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In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie ist Denise überall im Einsatz. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Doch auf Denise ist Verlass. In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg. Lutz von Gützow trat auf die große Terrasse hinaus. Die Nachtluft war milde und schwer vom Blütenduft, der aus dem Garten aufstieg. Es war angenehm still und ruhig hier draußen. Obwohl zahlreiche Sessel sowie kleine Tischchen zum Sitzen und Ausruhen einluden, hielt sich doch niemand hier auf. Die Gäste bevorzugten die gemütlichen Gesellschaftsräume, in denen eine kleine Kapelle spielte und eine Bar der große Anziehungspunkt war. Lutz von Gützow war über sich selbst ärgerlich, weil er sich von seinem Freund hatte überreden lassen, die Einladung von Dr. Torius anzunehmen. Es war das erste Mal seit mehr als fünf Jahren, dass er sich wieder unter Menschen begeben hatte. Bis jetzt hatte er sein Gut Gützow eigentlich nur verlassen, um zu seinem Freund zu fahren, der in der Stadt eine gut gehende Anwaltspraxis hatte. Doch schließlich hatte er auf das Drängen und Bitten seines Freundes Dr. Hans Schirmer nachgegeben und war auf dieser großen Party erschienen. Jetzt aber musste er sich sagen, dass er nicht hätte herkommen dürfen. Die Menschen, ihre Fröhlichkeit und ihre scheinbare Unbeschwertheit machten ihn nervös und ließen ihn erkennen, dass er noch lange nicht über die Ereignisse vor fünf Jahren hinweggekommen war. Hätte er seinem Pferdeknecht Mark nicht gesagt, er solle ihn um Mitternacht mit dem Wagen abholen, hätte er dieses Fest auf der Stelle verlassen, obwohl es erst zehn Uhr war. Mit einem tiefen Seufzer setzte sich Lutz von Gützow in einen der kleinen Sessel, die tief im Schatten standen, von denen aus man aber – durch die großen Fenster der Festräume – die Party gut übersehen konnte. Wie immer hatte es Dr. Torius verstanden, an diesem Abend viele interessante Leute zusammenzubringen. Die meisten der Anwesenden kannte Lutz von Gützow von früher. Alles, was in der Umgebung Rang und Namen hatte, war vertreten. An einem runden Tisch, ganz in der Nähe eines der großen Fenster, saß eine kleine lustige Gesellschaft.
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Seitenzahl: 160
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Lutz von Gützow trat auf die große Terrasse hinaus. Die Nachtluft war milde und schwer vom Blütenduft, der aus dem Garten aufstieg. Es war angenehm still und ruhig hier draußen. Obwohl zahlreiche Sessel sowie kleine Tischchen zum Sitzen und Ausruhen einluden, hielt sich doch niemand hier auf. Die Gäste bevorzugten die gemütlichen Gesellschaftsräume, in denen eine kleine Kapelle spielte und eine Bar der große Anziehungspunkt war.
Lutz von Gützow war über sich selbst ärgerlich, weil er sich von seinem Freund hatte überreden lassen, die Einladung von Dr. Torius anzunehmen. Es war das erste Mal seit mehr als fünf Jahren, dass er sich wieder unter Menschen begeben hatte.
Bis jetzt hatte er sein Gut Gützow eigentlich nur verlassen, um zu seinem Freund zu fahren, der in der Stadt eine gut gehende Anwaltspraxis hatte. Doch schließlich hatte er auf das Drängen und Bitten seines Freundes Dr. Hans Schirmer nachgegeben und war auf dieser großen Party erschienen. Jetzt aber musste er sich sagen, dass er nicht hätte herkommen dürfen. Die Menschen, ihre Fröhlichkeit und ihre scheinbare Unbeschwertheit machten ihn nervös und ließen ihn erkennen, dass er noch lange nicht über die Ereignisse vor fünf Jahren hinweggekommen war. Hätte er seinem Pferdeknecht Mark nicht gesagt, er solle ihn um Mitternacht mit dem Wagen abholen, hätte er dieses Fest auf der Stelle verlassen, obwohl es erst zehn Uhr war.
Mit einem tiefen Seufzer setzte sich Lutz von Gützow in einen der kleinen Sessel, die tief im Schatten standen, von denen aus man aber – durch die großen Fenster der Festräume – die Party gut übersehen konnte. Wie immer hatte es Dr. Torius verstanden, an diesem Abend viele interessante Leute zusammenzubringen. Die meisten der Anwesenden kannte Lutz von Gützow von früher. Alles, was in der Umgebung Rang und Namen hatte, war vertreten. An einem runden Tisch, ganz in der Nähe eines der großen Fenster, saß eine kleine lustige Gesellschaft. Es wurde gelacht und gescherzt, geflirtet und kokettiert. Besonders eine junge Dame fiel in dem kleinen Kreis auf. Lutz hatte sie schon bemerkt, als er vor zwei Stunden angekommen war.
Die Dame war noch sehr jung. Er schätzte sie auf etwa zwanzig. Ganz gewiss gab es an diesem Abend Frauen unter den Gästen, die sehr viel schöner waren. Es mussten die sehr feinen und sprechenden Züge sein und die großen Augen, die von dichten schwarzen Wimpern umrahmt waren. Die Augen konnten blau oder grau sein. War es das Lächeln oder waren es die sehr graziösen Bewegungen, dass ihm dieses Mädchen auffiel und er unwillkürlich immer wieder zu ihm hinsehen musste?
Es kam Lutz zu Bewusstsein, dass er seit fünf Jahren zum ersten Mal wieder bewusst eine Frau sah. Unwillkürlich lächelte er leicht spöttisch und auch ein wenig bitter über sich selbst.
In diesem Augenblick betrat ein junger Mann die Terrasse. Er trug recht ungeschickt ein kleines Tablett, auf dem zwei Kelche mit Sekt und ein Teller standen, auf dem allerlei Delikatessen aufgehäuft waren.
»Ich habe mir schon gedacht, dass ich dich hier draußen finden würde«, sagte Dr. Hans Schirmer und setzte das Tablett vorsichtig auf ein kleines Tischchen. »Warum sitzt du hier draußen allein herum, Lutz? Du kannst es einem aber wirklich schwer machen. Ich habe immer das Gefühl, du willst gar nicht mehr ein normales Leben führen.« Mit einem Seufzer zog sich der junge Rechtsanwalt einen Sessel heran und reichte Lutz ein Glas Sekt. »Zum Wohle, alter Freund!«
Lutz von Gützow nahm das Glas und trank seinem Freund zu. Als er den Kelch vorsichtig auf den Tisch setzte, sagte er mit einem ironischen Lächeln: »Ich habe dich davor gewarnt, mich mitzunehmen. Ich bin weiß Gott alles andere als ein angenehmer Gesellschafter. Und vielleicht hast du recht, wenn du sagst, dass ich gar kein normales Leben mehr führen will. Ich fühle mich seit damals als Außenseiter der Gesellschaft.«
Dr. Hans Schirmer verzog verächtlich sein hübsches frisches Gesicht. »Ich meine, es wird langsam Zeit, dass du versuchst, über die Geschehnisse vor fünf Jahren hinwegzukommen. Kannst du dir denn gar nicht vorstellen, dass noch einmal eine Frau eine Rolle in deinem Leben spielen könnte?«
»Nein, das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Lutz von Gützow kalt und abweisend.
»Schade«, meinte Dr. Hans Schirmer bedauernd. »Wirklich schade. Es sind heute so viele schöne und interessante Frauen hier. Du bist ein sehr gut aussehender Mann, der auf Frauen einen gewissen Reiz auslöst. Ich weiß, dass viele Frauen nicht abgeneigt wären, deine nähere Bekanntschaft zu machen. Wie wäre es zum Beispiel mit dem jungen Mädchen dort am Tisch? Ist sie nicht entzückend? Hast du schon die wunderschönen Augen gesehen, die die junge Dame hat? Sie sind grün und harmonieren wunderbar mit ihrem hellbraunen Haar.«
Damit wies Dr. Hans Schirmer verstohlen auf das junge Mädchen, das auch Lutz bereits aufgefallen war. Aber das gab der Gutsbesitzer natürlich nicht zu. Im Gegenteil, sehr abweisend sagte er: »Nein, das Mädchen ist mir noch nicht aufgefallen.«
»Dann bin ich froh, dass ich dich auf Mona Hunt aufmerksam gemacht habe. Die junge Dame ist Deutsch-Amerikanerin und sehr reich. Die Familie besitzt in den Staaten Konservenfabriken. Vielleicht darf ich dich darauf aufmerksam machen, dass eine reiche Heirat dich vor dem Ruin retten könnte. Das Gut Gützow ist vollkommen verschuldet, und wenn du in den letzten Jahren nicht absolut nichts für dich verbraucht hättest, wärst du schon längst am Ende.«
Lutz von Gützow machte eine abwehrende Handbewegung. »Ich frage mich, warum du gerade heute Abend damit anfangen musst«, erwiderte er ärgerlich.
»Einmal muss es gesagt werden, Lutz. Du musst endlich aus deiner Lethargie erwachen. Mein Gott, du bist doch erst Anfang der dreißig. Das Leben liegt noch vor dir. Aber du verschließt dich vor dem Leben, läufst davor weg. Es gibt jedoch Dinge im Leben, vor denen kann und darf man nicht davonlaufen. Dazu gehört auch dein Kind. Du weißt doch, dass die Großmutter der kleinen Lilian verstorben ist und dass das Kind jetzt ganz allein dasteht.«
Für einen Augenblick sah es so aus, als wollte Lutz von Gützow bei den Worten seines Freundes aufspringen. Er machte eine hastige, fast fluchtartige Bewegung, aber dann wurde sein Gesicht hart, und er blieb ruhig sitzen. »Es sieht so aus, als wolltest du mir den Abend restlos verderben. Lilian ist nicht nur mein Kind, sie war auch Marions Kind. Dem Kind wird es finanziell an nichts fehlen. Dafür werde ich sorgen, aber nichts weiter. Ich möchte dich bitten, mich nicht ständig an das Kind zu erinnern. Ich habe dich beauftragt, alles für Lilian zu tun und ihre Interessen wahrzunehmen. Mehr kannst du von mir nicht verlangen.«
Dr. Hans Schirmer seufzte bekümmert und sah den Freund kopfschüttelnd an. »Es ist mir unbegreiflich, dass du über diese Sache nicht hinwegkommst.«
»Ach, das ist dir unbegreiflich?«, brauste Lutz von Gützow auf. »So unbegreiflich ist das gar nicht, wenn man bedenkt, was mir diese Frau angetan hat. Sie hat mein Leben zerstört. Ich war jung, als ich sie kennenlernte, und sie war meine erste große Liebe. Es war eine leidenschaftliche Liebe, die mich für eine kurze Zeit zu verbrennen schien. Marion war erfahrener als ich. Sie wusste, dass so eine Leidenschaft leicht verlischt. Obwohl ich ihr gleich zu Beginn unserer Beziehungen gesagt hatte, dass ich sie aus Rücksicht auf meine Familie nie würde heiraten können, war sie geradezu von dem Wunsch besessen, meine Frau zu werden. Vielleicht erschien es ihr als Tänzerin besonders erstrebenswert, in eine angesehene Familie einzuheiraten. Wie du weißt, war sie schön, rassig und temperamentvoll. Sie hatte viele reiche Bewunderer, die sie vielleicht sogar geheiratet hätten. Aber nein, sie hatte es sich in ihren schönen Kopf gesetzt, Frau von Gützow zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, war ihr jedes Mittel recht.« Lutz schwieg. Er griff nach seinem Glas und trank es in einem Zug leer.
Dr. Hans Schirmer schwieg be drückt. Was sollte er auch darauf erwidern? Er wusste, wie sehr sein Freund auch heute noch unter dem litt, was sich damals abgespielt hatte. Doch noch nie hatte er so offen zu ihm gesprochen. Dr. Hans Schirmer hoffte, dass es dem Freund guttue, einmal mit einem Menschen über diese Ereignisse zu sprechen.
»Marion dachte, dass ich ihren Wünschen nachgeben würde, wenn wir ein Kind haben würden«, fuhr Lutz von Gützow nach einer kleinen Pause fort. Dabei drehte er geistesabwesend sein Glas zwischen den Fingern und sah vor sich hin, als würden die Bilder der Vergangenheit an seinen Augen vorüberziehen.
»Du kannst dir nicht vorstellen, wie abstoßend der Augenblick war, als sie mir eröffnete, dass sie ein Kind von mir erwarte. Da war nichts von Freude oder Glück zu spüren. Marion wurde ausschließlich von Triumph und Genugtuung beherrscht. Vielleicht sogar von Habgier und Hohn. Das Kind war ihr nur ein Mittel zum Zweck. Es sollte ihr den Weg ebnen. Aber sie hatte sich in mir getäuscht. Wenn ich bis zu diesem Augenblick noch etwas für sie empfunden hatte, so starben diese Gefühle jetzt restlos. Mir tat das Kind aufrichtig leid, aber ich sagte natürlich, dass ich für das Kind sorgen würde. Wenn ich damals nicht sofort mit Marion Schluss gemacht habe, dann nur des Kindes wegen. Vielleicht war das ein Fehler. Aber geändert hätte es wohl auch nichts. Als Marion dann merkte, dass sie mich nicht halten konnte, änderte sie ihre Taktik. Sie hatte mir schon vorher ein paarmal damit gedroht, sich etwas anzutun, wenn ich sie nicht heiraten würde, aber ich hatte diese Drohungen nicht ernst genommen. Marion war einfach nicht der Typ, so etwas zu tun. Dazu liebte sie das Leben viel zu sehr. Sie wollte mich nur erschrecken. Ein Risiko wollte sie dabei allerdings nicht eingehen. Alles war genau durchdacht und auf die Minute berechnet.«
Hier machte Lutz von Gützow wieder eine kleine Pause. Noch immer sah er abwesend vor sich hin. Die Anwesenheit seines Freundes schien er vollkommen vergessen zu haben. Dr. Hans Schirmer hütete sich jedoch, jetzt ein Wort zu sagen. Er war froh, dass der Freund einmal so offen sprach.
»Lilian war ein paar Monate alt, und Marion hatte das Kind zu ihrer Mutter nach München gebracht. Unser Verhältnis zueinander war in dieser Zeit sehr gespannt, und an jenem Abend war ich fest entschlossen, endgültig mit ihr Schluss zu machen. Sie hatte ein Engagement in Hamburg, und ich wollte nach der Vorstellung zu ihr fahren. Gerade als ich abfahren wollte, rief sie bei mir an. Ich wunderte mich, aber ich dachte mir nichts dabei. Heute weiß ich, dass sie sich nur vergewissern wollte, ob ich auch wirklich kommen würde. Ich sagte, dass ich eben hatte abfahren wollen und dass ich in spätestens einer Stunde bei ihr sein würde. Ich fuhr auch gleich nach dem Anruf los, aber auf der Autobahn kam ich in eine Stauung. Nach einem schweren Verkehrsunfall waren beide Fahrbahnen gesperrt. Erst nach fast vier Stunden kam ich bei Marion in Hamburg an. Ich kam zu spät. Sie starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus. Wie mir die Ärzte später sagten, war die Dosis Schlaftabletten, die sie geschluckt hatte, gar nicht so hoch gewesen. Wenn ich nach einer Stunde bei ihr gewesen wäre, hätte sie ohne Weiteres gerettet werden können, aber nach vier Stunden kam jede Rettung zu spät. Marion hatte verloren. Aber mitunter frage ich mich, ob nicht doch ich der Verlierer bin. Sie hat es geschafft, mein Leben zu zerstören. Ich weiß, dass ich keine Schuld habe, und doch fühle ich mich schuldig. Die Vorwürfe quälen mich. Aber noch viel schlimmer ist, dass ich jedes Vertrauen zu den Menschen verloren habe. Vielleicht ist es aber auch einfach noch zu früh. Vielleicht braucht alles seine Zeit.«
Wie erwachend sah Lutz von Gützow auf und lächelte seinem Freund etwas verlegen zu. »Verzeih! Ständig belästige ich dich mit dieser Sache, aber daran kannst du sehen, wie stark sie mich noch immer beschäftigt. Ich bin noch lange nicht darüber hinweg. Deshalb kümmere du dich bitte um das Kind. Veranlasse, dass es in ein gutes Heim kommt, in dem es sich wohlfühlt. Erkundige dich vorher, wie das Heim geführt wird. Ich weiß, ich kann mich auf dich verlassen, aber lass mich bitte damit zufrieden. Ich kann das Kind nicht sehen. Wahrscheinlich ist es egoistisch und kleinlich, das Kind das büßen zu lassen, was seine Mutter mir angetan hat, aber der Mensch kann nicht über seinen Schatten springen. Wenn ich daran denke, dass Lilian ihrer Mutter ähneln könnte, erfasst mich fast so etwas wie Panik. Kannst du das nicht verstehen?«
Lutz von Gützow sah den Freund fast flehend an, und dieser nickte beschwichtigend. »Schon gut, Lutz. Sei unbesorgt, ich werde veranlassen, dass das Kind sofort in ein gut geführtes Heim kommt. Es ist ein Jammer, dass bei solchen Geschehnissen immer am Ende die Kinder die Leidtragenden sind. Ich hoffe sehr, dass du mit der Zeit ruhiger über alles denken wirst. Schließlich kannst du auch nicht für alle Ewigkeit dieses jetzige Einsiedlerleben führen. Es sind doch nicht alle Frauen so wie Marion Ondara. Du solltest heiraten und zu vergessen versuchen.«
»Um Gottes willen, sprich nicht vom Heiraten«, sagte Lutz geradezu empört. »Ich werde nie mehr etwas für eine Frau empfinden können.«
Dr. Hans Schirmer lachte belustigt auf. »Wenn man dich reden hört, dann könnte man meinen, du wärst ein uralter Mann, Lutz. Dabei haben wir vor einem Monat deinen einunddreißigsten Geburtstag gefeiert. Mona Hunt und du, ihr würdet dem Alter nach blendend zueinanderpassen. Ich weiß, dass sie bald fünfundzwanzig wird. Im Ernst, Lutz, ich kann mir vorstellen, dass sie für dich genau die richtige Frau wäre. Sie ist klug, warmherzig und vielseitig interessiert. Sie liebt wie du Musik und ist eine große Pferdenärrin. Auch das habt ihr also gemeinsam. Und nicht zu vergessen, sie hat das Geld, das du so dringend brauchst, um deinen schönen Besitz vor dem Ruin retten zu können. Als dein Anwalt weiß ich doch am besten über deine finanzielle Lage Bescheid. Die Auszahlung deiner Schwester nach ihrer Heirat hat Unsummen verschlungen, und deine Mutter verbraucht auch viel Geld.«
Lutz machte eine ungeduldige Handbewegung. »Wem sagst du das? Aber du kennst ja meine Mutter. Sie lebt noch immer wie vor hundert Jahren und will nicht sehen, dass sich die Zeiten geändert haben. Sie braucht ihre große Wohnung in der Stadt, Personal, das ständig für sie da ist. Du weißt, sie ist schwer herzkrank. Der Arzt sagte mir, dass sie nicht mehr lange leben wird. Deshalb habe ich auch alles so gelassen, wie es ist und wie sie es zeit ihres Lebens gewöhnt war. Ich möchte sie nicht aufregen und sie nicht mit etwas konfrontieren, was sie doch nicht verstehen würde. Meine Mutter hat eigentlich auch immer nur an sich gedacht. Mein Vater war nicht sehr glücklich mit ihr, und wir Kinder wuchsen bei einem Kindermädchen und später bei einer Hauslehrerin und dann in einem Internat auf. Siehst du, auch die Erinnerungen an meine Kindheit und an das, was ich als Kind von der Ehe meiner Eltern mitbekommen habe, haben mich ehescheu gemacht. Und dann musste ich mich ausgerechnet in eine Frau wie Marion Ondara verlieben. Nein, geliebt habe ich sie wahrscheinlich nicht einmal. Wenn ich sie wirklich geliebt hätte und wenn sie so gewesen wäre, wie ich mir meine Frau erträumt hatte, dann hätte ich sie auch, meiner Familie zum Trotz geheiratet. Das kannst du mir glauben. Aber das war nicht der Fall, und ich habe ihr gegenüber auch nie ein Hehl daraus gemacht und nie falsche Hoffnungen in ihr geweckt.«
Zwischen den beiden Freunden war es jetzt eine ganze Zeit still. Schweigend sahen sie in den nächtlichen Garten hinaus. Lutz weilte in Gedanken noch immer in der Vergangenheit, und Dr. Hans Schirmer dachte an das, was der Freund ihm soeben mitgeteilt hatte. Das alles war nicht neu für ihn gewesen, aber so offen hatte Lutz bis jetzt noch nie darüber gesprochen. Dr. Hans Schirmer sah es als ein gutes Zeichen an.
Von der großen Terrassentür kam ein leises Klirren, sodass beide Herren aus ihren Gedanken aufschreckten und gleichzeitig zur Tür sahen.
Es war die junge Amerikanerin Mona Hunt, die gerade die Terrasse betrat und dabei ihr Sektglas auf ein Tischchen gestellt hatte. Lächelnd kam sie nun auf die beiden Freunde zu, die sich erhoben.
»Wie ich sehe, schöpfen Sie hier draußen auch ein bisschen frische Luft, Herr Dr. Schirmer. Es ist sehr heiß in den Räumen.« Das Lächeln, das bei diesen Worten auf Monas Gesicht lag, war bezaubernd. Es war ein sehr feines Lächeln, das fast nur in den Augen zu sehen war.
»Ja, hier draußen ist es sehr angenehm«, sagte. Dr. Hans Schirmer. »Darf ich Ihnen meinen Freund, Lutz von Gützow, vorstellen? Er ist wie Sie ein Liebhaber edler Pferde und züchtet sie auch auf seinem Gut.«
»Wirklich? Verkaufen Sie Ihre Pferde auch?« Mit einer sehr graziösen Bewegung streckte Mona Hunt ihre Hand aus, die Lutz von Gützow nach einem kaum merklichen Zaudern ergriff.
Sie hat in der Tat grüne Augen, dachte er beklommen. Unwahrscheinlich schöne Augen. Aber fast noch mehr als von diesen Augen wurde er von der natürlichen Grazie dieser Frau angezogen. Sie war klein und ungewöhnlich zierlich und schmal. Man hatte bei ihrem Anblick den Wunsch, sie zu beschützen.
»Ja, ich verkaufe auch meine Pferde«, sagte er gepresst. Seine Stimme kam ihm dabei selbst fremd vor. »Leider«, fügte er mit einem kleinen Lächeln hinzu, das ihm selbst gar nicht bewusst war, das aber Dr. Hans Schirmer sehr befriedigt registrierte.
»Ich verstehe«, erwiderte Mona Hunt und sah ernst zu ihm auf. »Ich stelle es mir auch sehr schwer vor, sich von den edlen Tieren trennen zu müssen, wenn man beobachten konnte, wie sie sich entwickelten. Darf ich mir ihre Pferde einmal ansehen, Herr von Gützow? Ich möchte mir gern hier in Deutschland ein Pferd kaufen, denn ich habe die Absicht, ein Jahr bei Verwandten zu bleiben. Vielleicht wissen Sie, dass die Familie meiner Mutter aus Deutschland stammt. Deshalb auch mein recht gutes Deutsch.«
»Sie sprechen Deutsch wie Ihre Muttersprache.«
»Danke!« Sie sah lächelnd zu ihm auf. »Ich weiß, dass ich noch etwas lernen muss. Darf ich also einmal in den nächsten Tagen bei Ihnen vorbeikommen, Herr von Gützow? Sie können mir ruhig ein Pferd verkaufen. Ich weiß damit umzugehen und möchte es später mit in die Staaten nehmen.« Mona Hunt hatte das in einem leichten Plauderton gesagt, aber ihre Augen blickten sehr ernst zu Lutz auf.
»Ihr Besuch ist mir jederzeit willkommen«, sagte Lutz von Gützow. Erst später, als er mit seinem Freund wieder allein war, kam ihm zu Bewusstsein, dass er die Wahrheit gesprochen hatte. Jederzeit würde er sich über den Besuch der jungen Amerikanerin freuen. Und während er das dachte, hatte er das Gefühl, etwas unsagbar Schönes geschenkt bekommen zu haben. Etwas, was er sich zeit seines Lebens gewünscht hatte.
*
Die kleine Lilian Ondara holte mit ernsthaftem Gesicht ihre Puppen und den großen Teddy aus ihrer Spielecke hervor und lief damit in das kleine Wohnzimmer. Dort setzte sie ihre Puppen liebevoll der Reihe nach auf die Couch. Sie war eine sehr besorgte kleine Puppenmutter, denn die Puppen ersetzten ihr, wie allen Kindern, die viel allein sind, die Spielkameraden.