Der kleine Hochzeitsladen am Meer - oder: Die Herzleserin - Anjali Banerjee - E-Book
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Der kleine Hochzeitsladen am Meer - oder: Die Herzleserin E-Book

Anjali Banerjee

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Beschreibung

Die wahre Liebe küsst man … nicht? Der turbulente Feelgood-Roman »Der kleine Hochzeitsladen am Meer« von Anjali Banerjee als eBook bei dotbooks. Endlich können alle aufatmen, die schon viel zu lange ihren Seelenverwandten suchen: In ihrem kleinen Laden führt Lina mit einem charmanten Lächeln und größter Treffsicherheit die Menschen zusammen, die gemeinsam glücklich werden können! Kein Wunder, dass ihr selbst darum keine Zeit für die Liebe bleibt – sehr zum Leidwesen ihrer Familie. Als diese Lina wieder einmal mit einem Kuppelversuch in den Wahnsinn zu treiben droht, erfindet sie kurzerhand einen Verlobten … und staunt nicht schlecht, als kurze Zeit später die kunterbunte Verwandtschaft vor der Tür steht, um ihren Zukünftigen zu bestaunen. Wo soll sie nun auf die Schnelle einen Traummann finden? Nach ein paar sehr merkwürdigen Dates steht plötzlich ein waschechter indischer Prinz vor ihr, mit wunderschönen Augen und dem perfekten Lachen – also viel zu gut, um wahr zu sein. Oder muss die Matchmakerin erst lernen, sich selbst zu vertrauen? Der Roman, der internationale Bestsellerautorinnen begeistert: »Erfrischend und höchst unterhaltsam«, urteilt Susan Elizabeth Phillips, während Susan Wiggs sicher ist: »Ein so wunderbares Buch findet man selten!« Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der zauberhafte Liebesroman »Der kleine Hochzeitsladen am Meer« von Anjali Banerjee. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Endlich können alle aufatmen, die schon viel zu lange ihren Seelenverwandten suchen: In ihrem kleinen Laden führt Lina mit einem charmanten Lächeln und größter Treffsicherheit die Menschen zusammen, die gemeinsam glücklich werden können! Kein Wunder, dass ihr selbst darum keine Zeit für die Liebe bleibt – sehr zum Leidwesen ihrer Familie. Als diese Lina wieder einmal mit einem Kuppelversuch in den Wahnsinn zu treiben droht, erfindet sie kurzerhand einen Verlobten … und staunt nicht schlecht, als kurze Zeit später die kunterbunte Verwandtschaft vor der Tür steht, um ihren Zukünftigen zu bestaunen. Wo soll sie nun auf die Schnelle einen Traummann finden? Nach ein paar sehr merkwürdigen Dates steht plötzlich ein waschechter indischer Prinz vor ihr, mit wunderschönen Augen und dem perfekten Lachen – also viel zu gut, um wahr zu sein. Oder muss die Matchmakerin erst lernen, sich selbst zu vertrauen?

Der Roman, der internationale Bestsellerautorinnen begeistert: »Erfrischend und höchst unterhaltsam«, urteilt Susan Elizabeth Phillips, während Susan Wiggs sicher ist: »Ein so wunderbares Buch findet man selten!«

Über die Autorin:

Anjali Banerjee wurde in Indien geboren und ist in Kanada und Kalifornien aufgewachsen. Sie studierte in Berkeley und lebt heute mit ihrem Mann und fünf Katzen in einem kleinen Cottage in den Wäldern von Nordamerika. Sie liebt das Wandern, Schwimmen und Klavierspiel.

Anjali Banerjee veröffentlichte bei dotbooks auch ihre Romane:

»Der kleine Inselladen der Träume – Die Frauen von Shelter Island, Band 1«

»Der kleine Buchladen am Meer – Die Frauen von Shelter Island, Band 2«

»Der kleine Stoffladen des Glücks«

***

eBook-Neuausgabe Februar 2021

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 2005 unter dem Originaltitel »Imaginary Men« bei Downtown Press, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2010 unter dem Titel »Die Herzleserin« bei Knaur.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2005 by Anjali Banerjee

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2010 Knaur Taschenbuch. Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München.

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

This edition published by arrangement with the original publisher, Gallery Books, a division of Simon & Schuster, Inc., New York.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Kanel Bulle / BigganVi / Ermolaev Alexander / Ortis / Jasmina M / LanKS / Zhao jiankang / mona wilde

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96655-565-4

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Anjali Banerjee

Der kleine Hochzeitsladen am Meer

Roman

Aus dem Amerikanischen von Karin Dufner

dotbooks.

Kein Drachen steigt so hoch wie die Phantasie.

Lauren Bacall

Alles, was vorstellbar ist, ist auch real.

Pablo Picasso

Eins

Ich habe eine Indien-Allergie.

Während der Hochzeit meiner Schwester Durga schniefe und schnaube ich nur. Es ist die Luftverschmutzung in Kalkutta, die mir die Tränen in die Augen treibt, nicht etwa die Tatsache, dass Durga eine bengalische Ausgabe von Johnny Depp heiratet, während ich als ihre älteste Schwester mit neunundzwanzig noch ledig bin.

Der Schweiß durchweicht meine choli-Bluse und den leuchtend türkisfarbenen Sari, bis ich mich fühle wie eine riesige Blaubeere. Eingezwängt zwischen Dutzenden von Verwandten, stehe ich in einem Hof in Alipore im Süden der Stadt. Das Haus, eine zweistöckige Villa im britischen Kolonialstil, gehört Tante Kiki. Die etwa einhundert Gäste haben sich mächtig in Schale geworfen. Die Frauen tragen Saris, die Männer traditionelle dhoti punjabis, also langärmelige Seidenhemden mit weiten Hosen. Einige wenige Junggesellen drücken sich in schlechtsitzenden Anzügen herum. Ihr Haar ist zurückgegelt, die Mobiltelefone scheinen am Ohr festgewachsen. Ich weiche ihren Blicken aus, denn ich habe keine Lust auf ein Gespräch mit einem dieser Fatzkes.

Eine bengalisch-brahmanische Hochzeit dauert oft mehrere Tage. Doch Durga wird nach dem Brahmo-Samaj-Ritus getraut, einer fortschrittlichen, eher weltlich ausgerichteten Form des Hinduismus, die das Kastenwesen, Kinderehen und die Anbetung von Götterstatuen ablehnt. Meinen Urgroßeltern danke ich dafür, dass sie zum Brahmo-Samaj übergetreten sind. Sonst müsste ich mich jetzt gähnend durch Tausende von Ritualen quälen.

Der Duft von Kokosnussöl und Sandelholz liegt in der Luft. Durch die Menschenmenge kann ich einen Blick auf meine Eltern erhaschen, die in der Nähe der Bühne sitzen. Auf der Bühne selbst tauscht das glückliche Paar Girlanden aus, während ein Priester Gebete auf Sanskrit murmelt. Der Bräutigam ist mit einem cremefarbenen punjabi-Hemd und einem mit Gold durchwirkten dhoti bekleidet. Durga ist eine Traumbraut in ihrem roten Hochzeitssari, den roten und weißen Armbändern und dem schweren Goldring durch die Nase. Ihre Finger und Zehen sind mit alta-roter Farbe bemalt. Schwarzer Kajalstift umrandet ihre Augen, so dass sie an die große Hindugöttin Durga erinnert, nach der sie benannt ist. Schüchtern betrachtet sie ihre Füße und spielt die scheue Jungfrau.

Meine Tante Kiki, die neben mir steht, hat graues Haar und schiefe gelbe Zähne. Nun versetzt sie mir lächelnd einen Rippenstoß. »Na, Lina, du bist dann wohl als Nächste dran, stimmt’s? Eine große bengalische Hochzeit?« Als sie mir zuzwinkert, frage ich mich mit einem Anflug von Grauen, was sie wohl im Schilde führt.

»Ich weiß nicht so recht, Tante, ich bin einfach noch nicht so weit.« Mit Männern hatte ich bis jetzt nichts als Ärger, aber sie versteht das nicht.

»Oh Vishnu! Nathu ist nun schon seit zwei Jahren tot, und du bist noch immer nicht bereit?«

»In Kalifornien gibt es keine interessanten Junggesellen.«

Sie tätschelt mir die Wange. »Du bist jetzt fast dreißig. Solltest du nicht lieber aufhören, so wählerisch zu sein?«

»Ich bin nicht wählerisch, sondern habe eben Geschmack.«

»Bhalo. Gut.« In typisch indischer Manier wiegt sie den Kopf hin und her. »Wir werden heute Abend einen Ehemann für dich finden. Da bin ich ganz sicher.«

Mir wird ganz flau im Magen. Was soll das heißen: Da bin ich ganz sicher? Welche Geheimnisse verbergen sich in den Falten ihres Saris? Genau genommen ist die Tante meine Großtante, die älteste Tante meines Vaters. Ihre jüngste Schwester, die Mutter meines Vaters, starb kurz vor meiner Geburt. Da Tante Kiki die älteste Verwandte ist, haben ihre Entscheidungen die Tragweite eines königlichen Befehls.

»Was, wenn ich keinen Inder heiraten will?«, gebe ich zurück.

»Was hast du gegen Inder? Nathu war doch aus dem Pandschab, oder?«

»Nathu ist in Amerika aufgewachsen und wusste, dass man seinen Müll selbst runterbringen und sein Bett alleine machen muss. Er war nicht wie die traditionellen indischen Männer, die ihrer Frau die ganze Hausarbeit aufhalsen.«

»Vielleicht könnte es dir nicht schaden, ein wenig traditioneller zu werden.« Die Tante presst die Lippen zusammen und zieht die Wangen ein.

Heute Abend stecke ich bis zu meinem Push-up-BH in der Tradition, würde ich am liebsten antworten, beiße aber die Zähne zusammen und lächle. Ich spreche nur ein paar Brocken Bengalisch und bin keine praktizierende Hindu. Was würde ein konservativer Bengale von mir halten? Vermutlich würde er mich als beschädigte, von amerikanischer Dekadenz verdorbene Ware einstufen.

Ich schaue mich auf dem Hof um, bis ich meine andere Schwester Kali entdecke, und winke ihr wie wild zu. Bitte, rette mich vor der Tante.

Grinsend eilt Kali zu mir hinüber. »Sieht Durga nicht hinreißend aus?«

»Wunderschön«, bestätige ich.

»Wenn ich endlich meinen Traummann kennenlerne, wünsche ich mir eine richtige desi-Hochzeit. Indisch, bis ins Letzte.« Frei übersetzt bedeutet desi auf Hindu »aus meinem Land«.

Kali hat einen Fimmel, was ihre Heimat angeht, steht aber auch auf den geheimnisvollen Austin Powers. Sie ist jung und erblüht wie eine Lotosblume. Nicht, dass ich ein hässliches Entchen wäre, aber ich würde es nie wagen, mich so zu kleiden wie sie. Heute trägt sie eine ausgesprochen tief ausgeschnittene und enganliegende choli-Bluse. An ihr sieht sogar ein Sari aus wie ein Negligé, während ich mich bei solchen Familienzusammenkünften lieber bedeckt halte.

»Hast du hier irgendwo einen praktizierenden Katholiken entdeckt?«, raune ich ihr ins Ohr.

»Wenn du willst, kann ich ja mal auf die Pirsch gehen.« Sie wirft mir einen verschwörerischen Blick zu. »Ich habe heute jemanden kennengelernt. Er heißt Dev und hat das gewisse Etwas. Ich glaube, ich habe mich verliebt.«

»Kali fällt es nicht schwer, Junggesellen zu treffen«, mischt sich die Tante ein. »Nur Lina ist unser Sorgenkind. Obwohl sie in Kalifornien als Heiratsvermittlerin arbeitet, findet sie einfach keinen passenden Ehemann.«

»Vielleicht liegt es daran, dass ich keinen suche.«

»Wir warten alle darauf, dass dir der Richtige in die Arme läuft«, meint Kali. »Du weißt doch, wie es funktioniert. Schließlich hast du auch Durga mit ihrer besseren Hälfte verkuppelt.«

»Das ist etwas anderes. Es ist viel einfacher, andere Leute zusammenzubringen.« Meine Spezialität besteht darin, in Amerika geborenen Inderinnen zu ihrem Traumprinzen zu verhelfen. Ich verfüge nämlich über die ans Unheimliche grenzende Fähigkeit anhand von silbrigen Fäden zu erkennen, ob potenzielle Partner zusammenpassen. Doch seit Nathu habe ich keinen Faden zwischen mir und einem Mann gesehen, und ich rechne auch heute Abend nicht damit.

»Gründe eine Familie, dann musst du nicht mehr ständig in der Gegend herumlaufen und dich kaputtarbeiten«, sagt die Tante. »Warum beharrst du so darauf, ledig zu bleiben?«

»Ich beharre nicht darauf, ich bin beschäftigt. Außerdem arbeite ich gerne.« Ich seufzte entnervt auf. Schließlich bespricht sie mit Kali, wie sie zusammen der armen älteren Schwester Lina helfen können.

Ich bin ein hoffnungsloser Fall und eine Enttäuschung für meine Familie. Warum also kehre ich immer wieder nach Indien zurück? Vielleicht ist es der Hauch des Exotischen, denke ich, während ein Dienstbote rings um den Hof Fackeln anzündet. Möglicherweise liegt es am feuchtwarmen Sommerklima an der Bucht von Bengalen. Es könnte auch sein, dass meine innere Prinzessin auf einen Märchenprinzen wartet, der durch die Abgaswolken herangeprescht kommt und mich entführt.

Die Tante zeigt in die Dunkelheit. »Schau mal, da drüben, Lina. Bist du bei deinem letzten Besuch in Kalkutta Nikhil Ghose vorgestellt worden?«

»Wem?«

Einer der Anzugträger erscheint aus dem Nichts und drückt fest meine Hand. »Lina Ray? Es ist mir ein Vergnügen, Ihre Bekanntschaft zu machen.«

»Die Freude ist ganz auf meiner Seite.« So höflich wie möglich entziehe ich ihm meine Hand und blicke in das hoffnungsvolle Gesicht eines Typen, der mich an die Comedy-Figur Pee-wee Herman auf Steroiden erinnert.

Eine dicke Frau in goldenem Sari wälzt sich mit ihren wabbelnden Rettungsringen auf uns zu. In Indien gelten Fettwülste am Bauch nämlich noch als sexy. »Nikhil, mein Sohn, wo steckst du denn?«, ruft sie.

Die Tante packt mich am Ellbogen. »Das ist meine gebildete Großnichte Lina. Lina, Nikhil Ghose.«

Ich erstarre. Staub brennt mir in den Augen.

»Sehr erfreut, sehr erfreut.« Missis Ghose wiegt den Kopf hin und her.

»Lina spielt klassisches Klavier und kocht ausgezeichnet«, fährt die Tante fort. »Sie ist für kurze Zeit aus Amerika zu Besuch. Sie müssen uns unbedingt zum Tee beehren.«

Verdattert starre ich die Tante an. Kocht ausgezeichnet? Ich schaffe es gerade, Milch über meine Frühstücksflocken zu schütten, doch die indische Küche wird für mich immer ein Mysterium bleiben. Und Klavierspielen? Das ist eine Verschwörung. Sicher hat die Tante sich mit Ma abgesprochen, und jetzt versuchen die beiden verzweifelt, eine Hochzeit für mich zu arrangieren. Niemals werde ich Peewee heiraten! Lieber ertränke ich mich im Ganges.

Seine Mutter mustert mich von Kopf bis Fuß und verzieht dann abfällig die Lippen. »Ein bisschen mager, finden Sie nicht? Und dann hat sie auch noch die ganze Zeit in Amerika gelebt? In Amerika werden unsere Mädchen dünn und wild.«

»Ich wurde schließlich nicht von Wölfen großgezogen«, wende ich ein.

»Und Humor hat sie auch«, ergänzt die Tante.

»Ich stehe auf wilde Frauen.« Nikhil zwinkert mir anzüglich zu. Er hat sogar die gleiche Stimme wie Pee-wee.

Ich starre zu Boden. Wahrscheinlich glaubt er jetzt, dass er mir gefällt und dass ich nur aus Schüchternheit den Blick senke.

»Lina ist ein braves Mädchen«, erklärt Tante Kiki. »Dass sie so dünn ist, liegt an dem amerikanischen Fitnesswahn. Alle dort wollen schlank sein und treiben diesen oder jenen Sport. Ständig joggen sie, machen Aerobics, Spinning, Pirates ...«

»Pilates, Tante«, verbessert Kali sie grinsend. Sie ist Kikis Komplizin in diesem Trauerspiel.

Nikhils Mutter mustert mich prüfend. Langsam heben sich ihre Mundwinkel. »Tja, natürlich ist es ein Vorzug, dass Sie die Tochter von Sahadev Ray sind, von Doctor Ray.«

»Danke, Missis Ghose.« Verdammt, sie hat bereits in meinem Familienstammbaum herumgewühlt. Warum kann ich nicht die Tochter eines Straßenkehrers sein? Derartige Dinge spielen in Indien nämlich eine große Rolle: wessen Tochter man ist, wessen Enkelin man ist, welchen Beruf der Cousin zweiten Grades ausübt. Frauen haben zwar auch hier Ziele und Träume, doch sie halten sie häufig geheim und verstecken sie in der Schublade bei der Unterwäsche, um sie unter ihren Kleidern zu tragen, wichtig zwar, aber unsichtbar.

»Natürlich kommen wir zum Tee. Mit dem größten Vergnügen.« Nikhils Mutter ist beeindruckt und hat meine Magerkeit und die amerikanischen Einflüsse offenbar vergessen. Sie wendet sich an die Tante. »Wohnen die Rays bei Ihnen? Wann soll ich Nikhil hierherbringen?«

Er rückt mir auf die Pelle, bis ich das Curry in seinem Atem rieche.

»Morgen?«, schlägt die Tante vor.

Nein, nicht morgen! Überhaupt nicht! Holt mich hier raus! Lieber würde ich am Randstein sitzen und in die Gosse starren als zuhören, wie die Tante versucht, mich mit Pee-wee zu verkuppeln. Ich zwinge mich zu einem Lächeln und hoffe, dass mein choli unter den Achseln keine Schweißränder hat.

»Morgen sind wir noch hier«, meint Kali. Ich werfe ihr einen finsteren Blick zu.

Nikhils Mutter lächelt. »Morgen passt uns sehr gut, Lina. Nikhil ist ein erfolgreicher Geschäftsmann. Herstellung und Im- und Export. Er zeigt Ihnen sicher gern seine Fabriken.«

»Nur wir beide ganz allein.« Nikhil glotzt mich lüstern an.

Meine Schultern verkrampfen sich. »Danke, aber dafür fehlt mir die Zeit. Ich muss noch jede Menge Verwandte besuchen ...«

»Lina!«, fällt die Tante mir herrisch ins Wort. »Wir werden die Zeit finden.«

»Ich glaube wirklich nicht ...«

»Dann arrangieren wir alles, ja?« Nikhils Mutter fährt fort, seine ruhmreichen Vorzüge aufzuzählen.

Er steht so dicht bei mir, dass ich seinen heißen Atem auf den Wangen spüre. Meine Stirn ist von Schweißperlen bedeckt, und Übelkeit steigt in mir auf. Die Titelmelodie von Der weiße Hai klingelt mir in den Ohren, und plötzlich steht mir die Lösung strahlend wie ein Regenbogen vor Augen. Natürlich! Warum nicht gleich so?

»Ich habe Neuigkeiten«, sage ich.

»Neuigkeiten? Worum geht es denn?« Die Tante presst die Lippen zusammen.

Es wird totenstill.

Ich lächle wissend. »Eigentlich wollte ich den richtigen Moment abwarten, aber vielleicht ...« Ich mache eine dramatische Pause.

Nikhil weicht zurück. Seine Mutter betrachtet mich verdattert.

»Was? Was sind das für Neuigkeiten?« Die Augen der Tante sind schreckgeweitet. »Nein, du bist doch nicht ... du bist doch nicht etwa schon verlobt?«

Ich nicke, obwohl es eine unverfrorene Lüge ist.

»Oh Vishnu! Warum hat deine Ma es nicht erwähnt?«, ruft die Tante aus. »Die ganze Zeit versuchen wir, deine Verlobung mit Nikhil zu arrangieren!«

Meine Verlobung arrangieren? Bevor ich ihn überhaupt kennengelernt habe? Das ist ja schlimmer, als ich vermutet hatte.

Alle schnalzen mit den Zungen und reden wild durcheinander. Kali senkt den Kopf. Ob sie mich durchschaut? »Ist das wahr?«

»Ja, sicher. Mein Verlobter ist in gehobener Position.« Ich blicke in den trüben, sich verdunkelnden Himmel hinauf. »Gebildet. Wohlhabend. Sehr gut aussehend. Ein wahrer Gentleman mit großer Risikobereitschaft.« Ich kann ihn mir bereits vorstellen. Er erinnert mich sehr an Nathu.

Die Frauen rufen oh und ah.

»Ist er Inder?«, fragt Kali. Das wäre den anderen niemals eingefallen, weil sie selbstverständlich davon ausgehen.

»In gewisser Weise«, antworte ich. »Jedenfalls ist er mein Traummann.«

»Wie sieht er denn aus?«

»Groß, dunkles, gewelltes Haar. Die schönsten Augen, die ... einfach phantastisch.«

»Klingt zu schön, um wahr zu sein«, stellt Kali fest.

»Und warum ist dieser Mann nicht hier?«, erkundigt Nikhil sich verärgert.

»Er ist viel auf Geschäftsreise. In alle möglichen Länder. Er reitet auf Elefanten in den Dschungel, besucht seine Paläste und anderen Liegenschaften ...«

»Wie hältst du es aus, von ihm getrennt zu sein?«, bohrt Kali nach. »Vermisst du ihn nicht entsetzlich?«

»Es ist die Hölle.« Ich seufze auf. »Aber er schickt mir Postkarten.«

»E-Mails? Liebesbriefe?«

Ich nicke. »Und dazu noch Fotos und Gedichte im Anhang ...«

»Und von alldem hast du uns kein Sterbenswörtchen verraten?«

Ich lächle. »Ist das Internet nicht eine tolle Sache?«

Missis Ghose ist empört. »Komm, Nikhil.« Sie packt ihn am Arm und schleppt ihn, auf der Suche nach einem neuen Opfer, davon. Meine Schultern entspannen sich wieder.

Die Tante schwebt im siebten Himmel. »Dann muss ich dir gratulieren. Wir rufen jetzt deine Eltern ...«

»Sie wissen es noch nicht«, wende ich rasch ein. »Es wird eine Liebesheirat, keine arrangierte.«

»Sie wissen es nicht?« Die Tante zieht die Augenbrauen hoch und bläst die Wangen auf.

»In Amerika läuft es anders als hier. Die Eltern begleiten ihre Töchter nicht zu Verabredungen.«

»Nun ja, dagegen lässt sich offenbar nichts machen. Trotzdem ist es eine gute Nachricht. Passt das Horoskop?«

»Ich glaube, die Sterne stehen genau richtig.«

»Wer ist es? Wie heißt er?« Kali lässt nicht locker.

»Es soll eine Überraschung sein. Er befindet sich noch einige Wochen auf Reisen ...« Mit jeder Lüge schaufle ich mein Grab tiefer. Am besten sollte ich gleich hineinklettern und mich mit Erde bedecken.

Die Tante ringt die Hände. Man merkt ihr an, dass sie bereits Pläne schmiedet. »Ich muss diesen Mann kennenlernen, um festzustellen, ob er besser zu dir passt als Nikhil.«

»Ob er besser zu mir passt? Aber ich weiß bereits ...«

»Ich muss es wissen!«

»Natürlich, Tante. Es wäre mir eine Ehre, wenn du mir deinen Segen gibst.«

Sie streicht ihren zerknitterten Sari glatt.

»Bhalo. Bringst du ihn mit nach Indien?«

Ihn mitbringen? »Er muss sich um seine Geschäfte in San Francisco kümmern.«

Wie soll ich dieses Netz aus Lügen aufrechterhalten? Bald werde ich behaupten müssen, dass der Traumprinz und ich uns getrennt haben. Er hat auf einer seiner Geschäftsreisen in Deutschland oder in Italien ein anderes Mädchen getroffen. Schließlich kann ich ihn jederzeit verschwinden lassen. Dass ich Pee-wee heirate, kommt jedenfalls nicht in die Tüte. Was soll ich tun?

»Und natürlich wirst du in Indien eine bengalische Hochzeit mit ihm feiern«, verkündet die Tante.

»Wenn der richtige Zeitpunkt da ist.« Ganz gleich, wie lange man schon in Amerika wohnt, muss dieser wichtige Schritt im Leben stets in Indien vollzogen werden.

Ich verdrücke mich ins Haus und ins Badezimmer, wo ich die Ellbogen aufs Waschbecken stütze und mich auf meine Atmung konzentriere. Durch die Nase ein, durch den Mund aus. Ich kann es mir nicht leisten, hier in diesem Badezimmer in Kalkutta mit seinem Betonfußboden und dem altmodischen Spülkasten mit Kette eine Panikattacke zu bekommen. Als ich in den Spiegel schaue, stelle ich fest, dass der schwarze Kajalstift um meine Augen verschmiert ist. Mein schulterlanges Haar kraust sich in der feuchten Luft.

»Lina, Lina an der Wand«, sage ich zu meinem Spiegelbild und kichere dann hysterisch. »Wer ist die größte Lügnerin im ganzen Land?«

Zwei

Ich nehme mich zusammen und kehre gerade noch rechtzeitig in den Hof zurück, um Zeugin des sindoor daan zu werden. Durgas attraktiver Ehemann bringt das Symbol des Ehestandes auf ihrem Scheitel an, einen roten Hennapunkt, den man sindoor nennt. Als gute Hindufrau wird sie dieses Zeichen bis ans Ende ihres Lebens tragen.

Jetzt hat Durga ihren sindoor. Nun, wenn jemand darauf steht, ständig mit Henna auf der Kopfhaut herumzulaufen und sich immer wieder von Amerikanern fragen lassen zu müssen, ob man sich verletzt und Blut in den Haaren hat.

Ich freue mich für sie. Mögen sie und ihr Bräutigam Amit ein langes und glückliches Leben und viele hochgewachsene und hellhäutige Kinder haben, die noch vor ihrem zwanzigsten Geburtstag verheiratet sind, bis dass der Tod sie scheidet.

Braut und Bräutigam erheben sich, um gemeinsam nach altem Brauch die sieben Schritte zu gehen.

Die Tante steht wieder neben mir. »Ach, das saptapadi!«, raunt sie mir ins Ohr. Ihr Atem riecht nach Knoblauch. »Der erste Schritt ehrt den Allmächtigen, mit dem zweiten gelobt man Zusammenhalt, mit dem dritten Disziplin. Mit dem vierten verspricht man, die Freude zu entdecken, mit dem fünften wünscht man sich Kinderreichtum, mit dem sechsten Wohlstand für die Familie und mit dem siebten die Segnungen des gemeinsamen Glücks.«

»Warum tanzen sie nicht einfach wie in den Hindi-Filmen?«, erwidere ich. Dagegen, die Freude zu entdecken, habe ich ja nichts einzuwenden, aber auf die anderen sechs Schritte kann ich gern verzichten. Damit ist die Trauung zu Ende, und das Brautpaar kniet nieder, um die Füße der älteren Verwandten zu berühren.

Alles stürmt nach vorne, als Angehörige und Freunde sich versammeln, um den beiden ihren Segen zu geben. Ich schlängle mich durch die Menge und umarme Durga, die nach Schweiß und Jasminparfüm riecht.

»Ich gratuliere, Liebes, und wünsche euch ein langes gemeinsames Leben und alles Gute.« Ich halte ihre warmen Hände in meinen.

Tränen schimmern in ihren Augen. »Danke, Didi. Aber eigentlich sollte ich dir gratulieren. Endlich bist du verlobt. Ich dachte, du hättest kalte Füße bekommen.« Sie küsst mich auf die Wange. Schon immer nennt sie mich Didi, »große Schwester«.

Jetzt stecke ich ernsthaft in Schwierigkeiten. »Ich werde Pee-wee, ich meine Nikhil Ghose, nicht heiraten. Nur um das klarzustellen.«

»Natürlich nicht. Aber er ist sicher erschüttert, was? Wegen deines großen Unbekannten.«

»In Indien spricht sich alles rasch herum.« Ich bin gerade mal fünf Minuten im Bad gewesen.

»Alle wissen Bescheid. Glückwunsch.« Amit greift mit seiner Pranke nach meiner Hand und schüttelt sie. Aus der Nähe sieht er noch mehr aus wie ein dauerhaft sonnengebräunter Johnny Depp.

»Schon gut, vielen Dank.«

»Du und dein Verlobter, ihr müsst uns in unserem neuen Haus besuchen!«, ruft Durga aus.

»Wenn ich reif für den Dschungel bin.«

Durga und Amit wohnen in einem bewachten Vorort von Los Angeles, wo die Rasenflächen an gestärkte grüne Servietten erinnern. »Warum zieht ihr nicht nach San Francisco in meine Nähe?«

»In der Stadt kann man doch keine Kinder aufwachsen lassen, Lina. Die vielen Banden und Einbrüche ...«

»Damit hatte ich noch nie ein Problem. Ich habe Blick auf den Coit Tower und die Lichter der Stadt und kann mich sogar aufs Dach setzen.« In letzter Zeit war ich allerdings nicht oft dort oben. Dächer sind romantische Orte und für zwei Personen gedacht.

»Wenn du heiratest, musst du umziehen«, stellt Durga fest. »Kinder brauchen Spielplätze, kein Panorama. Oder willst du, dass sie vom Dach fallen?«

»So weit habe ich mir das noch gar nicht überlegt.« Meine Haut prickelt vor Gereiztheit. Ich habe nicht einmal einen real existierenden Mann, und sie redet schon von Kindern.

»Es wird schneller passieren, als du glaubst.« Amit zwinkert mir zu, während wir uns von einem Gästestrom mit ins Haus tragen lassen, wo der Empfang stattfinden soll.

Im Esszimmer im Parterre hat die Tante auf langen Tischen ein Festmahl angerichtet – Reis, dhal, Curry, Kartoffein und als Nachspeise süße roshogollas. Obwohl ich versuche, in der Menge unterzutauchen, entdeckt Ma mich sofort. Sie ist schlank, hat ein Mondgesicht und wie ich krauses Haar. In ihrem traditionellen grünen Sari und dem bindi auf der Stirn sieht sie sehr indisch aus. Niemand würde vermuten, dass sie an der Universität in Santa Barbara, wo sie Maschinenbau lehrt, Jeans trägt.

»Mein kleines Mädchen verlässt mich. Erst jetzt wird es mir so richtig klar.« Sie schlägt die Hand vor die Brust, als müsse sie die Tränen zurückdrängen.

»Du kannst sie ja im Dschungeldorf besuchen.«

Ma schüttelt den Kopf. »Wie soll eine Mutter empfinden, wenn ihre Tochter heiratet? Erwartet man nicht von ihr, dass sie Tränen der Freude und der Trauer vergießt?«

»Entschuldige, aber es war ein anstrengender Tag. Die vielen Feierlichkeiten. Hoffentlich werden die beiden glücklich. Sonst wird man mir noch vorwerfen, ich hätte eine schlechte Ehe gestiftet.«

»Jetzt hast du ja endlich auch jemanden gefunden.« Ma berührt meine Wange. »Ach, Lina, nach Nathu hätte ich nie gedacht ...«

»Ma ...« Ich nehme ihre Hand von meiner Wange und umfasse ihre kühlen Finger. Wie gerne würde ich ihr gestehen, dass ich gelogen habe, und ihr alles erklären, aber ich bringe die Worte nicht über die Lippen.

»Wie konntest du deiner Mutter das verheimlichen? Tante Kiki und Onkel Gula haben uns gratuliert, so dass ich tun musste, als wäre ich über deinen Verlobten im Bilde. Ein Glück, dass ich eine gute Schauspielerin bin.«

Offenbar habe ich diese Begabung geerbt. »Ich wollte es dir noch sagen, Ma.« Ich weiche zurück und nehme mir ein roshogolla vom Tisch.

»Babas Verdauungsstörungen haben wieder angefangen. Seit er im letzten Winter das Magengeschwür hatte, ist er nicht mehr der Alte. Wenn er das hört, geht es ihm sicher gleich besser.«

»Wie schön.« Lächelnd nicke ich vorbeiflanierenden Verwandten zu, doch innerlich krampft es mir den Magen zusammen. Babas gesundheitliche Probleme machen mir Sorgen.

»Wir freuen uns ja so für dich.« Mas Augen funkeln vor Glück, so dass ich es nicht übers Herz bringe, ihr meine Lüge zu beichten. »Wie heißt er denn?«

»Das muss ich noch geheim halten.«

»Geheim? Warum? Was macht sein Vater beruflich? Stammt er aus einer guten Familie? Kann er dich auch ernähren?«

»Er verdient jede Menge Geld ...«

»Ausgezeichnet. Erzähl mir mehr.«

»Nicht jetzt, Ma. Später. Wir müssen uns um die Gäste kümmern.«

»Dann also später.« Sie lässt mich mit meinen Unwahrheiten stehen und hastet zu meinem Vater hinüber, einem Mann mit schütterem Haar, der sich gerade mit dem Vater des Bräutigams unterhält.

Aus der Entfernung kann ich Baba gut ertragen. Wie jeder indische Brautvater platzt er fast vor Stolz. Auch in seiner Praxis ist er erträglich. Dort trägt er einen weißen Kittel und ein Stethoskop um den Hals, füllt Rezepte aus und kommandiert seine Arzthelferinnen herum. Aber wenn er mir Anweisungen geben will, ballen sich meine Fäuste, und mein Kiefer verkrampft sich. Dann zieht er zornig die buschigen Augenbrauen zusammen, und seine schmalen Lippen verraten mir, dass ich ihn enttäuscht habe.

Ich frage mich, was er nun von mir hält. Was würde er tun, wenn er die Wahrheit erführe? Vermutlich würde er mich enterben und überall verbreiten, er habe nie eine Tochter namens Lina gehabt.

Als ich mich umdrehe, stehe ich mitten in einer Gruppe von Tanten, die mich mit Fragen bombardieren. Ich wimmle ihre Neugier mit den besten Ausflüchten ab, die mir einfallen. Mir wird flau im Magen. Endlich kann ich mich in das Zimmer flüchten, wo sich die jüngere Generation versammelt hat. Jemand legt Popmusik aus Bollywood auf, ein schriller Hindi-Sopran, begleitet von einer Rhythmusmaschine. Frauen schlüpfen aus ihren Sandalen und zerren ihre Männer auf die Tanzfläche. Kali tanzt mit einem attraktiven Mann, der sein langes Haar in einem Pferdeschwanz trägt. Ich frage mich, ob das ihr Dev ist. Bäuche wiegen sich. Pee-wee drängt sich durch die Menge zu mir durch. Ein Pfefferminzblatt steckt zwischen seinen Schneidezähnen.

Hat er vorhin den Schuss nicht gehört? Ich bin tabu, vergeben, versprochen, praktisch unter der Haube.

»Ein Tanz?«, fragt er mit seiner nasalen Stimme. »Es könnte dein letzter Abend in Freiheit sein.«

»Mir ist ... ein wenig übel.« Ich versuche, nicht auf das grüne Blatt zwischen seinen Zähnen zu starren.

»Jetzt sei kein Frosch. Vielleicht gibst du deinem Verlobten ja den Laufpass, wenn du erst einmal mit mir getanzt hast.« Er packt mich an der Hand, aber ich reiße mich los und flüchte mich auf den Hof hinaus.

Eigentlich sollte ich mit Pee-wee tanzen und Durga zuliebe das Beste aus diesem Fest machen. Ich sollte die Hochzeit meiner Schwester feiern. Doch ich gehöre nicht hierher. Warum? Weil mein Verlobter vor zwei Jahren gestorben ist und mich mit unerfüllten Träumen und unausgegorenen Sehnsüchten zurückgelassen hat? Zorn steigt in mir hoch. Raschen Schrittes entferne ich mich vom Haus und vom fröhlichen Lachen.

Hier draußen sind nur die Dienstboten zu sehen, die Becher einsammeln und Krümel zusammenfegen. Die flackernden Fackeln, die den Hof beleuchten, werfen fingerähnliche Schatten auf den Rasen.

Die Arme vor der Brust verschränkt und wegen der Feuchtigkeit vornübergebeugt, haste ich auf die Straße hinaus. Meine Lügen verfolgen mich wie plappernde Geister. Ich verliere mich in den Straßen zwischen den Häusern, denn ich brauche Zeit zum Nachdenken.

Musikfetzen wehen in die Nacht hinaus. Ich bin Lichtjahre von meiner Familie entfernt. Als ich einen Blick zurück auf das Haus der Tante werfe, wird dieser von gleichgültigen Fensteraugen erwidert.

Ich mache kehrt und lasse alles hinter mir. Je weiter ich gehe, desto ruhiger wird die Nacht. Hin und wieder raschelt und zwitschert ein Vogel im Unterholz. Die Luftverschmutzung taucht den Himmel in einen unwirklichen orangefarbenen Schein. Kaum zu glauben, wie eine Stadt mit über einhunderttausend Einwohnern pro anderthalb Quadratkilometer bei Einbruch der Dunkelheit schlagartig still werden kann. Hinter der nächsten Ecke könnte alles Mögliche lauern – ein Affe, eine Kobra, ein Python.

Oder ein Mann.

Ich stoße mit ihm zusammen, als er eilig um die Ecke biegt.

Drei

»Verzeihung«, sage ich.

Er ist hochgewachsen, vielleicht einer der Hochzeitsgäste. Bekleidet ist er mit einem dhoti punjabi, und er hat ein struppiges graues Kätzchen in der Armbeuge. Ich lege den Kopf in den Nacken, schaue ihm ins Gesicht und starre ihn mit einem dümmlichen Grinsen an.

Er hat breite Schultern, volle Lippen und lange Wimpern. An seinem Kiefer ist ein Hauch von Bartstoppeln zu erkennen. Seine Augen funkeln beinahe gefährlich. Ach herrje, offenbar habe ich zu viele Liebesromane gelesen.

Er erinnert mich an den Hindugott Krishna, gleichzeitig Täuscher und begnadeter Liebhaber. Die dünne Narbe an seiner linken Wange hat die Form eines Halbmondes. Eine Kriegsnarbe. Ich male mir aus, wie er auf seinen schwarzen Hengst steigt und mit gezücktem Schwert in die Schlacht reitet. Was für ein Unsinn! Heutzutage kämpft man nicht mehr mit Schwertern. Wir sind schließlich nicht im Mittelalter. Wahrscheinlich hat er sich beim Rasieren geschnitten. Meinetwegen, aber er könnte mich wenigstens über die Schulter werfen und mich in seine Höhle schleppen. Allerdings sind wir auch dafür etwa zehntausend Jahre zu spät dran.

Seine Augen gleiten über mich. Ich bin eine entflohene Gefängnisinsassin im Flutlicht der Scheinwerfer. »Haben Sie sich verlaufen, Ma’am? Warum sind Sie ganz allein von der Feier weggegangen?« Seine Stimme ist dunkel mit einem kultivierten Akzent.

»Waren Sie auch auf der Hochzeit bei Kiki?«

Er nickt. Seine Blicke durchbohren mich förmlich. »Ich bin ein Freund eines Freundes des Bräutigams. Ein Cousin sechsten Grades.«

»Aha. Ich wollte mir die Sterne bei Dämmerung anschauen, aber bei diesem Smog ist nichts zu sehen.« Ich streiche mein Haar glatt.

»Dafür ist der Zeitpunkt denkbar ungeeignet. Warten Sie bis zur astronomischen Dämmerung.«

»Sind Sie Astronom?« Er hat weder ein Fernglas noch ein Fernrohr bei sich, nur ein Kätzchen.

»Meine Familie exportiert Granit ins Ausland. Indien ist der größte Exporteur von Steinen weltweit.«

»Das wusste ich nicht ...«