Der Holzschlag - Lew Tolstoi - E-Book

Der Holzschlag E-Book

Lew Tolstoi

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Beschreibung

"Der Holzschlag" ist Teil von Tolstois kaukasischen Erzählungen, inspiriert von seinen eigenen Kriegserfahrungen. Ein Regiment russischer Soldaten erhält den Auftrag, in der Nähe der verfeindeten Tataren Holz zu hacken. Durch den übermütigen Granatenwurf eines einzelnen Soldaten wird das Kommando entdeckt und auf einmal sind alle in Gefahr. Durch die Schilderung eines Tages bebildert Tolstoi das Leben der russischen Soldaten, ihr Ehrgefühl, ihren Mut und ihre Kameradschaft, durch die sie ihren feinen aber feigen Offizieren menschlich weit überlegen sind. Im Krieg, zeigt Tolstoi, steht niemand für sich allein: das Überleben des Soldaten liegt in der Hand seiner Kameraden.-

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Seitenzahl: 70

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Lew Tolstoi

Der Holzschlag

Erzählung eines Junkers

Übersezt von L.A. Hauff

Saga

Der Holzschlag

 

Übersezt von L.A. Hauff

 

Titel der Originalausgabe: Рубка леса

 

Originalsprache: Russisch

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1855, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728017500

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

I.

Mitten im Winter des Jahres 1885 stand eine Division unserer Batterie beim Detachement in der großen Tschetschna.

Am 14. Februar abends hatte ich erfahren, daß der Zug, welchen ich in Vertretung eines Offiziers zu führen hatte, auf morgen für die Kolonne zum Holzschlagen bestimmt war und nachdem ich die nötigen Befehle erhalten und erfüllt hatte, suchte ich früher als gewöhnlich meine Baracke auf. Da ich nicht die üble Gewohnheit hatte, mit heißen Kohlen zu heizen, so legte ich mich unentkleidet auf mein Bett, das auf kleinen Stangen errichtet war, zog mir die Pelzmütze über die Augen, hüllte mich in meinen Pelz ein und versank in jenen besonders festen und tiefen Schlaf, wie er im Augenblick der Besorgnis und Aufregung vor Gefahren häufig ist. Die Erwartung eines Gefechts für morgen hatte mich in diesen Zustand versetzt.

Um drei Uhr morgens, als es noch ganz dunkel war, zog mir jemand meinen durchwärmten Schafpelz fort, und das rote Licht einer Kerze traf unangenehm meine verschlafenen Augen.

»Belieben Sie aufzustehen,« rief eine Stimme.

Ich schloß die Augen wieder, zog unbewußt wieder den Schafpelz über mich und entschlief von neuem.

»Belieben Sie aufzustehen!« wiederholte Dmitri, indem er mich unbarmherzig an der Schulter schüttelte. »Die Infanterie marschiert ab.«

Ich erinnerte mich nun plötzlich an die Wirklichkeit, raffte mich auf und sprang auf die Beine. Nachdem ich in aller Eile ein Glas Tee getrunken und mich in dem mit Eis bedeckten Wasser gewaschen hatte, eilte ich aus der Baracke nach dem Park, dem Orte, wo die Artillerie aufgestellt war.

Es war dunkel, neblig und kalt. Die nächtlichen Lagerfeuer, welche da und dort im Lager brannten, beleuchteten undeutlich die Gestalten schlaftrunkener Soldaten, welche sich um dieselben gelagert hatten, und ließen die Dunkelheit ringsum durch ihren düsteren roten Schein noch tiefer erscheinen. Rundumher hörte man gleichmäßiges, ruhiges Schnarchen, weiterhin Geräusch, Stimmen und Klirren der Gewehre von der Infanterie, welche sich zum Abmarsch ordnete. Die Luft war erfüllt von Rauch, von Geruch nach Zunder, Lunten und Nebel. Die Morgenkühle lief mir über den Rücken, daß mir die Zähne zusammenklapperten.

Nur an dem Wiehern der Pferde und vereinzelten Hufschlägen konnte man bei der undurchdringlichen Finsternis erkennen, wo die bespannten Protzwagen und Pulverwagen standen und die glühenden Punkte, welche die brennenden Lunten bildeten, zeigten den Standort der Geschütze an.

Mit den Worten: »In Gottes Namen!« setzte man zuerst die Kanonen in Bewegung, hinter ihnen rumpelte der Pulverwagen und der ganze Zug marschierte ab. Zuvor jedoch nahmen wir sämtlich die Mützen ab und bekreuzten uns. Wir rückten in einen Zwischenraum in der Linie der Infanterie ein und warteten daselbst noch eine Viertelstunde lang auf das Sammeln der ganzen Kolonne und das Erscheinen des Kommandeurs.

»Es fehlt ein Mann, Nikolai Petrowitsch,« meldete eine schwarze Figur, welche sich mir näherte und in der ich nur an der Stimme den Feuerwerker des Zuges, Maximow, erkannte.

»Wer denn?«

»Welentschuk ist nicht da. Beim Abmarsch habe ich ihn noch gesehen; aber jetzt ist er verschwunden.«

Da ich nicht annehmen konnte, daß die Kolonne sich sogleich wieder in Bewegung setzen würde, beschloß ich, den Gefreiten Antonow auszuschicken, um Welentschuk aufzusuchen. Bald danach trabten durch die Finsternis einige Reiter heran. Es war der Kommandeur mit seiner Suite und hierauf setzte sich die Spitze der Kolonne in Bewegung und auch wir folgten, ohne Antonow und Welentschuk. Noch aber waren wir nicht hundert Schritte weit gekommen, als beide uns einholten.

»Wo war er denn?« fragte ich Antonow.

»Er schlief im Park.«

»Wie, war er etwa betrunken?«

»Nein, ganz und gar nicht.«

»Warum schlief er denn ein?«

»Das kann ich nicht sagen.«

Drei Stunden lang bewegten wir uns langsam vorwärts über schneelose Felder mit niedrigem Buschwerk, welches unter den Rädern der Kanonen knackte und knisterte, immer in derselben Finsternis und mit demselben Schweigen.

Endlich, nachdem wir ein nicht tiefes, aber äußerst reißendes Flüßchen überschritten hatten, machten wir halt und von der Vorhut her ließen sich Büchsenschüsse hören. Diese wirkten, wie immer, ganz besonders belebend auf alle. Es war, als ob das Detachement jetzt erst erwachte; im Gliede hörte man lautes Gespräch, Bewegung und Gelächter. Von der Mannschaft balgten sich einige mit den Kameraden, einige sprangen von einem Fuß auf den andern, andere kauten Zwieback. Im Osten begann der Nebel sich merklich aufzuhellen. Die uns umgebenden Gegenstände traten nach und nach aus der Finsternis heraus. Ich unterschied bereits die grünen Lafetten und Pulverwagen, das von der Feuchtigkeit des Nebels bedeckte Metall der Kanonen und bis auf die geringsten Einzelheiten die Gestalten meiner Soldaten, die braunen Pferde, die Reihen der Infanterie mit ihren funkelnden Bajonetten, den Brotbeuteln an der Seite und den Kochgeschirren auf dem Rücken.

Bald kam der Befehl, wieder vorzugehen, und nachdem wir einige hundert Schritt über Sturzacker zurückgelegt, wurde uns unsere Stellung angewiesen. Rechts sah man den steilen Abhang eines Flusses und die hohen hölzernen Säulen eines tatarischen Begräbnisplatzes, auf der linken Seite und vor uns erblickten wir durch den Nebel einen schwarzen Streifen.

Wieder hielt der Zug plötzlich an. Die achte Kompagnie, welche uns zur Bedeckung mitgegeben war, stellte ihre Gewehre in Pyramiden zusammen, und ein Bataillon ging mit Gewehren und Beilen in den Wald. Noch waren nicht fünf Minuten vergangen, als auf allen Seiten Lagerfeuer knisterten und rauchten und die Soldaten sich darum lagerten, eifrig die Feuer schürten, während andere Reisig und Balken herbeischleppten. Vom Walde her vernahm man fortwährend die Schläge von mehreren hundert Beilen und das Geräusch fallender Bäume. Die Artillerie, welche immer auf die Infanterie eifersüchtig war, entzündete gleichfalls einige Lagerfeuer, und obgleich es schon so mächtig brannte, daß man sich nicht auf zwei Schritt dem Feuer nähern konnte und dichter, schwarzer Qualm durch die mit Eis bedeckten Zweige strich, von denen Tropfen ins Feuer fielen, während unten sich Haufen von Kohlen sammelten und das Feuer den hellen Rasen ringsum versengte, den Soldaten schien es noch immer zu wenig. Sie schleppten ganze Balken herbei, und die Glut wurde immer größer und größer.

Als ich zum Feuer trat, um mir eine Zigarette anzuzünden, fand ich Welentschuk vor, welcher ohnehin stets sehr arbeitsam war, jetzt aber, da er sich etwas hatte zuschulden kommen lassen, sich mehr als alle andern beim Feuer zu schaffen machte. In einem Übermaß von Diensteifer nahm er mit der bloßen Hand mitten aus dem Feuer heraus eine Kohle, warf sie ein-, zweimal aus einer Hand in die andere und ließ sie zur Erde fallen.

»Zünde doch einen Kienspan an,« riet ihm einer der Kameraden.

»Reicht doch die Lunte hin,« sagte ein Dritter.

Als ich endlich ohne Welentschuks Hilfe, welcher nochmals mit bloßen Händen eine glühende Kohle herausnehmen wollte, meine Zigarette angezündet hatte, wischte er die verbrannten Finger an seinem Pelzkragen und, wahrscheinlich nur, um überhaupt irgend etwas zu tun, hob er ein großes Stück Platanenholz auf und warf es mit kräftigem Schwunge ins Feuer. Als er endlich genug getan zu haben glaubte, ging er um das Feuer, riß seinen Mantel auf, stellte sich breitbeinig hin, hob seine geschwärzten Hände auf und blickte betrübt in die Glut. »Ach, ich habe meine Pfeife vergessen! Was für ein Unglück, mein Brüderchen!« rief er nach längerem Schweigen aus, ohne sich an eine bestimmte Person zu wenden.

*

II.

In Rußland gibt es drei Haupttypen von Soldaten, in welche man die Angehörigen aller Truppenteile einteilen kann. Diese Haupttypen, welche ihrerseits wieder in viele Unterabteilungen zerfallen, sind folgende: 1. Die Gehorsamen. 2. Die Befehlshaberischen. 3. Die Verwegenen.

Die »Gehorsamen« sind einzuteilen in: a) kaltblütig Gehorsame; b) eifrig Gehorsame.

Die »Befehlshaberischen« teilen sich ein in: a) mürrisch Befehlshaberische; b) politisch Befehlshaberische.

Die »Verwegenen« sind einzuteilen in: a) verwegene Spaßvögel und b) verdorbene Verwegene.