Der Mathematikverführer - Christoph Drösser - E-Book

Der Mathematikverführer E-Book

Christoph Drösser

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Beschreibung

Mathematik für alle Lebenslagen! Wie findet Frau den Traumprinz? Und wie viel muss Mann aus der Bierdose trinken, damit sie am Strand nicht umkippt? Sind DNA-Tests wirklich sicher? Liegt Goethes Atem noch in unserer Luft? - Doch, das alles kann man ausrechnen! Bestsellerautor Christoph Drösser («Stimmt´s?») erklärt gängige Rechenverfahren anhand von spannenden und überraschenden Alltagsgeschichten. Ein pfiffiges Buch für Mathe-Fans und Mathe-Muffel. Mathematik muss kein nerviges und sperriges Zahlenwerk sein, mit dem sich Schüler, Lehrer, Eltern und wir alle immer wieder abquälen – eigentlich kommen ihre Grundlagen ja aus dem praktischen Alltagsleben, und die Beschäftigung damit kann richtig Spaß machen. Das beweist Christoph Drösser in diesem Buch. Viele der grundlegenden mathematischen Verfahren und Operationen sind einmal entstanden, um ganz praktische Probleme zu lösen. Christoph Drösser nutzt dies aus und erklärt gängige Rechenverfahren wie den Dreisatz, die Bruchrechnung oder die Wahrscheinlichkeitsrechnung anhand von einleuchtenden und oft überraschenden Alltagsbeispielen.

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Seitenzahl: 244

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Christoph Drösser

Der Mathematikverführer

Zahlenspiele für alle Lebenslagen

Inhaltsverzeichnis

Widmung

KEINE ANGST VOR GROSSEN ZAHLEN

ODER SECHS MOLEKÜLE VON GOETHEWie viele Hartz-IV-Empfänger ließen sich für den Preis eines Eurofighters ein Jahr lang mit dem Regelsatz versorgen? 180, 1800 oder 18000? Das auszurechnen ist gar nicht so schwer – und hilft, politisch wie finanziell, ein Gefühl für Größenordnungen zu entwickeln.

DER TANKSTELLENMÖRDER

ODER EIN BEDINGT WAHRSCHEINLICHER TÄTERMord an der B 91. Und kaum verwertbare Spuren – bis auf das Blut unter den Fingernägeln des Opfers. Volltreffer! Eine DNA-Analyse überführt den vorbestraften Matthias Bernsdorf als Täter. Mit «an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit». Aber reicht das aus? Wie zuverlässig ist eigentlich der Gentest? Über Statistik und Polizeiarbeit.

IN DREI SCHRITTEN ZUM ERFOLG

ODER AUCH GENIES KÖNNEN IRRENViele tun sich schwer, aus einem Endpreis die Mehrwertsteuer «rauszurechnen». Das ist nämlich ein Dreisatz. Und an einer solchen Dreisatz-Rechnung ist sogar schon einmal eine Frau gescheitert, Marilyn vos Savant, die als intelligenteste Frau der Welt gilt. Sie hatte sich mit Hühnern vertan. Aber das war in Wahrheit eine Denksportaufgabe.

DURCHSCHNITTSVERDIENER

ODER AB DURCH DIE MITTEGehaltsverhandlungen in der Firma Bauner Elektronik. Die Mitarbeiter verdienen im Schnitt 2850 Euro. Zu wenig, findet der Betriebsrat und fordert Nachbesserung. Denn der Durchschnittsverdienst in der Branche liegt bei 3000 Euro. Doch was genau beschreibt der Durchschnitt eigentlich? Verdient der «typische» Mitarbeiter bei Bauner 2850 Euro? Nein, die meisten bekommen deutlich weniger.

DAS HEIRATSPROBLEM

ODER … OB SICH NICHT DOCH WAS BESSERES FINDETMarina ist eine begehrenswerte Frau. Gerade hat Karsten ihr einen Heiratsantrag gemacht. Ganz romantisch. Doch Marina zögert. Nicht zum ersten Mal. Es könnte ja noch ein Besserer kommen. Klarer Fall von Traumprinz-Syndrom, meint ihre Freundin. Dabei lässt sich die Wahrscheinlichkeit sogar berechnen, welcher Bewerber aus einer bestimmten Anzahl von Interessenten der beste sein dürfte. Eine mathematische Liebeshilfe.

DER ERRECHNETE WAHLSIEG

ODER WENIGER IST MANCHMAL MEHRDicke Luft in Hoppenstadt. Da wegen einer Gebietsreform die Wahlkreise neu zugeschnitten werden müssen, sieht die Bürgerpartei ihre Chancen schwinden. Da ist Kreativität gefordert. Denn es ist durchaus möglich, mit weniger Stimmen mehr Mandate zu erringen. Ebenso ist es möglich, durch zu viele Stimmen Mandate zu verlieren. Erklären kann das nur die Wahl-Mathematik.

DIE GEFÄLSCHTE SEMINARARBEIT

ODER BENFORDS SELTSAMES GESETZWenn man irgendeine Zeitung nimmt und alle darin notierten Zahlen heraussucht, von den Börsenkursen über den Wetterbericht bis zum Sport, dann beginnen 30 Prozent dieser Zahlen mit der Ziffer 1, 18 Prozent mit der Ziffer 2 und so weiter. Das heißt, die Ziffern sind ungleich verteilt. Das hat Frank Benford herausgefunden. Mit seinem Gesetz lassen sich gefälschte Seminararbeiten ebenso leicht erkennen wie geschönte Bilanzen.

FAIRPLAY

ODER EIN PERFEKTES SYSTEMFrank Burmeister kennt ein nahezu sicheres System, um beim Roulette zu gewinnen. Er setzt konsequent auf Schwarz und verdoppelt seinen Einsatz, wenn Rot fällt. Doch das nahezu Unwahrscheinliche passiert. Elfmal hintereinander bleibt die Kugel auf einer roten Zahl liegen. Frank Burmeister verliert über 10000 Euro – und hat etwas gelernt: über Erwartungswerte und das «Gesetz der Serie».

EIN MÖRDERISCHER GEHEIMBUND

ODER DER «GOLDENE SCHNITT»Hippasos gehört den Pythagoreern an, die das Erbe des längst verstorbenen Pythagoras ehren. «Alles ist Zahl», hatte dieser gelehrt, alle Verhältnisse in unserer Welt lassen sich durch ganze Zahlen ausdrücken. Aber Hippasos hat herausgefunden, dass das nicht stimmt, und dabei die irrationalen Zahlen entdeckt, zum Beispiel das «schöne» Phi, auch bekannt als «Goldener Schnitt».

FRAUENFRAGEN

ODER MEHR IST MANCHMAL WENIGERDie Frauenbeauftragte der Erlanger Hochschule für Übersetzungswesen ist alarmiert. Die neuesten Zulassungszahlen belegen nachdrücklich, dass Frauen bei der Auswahl benachteiligt werden. Nur 31 Prozent der weiblichen Bewerber wurden angenommen, gegenüber 47 Prozent bei den Männern. Aber in jedem einzelnen Fachbereich wurden prozentual mehr Bewerberinnen zugelassen. Ein Paradox namens Simpson.

MÄNNERPHANTASIEN

ODER BIER, BEINE UND ANDERE EXTREMEFrühlingserwachen am Elbstrand. Kolja und Jens genießen die ersten Sonnenstrahlen und die ersten Frauenbeine der Saison. Wenn nur die im Sand abgestellte Bierdose nicht immer umkippen würde. Wann die Dose den sichersten Stand hat und aus welcher Entfernung man ein Frauenbein am besten in den Blick nehmen kann, hilft die Analysis herauszufinden. Aber Vorsicht! Das sind «Extremwertaufgaben».

ZEIT IST GELD

ODER EIN VERLOCKENDES ANGEBOTDie Beraterin der Sparbank, Frau Weichmann, bietet sagenhafte Konditionen. Aber welche der verlockenden Varianten – «klassisch», «geradlinig» oder «dynamisch» – ist tatsächlich die beste? Um das herauszufinden, gilt es, zwischen linearem, quadratischem und exponentiellem Wachstum zu unterscheiden. Im Endeffekt ist das exponentielle Wachstum unschlagbar. Das musste auch der Viktoriasee erfahren.

ROUTENPLANUNG

ODER MINISTER AUF REISENAußenminister sind viel unterwegs. Wie aber findet man für eine Antrittsreise in neun Städte den kürzesten Weg? Prinzipiell ist es einfach, das sogenannte Problem des Handlungsreisenden zu lösen, aber tatsächlich ist es schwieriger als erwartet. Für eine Rundtour durch neun Städte beispielsweise gibt es 20160 mögliche Routen. Da ist der Routenplaner schnell überfordert und eine Optimierungsstrategie gefragt.

IN DEN STRASSEN VON MANHATTAN

ODER PYTHAGORAS VOR GERICHTIn der Nähe einer Schule wird ein Drogendealer festgenommen. Aber wie nah genau? Denn davon hängt ab, ob sein Verbrechen vor Gericht als «besonders schwerer Fall» gilt. Anstatt vor Ort nachzumessen, genügt der Staatsanwältin ein Stadtplan und der Satz des Pythagoras – der vielleicht bekannteste Satz der Mathematik.

KLINGENDE MATHEMATIK

ODER DER JOHANN-SEBASTIAN-CODEAls der Musiktheoretiker Andreas Werckmeister eine neue Art der Klavierstimmung entwickelte, war Johann Sebastian Bach begeistert und schrieb gleich ein ganzes Klavierwerk für die «wohltemperierte» Stimmung. Und nicht nur das. Auf dem Titelblatt seines Werkes, das will der Pianist Bradley Lehmann 2005 herausgefunden haben, hat er zugleich den mathematischen Code für diese Stimmung festgehalten.

ALLES FLIESST?

ODER BANKRÄUBER IM STAU55000 Euro in kleinen Scheinen auf der Rückbank des gestohlenen BMW– und nichts geht mehr. Manni und Harry stehen im Stau, während die Polizei übers Radio schon die Fahrzeugbeschreibung durchgibt. Ja, der Verkehrsfluss ist scheinbar unberechenbar – und lässt sich doch berechnen. Zwar sind lineare Gleichungssysteme und Extremwertaufgaben nicht ohne – aber das Ergebnis ist äußerst überraschend.

KREISQUADRIERER

ODER WAHRHEIT PER GESETZ5. Februar 1897. Im Abgeordnetenhaus des US-Bundesstaates Indiana wird heftig debattiert. Von der Quadratur des Kreises ist die Rede und davon, dass ein neuer, korrekter Wert für Pi gesetzlich festgelegt werden soll. Aber wissen die Abgeordneten überhaupt, wovon sie da reden? Nein, sie sind dem «Kreisquadrierer» Edwin J.Goodwin auf den Leim gegangen. Und die Goodwins dieser Welt sind immer noch nicht ausgestorben.

ANHANG

MERKSACHEN

AUSGERECHNET: LÖSUNGEN

QUELLENANGABEN

INDEX

For Andrea,

my lucky number

DER TANKSTELLENMÖRDER

ODER EIN BEDINGT WAHRSCHEINLICHER TÄTER

Die Nachricht braucht zwei Stunden, um in der rheinischen Kleinstadt die Runde zu machen. «Haben Sie das mit der Inge Herkenbusch schon gehört? So ein nettes Mädchen.» Am nächsten Morgen titelt die Lokalzeitung: «Der letzte Kunde zahlt mit Mord.»

Die Zeitung geht bei der Lagebesprechung am späten Vormittag herum. Detlef Behnke, Leiter der Mordkommission, hat mit den Seiten die Überschwemmung rund um die übergelaufene Kaffeemaschine aus dem Baumarkt getrocknet. Die Seiten riechen besser, als dass sie sich entziffern lassen.

Jeder Kollege trägt seine Ergebnisse vor. Inge Herkenbusch, 28Jahre, tritt um 20Uhr ihren Nachtdienst in der Freien Tankstelle an der B 91 an. Feierabend wäre um 4Uhr morgens gewesen. Die vielbefahrene Bundesstraße – beliebt als Ausweichstrecke der Autobahn – führt in Sicht- und Hörweite an der Stadt vorbei. Um 2.15Uhr will ein Autofahrer seine 50Liter Super plus bezahlen, er findet den Verkaufsraum menschenleer vor. Erst zwei oder drei Minuten später tritt er so dicht an die Kasse heran, dass er die Leiche hinter dem Tresen entdeckt. Über Handy alarmiert er die Polizei.

Das Opfer ist erwürgt worden. Die Kasse ist leer, der Autofahrer, der die Leiche fand, hat in einer übereifrigen Aktion in Anwesenheit der Beamten seine Taschen geleert. Er wollte seine Unschuld beweisen und zerstörte dabei womöglich wertvolle Spuren am Tatort. Beim folgenden Streit mit den Beamten lässt sich der Autofahrer zu Bemerkungen hinreißen, die einer der Polizisten als eine auf sich gemünzte Beleidigung empfindet. Ein Verfahren dürfte folgen.

«Bleiben Sie beim Thema», mahnt Kommissar Behnke.

Im Kassencomputer hat Inge Herkenbusch seit Dienstantritt 34Buchungen gespeichert. 28-mal ist getankt worden, davon einmal Gas. Die restlichen Buchungen betreffen Lebensmittel, Süßigkeiten (10Rollen Mentos-Dragees der Geschmacksrichtung «fruit»!) und Zigaretten. 20-mal wurde mit Karte bezahlt, das wird von den Fahndern zurzeit abgeglichen. Die letzte Buchung stammt von 1.03Uhr.

Wenn der Täter ein Tank-Kunde war, kann er an diesem Vormittag Hunderte von Kilometern entfernt sein oder das Ausland erreicht haben. Oder hat er nur Zigaretten gekauft? Dann könnte er in der Umgebung wohnen.

«Das ist eine müßige Diskussion», schneidet Behnke die Spekulationen seiner Mitarbeiter ab. «Wie viele Mörder hatten wir in den letzten Jahren, die vor dem Mord noch ordentlich bezahlt haben?»

Kollegin Benz mit dem Elefantengedächtnis hebt die Hand. Behnke übersieht das.

Die Spurensicherung ist bei der Arbeit. Alle bisher ausgewerteten Abdrücke an Kasse und Tresen stammen vom Mordopfer und von Kollegen – sowie von dem übereifrigen Autofahrer. Gerade als die Runde wieder in Auflösung begriffen ist, kommt Jungkommissar Hufnagel herein, seinen abgestoßenen Kaffeebecher mit der Aufschrift «I Love Justice» in der rechten Hand. Hufnagel hat sich im Umfeld der Herkenbusch umgehört. Deren Zwei-Zimmer-Wohnung beschreibt er als piefig, zugebaut und mit acht Kissen auf dem Sofa. Inges Lebensgefährte, vier Jahre jünger und auffallend mager, erlitt einen Schock und ist noch nicht vernehmungsfähig.

«Hätte er die Kissen vor das Sofa gelegt und nicht darauf, hätte er sich nicht so wehgetan, als er kollabierte», berichtet Hufnagel mitleidlos. Vor dem Kollaps konnte der Lebensgefährte noch mitteilen, dass Inge am Vorabend wie gewohnt mit ihrem Opel Corsa zur Arbeit gefahren sei. Niemand habe sie bedroht, auch sonst habe es keinen Ärger gegeben.

«Die führten ein Leben wie ein altes Ehepaar», erzählt Hufnagel. «Ohne Höhen, ohne Tiefen, ohne Dramen, ohne Ehrgeiz, ohne Phantasie.»

«Das sind die Fassaden, hinter denen Abgründe lauern», behauptet die Benz. Sie muss es wissen, sie stammt aus solchen Verhältnissen.

Alle Nachbarn berichten nur Gutes über das Mordopfer. Ein Nebenbuhler? Unmöglich. Schulden? Dunkle Geschäfte? Aber doch nicht die Inge.

Behnkes Leute schwärmen aus, er selbst wartet auf das Ergebnis der gerichtsmedizinischen Untersuchung. Am frühen Nachmittag meldet sich Horst Schlächter, Spezi des Kommissars seit vielen Jahren. «Auch schlechten Menschen lacht bisweilen das Glück», dröhnt Schlächter am Telefon. «Ich habe hier einen Volltreffer. Es ist nicht zur Vergewaltigung gekommen, das Opfer hat sich gewehrt, heftig gewehrt. Unter den Fingernägeln haben wir Blut gefunden, genug für eine DNA-Analyse.»

«Horst, habe ich dir schon mal gestanden, dass ich mit niemandem so gern telefoniere wie mit dir?»

«Warte ab, es kommt noch besser. Das Ergebnis habe ich mit unserer bundesweiten Datenbank für Sexualstraftäter abgeglichen.»

«Bingo?»

«Bingo! Matthias Bernsdorf, 43Jahre, vorbestraft wegen Vergewaltigung. Hat fünf Jahre abgesessen und ist seit zwei Jahren wieder draußen. Weinst du?»

«Wenn du die Adresse hast, werde ich es tun.»

Matthias Bernsdorf ist in Köln gemeldet. Auf der Fahrt dorthin hört sich der Kommissar die Schwärmereien des jungen Wachtmeisters über die CSI-Serien im Fernsehen an. Er kennt alle drei auswendig und erklärt langatmig, warum er die aus Las Vegas am liebsten mag. Aus seinen bevorzugten Ermittlern hat er sich eine ganz persönliche CSI-Version zusammengebaut, die nur aus Frauen besteht.

«Hört sich mehr nach Erotikthriller an», wirft Behnke desinteressiert dazwischen.

Der Wachtmeister hält das nicht für einen Vorwurf. «Ich liebe es, wenn alles zusammenkommt», schwärmt er. «Die gute alte Ermittlungsarbeit mit der Faust, und auf der anderen Seite das Labor mit dem geilen blauen Licht, Pipette und das Strichmuster auf dem Gel-Streifen. Gerechtigkeit ist cool.» Er findet auch den Plan cool, die DNA aller Deutschen zu sammeln, zur Not per Zwangsgesetz. Ein Schamhaar, eine Hautschuppe, ein Tropfen Blut oder Sperma am Tatort, und der Computer spuckt den Täter aus. Behnke teilt die Begeisterung des Youngsters nicht, behält seine Bedenken jedoch für sich, weil es ihn anstrengt, mit Fortschrittsgläubigen zu diskutieren.

Die Vorortsiedlung unweit der Autobahn erfüllt alle Klischees, ebenso das Hochhaus, ebenso Matthias Bernsdorf. Jogginganzug, Badelatschen, laufender Fernseher, die Wohnung ein Chaos, und Bernsdorf flattert die Bierfahne voran. Weil dieser Kandidat nicht der Typ für lockeren Smalltalk ist, kürzt der Kommissar die Sache ab: «Wo waren Sie gestern Nacht zwischen 0 und 2Uhr?»

«Sie meinen, nachdem ich aus der Oper raus und bevor ich im Casino aufgelaufen bin?» Bernsdorf lacht, es klingt nicht fröhlich. «Wo soll einer wie ich schon hin? Als vorbestrafter Vergewaltiger findest du seltsamerweise nur schwer Freunde. Und mit Hartz IV kannst du keine großen Sprünge machen.»

«Wird das jemand bezeugen?», fragt der Kommissar. «Wenn nicht, muss ich Sie bitten, mit uns auf die Wache zu kommen.»

«Aber was Sie mir vorwerfen, verraten Sie mir vorher doch noch, oder?»

«Sie werden verdächtigt, gestern Abend in Greversrath die Tankstellen-Kassiererin Inge Herkenbusch getötet zu haben.»

Bernsdorf ist verblüfft. Oder täuscht er Verblüffung vor? «Greversrath? Da war ich noch nie!», protestiert er. Der Wachtmeister tritt einen Schritt nach vorn, aber Bernsdorf leistet keinen Widerstand. Handschellen knacken, unterwegs sagt der Verhaftete: «In so einem noblen Wagen habe ich seit Jahren nicht gesessen.»

Kommissar Behnke ist ein guter Fahnder. Er hat gelernt, seinen Gefühlen zu trauen. Und ein Gefühl sagt ihm auf der Rückfahrt, dass die Verblüffung von Bernsdorf echt war. Prompt gesellt sich zum Gefühl ein handfestes Argument: Der Mann mit der Bierfahne wurde nie wegen Raub oder Diebstahl bestraft. Sein Vergewaltigungsopfer war eine 17-Jährige aus dem Bekanntenkreis – das Muster der Tat passt nicht zum Mord in der Tankstelle.

Nachdem er Bernsdorf abgeliefert hat, besucht Behnke seinen Spezi Schlächter. Der Gerichtsmediziner winkt sofort triumphierend mit seinem Bericht. «Wenn das so weitergeht, seid ihr bald überflüssig», ruft er in seiner poltrigen Art.

Behnke blättert die Seiten durch und murmelt: «Natürlich bin ich starr vor Ehrfurcht im Angesicht von so viel wissenschaftlicher Beweiskraft. Aber du weißt, dass ich meine Probleme mit 100Prozent habe.»

Hinter Schlächter steht eine Espressomaschine. Schweizer Fabrikat, vierstelliger Preis. Behnke bemüht sich, nicht hinzusehen. Neid ist ein starkes Gefühl.

«Dieser Test der Firma Bionconvict, den wir seit neuestem hier haben, ist wirklich ein Knaller», schwärmt Schlächter.

«Bauen die auch Kaffeemaschinen?»

«Kaffeemaschinen? Nicht dass ich wüsste.»

«Dann erzähl weiter.»

«Wenn zwei Proben dasselbe DNA-Profil besitzen, erkennt der Test das praktisch mit Sicherheit. Umgekehrt, wenn die Profile verschieden sind, zeigt der Test nur in 0,001Prozent der Fälle eine Übereinstimmung an – das ist einer von 100000.»

«Klingt wirklich beeindruckend», erwidert Behnke. «Aber du sprichst immer von ‹DNA-Profil›. Kann es nicht sein, dass zwei Menschen ein identisches Profil haben? Dann würden wir eventuell einen Unschuldigen hinter Gitter bringen.»

«Das kommt tatsächlich vor», gibt Schlächter zu, «aber das ist noch seltener. Die Wahrscheinlichkeit, dass das DNA-Profil eines beliebigen Mannes mit der Probe vom Tatort übereinstimmt, liegt bei 0,0001Prozent. Das heißt: einer von einer Million. Nein, nein, du kannst 100-prozentig sicher sein, dass wir den Richtigen am Haken haben. Na gut, sagen wir zu 99,99Prozent, mit ein paar weiteren Neunen hinter dem Komma.»

STATISTIK ODER POLIZEIARBEIT? Dennoch ist Behnke nicht restlos überzeugt. Und der Kommissar tut gut daran zu zweifeln. Denn tatsächlich sind die beeindruckenden Zahlen des Gerichtsmediziners zunächst einmal nicht viel mehr als statistisches Blendwerk. Aus der «fast» 100-prozentigen Trefferquote folgt «fast» gar nichts. Es fehlt nämlich noch eine wichtige Größe, und die lässt den Fahndungserfolg in einem ganz anderen Licht erscheinen.

Ein einfacheres Beispiel aus der Polizeipraxis kann helfen, das Problem mit der «bedingten Wahrscheinlichkeit» zu erläutern: Ein Tourist beobachtet nachts in einer fremden Stadt, wie ein Taxifahrer ein parkendes Auto beschädigt und Unfallflucht begeht. Er gibt bei der Polizei an, ein blaues Taxi erkannt zu haben. Da es in der Stadt nur zwei Taxiunternehmen gibt, eines mit blauen und eines mit grünen Autos, fällt der Verdacht sofort auf den Unternehmer mit den blauen Taxis. Aber die Polizisten wollen wissen, ob sie ihrem Zeugen trauen können. Schließlich war es dunkel, und da kann man blau und grün schon einmal verwechseln. Also führen sie am nächsten Abend unter ähnlichen Sichtverhältnissen einen Test mit dem Zeugen durch. Das Ergebnis: Mit jeweils 80-prozentiger Sicherheit identifiziert er grüne und blaue Wagen. Diese 80Prozent sind für den Richter ein hinreichender Beweis, er verurteilt den Taxiunternehmer.

Ist das korrekte Statistik? Nein. Denn bei der Rechnung wurde nicht berücksichtigt, dass es in der Stadt 25 grüne, aber nur 5 blaue Taxis gibt. Wenn man nun die Anzahl der Taxis mit der Trefferquote des Zeugen in Verbindung bringt, lässt sich das Ergebnis in einer sogenannten Vier-Felder-Tafel darstellen:

Entsprechend dem Sehtest, den die Polizei gemacht hat, irrt sich der Zeuge in 20Prozent aller Fälle. Er bezeichnet also eines von den 5 blauen Autos als grün und 5 von 25 grünen Autos als blau. Wenn man nun alle 30Taxis vorfahren lässt, dann wird – statistisch gesehen – der Zeuge 9-mal ein blaues erkennen. Aber in 5 von diesen 9Fällen ist das Auto in Wahrheit grün! Wenn keine weiteren Indizienaussagen vorliegen, dann muss man die Aussage unseres Zeugen also als wertlos betrachten. Was von der Aussage eines Zeugen zu halten ist, können wir nicht schon aus seiner Wahrnehmungsfähigkeit (80Prozent Trefferquote) schließen. Für medizinische Tests heißt das entsprechend: Wenn ein Test auf Brustkrebs oder Aids oder BSE positiv ist, dann kann man diese Aussage nur beurteilen, wenn man weiß, wie verbreitet diese Krankheiten unter den Menschen oder Tieren eines Landes sind (für Aids und Brustkrebs ist das einigermaßen bekannt, für BSE überhaupt nicht). Wenn eine Krankheit sehr selten ist, dann wird auch bei sehr guten Tests die Mehrheit der positiv Getesteten in Wirklichkeit gesund sein. Im Falle des Tankstellenmords heißt das, dass die Beweiskraft der DNA-Analyse erst zu beurteilen ist, wenn die Gesamtheit der potenziell Verdächtigen bekannt ist. Im Prinzip kommt jeder Mann in Frage, der zur Tatzeit am Tatort hätte sein können. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass er aus der näheren Umgebung von Greversrath stammt – auf der vielbefahrenen Bundesstraße sind auch viele auswärtige Autos unterwegs. Nehmen wir hier beispielhaft einmal an, der Kreis der Verdächtigen bestehe aus 10Millionen Männern (so viele wohnen vielleicht in einem Umkreis von 200Kilometern um den Tatort).

Das Ergebnis lässt sich wieder mit der Vier-Felder-Tafel darstellen. Wie viele der 10Millionen werden ein DNA-Profil haben, das mit dem am Tatort identisch ist? Zunächst mal natürlich der Täter selber. Zusätzlich aber gibt es noch zehn weitere Männer, die dasselbe Profil haben, denn «einer von einer Million», wie Horst Schlächter erklärt hat, kann ein identisches Profil aufweisen. Und weil der DNA-Test diese Übereinstimmung mit praktisch 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit erkennt, können wir alle diese 11Männer als positiv getestet eintragen. In die zweite Zeile kommen alle Männer, deren DNA-Profil verschieden ist von dem am Tatort gefundenen. Durch die 0,001-prozentige Fehlerquote wird aber einer von 100000Verdächtigen trotzdem positiv getestet, das sind bei knapp 10Millionen Männern 100Personen. Die restlichen bekommen das korrekte Ergebnis «nicht identisch».

Das frappierende Resultat: Würden wir alle 10Millionen Männer testen, so würde der Test 111-mal eine Übereinstimmung der DNA-Proben feststellen – bei einem Schuldigen und 110Unschuldigen!