Der Hund der Baskervilles - Arthur Conan Doyle - E-Book
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Der Hund der Baskervilles E-Book

Arthur Conan Doyle

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Beschreibung

Ein Familienfluch und ein riesiger Hund im Moor – Holmes und Watson riskieren alles Tauchen Sie ein in die faszinierende Welt von Sherlock Holmes, dem wohl berühmtesten Detektiv aller Zeiten! Wabernde Nebel über dem tückischen Moor – und ein teuflischer, riesiger, menschenmordender Hund nebst einem entflohenen Mörder aus dem nahegelegenen verrufenen Dartmoor-Gefängnis: Sherlock Holmes und Dr. Watson versuchen den Erben des Schlosses Sir Henry Baskerville, auf dessen Familie ein grauenvoller Fluch liegt, zu retten und kommen selbst nur knapp mit dem Leben davon. Die spannungsgeladene Geschichte machte diesen dritten Roman der Sherlock-Holmes-Reihe zur beliebtesten Vorlage für Verfilmungen – in der neuen Übersetzung ein himmlisches Lesevergnügen! Mit einer kompakten Biographie des Autors.

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Seitenzahl: 340

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Arthur Conan Doyle

Der Hund der Baskervilles

Roman

Aus dem Englischen übersetzt von Holger Hanowell
Mit einem Nachwort von Jürgen Kaube
Mit 16 Illustrationen von Sidney Paget

Reclam

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist ausgeschlossen.

 

2025 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Philipp Reclam jun. Verlag. GmbH

Coverabbildung: © Gutentag-Hamburg

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2025

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962470-9

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020751-2

reclam.de | [email protected]

Inhalt

Vignette

Widmung

Mr. Sherlock Holmes

Der Fluch der Baskervilles

Das Rätsel

Sir Henry Baskerville

Drei gerissene Fäden

Baskerville Hall

Die Stapletons von Merripit House

Dr. Watsons erster Bericht

[Dr. Watsons zweiter Bericht] Das Licht auf dem Moor

Auszug aus Dr. Watsons Tagebuch

Der Mann auf dem Tor

Tod auf dem Moor

Die Netze werden ausgeworfen

Der Hund der Baskervilles

Ein Rückblick

Anhang

Zu dieser Ausgabe

Anmerkung des Übersetzers

Anmerkungen

Nachwort

Zeittafel

Der Verlag behält sich ...

Der Schatten des Sherlock Holmes

Mein lieber Robinson,

es war deine Erzählung einer Legende aus dem West Country, der diese Geschichte ihre Entstehung verdankt. Dafür und für deine Unterstützung im Detail mein Dank.

Mit allerherzlichsten Grüßen

A. Conan Doyle

Hindhead, Haslemere

Kapitel I

Mr. Sherlock Holmes

MR. Sherlock Holmes, der morgens für gewöhnlich sehr spät aufstand, abgesehen von jenen nicht seltenen Gelegenheiten, wenn er die ganze Nacht aufgeblieben war, saß am Frühstückstisch. Ich stand auf dem Kaminvorleger und griff nach dem Stock, den unser Besucher den Abend zuvor hinterlassen hatte. Es war ein feines, stabiles Stück Holz mit knollenförmigem Knauf, von jener Sorte, die als »Penang-Lawyer« bekannt ist. Genau unterhalb des Knaufs war ein breites Silberband, das fast einen Inch maß. ›Für James Mortimer, M. R. C. S., von seinen Freunden im C. C. H.‹, war darauf eingraviert, mit dem Datum ›1884‹. Es war ein Stock, gerade wie ihn der altmodische Hausarzt zu tragen pflegte – würdevoll, solide und zuverlässig.

»Nun, Watson, was machen Sie daraus?«

Holmes saß mit dem Rücken zu mir, und ich hatte ihm keinen Hinweis auf meine Beschäftigung gegeben.

»Woher wussten Sie, was ich gerade tue? Ich glaube, Sie haben Augen im Hinterkopf.«

»Ich habe zumindest eine gut polierte silberne Kaffeekanne vor mir stehen«, sprach er. »Aber sagen Sie, Watson, was halten Sie von dem Stock unseres Besuchers? Da wir das Pech hatten, ihn zu verpassen, und keine Ahnung von seinem Anliegen haben, gewinnt dieses zufällige Souvenir an Bedeutung. Lassen Sie mich hören, wie Sie den Mann durch eine Untersuchung des Stocks rekonstruieren.«

»Ich glaube«, sagte ich, wobei ich den Methoden meines Gefährten, so gut ich konnte, folgte, »dass Dr. Mortimer ein erfolgreicher älterer Arzt ist, sehr geschätzt, da diejenigen, die ihn kennen, ihm dieses Zeichen ihrer Anerkennung haben zukommen lassen.«

»Gut!«, sagte Holmes. »Ausgezeichnet!«

»Außerdem glaube ich, dass die Wahrscheinlichkeit dafürspricht, dass er ein Landarzt ist, der einen Großteil seiner Besuche zu Fuß unternimmt.«

»Warum das?«

»Weil dieser Stock, obwohl er ursprünglich sehr schön war, so ramponiert wurde, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass ein Arzt in der Stadt ihn bei sich trägt. Die dicke Eisenspitze ist abgenutzt, daher ist es offensichtlich, dass er damit viel gelaufen ist.«

»Absolut zutreffend!«

»Und dann gibt es da die ›Freunde im C. C. H.‹. Ich schätze, dass es sich um irgendeine ›Hunt‹ handelt, die örtliche Jagdgesellschaft, deren Mitgliedern er womöglich ärztliche Hilfe geleistet hat und die ihm im Gegenzug ein kleines Geschenk gemacht haben.«

»Wirklich, Watson, Sie übertreffen sich selbst«, sagte Holmes, schob seinen Stuhl zurück und zündete sich eine Zigarette an. »Ich bin geneigt zu sagen, dass Sie in allen Berichten, die Sie freundlicherweise über meine kleinen Erfolge abgeliefert haben, ständig Ihre eigenen Fähigkeiten unterbewertet haben. Mag sein, dass Sie selbst nicht brillant leuchten, doch Sie sind ein Träger der Erleuchtung. Einige Menschen, die selbst kein Genie besitzen, haben eine bemerkenswerte Fähigkeit, es bei anderen anzuregen. Ich bekenne, mein lieber Freund, dass ich tief in Ihrer Schuld stehe.«

So war er noch nie aus sich herausgekommen, und ich muss zugeben, dass seine Worte mir große Freude bereiteten, denn ich bin oft verärgert gewesen über seine Gleichgültigkeit gegenüber meiner Bewunderung und meinen Bemühungen, die ich unternommen hatte, um seinen Methoden öffentliche Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Darüber hinaus war ich stolz zu glauben, dass ich sein System inzwischen so weit beherrschte, um es auf eine Weise anwenden zu können, die seine Zustimmung finden würde. Jetzt nahm er mir den Stock aus der Hand und betrachtete ihn eine Weile mit bloßem Auge. Mit einem Ausdruck von Interesse legte er dann seine Zigarette ab, trug den Stock zum Fenster und besah ihn sich erneut mit einer konvexen Linse.

»Interessant, wenn auch elementar«, sagte er, als er zu seiner Lieblingsecke des Sofas zurückkehrte. »Auf dem Stock gibt es sicherlich einen Hinweis oder zwei. Das liefert uns die Grundlage für mehrere Deduktionen.«

»Ist mir etwas entgangen?«, fragte ich mit einem Anflug von Selbstherrlichkeit. »Ich hoffe, da ist nichts Wichtiges, was ich übersehen habe?«

»Ich fürchte, mein lieber Watson, dass die meisten Ihrer Schlussfolgerungen falsch waren. Als ich sagte, dass Sie mich anregen, meinte ich damit, um ehrlich zu sein, dass ich, indem ich Ihre Irrtümer zur Kenntnis nahm, gelegentlich zur Wahrheit geführt wurde. Nicht, dass Sie in diesem Fall gänzlich falschliegen. Der Mann ist sicherlich Landarzt. Und er ist viel zu Fuß unterwegs.«

»Dann lag ich also richtig.«

»Was das betrifft, ja.«

»Aber das war schon alles.«

»Nein, nein, mein lieber Watson, nicht alles – auf keinen Fall alles. Ich möchte zum Beispiel behaupten, dass ein Geschenk an einen Arzt viel wahrscheinlicher von einem Krankenhaus stammt als von einer Jagdgesellschaft und dass, wenn die Initialen ›C. C.‹ vor diesem Krankenhaus stehen, die Worte ›Charing Cross‹ sich wie von selbst einstellen.«

»Sie könnten recht haben.«

»Die Wahrscheinlichkeit liegt in dieser Richtung. Und wenn wir das nun als Arbeitshypothese nehmen, haben wir eine neue Grundlage, von der aus wir unsere Rekonstruktion dieses unbekannten Besuchers beginnen können.«

»Also gut, vorausgesetzt, dass ›C. C. H.‹ tatsächlich für ›Charing Cross Hospital‹ steht: Welche weiteren Rückschlüsse können wir ziehen?«

»Ergeben sich keine? Sie kennen meine Methoden. Wenden Sie sie an!«

»Mir fällt nur die offensichtliche Schlussfolgerung ein, dass der Mann in der Stadt praktiziert hat, ehe er aufs Land ging.«

»Ich glaube, wir können uns noch ein kleines bisschen weiter als das vorwagen. Betrachten Sie es in diesem Licht. Zu welchem Anlass wäre es am wahrscheinlichsten, ein solches Geschenk zu machen? Wann würden sich seine Freunde zusammentun, um ihm ein Pfand ihres guten Willens zu geben? Offensichtlich zu dem Zeitpunkt, zu dem Dr. Mortimer sich aus dem Dienst im Krankenhaus zurückzog, um selbst als Arzt zu praktizieren. Wir wissen, dass es ein Geschenk gegeben hat. Wir glauben, dass ein Wechsel von einem Stadtkrankenhaus in eine Landarztpraxis erfolgt ist. Wäre es dann bei unserem Rückschluss zu übertrieben, zu sagen, dass die Überreichung anlässlich des Wechsels stattfand?«

»Das wäre durchaus wahrscheinlich.«

»Nun werden Sie feststellen, dass er nicht zur festen Ärzteschaft des Krankenhauses gehört haben kann, da nur ein Mann, der mit einer Londoner Praxis gut etabliert ist, eine solche Stellung einnehmen könnte, und so jemand würde nicht aufs Land ziehen. Was war er also dann? Wenn er im Krankenhaus tätig war, aber nicht zur leitenden Ärzteschaft gehörte, dann kann er nur ein in der Klink wohnender Chirurg oder Arzt gewesen sein – kaum mehr als ein Student eines höheren Semesters. Und er nahm vor fünf Jahren seinen Abschied – das Datum ist auf dem Stock. Also löst sich Ihr gesetzter Hausarzt mittleren Alters in Luft auf, mein lieber Watson, und es erscheint ein junger Mann unter dreißig, liebenswürdig, ohne Ehrgeiz, zerstreut und Besitzer eines Lieblingshundes, den ich grob als größer als einen Terrier und kleiner als einen Mastiff beschreiben würde.«

Ich lachte ungläubig, während Sherlock Holmes sich auf seinem Sofa zurücklehnte und kleine, wabernde Kringel Rauch hinauf zur Decke blies.

»Was den letzten Teil betrifft, so habe ich keine Möglichkeit, Sie zu überprüfen«, sagte ich, »aber es ist zumindest nicht schwierig, ein paar Einzelheiten über das Alter und den beruflichen Werdegang des Mannes herauszufinden.«

Von meinem kleinen medizinischen Regal nahm ich das Ärzteverzeichnis und schlug den Namen nach. Es gab mehrere Mortimers, aber nur einen, der unser Besucher sein konnte. Ich las seinen Eintrag laut vor.

»Mortimer, James, M. R. C. S., 1882, Grimpen, Dartmoor, Devon. Anstaltsarzt von 1882 bis 1884 am Charing Cross Hospital. Gewinner des Jackson-Preises für Vergleichende Pathologie für seinen Essay mit dem Titel Ist Krankheit eine Rückartung? Korrespondierendes Mitglied der Schwedischen Gesellschaft für Pathologie. Verfasser von Einige abnorme Erscheinungen des Atavismus (Lancet, 1882), Machen wir Fortschritte? (Journal of Psychology, März 1883). Amtsarzt für die Gemeinden Grimpen, Thorsley und High Barrow.«

»Keine Erwähnung dieser örtlichen Jagdgesellschaft, Watson«, sagte Holmes mit einem durchtriebenen Lächeln, »aber ein Landarzt, wie Sie sehr scharfsinnig beobachtet haben. Ich glaube, dass meine Schlussfolgerungen einigermaßen berechtigt sind. Was die Eigenschaftswörter betrifft, so habe ich, wenn ich mich recht entsinne, liebenswürdig, ohne Ehrgeiz und zerstreut gesagt. Meiner Erfahrung nach ist es in dieser Welt nur ein liebenswürdiger Mensch, der Zeichen der Anerkennung erhält, nur ein Ehrgeizloser, der eine Londoner Karriere für das Land aufgibt, und nur ein Zerstreuter, der seinen Stock und nicht seine Visitenkarte hinterlässt, nachdem er eine Stunde in Ihrer Wohnung gewartet hat.«

»Und der Hund?«

»Hat die Angewohnheit, seinem Herrn diesen Stock hinterherzutragen. Da es ein schwerer Stock ist, hat der Hund ihn fest in der Mitte gehalten, und die Abdrücke seiner Zähne sind sehr gut sichtbar. Der Kiefer des Hundes ist, wie aus dem Abstand dieser Abdrücke hervorgeht, meiner Ansicht nach zu breit für einen Terrier und nicht breit genug für einen Mastiff. Es könnte ein – ja, beim Jupiter, es ist ein kraushaariger Spaniel.«

Er hatte sich erhoben und ging im Zimmer auf und ab, während er sprach. Nun blieb er in der Nische des Fensters stehen. In seiner Stimme lag ein solcher Klang von Überzeugung, dass ich überrascht aufschaute.

»Mein lieber Freund, wie können Sie sich dessen nur so sicher sein?«

»Aus dem sehr einfachen Grund, weil ich genau den Hund auf unserer Türschwelle sehe, und da ist das Läuten seines Besitzers. Gehen Sie nicht fort, ich bitte Sie, Watson. Er ist ein Berufskollege von Ihnen, und Ihre Anwesenheit könnte hilfreich für mich sein. Jetzt ist jener dramatische Augenblick des Schicksals, Watson, wenn man einen Schritt auf der Treppe vernimmt, der im Begriff ist, in das eigene Leben zu treten, und man nicht weiß, ob zum Guten oder zum Schlechten. Um was ersucht Dr. James Mortimer, der Mann der Wissenschaft, Sherlock Holmes, den Experten für das Verbrechen? Herein!«

Die äußere Erscheinung unseres Besuchers war eine Überraschung für mich, da ich mit einem typischen Landarzt gerechnet hatte. Er war ein sehr großer, schlanker Mann, mit einer langen Nase wie ein Schnabel, die zwischen zwei wachen, grauen Augen hervorragte, die eng beieinanderstanden und hell hinter einem Paar goldgefasster Brillengläser funkelten. Er war standesgemäß, aber etwas unordentlich gekleidet, denn sein Gehrock war schäbig und seine Hose ausgefranst. Obwohl noch recht jung, war sein langer Rücken bereits gekrümmt, und er ging mit vorgerecktem Kopf und einer allgemeinen Ausstrahlung aufmerksamen Wohlwollens. Als er eintrat, fiel sein Blick auf den Stock in Holmes’ Hand, und mit einem Ausruf der Freude eilte er darauf zu.

»Ich bin ja so außerordentlich froh«, sprach er. »Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn hier oder im Schifffahrtsamt gelassen hatte. Ich möchte diesen Stock um nichts auf der Welt verlieren.«

»Ein Geschenk, wie ich sehe«, sagte Holmes.

»Ja, Sir.«

»Vom Charing Cross Hospital?«

»Von einem oder zwei Freunden dort anlässlich meiner Heirat.«

»Du liebe Güte, das ist schlecht!«, sagte Holmes und schüttelte den Kopf.

Dr. Mortimer blinzelte in leichter Verwunderung durch seine Brillengläser.

»Warum wäre das schlecht?«

»Nur, dass Sie unsere kleinen Schlussfolgerungen durcheinandergebracht haben. Ihre Heirat, sagen Sie?«

»Ja, Sir. Ich habe geheiratet und daher das Krankenhaus verlassen und somit auch jegliche Hoffnung auf eine eigene Praxis aufgegeben. Es war erforderlich, ein eigenes Zuhause aufzubauen.«

»Sieh an, wir liegen doch nicht ganz so falsch«, sagte Holmes. »Und nun, Dr. James Mortimer –«

»Mister, Sir, Mister – ein einfaches Mitglied des Royal College of Surgeons.«

»Und offenbar ein Mann mit scharfem Verstand.«

»Ein Dilettant in Sachen Wissenschaft, Mr. Holmes, ein Sammler von Muscheln an den Gestaden des großen, unbekannten Ozeans. Ich nehme doch an, dass ich mich an Mr. Sherlock Holmes wende und nicht –«

»Nein, dies ist mein Freund Dr. Watson.«

»Erfreut, Sie kennenzulernen, Sir. Ich habe Ihren Namen im Zusammenhang mit dem Ihres Freundes nennen hören. Sie interessieren mich sehr, Mr. Holmes. Ich hatte kaum einen derart dolichozephalen Schädel oder eine derart ausgeprägte supraorbitale Entwicklung erwartet. Hätten Sie irgendwelche Einwände, wenn ich mit dem Finger über Ihre parietale Fissur fahre? Ein Abdruck Ihres Schädels, Sir, wäre eine Zierde jedes anthropologischen Museums, zumindest bis das Original zur Verfügung steht. Es ist nicht meine Absicht zu übertreiben, aber ich muss gestehen, dass ich Ihren Schädel begehre.«

Sherlock Holmes bedeutete unserem sonderbaren Besucher mit einem Wink, auf einem Stuhl Platz zu nehmen.

»Wie ich sehe, Sir, sind Sie in Ihrer Denkrichtung ein ebensolcher Enthusiast wie ich in meiner«, sprach er. »Ich entnehme Ihrem Zeigefinger, dass Sie Ihre Zigaretten selbst drehen. Zögern Sie nicht, sich eine anzuzünden.«

Der Mann holte Papier und Tabak hervor und verdrehte das eine mit erstaunlicher Geschicklichkeit in das andere. Er hatte lange, zittrige Finger, so beweglich und rastlos wie die Fühler eines Insekts.

Holmes schwieg, aber seine kleinen huschenden Blicke verrieten mir das Interesse, das er an unserem sonderbaren Gefährten hegte.

»Ich vermute, Sir«, sagte er schließlich, »dass es nicht bloß dem Zweck diente, meinen Schädel zu begutachten, dass Sie mir die Ehre erwiesen haben, mich gestern Abend und erneut heute aufzusuchen?«

»Nein, Sir, nein; obwohl ich mich freue, dass ich Gelegenheit hatte, auch das zu tun, kam ich zu Ihnen, Mr. Holmes, weil ich feststelle, dass ich selbst kein praktisch veranlagter Mensch bin, und weil ich mich plötzlich mit einem äußerst ernsthaften und außergewöhnlichen Problem konfrontiert sehe. Und da mir bewusst ist, dass Sie der zweitbeste Experte in Europa sind –«

»In der Tat, Sir! Dürfte ich fragen, wer die Ehre hat, der beste zu sein?«, fragte Holmes mit einiger Schärfe.

»Auf einen Mann von exaktem wissenschaftlichem Geist muss das Werk von Monsieur Bertillon stets eine große Anziehungskraft ausüben.«

»Hätten Sie dann nicht besser ihn konsultieren sollen?«

»Ich sagte, Sir, von exaktem wissenschaftlichem Geist. Aber als praktisch veranlagter Mann der Tat wird allgemein anerkannt, dass Sie unerreicht sind. Ich hoffe, Sir, dass ich Sie nicht ungewollt –«

»Nur ein wenig«, sagte Holmes. »Ich glaube, Dr. Mortimer, es wäre klug von Ihnen, wenn Sie mir freundlicherweise ohne weitere Umschweife schildern würden, wie genau das Problem beschaffen ist, bei dem Sie meine Unterstützung verlangen.«

Kapitel II

Der Fluch der Baskervilles

»ICH habe ein Manuskript in meiner Tasche«, sagte Dr. James Mortimer.

»Das ist mir aufgefallen, als Sie das Zimmer betraten«, sagte Holmes.

»Es ist ein altes Manuskript.«

»Frühes 18. Jahrhundert, es sei denn, es ist eine Fälschung.«

»Wie können Sie das sagen, Sir?«

»Sie haben mir die ganze Zeit, während Sie gesprochen haben, ein oder zwei Inch davon zur Betrachtung überlassen. Es wäre ein armseliger Experte, der nicht imstande wäre, ein Dokument auf zehn Jahre genau zu datieren. Vielleicht haben Sie meine kleine Monographie zu diesem Thema gelesen. Ich schätze es auf ungefähr 1730.«

»Das genaue Datum ist 1742.« Dr. Mortimer zog es aus seiner Brusttasche. »Dieses Familiendokument wurde mir von Sir Charles Baskerville anvertraut, dessen plötzlicher und tragischer Tod vor etwa drei Monaten für so viel Aufregung in Devonshire gesorgt hat. Ich darf sagen, dass ich sowohl sein enger Freund als auch sein medizinischer Betreuer war. Er war ein willensstarker Mann, Sir, klug, praktisch veranlagt und genauso phantasielos wie ich selbst. Und doch hat er dieses Dokument sehr ernstgenommen, und sein Geist war genau auf solch ein Ende vorbereitet, wie es ihn schließlich ereilte.«

Holmes streckte seine Hand nach dem Manuskript aus und glättete es auf seinen Knien.

»Sie werden feststellen, Watson, dass das lange und das kurze s abwechselnd Verwendung finden. Das ist einer von mehreren Hinweisen, die es mir ermöglichten, die Datierung vorzunehmen.«

Ich schaute über seine Schulter auf das vergilbte Papier und die verblasste Handschrift. Am Kopf des Dokumentes stand geschrieben: ›Baskerville Hall‹, und darunter, in großen, krakeligen Zahlen: ›1742‹.

»Es scheint sich um eine Art Bericht zu handeln.«

»Ja, es ist ein Bericht über eine gewisse Legende, die in der Familie Baskerville überliefert wurde.«

»Aber ich gehe doch davon aus, dass Sie mich wegen etwas konsultieren möchten, das zeitgemäßer und praktischer ist?«

»Absolut zeitgemäß. Eine äußerst praktische, dringliche Angelegenheit, die innerhalb von 24 Stunden entschieden werden muss. Aber das Manuskript ist kurz und steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Angelegenheit. Mit Ihrer Erlaubnis werde ich es Ihnen vorlesen.«

Holmes lehnte sich in seinem Stuhl zurück, legte die Fingerspitzen aneinander und schloss mit einem Anflug von Resignation die Augen. Dr. Mortimer hielt das Manuskript ans Licht und las mit hoher, brüchiger Stimme die folgende eigenartige Erzählung aus alter Zeit vor.

»Über den Ursprung des Hundes der Baskervilles gibt es viele Berichte, da ich aber in direkter Linie von Hugo Baskerville abstamme und da ich die Geschichte von meinem Vater erzählt bekam, der sie wiederum von seinem erzählt bekommen hatte, habe ich sie niedergeschrieben, in der Überzeugung, dass es sich genau so zugetragen hat, wie es hier festgehalten wird. Und ich möchte, dass ihr, meine Söhne, glaubt, dass dieselbe Gerechtigkeit, welche Sünden bestraft, dieselben auch gnadenvoll vergeben mag und dass kein Bann so schwer wiegt, dass er nicht durch Gebet und Buße aufgehoben werden könnte. Lernet also aus dieser Geschichte, nicht die Früchte der Vergangenheit zu fürchten, sondern in der Zukunft umsichtig zu sein, auf dass jene verderbten Leidenschaften, unter denen unsere Familie so schwer gelitten hat, nicht erneut zu unserem Verderben entfesselt werden.

Wisset also, dass zu der Zeit der Großen Rebellion (deren Geschichte des gelehrten Lord Clarendon ich nachdrücklich Eurer Aufmerksamkeit anempfehle) dieses Herrenhaus von Baskerville im Besitz eines Hugo desselben Namens war, und man kann nicht leugnen, dass er ein äußerst wilder, gotteslästerlicher und gottloser Mensch war. Dies hätten seine Nachbarn ihm sicherlich noch verziehen, zumal Heilige in diesen Landstrichen nie gediehen, aber in ihm war eine gewisse frevelhafte und grausame Veranlagung, die seinen Namen im gesamten Westen sprichwörtlich machte. So begab es sich, dass dieser Hugo zu der Tochter eines Freisassen, der Land in der Nähe des Anwesens der Baskervilles besaß, in Liebe entbrannte (wenn eine so dunkle Leidenschaft tatsächlich unter einem derart hellen Namen geläufig sein kann). Doch die junge Maid, da sie besonnen war und einen guten Leumund hatte, mied ihn stets, denn sie fürchtete seinen üblen Namen. So geschah es, dass sich dieser Hugo an einem Michaelistag mit fünf oder sechs seiner müßigen und boshaften Gefährten zu dem Gehöft stahl und die Maid entführte, wusste er doch genau, dass ihr Vater und ihre Brüder nicht daheim waren. Nachdem sie sie ins Herrenhaus geschafft hatten, wurde die Maid in eine Kammer im oberen Stockwerk verbracht, während sich Hugo und seine Freunde zu einem langen Gelage niederließen, wie es ihre allabendliche Gewohnheit war. Dem armen Mädchen oben mögen die Sinne geschwunden sein bei dem Singen und Lärmen und den schrecklichen Flüchen, die von unten bis zu ihr hinauf drangen, denn es heißt, dass die Worte, die Hugo Baskerville benutzte, wenn er dem Wein frönte, solcher Art waren, dass sie den Mann, der sie aussprach, zerschmettern müssten. Schließlich tat sie unter dem Druck ihrer Angst das, was selbst die tapfersten und tatkräftigsten Männer abgeschreckt hätte, denn mit Hilfe des Efeubewuchses, der die südliche Mauer bedeckte (und bis heute bedeckt), gelangte sie unterhalb der Dachtraufe nach unten und eilte heimwärts über das Moor, und es lagen drei Leagues zwischen dem Herrenhaus und ihres Vaters Gehöft.

Es begab sich, dass Hugo eine Weile später seine Gäste verließ, um seiner Gefangenen Essen und Trinken zu bringen – mit anderen schlimmen Absichten womöglich –, und so fand er den Käfig leer vor und den Vogel ausgeflogen. Dann, so will es scheinen, verwandelte er sich in einen, in den der Teufel gefahren ist, denn kaum, dass er die Treppe hinunter in den Speisesaal gestürmt war, sprang er auf den großen Tisch, Krüge und Tranchierbretter flogen durch die Luft, und er schrie lautstark vor allen Versammelten, noch in dieser Nacht werde er sich mit Leib und Seele den Mächten des Bösen verschreiben, wenn es ihm nur gelänge, das Weib einzuholen. Und während die Zecher angesichts des Zorns des Mannes erschrocken dastanden, schrie einer, der noch boshafter oder womöglich noch betrunkener als der Rest war, man solle die Hunde auf sie hetzen. Woraufhin Hugo aus dem Haus rannte und seinen Stallburschen zurief, sie sollten seine Stute satteln und die Meute aus den Zwingern lassen, und während er den Hunden ein Halstuch der Maid zuwarf, brachte er sie auf die Fährte, und so ging es mit lautem Gebell im Mondlicht über das Moor.

Eine Weile standen die Zecher gaffend da, unfähig, all das zu begreifen, was in solcher Hast geschehen war. Doch alsbald wurden ihre verwirrten Gemüter der Beschaffenheit der Tat gewahr, die sich auf der Moorlandschaft zutragen würde. Alles war nun in hellem Aufruhr, einige riefen nach ihren Pistolen, andere nach ihren Pferden, wiederum andere nach einer weiteren Flasche Wein. Doch schließlich gelangte etwas Verstand in ihren wirren Geist zurück, und sie alle, dreizehn an der Zahl, sprangen auf die Pferde und nahmen die Verfolgung auf. Der Mond schien hell über ihnen, und sie ritten rasch auf gleicher Höhe und schlugen jene Richtung ein, die auch die Maid eingeschlagen haben musste, wollte sie ihre Heimstatt erreichen.

Sie hatten eine oder zwei Meilen zurückgelegt, als sie an einem der Nachthirten im Heidemoor vorbeikamen, und sie riefen ihn an, weil sie wissen wollten, ob er die Jagd gesehen habe. Und der Mann war, so wird erzählt, so von Sinnen vor Angst, dass er kaum zu sprechen vermochte, aber schließlich sagte er, er habe tatsächlich die unglückselige Maid gesehen, mit den Hunden unmittelbar auf ihrer Fährte. »Aber ich habe mehr als das gesehen«, sprach er, »denn Hugo Baskerville kam auf seiner schwarzen Stute an mir vorbei, und hinter ihm rannte lautlos ein solcher Höllenhund, der mir, Gott bewahre, nie auf den Fersen sein möge.«

Da verfluchten die betrunkenen Landjunker den Hirten und ritten weiter. Doch schon bald überlief es sie kalt, denn über das Moor kam ein Klang von Hufschlag, und die schwarze Stute, bedeckt mit weißem Schaum, zog mit schleifenden Zügeln und leerem Sattel an ihnen vorbei. Daraufhin ritten die Zecher eng nebeneinander, denn große Furcht überkam sie, doch sie setzten ihren Weg über das Moor fort, obgleich jeder von ihnen, wäre er allein gewesen, heilfroh gewesen wäre, sein Pferd zu wenden. Langsam auf diese Weise weiterreitend, stießen sie auf die Jagdhunde. Diese, obschon für ihren Mut und ihre Reinrassigkeit bekannt, winselten in einem Haufen zusammengedrängt am Rand einer tiefen Senke oder goyal im Moor, wie wir die kleineren Schluchten nennen, einige stahlen sich davon und andere, mit gesträubten Nackenhaaren und starrem Blick, stierten hinab in die schmale Talsenke vor ihnen.

Dort in der Mitte lag die unglückselige Maid, wo sie gestürzt war.

Die Gesellschaft hatte Halt gemacht, viel nüchternere Männer, wie man sich denken kann, als bei ihrem Aufbruch. Die meisten von ihnen wollten auf keinen Fall weiter, aber drei von ihnen, die Tapfersten oder vielleicht auch die Betrunkensten, ritten weiter hinab in die kleine Schlucht. Bald öffnete sie sich auf eine breite Fläche, auf der zwei jener großen Steine standen, die immer noch dort zu sehen sind und die von einem bestimmten vergessenen Volk in alten Zeiten aufgestellt worden waren. Der Mond schien hell auf die freie Fläche, und dort in der Mitte lag die unglückselige Maid, wo sie gestürzt war, tot vor Angst und vor Erschöpfung. Aber es war nicht der Anblick ihrer Leiche, auch nicht der Anblick der Leiche Hugo Baskervilles, die unweit von ihr lag, der diesen drei waghalsigen Zechbrüdern die Haare zu Berge stehen ließ, vielmehr war es so, dass dort über Hugo und an seiner Kehle reißend ein grässliches Ding stand, eine große schwarze Bestie, von der Gestalt her wie ein Jagdhund, doch größer als jeder Jagdhund, auf dem jemals der Blick eines Sterblichen geruht hat. Und noch während sie hinsahen, riss das Ding die Kehle aus Hugo Baskerville, woraufhin die drei, als es ihnen seine flammenden Augen und triefenden Lefzen zuwandte, vor Angst kreischten und, immer noch schreiend, über das Moor um ihr Leben ritten. Einer, so heißt es, starb noch in jener Nacht an dem, was er gesehen hatte, und die beiden anderen waren für den Rest ihrer Tage gebrochene Männer.

So lautet die Erzählung, meine Söhne, von dem Erscheinen des Hundes, von dem es heißt, er habe die Familie seither aufs Ärgste heimgesucht. Wenn ich es niedergeschrieben habe, so aus dem Grunde, weil das, was allseits bekannt ist, weniger Schrecken birgt als das, was nur angedeutet und vermutet wird. Außerdem kann nicht geleugnet werden, dass seitdem viele aus der Familie eines unseligen Todes gestorben sind, der jäh, blutig und rätselhaft gewesen ist. Doch mögen wir Zuflucht finden in der unendlichen Güte der Vorsehung, die nicht auf ewig die Unschuldigen über die dritte oder vierte Generation hinaus strafen wird, wie es in der Heiligen Schrift angedroht wird. Dieser Vorsehung, meine Söhne, empfehle ich euch hiermit, und ich rate euch, aus Vorsicht davon abzusehen, das Moor in jenen dunklen Stunden zu überqueren, wenn die Mächte des Bösen sich erheben.

[Dies von Hugo Baskerville an seine Söhne Rodger und John, mit der Anweisung, dass sie nichts hiervon ihrer Schwester Elizabeth sagen.]«

Als Dr. Mortimer diese einzigartige Erzählung zu Ende gelesen hatte, schob er seine Brille auf die Stirn und blickte zu Sherlock Holmes hinüber. Dieser gähnte und warf den Stummel seiner Zigarette ins Feuer.

»Und?«, fragte er.

»Finden Sie das interessant?«

»Für einen Sammler von Märchen.«

Dr. Mortimer zog eine gefaltete Zeitung aus seiner Tasche.

»Nun, Mr. Holmes, wir werden Ihnen etwas vorlegen, das ein bisschen aktueller ist. Dies ist der Devon County Chronicle vom 14. Juni dieses Jahres. Es handelt sich um einen kurzen Bericht über die Tatsachen, die anlässlich des Todes von Sir Charles Baskerville, der sich wenige Tage vor diesem Datum ereignete, ans Licht kamen.«

Mein Freund beugte sich ein wenig vor, und sein Gesichtsausdruck wurde aufmerksam. Unser Besucher rückte seine Brille zurecht und begann:

»Der kürzlich eingetretene, unerwartete Tod von Sir Charles Baskerville, dessen Name für die nächsten Wahlen als möglicher Kandidat der Liberalen für Mid-Devon erwähnt wurde, hat einen Schatten über die Grafschaft geworfen. Obwohl Sir Charles nur für eine vergleichsweise kurze Zeit in Baskerville Hall weilte, hatten sein liebenswürdiger Charakter und seine außerordentliche Großzügigkeit die Zuneigung und den Respekt all derjenigen gewonnen, die mit ihm in Berührung gekommen waren. In dieser Zeit der nouveaux riches ist es erfrischend, einen Fall vor sich zu haben, in dem der Spross einer alten Grafschaftsfamilie, die ins Unglück geraten ist, imstande ist, sein eigenes Vermögen zu erwerben und es hierher mitzubringen, um die einstige Größe seiner Linie wiederherzustellen. Sir Charles hat, wie allgemein bekannt ist, große Summen in südafrikanischen Spekulationen erworben. Klüger als jene, die weitermachen, bis das Rad sich weitergedreht hat, hat er seinen Gewinn zu Geld gemacht und kehrte damit nach England zurück. Erst vor zwei Jahren ließ er sich in Baskerville Hall nieder, und es ist allgemein bekannt, welches Ausmaß seine Pläne für den Umbau und die Verbesserungsmaßnahmen hatten, die durch seinen Tod unterbrochen worden sind. Selbst kinderlos, war es sein erklärter Wunsch, dass die gesamte ländliche Gegend zu seinen Lebzeiten von seinem großen Glück profitieren sollte, und viele werden persönliche Gründe dafür haben, sein vorzeitiges Ende zu beklagen. Von seinen großzügigen Spenden an örtliche und grafschaftliche Wohltätigkeitseinrichtungen ist in diesen Spalten oftmals berichtet worden.

Man kann nicht sagen, dass die Umstände im Zusammenhang mit dem Tod von Sir Charles durch die gerichtliche Untersuchung vollständig aufgeklärt worden seien, aber zumindest ist genug unternommen worden, um jene Gerüchte aus der Welt zu schaffen, die der örtliche Aberglaube hat aufkommen lassen. Es besteht absolut kein Grund dazu, ein Verbrechen zu vermuten oder zu glauben, dass der Tod von etwas anderem als einer natürlichen Ursache herrührte. Sir Charles war Witwer und ein Mann, von dem man sagen kann, dass er in mancherlei Hinsicht eine exzentrische Geisteshaltung pflegte. Trotz seines beträchtlichen Reichtums war er bei seinen persönlichen Vorlieben bescheiden, und seine Dienerschaft in Baskerville Hall bestand lediglich aus einem Ehepaar namens Barrymore, der Ehemann diente als Butler und die Frau als Haushälterin. Ihre Aussagen deuten, gestützt durch die einiger Freunde, darauf hin, dass Sir Charles’ Gesundheit seit einiger Zeit beeinträchtigt war, und verweisen insbesondere auf ein Herzleiden, das sich in Veränderungen der Gesichtsfarbe, Atembeschwerden und akuten Anfällen nervöser Niedergeschlagenheit zeigte. Dr. James Mortimer, der Freund und medizinische Betreuer des Verstorbenen, hat in diesem Sinne eine Aussage gemacht.

Die Tatsachen in dem Fall sind einfach. Sir Charles Baskerville hatte die Angewohnheit, jeden Abend vor dem Zubettgehen einen Spaziergang in der berühmten Eibenallee von Baskerville Hall zu unternehmen. Die Aussage der Barrymores bezeugt, dass dies seine Gewohnheit war. Am 4. Juni hatte Sir Charles die Absicht bekundet, am folgenden Tag nach London aufzubrechen, und hatte Barrymore angewiesen, das Gepäck vorzubereiten. An jenem Abend brach er wie gewohnt zu seinem abendlichen Spaziergang auf, bei dem er eine Zigarre zu rauchen pflegte. Er kehrte nie zurück. Als Barrymore um Mitternacht die Eingangstür noch offen vorfand, war er beunruhigt, zündete eine Laterne an und begab sich auf die Suche nach seinem Herrn. Es war ein feuchter Tag gewesen, und Sir Charles’ Fußabdrücke waren die Allee hinunter leicht zu erkennen. Auf halbem Weg der Strecke befindet sich ein Tor, das hinaus auf das Moor führt. Es bestehen Anzeichen dafür, dass Sir Charles dort eine Weile gestanden hatte. Im Anschluss setzte er seinen Weg die Allee hinunter fort, und am anderen Ende wurde seine Leiche gefunden. Eine Tatsache, die noch nicht geklärt werden konnte, besteht in der Aussage von Barrymore, die Fußabdrücke seines Herrn hätten sich von dem Zeitpunkt an verändert, als er am Tor zum Moor vorbeigekommen sei, und von da an habe es den Anschein, als sei er auf Zehenspitzen gelaufen. Ein gewisser Murphy, ein Zigeuner und Pferdehändler, war zu dieser Zeit in nicht allzu großer Entfernung draußen im Moor, doch er scheint nach eigener Aussage betrunken gewesen zu sein. Er behauptet, dass er Schreie hörte, ist aber nicht imstande, zu sagen, aus welcher Richtung sie gekommen seien. An Sir Charles’ Leiche konnten keine Anzeichen von Gewaltanwendung festgestellt werden, und obwohl die Aussage des Arztes eine fast unglaubliche Verzerrung der Gesichtszüge unterstreicht – so stark, dass Dr. Mortimer zunächst nicht glauben wollte, dass es tatsächlich sein Freund und Patient war, der vor ihm lag –, wurde erklärt, dies sei ein Symptom, das in Fällen von Atemnot und Tod durch Erschöpfung des Herzens nicht ungewöhnlich sei. Diese Erklärung wurde durch die Obduktion bestätigt, die eine langjährige organische Erkrankung ergab, und die Geschworenen des Coroners fällten ein Urteil im Einklang mit dem medizinischen Befund. Es ist gut, dass dem so ist, denn es ist offensichtlich von äußerster Wichtigkeit, dass sich Sir Charles’ Erbe in Baskerville Hall niederlassen wird und die guten Werke fortführt, das auf so traurige Weise unterbrochen wurden. Hätten die sachlichen Ergebnisse des Coroners den grauenvollen Geschichten, die im Zusammenhang mit der Affäre geraunt wurden, nicht endgültig Einhalt geboten, wäre es womöglich schwierig geworden, einen Bewohner für Baskerville Hall zu finden. Man ist der Meinung, dass der nächste Verwandte, falls er noch lebt, Mr. Henry Baskerville ist, der Sohn von Sir Charles Baskervilles jüngerem Bruder. Als man zuletzt von ihm hörte, hielt sich der junge Mann in Amerika auf, und Nachforschungen werden angestellt, um ihn über sein Vermögen in Kenntnis zu setzen.«

Dr. Mortimer faltete die Zeitung wieder zusammen und steckte sie zurück in seine Tasche.

»Dies sind die öffentlich bekannten Fakten im Zusammenhang mit dem Tod von Sir Charles Baskerville, Mr. Holmes.«

»Ich habe Ihnen zu danken«, sagte Sherlock Holmes, »meine Aufmerksamkeit auf einen Fall gelenkt zu haben, der sicherlich einige interessante Merkmale aufweist. Mir waren zu jener Zeit ein paar Stellungnahmen in der Zeitung aufgefallen, aber ich war äußerst beschäftigt mit dieser kleinen Angelegenheit vatikanischer Kameen, und in meinem Bestreben, dem Papst gefällig zu sein, habe ich mehrere interessante englische Fälle aus den Augen verloren. Dieser Artikel, sagen Sie, enthält sämtliche öffentlich bekannten Fakten?«

»Das stimmt.«

»Dann lassen Sie mich die privaten Fakten hören.« Er lehnte sich zurück, legte die Fingerspitzen aneinander und setzte seine gleichmütigste und kritischste Miene auf.

»Wenn ich das tue«, sprach Dr. Mortimer, der inzwischen Anzeichen starker Gemütsbewegungen erkennen ließ, »erzähle ich Ihnen das, was ich noch niemandem anvertraut habe. Mein Beweggrund, dies der Untersuchung des Coroners vorzuenthalten, liegt darin, dass ein Mann der Wissenschaft davor zurückschreckt, in der Öffentlichkeit den Anschein zu erwecken, einem weitverbreiteten Aberglauben Vorschub zu leisten. Ein weiterer Beweggrund für mich war, dass Baskerville Hall, wie die Zeitung bemerkt, sicherlich unbewohnt bliebe, wenn irgendetwas unternommen würde, den bereits ziemlich düsteren Ruf noch zu verstärken. Aus diesen beiden Gründen glaubte ich, dass es gerechtfertigt gewesen sei, weniger zu berichten, als ich tatsächlich wusste, da sich daraus nichts Gutes hätte ergeben können, aber bei Ihnen gibt es keinen Grund, warum ich nicht absolut offen sein sollte.

Das Moor ist sehr dünn besiedelt, und diejenigen, die nah beieinander wohnen, sind aufeinander angewiesen. Aus diesem Grund traf ich Sir Charles Baskerville recht häufig. Mit Ausnahme von Mr. Frankland von Lafter Hall und Mr. Stapleton, dem Naturkundler, gibt es im Umkreis von vielen Meilen keine weiteren gebildeten Menschen. Sir Charles war ein zurückgezogen lebender Mensch, doch brachte uns das Schicksal seiner Krankheit zusammen, und gemeinsame Interessen an der Wissenschaft führten diese Bindung fort. Er hatte viele wissenschaftliche Kenntnisse aus Südafrika mitgebracht, und wir haben manch angenehmen Abend damit verbracht, die vergleichende Anatomie des Buschmannes und des Hottentotten zu erörtern.

Im Verlauf der letzten paar Monate wurde mir zunehmend klar, dass Sir Charles’ Nervensystem bis zum Zerreißen gespannt war. Er hatte sich diese Legende, die ich Ihnen vorgelesen habe, sehr zu Herzen genommen – so sehr, dass ihn nichts dazu bewegen konnte, am Abend hinaus aufs Moor zu gehen, obgleich er auf seinem eigenen Grund und Boden spazieren ging. So unglaublich es Ihnen vorkommen mag, Mr. Holmes: Er war allen Ernstes davon überzeugt, dass ein schreckliches Schicksal über seiner Familie hing, und sicherlich waren die Berichte, die er über seine Vorfahren wiederzugeben vermochte, nicht ermutigend. Die Vorstellung einer grauenhaften Erscheinung verfolgte ihn ständig, und bei mehr als einer Gelegenheit hat er mich gefragt, ob ich auf meinen ärztlichen Fahrten am Abend je irgendeine seltsame Kreatur gesehen oder das Bellen eines Hundes gehört hätte. Die letzte Frage stellte er mir mehrmals und stets mit einer Stimme, die vor Aufregung bebte.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich ungefähr drei Wochen vor dem tödlichen Ereignis abends zu seinem Haus fuhr. Zufällig stand er am Eingang zum Herrenhaus. Ich war aus meinem Einspänner gestiegen und stand vor ihm, als ich sah, dass seine Augen wie gebannt über meine Schulter hinweg an mir vorbeistarrten, mit einem Ausdruck grauenhaften Entsetzens. Ich fuhr herum und erhaschte gerade noch einen Blick von etwas, das ich für ein großes schwarzes Kalb hielt, das am Ende der Zufahrt vorüberging. Er war derart erregt und erschrocken, dass ich mich gezwungen sah, zu der Stelle zu gehen, an der das Tier gewesen war, und mich nach ihm umzuschauen. Es war jedoch wie auch immer verschwunden, und der Vorfall hatte offenbar die schlimmste Wirkung auf sein Gemüt. Ich blieb den ganzen Abend über bei ihm, und es war bei dieser Gelegenheit, dass er, um die Gemütsbewegung zu erklären, die er hatte erkennen lassen, meiner Obhut jene Erzählung anvertraute, die ich Ihnen vorhin vorgelesen habe. Ich erwähne diese kleine Begebenheit, weil sie mit Blick auf die Tragödie, die dann folgte, eine gewisse Bedeutung gewinnt, doch war ich damals davon überzeugt, dass die Angelegenheit vollkommen belanglos sei und dass seine Erregung keinerlei Berechtigung hatte.

Es war auf mein Anraten hin, dass Sir Charles im Begriff war, nach London zu fahren. Sein Herz war, wie ich wusste, angegriffen, und die ständige Angst, in der er lebte, unabhängig davon, wie völlig auf einer Illusion beruhend der Anlass sein mochte, hatte offenkundig eine ernsthafte Auswirkung auf seine Gesundheit. Ich war der Meinung, einige Monate in den Zerstreuungen der Stadt würden ihn als neuen Menschen zurückkehren lassen. Mr. Stapleton, ein gemeinsamer Freund, der sehr besorgt um seinen Gesundheitszustand war, vertrat die gleiche Auffassung. Im letzten Moment kam es zu dieser furchtbaren Katastrophe.

In der Nacht von Sir Charles’ Tod schickte Barrymore, der Butler, der die Entdeckung machte, den Stallknecht Perkins zu Pferd zu mir, und da ich noch spät auf war, war ich imstande, Baskerville Hall innerhalb einer Stunde nach dem Ereignis zu erreichen. Ich überprüfte und bestätigte sämtliche Fakten, die bei der gerichtlichen Untersuchung erwähnt wurden. Ich folgte den Fußspuren die Eibenallee hinunter, ich sah die Stelle bei dem Tor zum Moor, wo er offenbar gewartet hatte, ich bemerkte die Veränderung in den Umrissen der Fußabdrücke nach dieser Stelle, ich stellte fest, dass es keine anderen Fußspuren gab außer denen von Barrymore auf dem leichten Schotter, und schlussendlich untersuchte ich die Leiche, die bis zu meinem Eintreffen nicht berührt worden war, sorgfältig. Sir Charles lag mit dem Gesicht nach unten, die Arme ausgestreckt, die Finger in den Boden gegraben, und seine Züge verzerrt von einer derart starken Gefühlsregung, dass ich seine Identität kaum hätte beschwören können. Es gab ganz sicher keinerlei körperliche Verletzungen. Doch wurde dann von Barrymore eine falsche Angabe bei der gerichtlichen Untersuchung gemacht. Er sagte, es habe am Boden rund um die Leiche keine Spuren gegeben. Er habe keine bemerkt. Aber ich schon – etwas weiter entfernt, aber frisch und deutlich.«

»Fußspuren?«

»Fußspuren.«

»Die eines Mannes oder die einer Frau?«

Dr. Mortimer sah uns einen Moment sonderbar an, und seine Stimme sank fast zu einem Flüstern herab, als er antwortete:

»Mr. Holmes, es waren die Abdrücke eines riesigen Hundes!«

Kapitel III

Das Rätsel

ICH gestehe, dass mich bei diesen Worten ein Schauer überlief. Da war ein Beben in der Stimme des Arztes, das verriet, dass er selbst zutiefst bewegt von dem war, was er uns berichtet hatte. Holmes beugte sich in seiner Aufgeregtheit vor, und seine Augen besaßen das harte, trockene Glitzern, das aus ihnen hervorblitzte, wenn er äußerst interessiert war.

»Das haben Sie gesehen?«

»So deutlich, wie ich Sie sehe.«

»Und Sie haben nichts gesagt?«

»Was für einen Zweck hätte es gehabt?«

»Wie kommt es, dass niemand sonst es gesehen hat?«

»Die Abdrücke waren etwa zwanzig Yards von der Leiche entfernt, und niemand verlor einen Gedanken daran. Ich glaube nicht, dass ich einen Gedanken daran verschwendet hätte, wenn ich nicht diese Legende gekannt hätte.«

»Gibt es viele Schäferhunde auf dem Moor?«

»Zweifellos, aber das war kein Schäferhund.«

»Sie sagen, er war groß?«

»Riesig.«

»Aber er hatte sich der Leiche nicht genähert?«

»Nein.«

»Was war das für eine Nacht?«

»Feucht und rau.«

»Aber es hat nicht wirklich geregnet?«

»Nein.«

»Wie ist die Allee beschaffen?«

»Es gibt zwei Reihen alter Eibenhecken, zwölf Fuß hoch und undurchdringlich. Der Weg in der Mitte ist etwa acht Fuß breit.«

»Befindet sich irgendetwas zwischen den Hecken und dem Weg?«

»Ja, auf jeder Seite befindet sich ein Grasstreifen, etwa sechs Fuß breit.«

»Wenn ich richtig verstehe, wird die Eibenhecke an einer Stelle von einem Tor unterbrochen?«

»Ja, eine Pforte, die hinaus aufs Moor führt.«

»Gibt es noch irgendeine andere Öffnung?«

»Nein, keine.«

»So dass man, um die Eibenallee zu erreichen, entweder vom Haus kommen oder sie durch das Tor zum Moor betreten muss?«

»Es gibt einen Ausgang durch eine Sommerlaube ganz am hinteren Ende.«

»War Sir Charles bis dorthin gelangt?«

»Nein; er lag etwa fünfzig Yards davon entfernt.«

»Nun sagen Sie mir, Dr. Mortimer – und das ist wichtig: Die Spuren, die Sie gesehen haben, waren auf dem Weg und nicht auf dem Gras?«

»Auf dem Gras könnte man keine Spuren sehen.«

»Waren sie auf der gleichen Seite des Weges wie das Tor zum Moor?«

»Ja; sie waren am Rande des Weges auf der gleichen Seite wie das Tor zum Moor.«

»Sie interessieren mich außerordentlich. Ein weiterer Punkt: War die Pforte geschlossen?«

»Geschlossen und mit einem Schloss gesichert.«

»Wie hoch ist sie?«

»Etwa vier Fuß.«

»Dann hätte jeder sie übersteigen können?«

»Ja.«

»Und was für Spuren haben Sie bei der Pforte gesehen?«

»Keine besonderen.«

»Gütiger Himmel! Hat das niemand untersucht?«

»Doch, ich habe es selbst untersucht.«

»Und haben nichts gefunden?«

»Es war alles sehr verworren. Sir Charles hatte dort offenbar fünf oder zehn Minuten gestanden.«

»Woher wissen Sie das?«

»Weil die Asche zweimal von seiner Zigarre abgefallen war.«