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Der Lange Krieg: Schlacht von Marathon E-Book

Christian Cameron

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Beschreibung

Eine Schlacht vor zweieinhalbtausend Jahren. Entscheidend für die Zukunft der Zivilisation. Arimnestos von Platäa kämpft um Freiheit oder Tod ... Einst erkämpfte Arimnestos von Platäa sich als Sklave seine Freiheit mit viel Blut. Nun lebt er in Frieden als Schmied auf dem väterlichen Hof, gewillt, dem Menschenschlächter in sich abzuschwören. Doch die Perser rücken heran, um Griechenland endlich zu bezwingen. Erneut greift Arimnestos für seine Heimat zur Waffe. Die Bedrohung spitzt sich zu. Die Seeschlacht von Lade ist geschlagen. Die letzte griechische Bastion Milet fällt. Die Perser stehen bei Marathon vor den Toren Athens, um die Stadt und alles, wofür Griechenland steht, niederzubrennen. Jetzt bleibt nur noch eins: sich in einer einheitlichen Phalanx gegen die Angreifer aufzubäumen. Im Staub und in der Hitze der Schlacht von Marathon müssen Arimnestos und seine Kampfgefährten erkennen, wie hoch der Preis der Freiheit ist …

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Seitenzahl: 942

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Ähnliche


Christian Cameron

Der Lange Krieg: Schlacht von Marathon

Historischer Roman

 

 

Aus dem Englischen von Holger Hanowell

 

Über dieses Buch

Eine Schlacht vor zweieinhalbtausend Jahren. Entscheidend für die Zukunft der Zivilisation. Arimnestos von Platäa kämpft um Freiheit oder Tod …

 

Einst erkämpfte Arimnestos von Platäa sich als Sklave seine Freiheit mit viel Blut. Nun lebt er in Frieden als Schmied auf dem väterlichen Hof, gewillt, dem Menschenschlächter in sich abzuschwören. Doch die Perser rücken heran, um Griechenland endlich zu bezwingen.

Erneut greift Arimnestos für seine Heimat zur Waffe. Die Bedrohung spitzt sich zu. Die Seeschlacht von Lade ist geschlagen. Die letzte griechische Bastion Milet fällt. Die Perser stehen bei Marathon vor den Toren Athens, um die Stadt und alles, wofür Griechenland steht, niederzubrennen. Jetzt bleibt nur noch eins: sich in einer einheitlichen Phalanx gegen die Angreifer aufzubäumen. Im Staub und der Hitze der Schlacht von Marathon müssen Arimnestos und seine Kampfgefährten erkennen, wie hoch der Preis der Freiheit ist …

 

«Hochexplosive altgriechische Action mit Schlachten zu Land wie zur See – und ein atemberaubender Plot von Anfang bis Ende.» Falcata Times

Vita

Christian Cameron wurde 1962 in Pittsburgh, Pennsylvania, geboren. Nach dem Geschichtsstudium an der Universität von Rochester trat er in die Navy ein, wo er lange Zeit im Bereich der Aufklärung arbeitete. Seit 20 Jahren ist Christian Cameron Vollzeit-Autor und schreibt erfolgreich historische Abenteuerserien, die weltweit erscheinen. In seiner Freizeit besucht er am liebsten geschichtsträchtige Orte oder unterrichtet historischen Schwertkampf. Der Autor lebt mit seiner Familie in Toronto.

 

Mehr über den Autor und seine Bücher: https://christiancameronauthor.com

 

Dr. Holger Hanowell, geb. 1969 in Münster, ist freier Übersetzer. Er studierte Geschichte und Anglistik in Münster sowie an der University of Sheffield, promovierte später in englischer Philologie und Buchwissenschaft. Zu Forschungszwecken lebte er in London, Oxford und Cambridge. In der Belletristik übersetzte Holger Hanowell zahlreiche Werke von Klassikern über Thriller und Fantasy bis zu Historischen Abenteuerromanen und machte so u. a. die Bücher von Ben Kane für deutschsprachige Leser zugänglich.

Impressum

Die Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel «Marathon» bei Orion Books Ltd., London.

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Februar 2020

Copyright © 2020 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

«Marathon» Copyright © 2011 by Christian Cameron

Redaktion Rainer Delfs

Karte Copyright © Peter Palm, Berlin

Covergestaltung Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Coverabbildung CollaborationJS/Trevillion Images; Stephen Mulcahey/arcangel

ISBN 978-3-644-40642-1

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

 

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Hinweise des Verlags

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Dieses eBook entspricht nicht vollständig den Vorgaben des W3C-Standards EPUB Accessibilitiy 1.1 und den darin enthaltenen Regeln des WCAG, Level AA. Die Publikation ist durch Features wie Table of Contents, Landmarks [Navigationspunkte] und semantische Content-Struktur zugänglich aufgebaut. Es sind Abbildungen enthalten, die nicht mit Alternativtext versehen sind.

 

 

www.rowohlt.de

Für die Handwerker, die Geschichte lebendig werden lassen – ob Vase oder Schwert, Trinkhorn oder Rüstung, einfaches Küchenmesser oder teures Geschmeide.

Dramatis Personae

Die Serie «Der Lange Krieg» spielt historisch gesehen zu Beginn der sogenannten Klassischen Ära, die in den Geschichtsbüchern oft mit der Schlacht von Marathon (490 v. Chr.) einsetzt. Einige, wenn nicht gar die meisten der berühmten Helden jener Epoche tauchen als Figuren in der Serie «Der Lange Krieg» auf – und das ist kein Zufall. Athen zur Zeit der Perserkriege ist in vielerlei Hinsicht genauso mystisch wie Tolkiens Gondor, und allein eine vorläufige Auflistung der Künstler, Dichter und Krieger dieser Epoche liest sich wie ein Who’s Who der westlichen Zivilisation. Der Autor führt die Figuren in den Romanen auch nicht zufällig zusammen – waren doch jene Leute fast ausnahmslos Aristokraten, Männer (und Frauen), die einander sehr wohl kannten und die sowohl Gegner als auch Freunde in der Not gewesen sein könnten. Bei den mit einem * gekennzeichneten Namen handelt es sich um historische Personen – auch der Held Arimnestos ist belegt –, und für den Leser oder Geschichtsinteressierten bieten die Einträge bei Wikipedia oder bei der Web-Edition der Encyclopædia Britannica einen Überblick über ihr Leben und Wirken. Wer es als Leser genauer wissen möchte, dem empfehle ich die Lektüre von Plutarch und Herodot – beiden antiken Autoren verdanke ich viel.

Womöglich war es sogar Arimnestos von Platäa, der Herodot von den Ereignissen der Perserkriege berichtete. Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgehen, dass Herodot – ein Schreiber aus Halikarnassos – mehrmals in Erscheinung tritt …

Agios – Krieger und Steuermann des Miltiades.

Aischylos – 525 bis 456 v. Chr.; Dichter der griechischen Tragödie; stammt aus einem Adelsgeschlecht; nahm an der Schlacht von Marathon teil.

Ajax – ein Krieger, der erst spät zu den Griechen stößt.

Aleitos – ein angesehener Mann aus Attika; Vater der Euphoria.

Alkaios von Milet – Sprecher der neuen Siedler in Böotien.

Alkaios von Lesbos – ca. 630 bis ca. 580 v. Chr.; griechischer Lyriker, gehörte neben Sappho zu den wichtigsten Vertretern der äolisch-lyrischen Dichtkunst.

Antigonos – Aristokrat; späterer Ehemann der Penelope.

Apollonasia – ein Sklavenmädchen; Gefährtin des Arimnestos.

Archilogos – ein Epheser, Sohn des Dichters Hipponax; ein typischer ionischer Aristokrat, der die persische Kultur ebenso wie die griechische Kultur liebte. Er dient seiner Stadt und legt sich nicht fest, wenn es um die Sache «Griechenlands» geht; darüber hinaus findet er die Herrschaft des Großkönigs gerechter und «demokratischer» als die Herrschaft eines griechischen Tyrannen.

*Arimnestos – Sohn des Chalkeotechnes und der Euthalia.

*Aristagoras – Sohn des Molpagoras, Schwiegersohn und Vetter des Histiaios. Aristagoras führte Milet, während Histiaios Gefangener des Großkönigs Dareios I. in Susa war. Offenbar hat Aristagoras den Ionischen Aufstand geplant – und scheint dies später bereut zu haben.

*Aristeides von Athen – Sohn des Lysimachos, lebte ca. 550 bis 467 v. Chr.; einflussreicher athenischer Staatsmann, erhielt später den Beinamen «der Gerechte». Vielleicht am bekanntesten als militärischer Strategos (vgl. unten) in der Schlacht von Marathon. Stand für gewöhnlich aufseiten der aristokratischen Partei.

*Artaphernes – Bruder des Großkönigs Dareios I. von Persien und Satrap von Sardis. Ein persischer Statthalter des Achämenidenreichs (persischen Großreichs) mit weitreichenden Verbindungen.

Bion – Name eines Sklaven, mit der Bedeutung «Leben». Der treueste Gefolgsmann der Korvax-Familie.

Briseis – Tochter des Hipponax, Schwester des Archilogos.

Datis – Feldherr der Perser; Neffe des Großkönigs Dareios.

*Dareios I. – lat. Darius (549 bis 486 v. Chr.; oft Dareios der Große), Großkönig des persischen Achämenidenreichs; Bruder des Artaphernes.

Draco – Stellmacher und Wagenbauer aus Platäa.

*Dionysios von Phokaia – Pirat; Befehlshaber der Flotte während des Ionischen Aufstands vor Lade.

Empedokles – Priester des Hephaistos aus Theben; weiht die Essen im Namen des Gottes des Feuers und der Schmieden.

Epaphroditos – Krieger, Aristokrat von Lesbos.

Epiktetos – der Ältere und der Jüngere; Nachbarn von Arimnestos.

*Eualkidas – ein Held. Eualkidas steht stellvertretend für die Aristokraten jener Epoche – für jene professionellen Krieger, Abenteurer oder je nach Gelegenheit auch Piraten oder Kaufleute. Stammt aus Euböa.

Euphoria – spätere Frau von Arimnestos.

Euthalia – Mater; Arimnestos’ Mutter.

Galas – ein Steuermann unter Arimnestos.

Harpagos – Vetter des Stephanos von Chios; Steuermann.

*Heraklit (Herakleitos) von Ephesos – ca. 520 bis 460 v. Chr. (bzw. ca. 535 bis 475 v. Chr.); einer der bedeutendsten vorsokratischen Philosophen aus dem ionischen Ephesos. Heraklit stammt aus vornehmer, aristokratischer Familie; er zog die Philosophie der politischen Macht vor; bekannt für seine Aussagen über die Zeit, vgl. die sog. «Flussfragmente», etwa: «Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen» (zusammengestellt u.a. in Die Fragmente der Vorsokratiker). Seine Auffassung, der Streit/Krieg sei das Urprinzip bzw. der «Vater aller Dinge», sowie andere Sentenzen, die im Verlauf der Romane erwähnt werden, fanden großen Anklang bei Nietzsche. Sein Werk, heute fast vollständig verloren, wird erschlossen aus der fragmentarischen Überlieferung antiker (z.B. byzantinischer) Autoren; Heraklits Philosophie hatte großen Einfluss auf die späteren Stoiker.

Herakleides – ein Äoler, ein Grieche aus Kleinasien (Asia Minor); zusammen mit seinen Brüdern Nestor und Orestes wird Herakleides Gefolgsmann – also Krieger – in Diensten des Arimnestos. Schaut man auf die Anfänge der griechischen Demokratie, erkennt man die Parallelen zu den modernen Regierungsformen – aber zu der Zeit, mit der sich dieser Roman beschäftigt, war die Demokratie unserer heutigen Auffassung längst noch nicht etabliert. Die meisten Armeen bestanden aus quasi feudalen Kriegerscharen, die einem Aristokraten gehorchten.

Heraklides – Aristeides’ Steuermann, ein Athener aus einer der unteren Schichten, der sich im Krieg einen Namen gemacht hat.

Hermogenes – Sohn des Bion, Arimnestos’ Sklave, später sein Gefährte.

*Hesiod – geb. vor 700 v. Chr.; griechischer Dichter aus Böotien. Hesiods Lehrgedichte Werke und Tage und Theogonie fanden Verbreitung im 6. Jahrhundert und sind bis in die Gegenwart lebendig geblieben. Hesiods Lehrgedichte vermitteln seine umfassende Kenntnis bäuerlichen Lebens und bäuerlicher Tätigkeiten.

*Hippias – letzter Tyrann Athens (vgl. Peisistratiden-Tyrannis); gestürzt um 510 v. Chr.; Hippias floh ins Exil und regierte später unter persischer Herrschaft (Dareios I.).

*Hipponax – ca. 540 bis 498 v. Chr.; griechischer Dichter und Satiriker aus Ephesos; Hipponax gilt als Wegbereiter der epischen Parodie. Auf ihn geht vermutlich die Sentenz zurück: «Es gibt nur zwei Tage, an denen du Freude an deiner Frau hast, am Hochzeitstag und an ihrem Begräbnis.»

*Histiaios – Tyrann von Milet und zunächst Verbündeter des Großkönigs Dareios I.; vermutlich Initiator des Ionischen Aufstands. Bruder des Helden Istes.

*Homer – berühmter Dichter, Lebensdaten vermutlich zweite Hälfte 8. Jahrhundert und/oder erste Hälfte 7. Jahrhundert v. Chr. (somit Zeitgenosse Hesiods), es ist ungewiss, ob es Homer überhaupt gab (vgl. Homerische Frage; womöglich schrieben mehrere Dichter unter dem Namen «Homer»); Homers Name wird mit den klassischen Epen Ilias und Odyssee in einem Atemzug genannt: Beide Epen bilden die Grundlagen der Vorstellung von Heldentum und aristokratischem Kodex innerhalb der griechischen Gesellschaft – und das gilt, so könnte man sagen, bis auf den heutigen Tag.

Idomeneus – ein Gefährte von Arimnestos, Priester und Hüter des Schreins.

Istes – Krieger und Held aus Milet; Bruder des Histiaios.

Kalchas – ein ehemaliger Krieger; früher Aufseher und Priester am Grabmal des Leitos, eines böotischen Anführers des griechischen Heeres vor Troja.

*Kallimachos von Aphidnai – Polemarch von Athen, nahm an der Schlacht von Marathon teil.

Kleitos – einflussreicher Athener; Mitglied der Alkmaioniden.

Kleon – Gefährte von Arimnestos.

Kylix – ein Junge, Sklave des Hipponax.

Kyros – ein persischer Krieger.

Leontus – einer der Strategoi aus Athen.

Lykon – ein junger Mann aus Attika; Freund des Antigonos.

Melaina – junge Frau von Chios; Schwester des Stephanos.

*Miltiades – der Jüngere (ca. 550 bis 489 v. Chr.); Feldherr und Politiker, Tyrann der sog. thrakischen Chersones; Miltiades nahm 514/513 v. Chr. am Feldzug des persischen Großkönigs Dareios I. gegen die Skythen Teil; sein Sohn Kimon stieg in der athenischen Politik zu einem führenden Politiker auf. Miltiades kehrte nach dem Ionischen Aufstand zurück nach Athen; hatte großen Anteil beim Sieg über die Perser in der Schlacht von Marathon (er war laut Herodot «Strategos»); Miltiades scheint eine schillernde Persönlichkeit gewesen zu sein, so war er u.a. Pirat und Kriegsherr, gilt darüber hinaus aber auch als Unterstützer der athenischen Demokratie.

Myron – Archon von Platäa.

Nearchos – Schützling des Arimnestos auf Kreta.

Paramanos – ein Nubier; Steuermann an Bord von Arimnestos’ Trireme.

Penelope – oder Pen; Schwester des Arimnestos.

*Pheidippides – ein athenischer Bote (wie ihn Herodot erwähnt); er soll vor der Schlacht von Marathon in Sparta um Hilfe gebeten haben. Später wurde überliefert (bei Plutarch u.a.), dieser Bote sei nach der Schlacht bis nach Athen gelaufen und habe sterbend auf der Agora den Sieg übermittelt (Vorbild für den Marathonlauf).

Philokrates – der «Gotteslästerer»; später Gefährte des Arimnestos.

*Phrynichos – griechischer Tragiker aus Athen (gest. um 470 v. Chr.), gilt als Vorläufer des Aischylos; schrieb u.a. die Tragödie «Die Einnahme von Milet», die Gegenstand dieses Romans ist.

*Sappho – griechische Dichterin von der Insel Lesbos, geboren um 630 v. Chr.; Sappho starb um 570 v. Chr.; entstammte einem mytilenischen Adelsgeschlecht; ihr Vater war vermutlich Herr von Eresos. Sie gilt gemeinhin als berühmteste Dichterin des antiken Griechenlands.

Simon – Vetter des Arimnestos, Sohn des Simonalkes, des Oberhaupts eines Zweiges der platäischen Korvax-Sippe.

*Simonides von Keos – ca. 557/56 bis 468/67 v. Chr.; ein weiterer berühmter griechischer Dichter; entstammte einer aristokratischen Familie; Onkel des Chorlyrikers Bakchylides, der nicht weniger berühmt war; Simonides erlangte vermutlich seiner Epigramme wegen früh Berühmtheit. Eines davon, das sogenannte Thermopylen-Epigramm, lautet:

 

Ὦ ξεῖν᾿, ἀγγέλλειν Λακεδαιμονίοις ὅτι τῇδε

κείμεθα τοῖς κείνων ῥήμασι πειθόμενοι

 

«Fremder, melde den Lakedämoniern, dass wir hier liegen, den Worten jener gehorchend.»

Bekannter ist Schillers Übertragung: «Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl.»

Sophanes – junger Mann aus Athen.

Stephanos – Arimnestos’ Freund von Chios.

Styges – Schützling des Idomeneus; später Lehrling in der Schmiede.

Teukros – Bogenschütze aus Milet; Gefährte von Arimnestos.

*Thales von Milet – ca. 624/23 bis ca. 548/44 v. Chr.; vorsokratischer Naturphilosoph, Geometer und Astronom, dessen Schriften noch in Arimnestos’ Zeit zugänglich waren. Thales bediente sich der Geometrie, um Probleme zu lösen, so z.B. die Frage nach der Höhenberechnung der Pyramiden in Ägypten oder die Frage, wie weit ein Schiff von der Küste entfernt ist. Thales unternahm wenigstens eine Reise nach Ägypten. Er gilt heute als der Begründer der westlichen Mathematik (vgl. «Satz des Thales»).

*Themistokles – (524 bis 459 v. Chr.); Staatsmann und Feldherr. Wegbereiter der attischen Demokratie.

*Theognis von Megara – unter diesem Namen ist eine Sammlung von Gedichten im elegischen Versmaß überliefert; in der Forschung geht man inzwischen davon aus, dass das «Corpus Theognideum» Werke unterschiedlicher Dichter in der Tradition der aristokratischen Dichtung enthält. Darunter fallen Spruchdichtungen für Symposien (Trinkgelage), Lebensregeln für junge Adlige, Klagen über soziale Veränderungen, über den Verfall des Menschen und das Alter sowie allgemeine Betrachtungen zu Freundschaft, Glück und Armut etc. Weitere Abschnitte behandeln Themen wie homoerotische Liebe und Klagen über gescheiterte Romanzen. Es hat offenbar tatsächlich einen Theognis gegeben, der womöglich Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. lebte, somit vor den Ereignissen, die in dieser Reihe beschrieben werden. Die Dichtung dieses Mannes dürfte von großer Bedeutung für das Weltverständnis von Arimnestos’ Mutter gewesen sein.

Tiraios – Lehrling von Arimnestos, später Meisterschmied.

Ich bin nicht jünger geworden, so viel steht fest. Aber ich vermute, dass meine Geschichte so schlecht nicht sein kann. Denn sonst würdet ihr jungen Leute euch nicht um mich scharen, begierig darauf, dem Fortgang meiner Erzählung zu lauschen.

Meine Liebe, wie ich sehe, hast du wieder deinen Schreiberling mitgebracht. Er hat gelobt, alles auf die neue Weise festzuhalten, aber wenn man mich gefragt hätte, ich hätte lieber einen Rhapsoden gehabt, der nach alter Weise von all den Taten und Ereignissen kündet. Aber die alte Weise starb wohl mit den Medern, wie? Heute ist alles anders. Die Welt, von der ich euch erzählen möchte, ist schon so lange tot wie die trojanischen Helden des alten Homer. Selbst meine Thygater hier glaubt, ich sei ein Relikt einer Zeit, als die Götter noch auf Erden wandelten, ist es nicht so?

Wenn ich euch jungen Leute sehe, muss ich lachen. Ihr seid verweichlicht. Aber das seid ihr nur, weil wir alle Ungeheuer erschlagen haben. Und wessen Fehler ist das?

Ah, da kommt ja auch das Mädchen zurück, das immer so schnell errötet – ich fühle mich gleich viel jünger, wenn ich dich sehe, mein Kind. Ich würde mich ja gern für dich entscheiden, aber dann würden meine anderen Frauen protestieren. Ha! Seht euch an, wie ihr die Farbe ins Gesicht steigt, meine Freunde. Ja, da lodert Feuer unter dieser Haut. Verheiratet sie besser rasch, ehe dieses Feuer dorthin gelangt, wo es nicht sein sollte.

Mir scheint, meine Tochter hat jedes junge Gesicht aus der Stadt mitgebracht, auch einige Fremde von der Küste, wie ich sehe. Und ihr alle wollt hören, was ein alter Mann wie ich von seinem Schicksal zu berichten weiß? Ich fühle mich geschmeichelt, aber ihr wisst ja schon, dass ich von Marathon erzählen werde. Und ihr wisst auch, dass es in der Geschichte der Menschheit wohl keinen edleren Moment gibt – jedenfalls für alle griechischen Menschen. Wir stellten uns ihnen entgegen, Mann gegen Mann, und wir waren die Besseren.

Aber so fing es nicht an.

Für diejenigen von euch, die die ersten Nächte meiner weitschweifigen Erzählung verpasst haben, ich bin Arimnestos von Platäa. Ich habe von meinem Vater erzählt, der Bronzeschmied in unserer Stadt war, aber ihr habt auch gehört, wie wir losmarschierten und bei Oinoe gegen die Spartiaten kämpften. Es kam zu drei Schlachten in nur einer Woche. So wisst ihr auch, dass Pater von seinem Vetter Simonalkes ermordet wurde und ebenjener Simon mich in die Sklaverei verkaufte, und zwar in den Osten, in die Welt der ionischen Griechen. Ich wuchs zu einem Mann heran und diente in Ephesos als Sklave im Hause eines gefeierten Dichters. Schon damals gehörte Ephesos zu den größten Städten des Erdkreises, im Schatten des Tempels der Artemis. Ich war Sklave des Dichters Hipponax und seines Sohns Archilogos. Beizeiten ließen sie mich frei. Ich wurde ein Krieger, ein großer Krieger, um genau zu sein, aber als der Lange Krieg begann – der Krieg zwischen den Medern und den Griechen –, kämpfte ich bei Sardis aufseiten der Athener.

Ihr fragt euch vielleicht, warum. Meine Thygater seufzt bestimmt innerlich, wenn ich wieder davon anfange, aber ich liebte nun einmal Briseis. Aber wenn ich sage, dass ich sie liebte, bringe ich nicht annähernd zum Ausdruck, wie es um mich und mein Herz bestellt war. Ja, Briseis, Hipponax’ dunkelhaarige Tochter: Abbild nicht nur der Artemis, sondern auch der Aphrodite! Was sage ich? Sie war schön wie Helena! Aber davon werdet ihr mehr erfahren, sofern ihr lange genug bleibt und gut zuhört.

Briseis war allerdings nicht der einzige Mensch in Ephesos, dem ich von Herzen zugetan war. Ich liebte Archilogos, den wahren Freund meiner Jugendjahre. Er war mir in so vielen Dingen ebenbürtig. Ich war sein Gefährte, zunächst als Sklave, dann als freier Mann – und ständig lagen wir im Wettstreit miteinander. In allen Belangen. Ich liebte auch Heraklit, den größten Philosophen jener Tage. Für mich wird er stets der Größte sein, denn er ist gottgleich in seiner Weisheit. Ihm allein habe ich es zu verdanken, dass ich nicht nur zu einem Menschenschlächter heranwuchs. Er gab mir Ratschläge, die ich ignorierte – doch sie blieben in meinem Kopf. Bis heute, um genau zu sein. Er lehrte mich, dass der Fluss unseres Lebens immerzu weiterströmt und nicht aufgehalten werden kann. Später wurde mir bewusst, dass er versucht hat, mich von Briseis fernzuhalten.

Als Hipponax, ihr Vater, uns erwischte, erfuhr meine Jugend ein jähes Ende. Ich musste das ehrwürdige Haus verlassen, und deshalb kämpfte ich später aufseiten der Athener bei Sardis und nicht etwa in der Phalanx der Männer aus Ephesos. Leider konnte ich dann Hipponax nicht beistehen, als die Meder ihm die tödliche Wunde beibrachten.

Ich fand ihn auf dem Schlachtfeld, aber da er unsägliche Schmerzen litt und in einem fort schrie, schickte ich ihn auf seine letzte Reise, weil ich ihn liebte. Auch wenn ich einst nur sein Sklave war. Ich erlöste ihn von seinen Qualen, aber aus Liebe. Sein Sohn jedoch, Archilogos, sah das ganz anders. Und so kam es, dass wir zu Todfeinden wurden.

Die darauffolgenden Jahre des Ionischen Aufstands – also die ersten Jahre des Langen Krieges – verbrachte ich damit, mir mit jedem Schwertstreich den Ruhm eines großen Kämpfers zu erwerben. Eigentlich müsste ich mich schämen, wenn ich das sage – aber warum? Als ich bei Sardis kämpfte, war ich ein Mann, dem die anderen Kämpfer in der Phalanx trauen konnten. Aber als ich später auf meinem eigenen Schiff in der großen Seeschlacht vor Zypern gegen die Perser kämpfte, war ich ein Krieger, den andere im Sturm aus Bronze fürchteten.

In der Seeschlacht trugen die Griechen den Sieg davon, an Land waren sie indes ihren Feinden unterlegen. Der Aufstand in Zypern fand ein jähes Ende. Das hätte den Aufständischen eigentlich das Genick brechen müssen, aber es kam anders. Wir zogen uns nach Chios und Lesbos zurück, wo ich mich Miltiades von Athen anschloss – einem berühmten Adligen und gefürchteten Piraten. Wir fanden neue Verbündete, und so verlagerte sich das Kampfgeschehen auf die Chersones-Halbinsel, das Kernland des Trojanischen Krieges. Wir kämpften gegen die Meder auf See und an Land. Manchmal waren wir ihnen überlegen. Miltiades kam zu Reichtum, auch ich strich Prisen ein. Ich befehligte mein eigenes Schiff und wurde reich.

Ich tötete viele Männer.

Dann nahmen wir es in Thrakien mit den Medern auf – mit nur wenigen Schiffen. Unterdessen hatte Briseis den mächtigsten Mann des Ionischen Aufstands geheiratet – und bald festgestellt, dass er ein brüchiges Schilfrohr war. Wir besiegten die Perser und deren thrakische Verbündete, ehe ich Briseis’ Gemahl tötete, obwohl er eigentlich auf unserer Seite stand. Ich muss selbst jetzt noch lachen – ich enthauptete Aristagoras mit einem Streich und spie auf seinen Schatten.

Aber Briseis wollte mich nicht heiraten, auch wenn ich in ihren Gedanken war und ab und zu die Freuden der Liebe in ihrem Bett auskosten durfte. Ja, Briseis liebte mich, wie ich sie liebte – aber sie wollte immer die Königin der Ionier werden, nicht das Weib eines Piraten. Und in all den Jahren damals war ich nichts anderes als ein Pirat, an dessen Händen Blut klebte.

Wie dem auch sei, die Erkenntnis, dass sie mich nicht wollte, erschütterte mich eine Weile.

Ich verließ Thrakien und Miltiades und kehrte in meine Heimat Platäa zurück. Dort hatte der Mann, der meinen Vater auf dem Gewissen hatte, meine Mutter geheiratet und Haus und Hof in Besitz genommen.

Simonalkes, der Verräter, und dessen vier Söhne. Meine Vettern.

Ja, es sind auch deine Verwandten, Thygater. Simon war ein gebrochener Mann und ein Feigling, aber das kann ich von seinen Söhnen nicht sagen. Sie waren zähe Bastarde. Ich erschlug Simon nicht. Stattdessen brachte ich den Fall vor die Versammlung, denn so hätte es Heraklit mir geraten.

Es war das Gesetz, das den alten Simon letzten Endes tötete. Seine Söhne aber sannen auf Rache.

Derweil waren die Perser fest entschlossen, die aufsässigen Ionier zu erledigen und die Griechen wieder unter ihre Herrschaft zu bringen.

Briseis heiratete weiterhin einflussreiche Männer und befand sie für zu schwächlich.

Der Erdkreis ist wie die Ausbuchtung eines Aspis geformt. Außen am Rand fließt die See, die alles umgibt, und weiter oben, wo man den Arm durch den Porpax schiebt, sind Sonne und Mond. Alles, was dazwischenliegt, füllt der Erdkreis aus. Viele Völker tummeln sich auf dem Rund des Aspis, von einem Rand zum anderen: Meder und Perser, Skythen und Griechen, Ionier und Äolier, Ägypter und Lyder, Phrygier und Karier, Kelten und Phönizier, Menschen aus Äthiopien und anderen afrikanischen Gefilden, Menschen aus Italia – die Götter allein wissen, wie viele es sind.

In jener Zeit, als der Lange Krieg aufloderte wie neu entfachtes Feuer auf trockenen Zweigen, sprachen die Leute nur noch vom Krieg. Sie führten Kriege, töteten, stellten Waffen her und übten damit – auf dem ganzen Rund des Aspis, von einem Rand zum anderen, bis der Erdkreis widerhallte von den Lobgesängen auf Ares, den bronzebewehrten Kriegsgott.

Es war im sechsten Jahr des Langen Krieges, und inzwischen war Hipparchus Archon in Athen. Myron trat seine zweite Amtszeit als Archon in Platäa an. Tisikrites von Croton gewann den Lauf über ein Stadion bei Olympia. Das Wetter war gut, die Feldfrüchte wurden eingefahren.

Damals glaubte ich, dass ich sesshaft würde, dass ich das Leben eines Bronzeschmieds und Bauern auf dem Hof meines Vaters führen könnte – wie einst Pater.

Ares wird gelacht haben!

Teil 1Lade

Und dann sollst du, Milet, du Quell verderblicher Taten, / Vielen dienen zum Mahl und vielen zu herrlichen Gaben. / Deine Frauen waschen die Füße lockigen Männern. / Unseren Tempel werden in Didyme andre besorgen.

Herodot, Sechstes Buch, 19

1. Kapitel

Schild hoch.

Verdeckter Schlag auf Kopfhöhe.

Drehung – den Speer abfangen mit dem Rand des Schilds, Drehung auf den Fußballen und auf den Gegner einstechen.

Er fängt meinen Speer mit seinem Schildrand ab und grinst. Ich erahne das aufblitzende Grinsen unter dem T-Stück am Nasenschirm seines korinthischen Helms. Dann wippt der Busch aus Rosshaar vor und zurück, als er den Kopf dreht – und zum Hintermann schaut.

Ich mache einen Überhandschlag, schlage fest zu.

Er fängt meinen Schlag ab, dreht sich auf den Fußballen und weicht zurück, mit dem Schild zu mir.

Sein unmittelbarer Nebenmann zwängt sich an ihm vorbei und treibt mich mit einem schweren Hieb einen Schritt zurück.

Die begleitenden Klänge werden lauter. Die Töne der Flöten werden schriller, die Wirbel der Trommeln zum Rhythmus marschierender Sohlen schwellen an.

Ich weiche rasch seitwärts aus, der Rand meines Schilds blitzt auf, als führte er ein Eigenleben. Mein dunkler Speer ist wie eine eisenbewehrte Zunge des Todes in meiner rechten Hand, und ich bin eins mit den Männern rechts und links von mir, auch mit den Kämpfern hinter mir. Ich bin nicht Arimnestos, der Menschenschlächter. Ich bin nur ein Platäer, und gemeinsam stehen wir unseren Mann.

«Platäer!», brülle ich.

Ich setze den rechten Fuß vor. Jeder in der vordersten Linie tut es mir gleich. Die Flöten ertönen, und alle Männer ducken sich, schreien und drängen vorwärts. Aus dreihundert Kehlen schallt es: «Die Raben des Apollon!» Das Gebrüll lässt die Mauern erzittern und hallt vom Tempel der Hera wider.

Die Musik verstummt. Nach einer Pause brechen die Versammelten – alle freien Männer und Frauen, Sklaven und Freigelassenen – in Beifallsstürme aus.

Ich schwitze wie ein Tier unter der Rüstung.

Hermogenes – mein Gegner – umarmt mich. «Das war …», setzt er an, führt den Satz indes nicht zu Ende.

Man kann nicht in Worte fassen, wie gut die Darbietung war. Wir haben den Pyrrhiche getanzt, den Kriegstanz, mit dreihundert ausgewählten Männern aus Platäa. Und ich bin mir sicher, dass Ares uns zugeschaut hat.

Ältere Männer – der Archon und einige Gesetzesausleger – umschließen meine Hände mit ihren. Die Leute klopfen mir auf den Rücken, so oft, dass ich schon befürchte, dass sich die Riemen an meinem Schuppenpanzer lösen.

Gut, dass du wieder da bist, höre ich von allen.

Ich bin glücklich.

 

Kling-kling. Kling-kling.

Das Fest zu Ehren des Ares lag einen Tag zurück. Ich war wieder bei der Arbeit – beim Flachstanzen. Flachstanzen bedeutet, dass man das fertige Werk leicht mit einem Hammer bearbeitet und kleinere Unebenheiten glättet – tap-tap, tap-tap. Die Köpfe der Hämmer müssen poliert sein, der Amboss muss sauber und eben sein. Man braucht auch Nietköpfe mit glatter Oberfläche, und jeder noch so kleine Schlag muss sitzen, kraftvoll und gezielt. Darin war ich aber nie besonders gut.

Ich erinnere mich deshalb so gut an jenen Tag, da ich mir einen neuen Helm schmiedete und während der Arbeit an Miltiades dachte. Sämtliche Auftragsarbeiten waren erledigt, der Winter kam, und es gab keinen Grund, nicht ein wenig mit meinen Werkzeugen zu hantieren. Die Scheunen waren gefüllt, meine Leute hatten genug zu essen, und ich hatte einen Beutel Silbermünzen unter den Dielen meiner Werkstatt versteckt. Daher brauchte ich mich nicht an Miltiades zu wenden, wenn ich Geld benötigte. Ich hatte nämlich beschlossen, nicht mehr zu ihm zurückzukehren.

Miltiades von Athen – der Tyrann der Chersones – hatte einst Schmiedearbeiten bei meinem Vater in Auftrag gegeben. Er war Paters Kunde gewesen, später mein Schutzherr. Ich hatte für ihn gekämpft und getötet, aber schließlich hatte ich ihn verlassen, als das Töten zur Gewohnheit wurde, die ich ablegen musste. Ein anderer Grund war, dass Briseis mich nicht heiraten wollte. Ha! Einer von beiden wird der wahre Grund für meine Entscheidung gewesen sein.

Aber das mächtige Athen – das Bollwerk der Griechen gegen den Ansturm der Perser – war tief gespalten. Zu jener Zeit war Miltiades kein gefeierter Held. Für die meisten Athener war er ein Narr und ein Tyrann, der den Zorn des Großkönigs von Persien auf das Land der Griechen gelenkt hatte. Über die Berge kamen Gerüchte aus Attika und Athen, man habe Miltiades zum Atimos erklärt, um ihm seine Bürgerrechte abzusprechen – ja, man ging so weit, ihn zu verstoßen. Mitunter wurde gemunkelt, man wolle ihn ermorden lassen. Es hieß, die Fraktion der Tyrannenmörder – also die Angehörigen der Alkmaioniden – sei im Aufwind.

Nebenbei sollte ich kurz erklären, dass es nicht richtig und geradezu lächerlich ist, die Angehörigen der Alkmaioniden als Tyrannenmörder zu bezeichnen. Da sieht man wieder einmal, wie leicht die Sterblichen sich durch gute Redner beeinflussen und an der Nase herumführen lassen. Die Alkmaioniden gehörten zu den wohlhabendsten Familien in Attika, und einer ihren Angehörigen ermordete einen Sohn des Peisistratos in Athen. Das geschah während einer privaten Auseinandersetzung, aber bis heute nennen wir den über dem Kopf ausgeführten Schwertstreich den «Harmodios-Schlag». Und die meisten Leute glauben, dass es sich bei dem Toten um den Tyrannen von Athen handelte.

Es gab aber einen ganz einfachen Grund, warum die Alkmaioniden die Peisistratiden aus dem Weg räumen wollten: Sie wollten schlichtweg die Herrschaft über die Polis an sich reißen und fortan über Athen gebieten. Alle großen Familien Athens waren in Zwistigkeiten und Ränke verstrickt. Nach außen prahlten sie mit ihrer Demokratie, in erster Linie ging es ihnen aber um Macht.

In der Frühphase des Langen Krieges stieß es mir bitter auf, feststellen zu müssen, dass der heldenhafte Miltiades ein Pirat und Dieb war und kein wahrer Freiheitskämpfer. Zugegeben, er war so tapfer wie Achill und so gerissen wie Odysseus, aber unter dem aristokratischen Benehmen lauerte ein Mann, der selbst einen Bettler für ein paar Oboloi umgebracht hätte, wenn es seiner Sache dienlich gewesen wäre. Nach einer Weile hasste ich ihn, da er nicht den Mann verkörperte, der er in meinen Augen hätte sein sollen. Aber auf der anderen Seite war er besser und aufrechter als alle Angehörigen der Peisistratiden und Alkmaioniden zusammen. Wenn er etwas anstrebte, dann griff er auch danach.

Wie dem auch sei, es war Spätsommer, und die Gerüchte, bei unserem Verbündeten Athen seien offene Streitigkeiten ausgebrochen, beunruhigten sogar das verschlafene Platäa. Wie heißt es so schön? Zieht Athen sich eine Erkältung zu, muss Platäa niesen.

An all das erinnere ich mich, weil ich an Miltiades denken musste, als ich meinen Helm bearbeitete. Ja, ich dachte oft an ihn. Denn, um bei der Wahrheit zu bleiben, ich begann mich zu langweilen.

 

Ich hatte den Helm zweimal geformt – beim ersten Mal hatte ich die Kalotte zu tief gemacht. Das sah so seltsam aus, dass ich die Bronze wieder einschmolz, etwas mehr Zinn hinzugab und auf der Schieferplatte, die bereits Pater zum Gießen benutzte, Bronze für eine neue Schale goss. Denn sobald es um Rüstungsteile ging, traute ich keiner Schmiedearbeit, die ein zweites Mal gefertigt werden musste.

Beim zweiten Mal war ich umsichtiger mit meinen Gebeten und rief Hephaistos an. Dann nahm ich mir Zeit, die Krümmung der Kalotte mit einem Stück Holzkohle auf ein Brett zu zeichnen – auch dies gehörte zur Anrufung der Gottheit. Sorgsam ließ ich die Kalotte Gestalt annehmen, für ein, zwei Stunden am Tag. Den Rest des Tages verbrachte ich damit, gemeinsam mit meinen Sklaven und den Mitgliedern meiner Oikia die Weinstöcke zu beschneiden und Oliven zu pflücken. So wuchs der Helm heran wie ein Kind im Leib der Mutter. Es war wie ein Wunder. Ich weiß noch, dass an jenem Tag Angst in mir aufkeimte – ich, der im Wald aus Speeren nichts und niemanden fürchtet, bekam es mit der Angst. Denn der Gegenstand, den ich herstellte, war von großer Schönheit und sah besser aus, als ich es meinen Händen je zugetraut hätte. Und nun hatte ich Angst, ich könnte es ruinieren.

Daher ließ ich mir Zeit beim Flachstanzen.

Kling-kling.

Kling-kling.

Bei jedem Schlag ertönte der Amboss wie die Glocke eines Tempels. Mein Lehrling, Tiraios, hielt das Stück für mich und drehte es so, wie ich es wollte. Er war älter als ich und in gewisser Hinsicht besser ausgebildet, aber er war nie lange bei ein und demselben Meister geblieben. Ehe ich ihn kennenlernte, hatte er nicht einmal die Zeichen verinnerlicht, die jeder Eingeweihte lernt, der seine Arbeit dem Gott der Schmiede widmet. Er war erst einen Monat bei mir, hatte sich aber verändert. Er passte sich an – wie geschmolzenes Metall, das in eine Gussform fließt. Er war bereit, neue Aufgaben zu übernehmen, doch er war nicht unter meiner Anleitung gewachsen. Es fühlte sich einfach seltsam an, einen älteren Mann als Lehrling zu beschäftigen – einen Mann, der in vielerlei Hinsicht der bessere Schmied war.

Er hob den Kopf ein wenig, als lausche er den Klängen.

Kling-kling.

Kling-kling.

Wie die Glocke eines Tempels rief mein Amboss laut die Gottheiten an.

Ich war in meine Arbeit vertieft – ist ein Mann ganz von einer Aufgabe vereinnahmt, senden ihm die Götter den Blick für das Wesentliche. Doch plötzlich hörte ich, was Tiraios gehört hatte. Denselben Blick für das Wesentliche hat man in der Schlacht. Wie Aristeides sich winden würde, wenn er erführe, dass ich einen Zusammenhang zwischen beidem herbeiführe.

Aber ich schweife ab. Ich hatte ein Pferd im Hof gehört.

«Nicht aufhören», sagte mein Lehrling. Daran lässt sich ganz gut ablesen, welchen Status er tatsächlich innehatte. Er gab mir Anweisungen.

Hinter mir besserte Bion, der ehemalige Sklave und Lehrling meines Vaters und inzwischen ein ausgezeichneter Kunstschmied, die Nähte an einem Topf aus. Sein Hammer ging auf den Amboss nieder – mit Schlägen, die härter waren als meine.

«Der Mann hat ganz recht», stieß Bion angestrengt hervor. «Nicht aufhören, wenn du gerade an einer Sache dran bist.»

Für Bion war das schon eine lange Rede. Aber ich war jung, und ein Pferd im Hof versprach Abenteuer. Wie ich schon sagte, die Monate der Landarbeit und in der Schmiede begannen mich zu langweilen.

Ich schöpfte gerade Wasser aus dem Eimer bei der Tür und sah, wie ein junger Mann in einem Chlamys aus edler Wolle vom Pferd stieg. Die Länge seiner Kleidung war so bemessen, dass die kraftvollen Oberschenkel und Waden gut zur Geltung kamen, wie es junge Männer üblicherweise tun.

«Ich überbringe eine Nachricht für den Herrn Arimnestos», sagte er bedeutungsschwer. Seine Enttäuschung merkte man ihm an seiner ganzen Haltung an. Offenbar hatte er mehr erwartet als die Esse einer Schmiede.

Pen – meine Schwester Penelope – kam mit ihren Frauen die Stufen der Exedra herunter, während Hermogenes, Bions Sohn und mein bester Freund, gerade die Felder verließ. Auch er hatte den Reiter bemerkt. Ich wollte Pen dem jungen Burschen überlassen. Er sah gut aus, und Pen brauchte endlich Verehrer, die ihr den Hof machten, denn sonst würde sich mein Leben recht schwierig entwickeln.

Meine Mutter blieb in den Frauengemächern und ließ sich nicht blicken – wahrscheinlich hatte sie wieder zu sehr dem Wein zugesprochen. Beim Hades, ich bin mir sicher, dass sie betrunken war. Sie war das einzige Kind des Basileus von Hispae, aus einem kleinen Ort westlich von Platäa. Einst brannte sie mit meinem Vater durch – mit einem Schmied, der gleichwohl ein bedeutender Mann war. Vermutlich hatte sie geglaubt, dass Pater eine große Zukunft beschieden war. Er wurde ja auch ein großer und bedeutender Mann, aber nicht in der Weise, wie Mutter es sich ersehnt hatte. Er wurde ein großartiger Bronzeschmied. Sie hingegen wurde zur Trinkerin.

Habe ich je gesagt, dass dies eine schöne Geschichte wird?

Aber zurück zu dem Reiter. Der gut aussehende Bursche mit seinen kraftvollen Beinen schenkte mir keinerlei Beachtung. Ich hatte mir ein Tuch aus der Werkstatt als Schurz um die Hüften geschlungen und war ansonsten nackt. Mein Leib war rußverschmiert, ich sah aus wie ein Sklave. Es hätte schon eines kundigen Auges bedurft, um zu erkennen, dass ich wie ein Athlet aussah und nicht wie ein Hufschmied. Aber diese Beobachtungsgabe kann man nicht von jungen, gut aussehenden Burschen erwarten.

«Ich bin Penelope, die Schwester des Herrn Arimnestos», sagte sie dem jungen Boten. «Mein Bruder ist beschäftigt. Würdet Ihr mir die Nachricht zukommen lassen?»

Das verwirrte den jungen Paris sichtlich. «Meine Nachricht ist für die Ohren des Herrn bestimmt.» Dann blickte er sich auf dem Hof nach einem Mann um, der seinem Stand entsprach – nach jemandem, der das Sklavengesindel und die Frauen für das dreiste Auftreten bestraft hätte.

Ich musste lachen. Sollte Pen sich ruhig mit diesem jungen Wichtigtuer abgeben und sich an seiner misslichen Lage weiden. Mein Helm wartete auf mich. Ich nahm noch eine Kelle Wasser aus dem Eimer und griff erneut zum Hammer.

Kling-kling.

Kling …

Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, dass sich ein Junge in die Werkstatt gestohlen hatte. Wie war er hier hereingekommen, beim Hades? Es war Styges, der dunkelhäutige Junge vom Grabmal des Helden Leitos. Niemand wusste genau, ob er einer der Gefangenen jener Wegelagerer gewesen war, denen wir einst oben in den Bergen das Handwerk gelegt hatten. Jedenfalls hatte er sich Idomeneus’ Gefolge angeschlossen. In der Rückschau würde ich sagen, dass er ursprünglich zu der Diebesbande gehörte. Er war stumm wie das Grab.

Oh, ich habe einiges zu erklären, wie ich sehe! Idomeneus stammte aus Kreta. Er war Krieger und Bogenschütze und einst mein Hypaspist, als wir Seite an Seite kämpften. Als ich nach meiner Rückkehr in die Heimat Haus und Hof meines Vaters in Besitz nahm und für Ordnung sorgte, ernannte sich Idomeneus eigenmächtig zum neuen Priester des Grabmals an den Hängen des Kithairon. Als Junge hatte ich einige Jahre oben bei dem Schrein verbracht, als Schüler des alten Priesters Kalchas – und seither waren das Grabmal des Helden und die Behausung dort so etwas wie mein Zuhause, mein geheiligter Ort. Idomeneus zählte zu meinen Freunden, auch wenn er in seinem Verhalten bisweilen die Grenze zum Irrsinn überschritt. Das Töten bereitete ihm Freude, darüber hinaus hatte er eine Schwäche für Prasserei und Ausschweifungen. Doch er war Mitglied meiner Oikia, meines Haushalts. Er gehörte unbestritten zu meinem Gefolge aus vertrauenswürdigen Männern und Frauen.

Styges lebte in Idomeneus’ Oikia. Er war der Liebhaber des Kreters, dessen Eromenos und Hypaspist, denn so ist es Sitte auf Kreta.

«Mein Herr möchte Euch sprechen, Herr», flüsterte der junge Mann mir zu, hielt aber den Blick gesenkt.

Ich hatte den letzten Schlag nicht ausgeführt, Hand und Hammer verharrten in der Luft. Dann ließ ich den Hammer niedersausen und fluchte. Dieser Schlag war danebengegangen, sodass eine kleine Unebenheit in der Oberfläche des Helms blieb.

Tiraios berührte meinen Mund mit seiner Hand. «Flüche verändern das Metall nicht», gab er zu bedenken.

So war es. Er mochte zehn Jahre älter sein als ich. In vielerlei Hinsicht war ich ein großer Junge, der die Gabe besaß, den Körpern der Menschen gewaltsam ihre Seelen zu entreißen. Tiraios hingegen war ein reifer Mann – ein Mann, der harte Zeiten durchlebt hatte und daher wusste, welche Wege man besser nicht einschlug.

«Verflucht», schimpfte ich weiter. Aber ich schleuderte den Helm nicht quer durch die Werkstatt. So viel hatte ich schon gelernt. Ich rammte Styges auch nicht das schwere Messer in den Bauch, das ich immer bei mir trug – sogar in der Werkstatt oder wenn ich bei einem Sklavenmädchen lag. Doch die roten Schlieren des Zorns benebelten meinen Blick.

Stattdessen legte ich das Messer auf den mit Sand gefüllten Lederbeutel, wusch meine Hände im Becken und nickte Styges kurz zu.

«Ich brauche einen Becher Wein und würde mich freuen, dir auch einen anzubieten.» Ich tat mein Bestes, König Achill von Kreta nachzuahmen und mich als freundlicher Gastgeber zu präsentieren. Selbst einem Lustknaben und ehemaligen Dieb gegenüber, dem ich es zu verdanken hatte, dass mir der letzte Hammerschlag misslungen war. Ja, ich war erwachsen geworden.

Styges verbeugte sich. «Ich fühle mich geehrt, Herr.» Zugegeben, auf Kreta waren Männer, die sich mit «Herr» anreden ließen, selten rußverschmiert. Sie hatten auch keine Hände, die so schwarz waren, dass man die Haut nicht mehr sehen konnte. Aber in Böotien lief eben vieles anders. Außerdem brachte ich Styges weitaus mehr Achtung entgegen als dem parfümierten Burschen auf meinem Innenhof.

Meine Schwester Penelope verließ gerade das Haus mit Wein. Sie brachte erst Artemis ein Trankopfer dar, wie es sich für sie gehörte, dann Hephaistos – ganz nach meinem Wunsch –, ehe sie Tiraios, Bion, Hermogenes, Styges und zuletzt meinem Gast aus dem Krug einschenkte. Von den Leuten dieser kleinen Gruppe trugen eigentlich nur unser Gast und Penelope anständige Kleidung. Man muss sich das nur einmal bildlich vorstellen …

Erst als Styges einen Becher in der Hand hielt, wandte ich mich an ihn. «Warum braucht Idomeneus meine Hilfe?»

«Er hat einen Mann getötet», antwortete Styges rundheraus.

«Was für einen Mann? Einen Platäer?» Damit wollte ich sagen: War es ein Bürger? Oder ein Mann, den keiner je vermissen würde?

«Nein, Herr», erwiderte Styges. «Eigentlich haben wir zwei Männer getötet. Einer war ein Krieger, der zum Schrein kam, und den anderen …», Styges grinste, «… den anderen hab ich selbst erschlagen. War einer der Wegelagerer, Herr. Die beiden kannten sich wohl – sie wollten fliehen oder den Schrein in Besitz nehmen, was weiß ich? Jedenfalls meinte mein Herr Idomeneus, dass die beiden uns alle umbringen wollten.»

Erst da fiel mir auf, dass Styges eine frische Schnittwunde hatte. Sie verlief von seiner Schulter bis zum Rippenbogen. Als der junge Mann sah, wohin mein Blick glitt, nickte er und strahlte voller Stolz über das ganze Gesicht. «Der Kerl hatte ein Messer, ich aber nicht.»

Es war ganz nach Art der Griechen, bei Heldentaten zu untertreiben. Mir schien, dass Idomeneus trotz seines Blutdursts dort oben an den Hängen des Kithairon ein strenges Regiment führte.

«Der Krieger, den wir töteten, war Athener», erklärte Styges, und sein Grinsen schwand. «Und jetzt hat mein Herr Bedenken, dass es ein einflussreicher Mann gewesen sein könnte …»

Ich horchte auf.

In diesem Moment meldete sich der Bote zu Wort.

«Herr, erachtet Ihr es nicht als wichtig, dass ich den ganzen Weg von Sardis gekommen bin?», fragte der gut aussehende junge Mann. Eigentlich sahen sie beide gut aus – der Bote war gewiss adliger Abstammung und wohlgestaltet wie die Statuen der Athleten bei Olympia. Aber Styges brauchte sich nicht zu verstecken, auch wenn er eher der bäuerliche Typ war. Doch auch er war kräftig gebaut und hatte trotz einiger Narben eine schöne, glatte Haut.

Ich hätte schwören können, dass meiner Schwester beide Männer zusagten.

Ich schenkte dem Adligen ein Lächeln. «Junger Mann, ich entschuldige mich für meinen etwas derben Aufzug und die hastige Begrüßung. Ich möchte Euch daher bitten, einen Tag oder zwei bei uns zu bleiben. Da diese Angelegenheit mein Ehrgefühl betrifft, gedenke ich, mich ihrer unverzüglich anzunehmen.»

Er errötete, und sein Blick huschte zu Pen. Ich verkniff mir ein Grinsen. «Oh, es wäre mir eine Ehre, hier bei Euch zu Gast sein zu dürfen, aber ich überbringe eine bedeutende Nachricht und …»

«Die ich mir gern anhöre, sobald ich zurück bin.» Ich nickte ihm zu. Die Götter nahmen mir den klaren Blick. Hätte ich mir nur einen Moment Zeit genommen, den jungen Mann anzuhören – aber ich glaubte, die Pflicht ruft, außerdem mochte ich den kleinen Wichtigtuer und sein ganzes Gehabe nicht.

«Passt auf, dass sie Euch nicht zur Arbeit in der Schmiede verdonnern», hörte ich Pen zu dem Boten sagen.

«Ich bin gegen Mittag zurück», sagte ich und trug einem Haussklaven auf, mein Pferd zu holen.

Die Götter lachten. Und die Moiren spannen ihre Fäden …

 

Die Dunkelheit senkte sich herab, als ich über die Anhöhe hinauf zum Schrein ritt. Es mag euch komisch vorkommen, dass ich auf einem Pferd saß. Heutzutage besitze ich tausend zottelige thrakische Ponys und an die fünfzig edle persische Pferde, aber in dem Böotien meiner Jugendjahre war es etwas Besonderes, wenn man ein Pferd besaß. Und in jenen Tagen hatte ich sogar vier Pferde. Ja, lacht ruhig – mit diesen vier Rossen galt ich als der reichste Mann in Platäa.

Styges lief neben mir her. Er hatte auf Leben und Tod gekämpft, war dann dreißig Stadien gerannt, um mir Bescheid zu sagen, hatte einen Becher Wein geleert und lief nun die dreißig Stadien zurück zum Grabmal. Wenn ich euch später von den Waffentaten meiner Leute erzähle, dann denkt an das, was ich von Styges erzählt habe – ja, wir brachten damals harte, zähe Männer hervor. Wir erzogen sie und bildeten sie aus, wie man Hunde für die Jagd abrichtet. In Sparta wurden die Adelssprösslinge gedrillt, damit sie über sich hinauswuchsen. In Attika und Böotien aber bildeten wir jeden freien Mann an der Waffe aus, auf dass er den Umgang mit Speer und Schwert wie im Schlaf beherrschte.

In der Nähe des Grabmals stieg mir bereits der Geruch von Blut in die Nase. Selbst die kühle Abendluft vermochte diesen Geruch nicht zu überlagern. Ich nahm den ledernen Schlauch von der Schulter und brachte ein Trankopfer für den alten Helden Leitos dar, der in grauer Vorzeit das grüne Platäa verließ, um im fernen Troja zu kämpfen – und er kehrte zurück, so steht es geschrieben, und starb im hohen Alter. Das war noch ein Held der alten Schule!

Beim Schrein pflegen wir eine ganz bestimmte Tradition – es war der Überlieferung nach nämlich Leitos, der dem Ansturm des kühnen Hektor bei den Schiffen Einhalt gebot. Doch das gelang Leitos nicht etwa, weil er gut kämpfte oder übermenschlichen Mut an den Tag legte, nein, es gelang ihm, weil er die einfachen Kämpfer dazu brachte, die Schilde zu überlappen, sodass die von den Göttern gesandte Kampfeswut des Hektor zum Erliegen kam. Leitos war kein mächtiger Menschenschlächter, sondern ein Mann, der andere Männer führte – wie ein Schäfer, der sich seiner Herde annimmt. Aufgrund seiner Umsicht kehrten die Kämpfer wohlbehalten in ihre Heimat zurück.

Aus allen Landstrichen Griechenlands kommen Männer zum Grabmal des Leitos, Männer, die zu viele Kriege gesehen haben. Manchmal hat der Krieg diese Männer gebrochen, aber sofern sie noch alle Sinne beisammenhaben, schenkt der Priester am Schrein ihnen Wein ein, hört ihnen aufmerksam zu und weist ihnen die ein oder andere Aufgabe zu. Bisweilen schickt er sie auf eine bestimmte Mission. All dies zusammen trägt dazu bei, dass diese Krieger gleichsam geläutert werden, und dann können sie zurückkehren in die Welt jener Menschen, die keine Schlächter sind.

Es kommt aber durchaus vor, dass Männer zum Grabmal kommen, die gezeichnet sind. Wie kann ich das am besten erklären? Ja, sie wandeln im Zeichen des Bösen oder gehören zu jenen Sterblichen, deren Seele nicht mehr gerettet werden kann. Und dann muss sich der Priester, der stets ein ehemaliger Menschenschlächter ist, diesen Männern entgegenstellen und sie im Umkreis des Schreins töten. Auf diese Weise schreien die Schatten der Erschlagenen, da sie ins Nichts fallen und für immer verloren sind. Und ihr Blut benetzt die Seelen der Toten und nährt den ewig schlummernden Helden Leitos in seinem Grabmal. So ist es überliefert.

Ja, Böotien ist ein rauer Ort, keine Frage. Und wir haben wenig übrig für Leute, die vom Wege abgekommen sind und im Zeichen des Bösen stehen. In diesem Zusammenhang möchte ich eine unbequeme Wahrheit loswerden: Wenn ein Menschenschlächter in seinem Lebenswandel den falschen Weg beschreitet, dann ist es besser, wenn andere ihn zur Strecke bringen. Im Wolfsrudel ist es so. Bei Hunden ist es so. Auch die Löwen halten sich an dieses Gesetz. Es ist wichtig, dass auch die Menschen begreifen, was es damit auf sich hat.

Das gilt auch dann, wenn dieser Schlächter dein Freund ist. Aber das ist eine andere Geschichte.

Schenkt mir noch mehr von dem Wein ein.

 

Idomeneus trat aus der Behausung beim Grabmal und hielt mein Pferd, als ich abstieg.

«Es tut mir leid, dass Ihr den ganzen Weg bis hierher kommen musstet, Herr», begrüßte er mich.

Der Gedanke an die Delle in meinem ansonsten perfekten Helm schwärte noch in mir, außerdem bekam ich diesen Boten aus Sardis nicht aus dem Sinn. Sardis war die Hauptstadt in Lydien. Dort herrschte ein Satrap des persischen Reichs in Sichtweite der griechischen Lande. Wer, beim Hades, schickte einen Boten aus dem fernen Sardis bis ins ländliche Platäa? Und warum hatte ich mich nicht zuerst um jenen Boten gekümmert? Bei allen Göttern!

Aber Idomeneus war nicht irgendwer. Er hatte mir an die fünfzig Mal das Leben gerettet. Daher konnte ich ihm keinen Gefallen abschlagen und auch nicht lange auf ihn wütend sein. «Ich wollte sowieso vorbeischauen. Wenn ich zu lange in der Schmiede stehe, vergesse ich noch, wer ich einst war.»

«Wer Ihr einst wart?» Idomeneus lachte wie jemand, der von Sinnen ist. «Der wiedergeborene Achill, der jetzt Bronzebleche bearbeitet?»

«Du hast also einen Mann erschlagen?», hakte ich nach. Eine der Frauen drückte mir einen Becher aus Horn in die Hand. Gewürzter, mit Wasser gestreckter Wein, angenehm gewärmt. Dankbar nahm ich einen Schluck.

«Wir haben da wohl einen aus der Sippe der Alkmaioniden getötet», sagte Idomeneus. Das letzte Licht des Tages brachte ein Glitzern in seine Augen. «Dort stand er, auf den Steinplatten unmittelbar im Schatten des Schreins, und leierte seine edle Abstammung herunter. Mehr als überheblich machte er uns klar, wir sollten nicht mal im Traum daran denken, ihn auch nur anzurühren – geschweige denn zu töten. Er muss wohl gedacht haben, der große Name würde ihn schützen.»

Ich schüttelte den Kopf. Die Alkmaioniden waren wohlhabende, einflussreiche Leute, aber auch durchtriebene Bastarde. Ihr Reichtum war legendär, und sosehr ich mir den Kopf zermarterte, ich konnte mir beim besten Willen nicht erklären, was einer dieser Sippe hier oben am Grabmal des Helden verloren hatte.

«Hat er vielleicht gelogen?», mutmaßte ich. «Sich mit fremden Federn geschmückt?»

Idomeneus griff unter die Falten seines Chlamys und zeigte mir einen kleinen Gegenstand, der in den letzten Sonnenstrahlen rotgolden aufblitzte. Es handelte sich um eine Gürtelschnalle, genauer gesagt um eine äußerst edle Schnalle, die nur die Reichen tragen. Jedes Detail bestand aus kunstvoll getriebenem Gold. Allein die Schnalle und die dazugehörige Riemenzunge mit ihren Tauschierungen waren mehr wert als mein ganzer Hof samt Schmiede. Und ich habe wahrlich keinen kleinen Hof!

«Verflucht!», entfuhr es mir.

«Er stand im Zeichen des Bösen», stellte Idomeneus nüchtern fest. «Was sollte ich also tun?»

Ich ging zu dem Leichnam, der nach alter Tradition auf den steinernen Platten des Schreins ausgestreckt lag. Im Leben war er ein großer, wuchtiger Mann gewesen, beinahe einen Kopf größer als ich. Um den Oberkörper trug er einen Glockenpanzer aus Bronze, der so dick war wie die frischgegerbte Haut eines Ochsen.

Der Mann muss doppelt so viel gewogen haben wie der schlanke Idomeneus. Ich konnte nur eine Wunde sehen. Mein Gefährte hatte dem Mann den Speer ins linke Auge gerammt. Ja, Idomeneus war ein sehr gefährlicher Gegner. Der Adlige aus Athen war offenbar zu dumm, um einen Mann wie Idomeneus einschätzen zu können. Oder er stand tatsächlich im Zeichen des Bösen, und der Held brauchte frisches Blut.

Die Rüstung war hervorragend gearbeitet, auch der Helm.

«Verflucht», wiederholte ich mich. «Was hat der hier nur zu suchen gehabt?»

Idomeneus zuckte mit den Schultern. Hinter ihm entzündeten Männer und Frauen die Lichter. Inzwischen gab es dort oben sechs Behausungen, nicht mehr nur die eine Hütte, die ich aus meiner Kindheit kannte und in der Kalchas gelebt hatte. In einer der Hütten wohnten meine beiden Thraker, die übrigen Hütten teilten sich die ehemaligen Wegelagerer jeweils zu viert. Eine Behausung war den Frauen vorbehalten. Alles sah sauber und ordentlich aus. Von den Ästen der umstehenden Bäume hingen die erlegten Rehe, ich entdeckte sogar einen ausgeweideten Keiler. Etwas abseits lagen die Tierhäute, nach Gerberart behandelt und aufgerollt. Wie gesagt, Idomeneus leitete die kleine Siedlung beim Schrein des Leitos wie ein Lager auf Kriegszügen.

«Er muss im Begriff gewesen sein, Krieger anzuwerben», sagte ich laut und hatte damit meine eigene Frage beantwortet. Vielleicht stand die grauäugige Gottheit an meiner Schulter und hatte mir die Worte zugeraunt, aber ich hatte plötzlich den klaren Blick. Der Athener hatte sich für die strahlende Rüstung entschieden, da er Eindruck schinden wollte. Aber vielleicht hatte er etwas Unbedachtes gesagt oder getan, sodass Idomeneus’ Blut in Wallung geraten war. Und dann hatte mein irrsinniger Gefährte den Eindringling in rasendem Zorn getötet.

So etwas kommt vor.

Doch jetzt hatte ich ein Problem. Wie sollte ich diese Angelegenheit regeln? Alle Leute dort oben gehörten zu meiner Oikia, daher lastete die Verantwortung auf meinen Schultern. Ich war derjenige, der alles wieder ins Lot bringen musste. Außerdem kannte ich viele einflussreiche Personen in Athen. Ich kannte Aristeides. Er hatte in die mächtige Familie der Alkmaioniden eingeheiratet und besaß weitreichende verwandtschaftliche Beziehungen. Ich war mir sicher, dass er dies würde regeln können. Wenn einer die Wogen glätten könnte, dann er.

Ich dachte über andere Optionen nach. Vielleicht bräuchte ich nichts zu tun, in der Hoffnung, dass Gras über die Sache wuchs. Immerhin war es denkbar, dass niemand wusste, wohin dieser Mann gegangen war oder welche Absicht er verfolgt hatte. Es war sogar möglich, dass seine Leute keine Vergeltung anstrebten, selbst wenn sie erführen, was sich am Grabmal des Helden zugetragen hatte.

«Am Morgen werde ich versuchen, in den Vorzeichen zu lesen», sprach ich. «Vielleicht gewährt der Logos mir eine Antwort.»

Idomeneus nickte. «Dann bleibt Ihr über Nacht?», fragte er.

«So hast du es doch gewollt, du irrsinniger Kreter», erwiderte ich.

«Ihr müsst den Hof hinter Euch lassen, ehe Ihr noch zum Bauern werdet.» Er grinste.

Ein Anflug von Argwohn überkam mich. Hatte mein unberechenbarer Hypaspist einen mächtigen Mann erschlagen, nur damit ich mich auf den Weg zum Schrein machte und Wein mit ihm trank? Ich seufzte.

Styges drückte mir einen Becher mit warmem Wein in die Hand und führte mich zum Lagerfeuer, um das die ehemaligen Wegelagerer saßen. Wir stimmten Loblieder auf die Gottheiten an, während sich die Himmelsscheibe über unseren Häuptern drehte. Der unstete Schein des Feuers warf Muster aus Licht und Schatten auf die uralten Eichen, die das Grabmal des Helden einfassten. Styges holte eine Kithara hervor und sang allein. Dann fielen wir mit ein – wir sangen Lieder aus Sparta und Melodien, die Adlige aufgeschrieben hatten. Ich gab ein Lied zum Besten, das Briseis so sehr liebte. Die Strophen stammten aus Sapphos Feder.

Immer wieder begegnete ich dem Blick eines Sklavenmädchens. Es waren streng genommen keine Sklaven – aber das ist nicht einfach zu erklären. Die Frauen gehörten einst einem Bauern, genauer gesagt einer Witwe. Die Wegelagerer hatten diese Frau ermordet und ihre beweglichen Güter an sich gerissen. Später hatten meine Gefährten und ich den Wegelagerern das Handwerk gelegt. Wem gehörten also nun diese Frauen? Waren sie frei? Sie schliefen mit den Männern und kamen ihren Aufgaben nach, und sie hatten wahrlich viele Aufgaben.

Das Mädchen war klein geraten, aber nicht hässlich. Allerdings zog sie ein Bein nach, da es seltsam verdreht war. Unsere Blicke begegneten sich, und später lachte sie an meinen Lippen, als ich zwischen ihren Schenkeln lag. Ihr Atem war lieblich, und sie hatte etwas Besseres verdient als einen Helden, der nur eine ganz bestimmte Frau im Kopf hatte. Aber trotz der Gehbehinderung und ihrer eigenartigen Gesichtszüge blieb die junge Frau mir in Erinnerung. In jener Zeit muss ich an die fünfzig Sklavenmädchen im Jahr bestiegen haben. Und dennoch ist mir diese eine im Gedächtnis geblieben. Ihr werdet sehen, warum.

 

Am nächsten Morgen ging ich zusammen mit Idomeneus auf die Jagd. Aber da ich im Umkreis eines Tagesmarschs kein einziges Reh sah, fragte ich mich, ob mein Gefährte überhaupt irgendein Wild in dieser Gegend am Leben gelassen hatte. Wir gelangten an den Pfad, bei dem wir im Jahr zuvor den Wegelagerern aufgelauert hatten. Der Weg dort schlängelt sich an den Hängen des Kithairon hinauf, verläuft dann durch eine Senke und steigt eine Weile an, ehe er nur noch bergab führt, vorbei am Schrein des Helden bis hinunter in die Ebene von Platäa.

In ebenjener Senke, die im Herbst oft matschig wird, stießen wir auf einen Karren und Spuren von Wagenrädern.

Der Karren war beladen mit Waffen und ledernen Rüstungen – solide Arbeit. Auf dem Boden lagen ein paar Münzen verstreut im zertrampelten Gras.

«Er hatte Bedienstete», stellte ich fest.

«Sie sind getürmt», meinte Idomeneus. «Bedarf es da noch der Vorzeichen?»

Der verwaiste Wagen in der Senke konnte nur bedeuten, dass der reiche Athener Begleiter hatte – Männer, die zu dieser Stunde zu ihren Familien in Attika zurückeilten und von der Bluttat berichteten.

Idomeneus wollte sich hilfreich geben. «Wir könnten sie jagen und zur Strecke bringen», sagte er mit eben jenem Blick, der von Jagdfieber zeugte.

«Manchmal machst du mich wirklich wütend», sagte ich und meinte es nicht im Spaß.

«Ich fühle mich schlecht», räumte er ein. «Was werdet Ihr jetzt tun?»

«Ich werde nach Attika reiten und die Sache bereinigen. Aber vorher musst du noch etwas für mich erledigen», fuhr ich fort und hielt seinen Blick gefangen. «Sag Epiktetos, er soll sein Fuhrwerk zu meinem Hof bringen und meine Waren aufladen. Damit soll er geradewegs nach Athen fahren. In zehn Tagen treffe ich ihn und seinen Wagen auf der Agora in Athen. Vor dem Tempel des Herakles. Dann ist mein Ritt nach Attika wenigstens nicht ganz umsonst, wenn ich mich daranmache, die Sache auszubaden, die du uns eingebrockt hast!»

Mein Gefährte nickte betreten, aber in seinem Blick lag eine Spur Trotz. «Er stand im Zeichen des Bösen», sagte er wie ein Kind, das sich zu Unrecht von den Eltern gescholten fühlt. «Der Held verlangte nach dem Blut des Atheners.»

«Ich glaube dir ja», sagte ich. Ich suchte seinen Blick, aber Idomeneus sah mir nur kurz in die Augen. «Du kannst nicht mitkommen», schärfte ich ihm ein. «Es sei denn, du suchst den Tod.» Dafür hatte Idomeneus nur ein Schulterzucken übrig.

Schweigend kehrten wir zum Schrein zurück.

Die junge Frau, die mir die Nacht versüßt hatte, stand ein wenig abseits. Ich war im Begriff, ihr eine Münze in die Hand zu drücken, doch sie lehnte mit einem Kopfschütteln ab und senkte züchtig den Blick.

«Ich möchte Euch begleiten», sagte sie. «In Attika werde ich eine freie Frau sein. Unterwegs werde ich Euch das Nachtlager wärmen.»

Ich dachte einen Augenblick über den Vorschlag nach. «Gut», sagte ich dann.

Die anderen Frauen weinten, als sie hörten, dass ihre Gefährtin sich verabschiedete.

Es wäre besser gewesen, wenn ich mir die Zeit genommen hätte, die Vorzeichen zu befragen. Aber wer weiß, wie es dann gelaufen wäre? Denn die Götter lieben Überraschungen …

 

Wir blieben an den Hängen des Kithairon. Dort, wo der Eichenbestand allmählich abnimmt, erlegte ich einen jungen Keiler mit Pfeil und Bogen. Das nahm ich als gutes Omen, und von da an blieben wir auf dem alten Weg und stiegen hinauf bis zu den Gipfeln des Bergmassivs. Im Wald von Daidala schlugen wir unser Lager auf, an jener Stelle, die für die Korvax-Sippe von großer Bedeutung ist. Denn dort weiden sich die Krähen an dem Fleisch, das wir den Göttern darbieten.

Unser Nachtlager bestand aus einem Zelt aus Tierhäuten und einem großen Feuer. Dann überließ ich es dem Sklavenmädchen, Fleisch von den Vorräten beim Schrein des Helden zuzubereiten, und stieg allein weiter hinauf bis zu dem uralten Altar. In unserer Familie wird erzählt, dass der Altar Kithairon geweiht ist, nicht Zeus, der im Grunde ein Eindringling in diesen Gefilden ist.

Auf dem Altar entdeckte ich Überbleibsel einer Opferhandlung. Auch Fäden schwarzer Wolle. Das konnte nur bedeuten, dass Simonalkes’ Söhne noch am Leben waren. Offenbar waren sie bei Neumond hierhergekommen, um jemanden zu verfluchen. Unschwer zu erraten, wem dieser Fluch galt.

Ich verzog den Mund zu einem Grinsen. Ich erinnere mich genau an diesen Moment, da es ein raubtierartiges Grinsen war. Hass überkommt einen rasch, wenn man jung ist.

Es war eine klare Nacht, und vom Berg aus konnte ich bis zum Rand der Welt schauen. Wohin ich auch blickte, überall entdeckte ich Feuer. Daher dachte ich bei mir: Krieg zieht auf. Diesen Gedanken flößte mir die Gottheit ein, und mit Hilfe ihrer Augen vermochte ich den Ring aus Feuer zu sehen, der sich um den Erdkreis zieht. Diesen Anblick vom Gipfel des Berges aus werde ich nie vergessen.

Auf die erkaltete Asche auf dem alten Altar legte ich kleinere Zweige. Zuvor hatte ich den Keiler ausgenommen und gehäutet. Ich schichtete die Knochen und das Fell mitsamt der Fettschicht auf und setzte die Opfergabe in Brand. Damals bildete ich mir ein, dass man dieses Leuchtfeuer bis nach Theben und Athen sehen konnte. So stand ich neben dem Brandopfer und sprach meine Gebete. Immer wieder legte ich Holz nach und schürte das Feuer, bis es so groß war, dass ich vor Hitze nicht mehr unmittelbar neben dem Altar stehen konnte. Schließlich stieg ich wieder hinab zum Lager, wo das Sklavenmädchen wartete.

Sie gab mir zu essen. «Werdet Ihr mich freilassen oder verkaufen?», wollte sie unvermittelt wissen.

Ich lachte. «Ich werde dich freilassen. Mit deinem verdrehten Bein kann man keinen guten Preis erzielen. Außerdem stehe ich zu meinem Wort, nicht wahr?»