Der Kornkreis - Thomas Tippner - E-Book

Der Kornkreis E-Book

Thomas Tippner

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Beschreibung

Der Kornkreis erzählt eine Geschichte um die Veränderung in einem Dorf nach einem Sturm. Die abgelegene Farm der Rushs war schon immer merkwürdig, nun aber beginnen die Kinder bestialisch zu stinken, und sie können, wie es scheint, sich unsichtbar machen ...

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ES war kalt. Unangenehm kalt. So kalt, dass man glaubte, einem würde der Arsch abfrieren. Dabei war es gerade einmal erst Mitte September. Allan Rush knurrte, während er auf dem zerfetzten und zerfledderten Sitz seines alten Traktors John Deere hin und her rutschte und es bereute, niemals in die Isolierung der Fahrerkabine investiert zu haben. Und er knurrte, weil ihm die Kälte dermaßen auf den Sack ging, dass er sogar angefangen hatte, über das Wetter zu schimpfen. Eine Eigenart, die der Farmer sich bisher immer verkniffen hatte.

Es gab nichts Schlimmeres, wie er fand, als sich über ein paar Wolken am blass blauen Himmel zu beschweren.

Er hatte immer in Michaels Bar darüber gelacht, wenn die Alten von ihren Wettergeschichten, wie er es nannte, erzählten. Ja, sie konnten allerlei vom Stand der Sonne, von der Stärke des Windes oder dem Geruch der Luft ablesen. Alles Scheiße, wie Allan fand, und doch fragte er sich jetzt, als er den grauen, beinahe schwarzen Himmel beobachtete, was die Alten wohl dazu gesagt hätten.

Irgendeine Katastrophe würde über sie hereinbrechen. Vielleicht der Untergang der Welt oder die Apokalypse, weil der Wind es gewagt hatte, einige Maispflanzen umzuwehen und sie dann auch nach Richtung Hill Valley trugen. Bei den alten Säcken war alles möglich.

Und während Allan Rush sich diese Gedanken machte, schaukelte er auf dem Bock des Traktors immer wieder hin und her. Dabei ärgerte er sich weiter über die Kälte und stellte sich jetzt schon darauf ein, dass er gleich, wenn er die Hügel um Carfiff passierte, ordentlich durchgeschüttelt werden würde. Er hatte schon mehr als einmal bei der Ratssitzung darauf hingewiesen, dass die Straßen ausgesprochen schlecht waren. Und hier, bei den Carfiff Hills gab es solche tiefen Schlaglöcher, dass er jedes Mal, wenn er zu seinen Feldern tuckerte, Angst um die Stoßdämpfer seiner heiß geliebten Maschine haben musste.

Als der Ruck durch den Traktor ging, zeichnete sich am dunklen Himmel ein noch dunklerer Schatten ab. Ein Schatten, den Allan Rush zunächst gar nicht wahrnahm. Und dann fragte er sich, als der Schatten größer wurde, wie er ihn nicht hatte bemerken können. Denn er hob sich gegen den Lauf der tief am Himmel entlang ziehenden Wolken deutlich ab. Ein Schatten, der ihn erst verwirrte, dann erschreckte.

Denn der beinahe kreisrunde, sich immer schneller bewegende Schatten hatte etwas an sich, das sich Allan nicht erklären konnte. Etwas, das ihn mit einem Schauer der Angst durchschüttelte, was ihn noch mehr verwirrte. Allan hatte keine Angst. Vor gar nichts. Noch nie gehabt. Selbst vor vier Jahren nicht, als es hieß, ein entlaufener Kinderschänder würde sich in den Daraneck Wäldern verstecken. Ein Kinderschänder, der vor dem Gebrauch von Schusswaffen nicht zurückschrecken würde. Allan schreckte davor ebenso wenig zurück, wie die Missgeburt damals.

Und deswegen hatte er sich mit seinen Hund Buck, der seit letztem Frühling tot war, auf die Suche nach dem verfluchten und zum Teufel gewünschten Kinderficker gemacht – um ihm eins mit seinem doppelläufigen Schrotgewehr gehörig auf den Pelz zu brennen. Denn in Allans Augen durften solche Menschen nicht leben. Nein, sie sollten vielmehr leiden. Den ganzen Hass der Gesellschaft und die Schläge der Selbstgerechten erfahren. Schläge, die ihnen jeden Knochen einzeln und doppelt im Körper brachen. Dazu sollte man ihnen ihre Pimmel so langsam und genüsslich abschneiden, dass sie vor Schmerzen glaubten ohnmächtig zu werden, ohne es aber zu werden.

Denn sie sollten ebenso leiden wie ihre unschuldigen, armen Opfer. Nur mit der Tatsache, dass sie das Leid aller ihrer Opfer am eigenen Leib erfahren sollten – ja mussten. Und genau wie damals, als er durch die Wälder streifte und die ihm bekannten Jagd- und Vergnügungshütten ablief, immer darauf gefasst, in einen Schusswechsel zu geraten, fühlte er sich auch jetzt. Da war ein unangenehmes Ziehen und Kribbeln in seinem Nacken. Eine Art Aufregung, die ihn unentwegt mit umher schwirrenden Gedanken und Sinneseindrücken bombardierte, sodass er sich kaum noch konzentrieren konnte. Wie damals fühlte er auch heute einen unerträglichen Druck in seinem Inneren.

Ein Druck, den er nur loswerden konnte, indem er irgendetwas mit seinen Händen anstellte, bearbeitete oder verbog. Er musste mit der in ihm wohnenden überschüssigen Energie irgendwo hin. Deswegen umklammerte er das Lenkrad seines Traktors noch fester. Am liebsten hätte er den abgenutzten und abgergriffenen Lenker zu einer Acht gebogen. Denn der sich in den Wolken abzeichnende Schatten nahm immer mehr an Größe zu. Er bedeckte jetzt schon beinahe das gesamte Gesichtsfeld des fetten, langhaarigen Allan, der seine Gedanken nicht mehr kontrollieren konnte.

Der nicht begriff, was sich da über ihm abspielte.

Blitze begannen in den Wolken zu zucken. Seltsamerweise rasten sie nicht wie bei einem regnerischen Gewittersturm üblich dem Boden entgegen. Nein, er konnte deutlich sehen, wie sie horizontal und vertikal durch die immer dichter werdende Wolkenmasse rasten. Sie wurden auch nicht von dem dumpfen, grollenden Donner begleitet, den sie sonst immer verursachten. Nein, sie zogen nur ein permanentes, die Nerven zerreißendes Surren hinter sich her, sodass Allan unwillkürlich an Strommasten denken musste.

Was sollte das?

In was war er hier hineingeraten?

Doch die Apokalypse?

Der Weltuntergang?

Waren da einige der Maispflanzen gebrochen und flogen ihre Kolben Richtung Hill Valley? Der Schlag, der Allan durchfuhr, als sein Traktor ein immer tiefer werdendes Schlagloch mit den Vorderreifen passierte, ließ seine Gedanken wieder in die Realität zurückkehrten. Gedanken, die sich noch immer an den sich vergrößernden Schatten klammerten und ihn verzweifelt hoffen ließen, es nur mit einem Wetterphänomen zu tun zu haben.

Zum Teufel damit!, dachte er, als er von der Wucht des sich plötzlich zur Seite verlagernden Traktors nach vorne geschleudert wurde. Dann kam der zweite Ruck, als die Hinterräder durch das Loch fuhren. Allan keuchte. Er klammerte sich an das Lenkrad. Dann hatte er die oberste Spitze des Cardiff Hills erreicht, und der Schatten, den er eben noch in den Wolken gesehen hatte, war plötzlich so präsent, dass Allan ihn nicht mehr ignorieren konnte.