitens der Rhenari gefühlt als jetzt.« Er beäugte seinen leeren Becher und dabei verfinsterte sich sein Gesicht. »Aber hier, in meinem eigenen Haus, sieht es anders aus. Die Zweifel in meine Führung leben und gedeihen nach wie vor, nun kommen sie sogar aus meinem engsten Kreis. Die Edlen beglückwünschen mich, sie verbeugen sich vor mir und lächeln mich an, aber kaum dass ich ihnen den Rücken zukehre, höre ich ihr Getuschel. Sie wundern sich, warum ich ihnen nicht erlaube, Hand gegen die rhenarische Brut zu erheben und warum Thorak in seinem Herrscherhaus verweilen darf, anstatt in unserem Kerker zu verrotten. Und die Antworten, die ich ihnen bald geben muss, werden genauso wenig zufriedenstellend für sie sein, wie sie es für mich sind, denn eigentlich teile ich ihre Meinung. Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen.« Er knallte den Becher auf den Tisch, seine Miene bitter. »Erinnert mich: Was spricht dagegen, Thorak in unsere Stadt zu bestellen und ihn vor aller Augen hinzurichten, um den Blutdurst meiner Edlen zu stillen und meinen Sieg über die Rhenari in Stein zu meißeln?«
Kjell stellte seinen Becher ebenfalls ab. »Nichts, wenn Ihr es einzig und allein darauf abgesehen habt, Eure Edlen zufriedenzustellen«, sagte er gedehnt. »Allerdings würdet Ihr Eure eigene Bevölkerung damit gegen Euch aufbringen und den Rhenari darüber hinaus einen neuen Grund liefern, sich an Euch zu rächen. Denkt daran: Die Dakahne werden zwar von Edlen gewählt, aber erst, wenn sie den Segen der Götter durch die Hohepriester erfahren, erkennt die gemeine Bevölkerung einen Prätendent als Dakahn an. Man wird Euch also vorwerfen, gegen die Götter vorgegangen zu sein, solltet Ihr einen Dakahn wie Thorak hinrichten.«
»Die Götter!« Yarran schnaubte. »Ausgerechnet du redest von den Göttern, Kjell?« Er lehnte sich vor. »Betest du überhaupt? Würde ich Abschriften der Götter finden, wenn ich dein Haus durchsuchen lasse?«
Kjell ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Es geht nicht darum, was ich glaube, sondern was der Rest Eures Clans glaubt. Wollt Ihr Eure Macht wirklich für etwas riskieren, dass Euch früher oder später sowieso in den Schoß fallen wird? Thorak ist alt und laut unseren Quellen bei erdenklich schlechter Gesundheit. Bald wird sein Thron leer sein, ohne dass Ihr dafür auch nur einen Finger krümmen müsst. Wenn Ihr die Euch anvertrauten rhenarischen Geiseln bis dahin gut behandelt, werdet Ihr sie zum richtigen Zeitpunkt gegen den rhenarischen Thron eintauschen können. Wir müssen uns bloß in Geduld üben.«
»Geduld.« Yarran tippte mit dem Zeigefinger auf den Helm zwischen uns. »Du weißt, dass ich kein geduldiger Mensch bin. Ich würde nicht sein, wo ich bin, hätte ich nur dagesessen und darauf gewartet, dass die Edlen mich anstelle meines Onkels erwählen.«
»Ich rate Euch dennoch, Thorak am Leben zu lassen. Solange es ihn gibt, gibt es auch Ordnung bei den Rhenari. Wenn wir zu früh zu heftig daran rütteln, werden wir die Kontrolle über sie und die von ihnen besetzte Stadt Umbra wieder verlieren.«
Yarran kniff seine Lippen zusammen. Dann sah er mich an und ein frischer Zorn stieg rot in seine Wangen. »Und du? Warum bist du so still? Hast du keine Meinung dazu?«
Obwohl Kjell mir mehr oder weniger verboten hatte, zu sprechen, blieb mir nun nicht viel anderes übrig, als es trotzdem zu tun. Mit aller Gefasstheit, die ich im Angesicht von Yarrans Wut zusammenkratzen konnte, antwortete ich: »Ich denke, Ihr haltet die Edlen für weitaus mächtiger als sie es tatsächlich sind. Ihr seid bereits der Dakahn. Die Edlen können Euch Euren Titel nicht mehr absprechen.«
»Das ist Unsinn!«, blaffte er. »Die Edlen leben zusammen mit mir hier in diesem Haus. Giftanschläge, Unfälle oder ein Brand. Es gibt tausend Dinge, die sie tun können, um mir mehr als nur meinen Titel zu nehmen! Der Tod steht ständig vor meiner Tür. Jedes Mal, wenn ich es mir mit einem der Edlen verscherze, spüre ich ihn wie eine kalte Hand in meinem Nacken.«
»Solange Ihr die Sympathie des Volkes besitzt, werden sich die Edlen davor hüten, Euch etwas anzutun«, entgegnete ich. »Sie sind Familien, die ihren Einfluss und ihren Reichtum Euren Untertanen zu verdanken haben. Ihre Macht stützt sich auf dem einfachen Volk: den Viehzüchtern und Schmieden, den Bäckern und Handwerkern. Und dieses Volk tanzt heute Nacht da draußen auf der Straße und feiert Euch. Das sind die Menschen, auf die Ihr Euch konzentrieren solltet.« Ich atmete tief ein. »Der Clan der Bosek im Westen hat die Geschehnisse der letzten Wochen sicherlich mitverfolgt. Es liegt in seinem Interesse, sich nun schnellstmöglich einen Freund aus Euch zu machen. Warum nutzt Ihr die Gunst der Stunde nicht, um den Bosek eine Hand entgegenzustrecken und einen Waffenstillstand auszuhandeln? Gebt Eurem Volk, was es will. Erfüllt die Erwartungen Eurer Untertanen. Sie glauben, Ihr seid der Blutkönig? Dann macht es zu Eurer Bestimmung.«
Yarran starrte mich an. Es war so still, dass ich nichts als das Pochen meines eigenen Herzens vernehmen konnte. Es kam mir viel zu laut vor. Weil niemand etwas sagte und sich auch niemand regte, begann ich allmählich zu befürchten, dass ich den Dakahn mit meinen Worten brüskiert hatte.
Umso beunruhigter war ich, als Yarran schließlich bar jeder Emotion zu Kjell sagte: »Geh. Ich möchte mit Ares unter vier Augen sprechen.«
Kjell zögerte nur einen Augenblick, ehe er aufstand, sich verbeugte und daraufhin entfernte, ohne auch nur ein einziges Mal meinem suchenden Blick zu begegnen.
Ich war nie sonderlich begeistert, wenn mir in Aussicht gestellt wurde, mit Yarran allein zu sein. Immerhin genügte ein Wort von ihm, um mich auf die andere Seite des Schleiers zu befördern, und heute konnte ich mich nicht einmal auf meine Magie verlassen, um mich davor zu bewahren. Sowohl der Branntwein als auch das Nachtkreuz, das schwer und rauchig in der Luft schwebte, spielten bereits mit meinen Sinnen und trübten meine Magie.
»Kjell scheint nicht viel Vertrauen in dich zu haben«, eröffnete der Dakahn unser Gespräch.
Überrascht sah ich ihn an.
»Drei Jahre kennt ihr euch schon, nicht wahr?«, fragte Yarran. »Drei Jahre und noch immer verbietet er dir den Mund, wie an dem Tag, an dem ich dich kennenlernte. Wieso lässt er dich so selten sprechen? Beschützt er dich vor mir oder hält er dich absichtlich klein? Glaubt er vielleicht, du seist einfältig?«
Ich wusste, ich bewegte mich auf dünnem Eis und dementsprechend vorsichtig wählte ich meine nächsten Worte: »Ihr habt recht, Dakahn. Kjell und ich kennen uns schon seit drei Jahren. Allerdings bildet er mich erst in den letzten zwei Jahren zu seiner rechten Hand aus und deshalb habe ich noch viel zu lernen.«
Yarran beäugte mich abwägend. »Weder bin ich dieser Überzeugung noch glaube ich, dass du es bist. Nein, das Problem liegt nicht bei dir. Es liegt bei ihm. Sieh, ich kenne viele Meister und habe selbst unter einigen gelitten. Lass dir gesagt sein: Es ist besser, sie anzuzweifeln, denn die meisten wissen nicht, wann ihre Zeit vorbei ist.«
Jäh erhob er sich und bedeutete mir, es ihm gleichzutun.
»Du hast einen interessanten Punkt zur Sprache gebracht«, sagte der Dakahn, während wir auf die rechte hintere Ecke zusteuerten. Dorthin, wo sich der Schrank befand. »Ich messe meinen Edlen in der Tat sehr viel Bedeutung bei und in meinem Eifer, sie zufriedenzustellen, verliere ich gelegentlich den Blick auf das Wesentliche. In diesen Fällen ist es vorteilhaft, jemanden zur Seite zu haben, der mich daran erinnert, dass sich nicht alles um sie drehen darf. Die Götter haben mich schließlich nicht grundlos an die Spitze der Sanael gesetzt.«
Trotz des Nachtkreuzes in meinen Lungen und des Alkohols in meinem Magen liefen mir wegen des Artefakts Schauer über die Haut, als wir unmittelbar vor dem düsteren Möbelstück stehen blieben. Ein Teil von mir sehnte sich immer verzweifelter danach, die Schranktür aufzureißen, um es an mich zu bringen, ein anderer Teil wollte sich die Ohren zuhalten und schreien.
»Sicher ist dir bereits zu Gehör gekommen, dass ich meinen Günstlingen hin und wieder Geschenke mache, nicht wahr? Männer, die meine Wertschätzung auf die ein oder andere Weise erlangt haben. Nun, heute darfst du dich zu ihnen zählen.« Yarran öffnete die Schranktür. »Was auch immer du möchtest, nimm es dir.«
Das Artefakt war ein Stirnreif.
Ein goldener Stirnreif, in dem funkelnde Edelsteine eingefasst waren.
Einer davon milchig-weiß.
Das war alles, was ich sah und was ich dachte. Selbst die Tragweite von Yarrans Worten sickerte erst viele Stunden später zu mir hindurch.
›Heb mich auf und träufle deine Erinnerungen in mich hinein‹, säuselte das Artefakt.
Meine Erinnerungen?
›Ja, Wanderer. Deine Erinnerungen. Gib sie mir. Jene, die du nicht in dir tragen möchtest. Streck deine Finger nach mir-‹
Ich hatte bereits meine Hand gehoben, hielt jedoch inne, als ich mir eines weiteren Hauchs von Magie gewahr wurde. Kein Säuseln ging davon aus und das verdutzte mich, denn wäre es ein Artefakt gewesen, hätte es schon längst versucht, mich dazu zu überreden, es zu benutzen. Diese Magie jedoch sprach nicht... und sie roch nach süßer Luft und feuchter Erde.
Mein Herz machte einen Satz. Unvermittelt war ich an den Drachen erinnert, der über den Horizont hinweggeglitten war, sowie an die grünen Büsche mit den Früchten, mit denen die Feen gespielt hatten. An damals, als ich das erste Mal mithilfe des Armbandes ins Dämmerland hinübergesehen hatte.
Mein Blick fiel auf eine zusammengerollte Schriftrolle.
Es kostete mich meine ganze Willenskraft, am Stirnreif vorbeizugreifen und stattdessen das Pergament in die Hand zu nehmen. Im selben Moment, in dem meine Fingerspitzen das weiche, warme Leder berührten, bahnte sich ein Kribbeln über meine Haut. Ich konnte es fast wieder sehen, das Dämmerland, in seiner vollen Pracht...
»Ausgerechnet dieses seltsame Schriftstück möchtest du haben?«, fragte der Dakahn und erschreckte mich dadurch, denn ich hatte schon ganz vergessen, dass er überhaupt da war.
Zur Antwort zog ich die Schriftrolle an meine Brust und nickte.
Yarran schloss die Schranktür. »Dann behalte es und sollte es dir glücken, diese Zeichen zu entziffern, so berichte mir davon. Dieses Rätsel hat mich um etliche Nächte Schlaf gebracht.«
Er wies mich an, wieder mit ihm am Tisch Platz zu nehmen, wo er mir mehr Branntwein eingoss. Ich legte das Pergament auf meinen Schoß und umklammerte es mit einer Hand, als bangte es mir, man könnte es mir wegnehmen.
Während mir das verlockende Flüstern des Artefakts im Kopf herumspukte, begann Yarran mich über meine Zeit als Gladiator in den Distrikten auszufragen. Er schien besonders interessiert an den Kämpfen und verlangte von mir, sie in allen blutrünstigen Einzelheiten zu beschreiben. Als er mich endlich entließ, war mir schon ganz schlecht, sowohl von all dem Gemetzel, das ich mir aus den Fingern hatte saugen müssen, als auch vom vielen Branntwein.
Fast hatte ich damit gerechnet, Kjell im Gang vorzufinden, doch bis auf vier patrouillierende Clanwächter befand sich niemand dort. Die Eingangshalle war ebenfalls verwaist, von den Edlen und den Ehrengästen fehlte jede Spur. Nunmehr verwirrt durchquerte ich die Halle, öffnete die große Flügeltür...
... und schaute dem aufziehenden Morgen entgegen.
Deshalb also war das Herrscherhaus so leer. Yarran hatte mich die ganze verfluchte Nacht lang ausgefragt!
Plötzlich stieg mir Säure in den Rachen und ich beeilte mich, das Herrscherhaus hinter mir zu lassen. Ich torkelte quer durch den Garten und gelangte zum östlichen Palasttor. Ein mürrisch vor sich hin grummelnder Clanwächter öffnete es mir und gab mir so den Weg auf die ausgestorbene Hauptstraße frei.
Kaum war das Tor hinter mir zugeschlagen, erklang Kjells Stimme zu meiner Linken: »Was hat er mit dir besprechen wollen?«
Der Herr der Schatten hatte sich neben dem Tor gegen die Mauer gelehnt, sein Gesicht zu mir gewandt. Er wirkte nicht einmal müde, obwohl er viele Stunden hier gewartet haben musste.
Ich öffnete den Mund, um ihm zu antworten, doch da schlug mir eine Brise entgegen, die so warm und von einem solch ranzigen Gestank geschwängert war, dass ich mich auf der Stelle übergeben musste. Nur langsam beruhigte sich mein Magen wieder. Schuldbewusst sah ich auf und wischte mir mit dem Ärmel über die Lippen und das Kinn. »Mir ist schlecht.«
»Was du nicht sagst. Zu viel Branntwein, nehme ich an? Und was jetzt? Erwartest du, dass ich Mitleid mit dir habe? Das fällt mir nämlich schwer, wo du es dir doch selbst zu verschulden hast.«
»Mhm«, machte ich nur, weil ich das Gefühl hatte, mich wieder erbrechen zu müssen, sobald ich den Mund aufmachte.
Kjell löste sich von der Mauer und schritt voran. »Komm jetzt. Lass uns zum sicheren Haus gehen.«
Obwohl ich mir viel zu schwach vorkam, um einen Schritt vor den anderen zu setzen, traute ich mich nicht, ihm zu widersprechen. Ich schlurfte ihm hinterher. Doch in den Gassen, die in alle Richtungen von der Straße abzweigten, war der Gestank nach Kot und Abfall noch viel schlimmer und so konnte ich mich nur ein paar Meter weit schleppen, ehe ich mich hinsetzen musste, den Kopf in meinen Händen vergraben, um nicht mitansehen zu müssen, wie sich die Welt um mich drehte.
Jemand trat neben mich und weil ich annahm, dass es Kjell war, keuchte ich: »Ich brauche eine Pause. Mir ist wirklich kotzübel.«
»Wieso? Bist du krank?«, fragte eine piepsige Kinderstimme. Sie gehörte einem kleinen Mädchen, das mit einer erloschenen Papierlaterne einen Meter von mir entfernt stand. Anscheinend hatte ich mich neben einen Hauseingang niedergepflanzt, denn hinter ihr trat ein Mann aus einer Tür, der, den ähnlichen Zügen nach zu urteilen, ihr Vater war. Er warf nur einen Blick auf mich, bevor er seine Tochter an die Hand nahm und sie von mir fortzog.
»Aber Papa-«
»Sei still!«, raunte er dem Mädchen zu, während sie sich entfernten. »Siehst du das Abzeichen auf seinem Mantel? Das ist einer von Yarrans Vertrauten. Es ist sicherer, wenn du ihnen nicht zu nahe kommst...«
Zu meiner Rechten erklang ein Seufzen und als ich mich umsah, entdeckte ich Kjell. Ich hatte keine Ahnung, wie es möglich war, dass er plötzlich hinter mir auftauchte, wo er zuvor vor mir hergelaufen war.
»Steh auf«, sagte er, um einiges sanfter als zuvor. »Es ist nicht mehr weit bis zum sicheren Haus.«
Kjell half mir auf die Beine und stützte mich, während wir uns langsam zu jenem Gebäude begaben, in dem wir Schatten unser Hauptquartier in Al-Khurab bezogen hatten. Noch immer kämpfte ich mit den Nachwirkungen des Alkohols, als wir unser Ziel erreichten und uns ein übernächtigt aussehender Schatten die Tür öffnete.
»Setz dich an den Tisch«, wies Kjell mich an. »Bartholomäus, bring ihm etwas zu trinken.«
Bis auf den Schatten Bartholomäus war das Erdgeschoss des Hauptquartiers leer, wofür ich dankbar war, denn ich wünschte mir nichts sehnlicher als einen Moment der Ruhe.
Der große Raum war spärlich eingerichtet. Das Mobiliar war schlicht und nur einige schmutzige, ausgefranste Teppiche bedeckten den harten Boden. Die Fenster des Untergeschosses waren schon seit meiner Ankunft vermauert, die Wände rau und rissig. Ohne die Papierlaternen, die auf dem Tisch standen, wäre das Innere des Hauses in Finsternis versunken.
Der Herr der Schatten wich mir nicht von der Seite, während ich eines der Sitzkissen am niedrigen, karmesinrot lackierten Tisch anstrebte. Im Schneidersitz ließ ich mich dort nieder und rieb mir die Schläfen. Ich fühlte mich hundeelend.
»Bist du von Sinnen, dich so zu betrinken?«, herrschte Kjell mich an. »Ständig kommst du mit einer neuen Dummheit! Wenn es nicht der Alkohol ist, ist es der Schlaftrunk oder das Nachtkreuz. Ich kann nicht fassen, dass ich dieses Gespräch schon wieder mit dir führen muss, wo du mir doch erst vor ein paar Wochen hoch und heilig versprochen hast-«
»Ich weiß, was ich dir versprochen habe«, knurrte ich, »und ich habe es diesmal auch wirklich bloß wegen des Artefakts getan! Der Stirnreif wollte nicht aufhören, mich mit seinem Flüstern in den Wahnsinn zu treiben und Yarran hat mich einfach nicht gehen lassen, also habe ich meine Magie mit dem Branntwein betäubt. Ich wusste nicht, was ich sonst hätte tun sollen!«
»Der Stirnreif?« Kjells Miene erhellte sich. »Du weißt, um was für einen Gegenstand es sich bei dem Artefakt handelt? Heißt das, du hast es gesehen?«
In dem Moment kehrte Bartholomäus mit einem überschwappenden Krug zurück. Er drückte ihn mir in die Hände und ich trank ein paar Schlucke von dem kühlen Wasser, um den säuerlichen Geschmack in meinem Mund herunterzuspülen. Als ich ihn absetzte, ruhten Kjells Augen erwartungsvoll auf mir.
»Jetzt spann mich nicht so auf die Folter und erzähle mir, was geschehen ist, Junge.«
Trotz der Übelkeit gab ich mein Gespräch mit dem Dakahn Wort für Wort wieder. Nun ja, beinahe. Ich behielt für mich, was Yarran über meinen Meister behauptet hatte. Es behagte mir nicht, Zweifel über Kjell zu äußern, selbst wenn sie nicht von mir stammten.
»Es ist gut, dass Yarran endlich Vertrauen zu dir fasst«, sagte Kjell. Sein Zorn über mein Trinkgelage mit dem Dakahn war offensichtlich verraucht. »Ich hatte schon befürchtet, dass ihr niemals miteinander warm werdet. Wo ist denn der Stirnreif?«
»Ich habe ihn nicht«, gestand ich und zog die Schriftrolle aus der Innentasche meines Mantels hervor. »Weil ich mir stattdessen die hier ausgesucht habe.«
Kjell nahm sie mit in Furchen gezogener Stirn entgegen und entrollte sie auf dem Tisch.
Ich erklärte: »Es ist kein Artefakt, denn es redet nicht mit mir. Aber damals, in der Parität, und auch davor, als ich nur hinübergeschaut habe, hat sich dort drüben alles klarer und reiner angefühlt. Diesem Schriftstück hier haftet ein ähnliches Gefühl an und das hat mich stutzig gemacht.«
Auch Bartholomäus, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, trat nun an den Tisch heran, um das Pergament in Augenschein zu nehmen und fuhr sich mit der Hand durch das eingeölte, lockige Haar.
Von anderen Schatten hatte ich gehört, er wäre so eitel, dass er es sich ausnahmslos jede Woche dunkel färbte, um die grauen Strähnen zu verdecken. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob ich das glauben sollte, denn dieselben Schatten erzählten sich hinter meinem Rücken auch eine Menge Unsinn über mich. Vermutlich war es bloß unsere Nähe zu Kjell, die uns beide bei den anderen unbeliebt machte.
»Das sind die Glyphen, die wir schon oft auf Schriftstücken über Artefakte gefunden haben«, sagte Bartholomäus perplex. »Nur ist dieses hier im Vergleich zu den anderen erstaunlich gut erhalten.«
Der Schatten sprach von den Pergamenten, die Kjell im Palast lagerte. Bisher hatte ich nicht mehr als ein paar flüchtige Blicke auf diese Dokumente erhascht und Kjell hatte mir gegenüber kaum ein Wort über sie verloren. Aber ich wusste, dass er der Überzeugung war, die Gläsernen hätten für jedes Artefakt eine detaillierte Aufzeichnung verfasst - ein Dokument, das sowohl das Erscheinungsbild als auch die Funktionsweise dieser magischen Objekte festhielt. Wir konnten nur ahnen, dass es ihnen darum gegangen war, ein umfassendes Archiv zu schaffen, ganz so, wie Kjell es heute versuchte. Leider jedoch hatten die Archive der Gläsernen die Zeit nicht überdauert. Die Bibliotheken, in denen diese wertvollen Schriftstücke aller Wahrscheinlichkeit nach bewahrt worden waren, waren während des Jahrhundertkrieges restlos zerstört worden.
»Du meinst also, du spürst so etwas wie Magie von diesem Pergament ausgehen?«, fragte mich Kjell. »Kurios, denn Hiraya hat noch nie davon gesprochen, Magie an einem dieser Schriftstücke wahrgenommen zu haben. Was macht dieses hier so anders? Die Materialien womöglich? Stammen sie vielleicht aus dem Dämmerland? Liegt es etwa an der Magie, dass dieses Schriftstück vor Alter und Verfall beschützt worden ist?«
Er hielt inne und Bartholomäus und ich warteten gespannt darauf, dass Kjell mit seinen Vermutungen fortfuhr, doch das tat er nicht.
»Es ist gut, dass du dieses Schriftstück gewählt hast«, sagte er mir stattdessen. »Wir wissen nun, dass sich der Stirnreif im Schrank des Dakahns befindet und wenn du weiterhin an deiner freundschaftlichen Beziehung zu ihm arbeitest, sollten wir bald schon ohne größere Anstrengungen an ihn gelangen.« Er tippte mit dem Zeigefinger auf das Pergament. »Das hier hingegen könnte uns Aufschluss auf ein neues Artefakt geben. Sollte es eine Beschreibung enthalten, werde ich die anderen anweisen können, nach diesem Gegenstand Ausschau zu halten.«
»Kannst du die Glyphen wirklich lesen?«, fragte ich zwischen zwei Schlucken Wasser. Allmählich klärte sich der Nebel in meinem Kopf.
»Einige davon, nicht alle. Es tauchen hin und wieder neue Kombinationen von Glyphen auf. So wie auch auf diesem Schriftstück. Aber ich habe detaillierte Tabellen im Palast in Odir, die mir helfen werden, sie zu entschlüsseln.« Kjell rollte das Pergament zusammen. »Ich habe vor, heute Mittag eine Schattenversammlung einzuberufen und bitte euch darum, diese Entdeckung vorerst für euch zu behalten. Bartholomäus, sorge dafür, dass Ares bis dahin wieder halbwegs nüchtern ist. Ich muss jetzt gehen, um ein paar wichtige Erledigungen zu tätigen, bevor ich die anderen zusammentrommeln werde.«
Wir nickten und nachdem Kjell sich verabschiedet hatte, stand ich auf und hatte vor, mich in meinem Zimmer im oberen Stockwerk aufs Ohr zu legen, doch Bartholomäus beharrte darauf, dass ich bei ihm blieb. Alle paar Minuten nötigte er mich dazu, etwas Wasser zu trinken, um den Alkohol schneller aus meinem Körper zu spülen. Wir hatten einander nicht viel zu erzählen. Die meiste Zeit saßen wir uns bloß schweigend gegenüber. Nur wenn er bemerkte, dass meine Lider schwer wurden und mir der Kopf auf die Tischplatte zu sinken drohte, zog er mich auf die Beine und brachte mich dazu, mehrmals im Zimmer auf und ab zu gehen. Natürlich gerieten wir deswegen aneinander, aber seine Methode funktionierte. Ich war wieder nüchtern, bevor die anderen eintrafen.
Die meisten Schatten in Al-Khurab waren Männer meines Alters, mit steifen Gesichtern und Augen, denen man den scharfen Verstand ablesen konnte. Nicht alle waren hochgewachsen, die wenigsten muskulös. Die meisten sahen aus, als wären sie besser im Umgang mit Zahlen, als mit dem Schwert, was durchaus zutreffend war. Aber selbst wenn sie eine Spaltaxt nicht von einer Streitaxt hätten unterscheiden können, wäre das nicht weiter aufgefallen. Sie waren nämlich so bewandt darin, sich zu verstellen, dass sie selbst den Hauptmann der Clanwache nach einem kurzen Wortwechsel davon hätten überzeugen können, Elitekrieger zu sein.
Während die zehn Schatten hereinströmten, begrüßten sie weder Bartholomäus noch mich. Sie warfen uns lediglich scheele Blicke zu, bevor sie sich neben uns niederließen. Der Herr der Schatten war der Letzte, der eintrat. Er setzte sich gar nicht erst hin, sondern stellte sich an das freie Tischende und eröffnete die Versammlung ohne viel Aufhebens, indem er unser Gespräch mit Yarran zusammenfasste.
Dann überließ er mir das Wort und ließ mich dafür aufstehen und an seine Stelle treten. Während die Augen der Schatten auf mir lagen, gab ich wieder, was ich Kjell bereits zuvor berichtet hatte. Kaum hatte ich den Mund zugeklappt, da ergoss sich eine Kaskade penibler Fragen über mich. Hatte Yarran mir ins Gesicht geblickt, als er mit mir gesprochen hatte? Hatte er geblinzelt, oder einen Mundwinkel hochgezogen? Wie hatte er gestanden, während er dies und jenes gesagt hatte? Wie oft hatte er mir den Rücken zugedreht? Hatte ich auf seine Hände geachtet?