das große Finale - Michaela Dornberg - E-Book

das große Finale E-Book

Michaela Dornberg

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Beschreibung

Im Sonnenwinkel ist eine Familienroman-Serie. Schauplätze sind der am Sternsee gelegene Sonnenwinkel und die Felsenburg, eine beachtliche Ruine von geschichtlicher Bedeutung. Mit Michaela Dornberg übernimmt eine sehr erfolgreiche Serienautorin, die Fortsetzung der beliebten Familienserie "Im Sonnenwinkel". Michaela Dornberg ist mit ganzem Herzen in die bezaubernde Welt des Sonnenwinkels eingedrungen. Sie kennt den idyllischen Flecken Erlenried und die sympathische Familie Auerbach mit dem Nesthäkchen Bambi. Das konnte jetzt wirklich nicht wahr sein. Nicki hatte seit gefühlten Ewigkeiten nichts mehr von Franziska Belani gehört, sie nicht gesehen. Und ausgerechnet jetzt rief sie an, unpassender konnte es überhaupt nicht sein. Sie mochte Franziska sehr gern, doch diesen Anruf jetzt konnte Nicki überhaupt nicht gebrauchen. Davon allerdings ahnte Franziska nichts, die sofort munter zu plaudern begann: »Nicki, wie du gewiss von deiner Freundin, der Frau Doktor, bereits weißt, sind meine Tage im Sonnenwinkel gezählt, sitze ich praktisch bereits auf gepackten Koffern. Und da dachte ich, dass wir unbedingt noch etwas Zeit miteinander verbringen sollten. Wenn du magst, dann können wir jetzt ein wenig plaudern, und dabei können wir uns direkt auch verabreden. Ich richte mich da vollkommen nach dir, denn schließlich hast du ja diese entzückende kleine Tochter, die natürlich immer Priorität haben muss.« Franziska wollte weiterreden, doch Nick unterbrach sie sofort. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte sie gern mit diesem Opernstar geplaudert, jetzt ging es wirklich nicht. »Franziska, ich habe gerade Besuch, deswegen passt es jetzt nicht, aber natürlich möchte ich mich gern mit dir treffen. Ich rufe dich an, ja? Dann können wir uns verabreden.« Franziska war enttäuscht, sie hatte sich auf ein Telefonat mit Nicki gefreut, einmal, weil sie Nicki wirklich sehr gern mochte, andererseits allerdings, weil sie ziemliche Langeweile hatte. Der Sonnenwinkel war niemals ein Sehnsuchtsort von ihr gewesen, und jetzt, da feststand, dass sie ihn bald verlassen würde, hatte sie auch überhaupt keine Lust mehr, sich umzusehen, Leute kennenzulernen. »Schade, Nicki«, erwiderte sie, »ruf mich an, sobald du Zeit und Lust hast.« »Ja, werde ich tun, ich freue mich darauf, dich endlich wieder mal zu treffen, Franziska.« Sie verabschiedeten sich voneinander, Nicki legte das Telefon weg, am liebsten hätte sie es ganz ausgestellt, um nicht noch einmal gestört zu werden. Aber das war doch wieder einmal so typisch, so etwas geschah, wenn man nicht damit rechnete und wenn man es nicht brauchte.

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Der neue Sonnenwinkel – 100 –

das große Finale

Ein geliebter Ort nimmt Abschied

Michaela Dornberg

Das konnte jetzt wirklich nicht wahr sein. Nicki hatte seit gefühlten Ewigkeiten nichts mehr von Franziska Belani gehört, sie nicht gesehen. Und ausgerechnet jetzt rief sie an, unpassender konnte es überhaupt nicht sein. Sie mochte Franziska sehr gern, doch diesen Anruf jetzt konnte Nicki überhaupt nicht gebrauchen.

Davon allerdings ahnte Franziska nichts, die sofort munter zu plaudern begann: »Nicki, wie du gewiss von deiner Freundin, der Frau Doktor, bereits weißt, sind meine Tage im Sonnenwinkel gezählt, sitze ich praktisch bereits auf gepackten Koffern. Und da dachte ich, dass wir unbedingt noch etwas Zeit miteinander verbringen sollten. Wenn du magst, dann können wir jetzt ein wenig plaudern, und dabei können wir uns direkt auch verabreden. Ich richte mich da vollkommen nach dir, denn schließlich hast du ja diese entzückende kleine Tochter, die natürlich immer Priorität haben muss.«

Franziska wollte weiterreden, doch Nick unterbrach sie sofort. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte sie gern mit diesem Opernstar geplaudert, jetzt ging es wirklich nicht. »Franziska, ich habe gerade Besuch, deswegen passt es jetzt nicht, aber natürlich möchte ich mich gern mit dir treffen. Ich rufe dich an, ja? Dann können wir uns verabreden.«

Franziska war enttäuscht, sie hatte sich auf ein Telefonat mit Nicki gefreut, einmal, weil sie Nicki wirklich sehr gern mochte, andererseits allerdings, weil sie ziemliche Langeweile hatte. Der Sonnenwinkel war niemals ein Sehnsuchtsort von ihr gewesen, und jetzt, da feststand, dass sie ihn bald verlassen würde, hatte sie auch überhaupt keine Lust mehr, sich umzusehen, Leute kennenzulernen.

»Schade, Nicki«, erwiderte sie, »ruf mich an, sobald du Zeit und Lust hast.«

»Ja, werde ich tun, ich freue mich darauf, dich endlich wieder mal zu treffen, Franziska.«

Sie verabschiedeten sich voneinander, Nicki legte das Telefon weg, am liebsten hätte sie es ganz ausgestellt, um nicht noch einmal gestört zu werden. Aber das war doch wieder einmal so typisch, so etwas geschah, wenn man nicht damit rechnete und wenn man es nicht brauchte.

»Tut mir leid«, entschuldigte Nicki sich, »eine Freundin«, was nicht so ganz stimmte. Franziska war eine Bekannte und noch nicht einmal eine gute. Doch das musste sie ihm jetzt wahrhaftig nicht erklären.

»Eigentlich muss ich mich entschuldigen«, bemerkte Christopher Klingenberg. »Ich bin einfach unangemeldet hier hereingeplatzt. Ich habe mich bewusst nicht angemeldet, weil ich Angst hatte, abgewiesen zu werden. Ich habe viel zu lange gezögert, jetzt ist es an der Zeit, das … mein Chaos zu beenden.«

Nicki verspürte, warum auch immer, plötzlich ein ganz ungutes Gefühl, und deswegen sagte sie rasch: »Sie wollten mir von Vera erzählen … über das reden, was sie Ihnen unbedingt erzählen wollte.«

Ja, das wollte er wirklich, ehe Franziskas Anruf hereingeplatzt war. Aber es schien etwas zu sein, was ihm nicht gefiel, denn eine leichte Nervosität machte sich bei ihm breit, er trank etwas, und diesmal war es nicht zu übersehen, dass er das tat, um ein wenig Zeit zu gewinnen.

Er konnte nicht ewig trinken, sich auch nicht am Glas festhalten. Entschlossen stellte er es ab.

»Vera fragte, wie ich es fände, wenn wir ein Kind bekämen, und meine spontane Antwort darauf war: ›unpassend.‹

Ich bemerkte nicht ihre Enttäuschung, ich war müde, abgespannt, war in Gedanken noch bei meiner Arbeit. Ich kann mich nicht daran erinnern, was sie darauf gesagt hat, aber ich war einfach nur genervt und ranzte sie an, sie möge doch nicht über ein Thema sprechen, das in unserer Beziehung keinerlei Relevanz besäße. Ich wollte es beenden und sagte deswegen, dass sie irgendwann zu einem späteren Zeitpunkt noch mal darauf zurückkommen könne, augenblicklich wäre der Gedanke, ein plärrendes Kind um mich herum zu haben, geradezu unerträglich, doch glücklicherweise sei das ja nicht der Fall.«

Nicki ahnte, was kommen würde, und sie wollte da jetzt nicht zu tief hineingehen, weil sie der armen Vera ja doch nicht mehr helfen könnte.

Er trank noch etwas von seinem Wasser, ein wenig lustlos, wie es schien.

Und Nicki, wohl auch aus Angst davor, dass sich ihre Gedanken bestätigen würden, erkundigte sich: »Soll ich uns jetzt nicht doch einen Kaffee kochen?«

Dankbar schaute er sie an.

»Ja, das ist eine ganz wunderbare Idee.«

Nicki erhob sich sofort, froh, wenigstens vorübergehend den Raum zu verlassen, und während sie den Kaffee kochte, krampfte sich ihr Herz zusammen.

Er musste es nicht erst aussprechen!

Man konnte daran fühlen, dass er Olivias Vater war, und nun bekam alles auch einen Sinn, warum er immer wieder die Nähe der Kleinen gesucht hatte, nicht aus unlauteren Absichten, sondern weil sie seine Tochter war.

Nicki wurde es ganz übel zumute.

War er hier, um ihr die Kleine wegzunehmen?

Ihr wurde ganz übel bei dem Gedanken, aber nein, das ging doch überhaupt nicht, sie hatte Olivia ordnungsgemäß adoptiert. Doch konnte man eine Adoption rückgängig machen, wenn sich ein anderer Sachverhalt herausstellte?

Stopp!

In solche Gedanken durfte sie sich gar nicht erst verlieren.

Der Kaffee war fertig, und ihre Hand zitterte so stark, als die den in die bereitstehenden Becher einschenken wollte, dass sie kurzerhand die ganze Kanne mitnahm, die, die Tassen, Zucker und Sahne, weil sie nicht wusste, wie er seinen Kaffee trank, und dann stellte sie noch ein paar von Alma gebackene köstliche Kekse dazu. So etwas hatte sie jetzt immer im Haus, und das war sehr angenehm.

Als sie ins Wohnzimmer zurückkam, sprang er auf, um ihr das Tablett abzunehmen. Normalerweise hätte das Nicki mit viel Wohlgefallen registriert, jetzt hielt es sich in Grenzen, weil sie seine Absichten, seine wahren Absichten, noch nicht kannte.

Zunächst einmal waren sie abgelenkt, er übernahm es glücklicherweise, den Kaffee einzuschenken, dann stellte sie fest, dass er ihn schwarz trank. Er griff in die Keksschale, begann ihre Backkünste zu bewundern. Doch Nicki war ehrlich genug, ihm zu gestehen, dass sie für so etwas zwei linke Hände hatte, dass es da aber einen Engel gab, der sie mit all den Köstlichkeiten versorgte.

Es schien ihm nichts auszumachen, dass sie keine hausfraulichen Talente besaß, doch warum sollte es ihn denn auch interessieren. Wieder einmal musste sie feststellen, dass es nicht um sie ging, sondern um Olivia.

Das Gespräch begann in andere Themen abzugleiten. Unter anderen Umständen hätte Nicki es begrüßt, zumal man sich mit diesem Mann wirklich ganz wunderbar unterhalten konnte. Es ging nicht, sie war viel zu aufgeregt, und ganz egal, was sie erfahren würde, sie musste es schlucken, und sie wollte es auch wissen, und so brachte sie es auf den Punkt zurück.

»Wir sprachen über Vera, und wie ging es nun weiter?«, erkundigte sie sich.

Er zuckte die Achseln.

»Für mich eigentlich normal, ich muss allerdings zu meiner Entschuldigung nochmals betonen, dass ich damals wirklich neben mir stand, nur noch meine Ruhe haben wollte, zumal ein weiterer großer Auftrag hereinkam, der meine ganze Aufmerksamkeit erforderte. Als ich mich von Vera verabschiedete, schien die Welt vollkommen in Ordnung zu sein, allerdings war ich nicht wirklich aufmerksam. Wie auch immer, ich hatte kaum Zeit, mich bei ihr zu melden, wenn ich sie nicht erreichte, fand ich das nicht tragisch, und meine Mails …, dass ich darauf keine Antwort bekam, beunruhigte mich ebenfalls nicht. Als ich nach ein paar Wochen nach Hause kam, war Vera nicht daheim. Auch das beunruhigte mich nicht, ich packte meine Sachen aus, duschte mich, zog mir etwas Bequemes an. Von ihr war noch immer nichts zu sehen, und plötzlich kam mir die Wohnung leer und verlassen vor. Ich begann etwas zu ahnen, rannte zu ihrem Kleiderschrank, all ihre Sachen waren weg, auch die Schubladen der Truhe, in der sie Bekleidungsstücke untergebracht hatte, waren leer. Es begann mir zu dämmern … Vera hatte mich verlassen. Ich rief in ihrer Firma an, und dort erfuhr ich, dass sie ihren Job fristlos gekündigt hatte. Niemand konnte mir etwas von irgendwelchen Plänen verraten, und alle Nachforschungen, die ich anstellte, verliefen im Sande. Vera schien wie vom Erdboden verschluckt.«

Er macht eine kurze Pause, und Nicki unterbrach diese Pause auch nicht.

Seine Stimme wurde leiser.

»Irgendwann stellte ich meine Bemühungen ein, wurde sauer, weil sie sich einfach aus dem Staub gemacht hatte, was zu ihr so überhaupt nicht passte. Meine Arbeit füllte mich aus, aber ich konnte Vera nicht vergessen. Als es in meinem Job ruhiger wurde, weil ich keine Lust mehr darauf hatte, mich selbst in der Kurve zu überholen, nahm ich meine Bemühungen, sie zu finden, wieder auf. Natürlich macht man so etwas nicht unentwegt. Und wer weiß, vielleicht hätte ich irgendwann sogar ganz aufgehört, doch wie der Zufall es wollte, traf ich eine ihrer alten Freundinnen, die sich eine ganze Weile in Alaska aufgehalten hatte und erst jetzt wieder zurückgekehrt war. Die konnte mir einen Hinweis geben, und die erzählte mir auch von Veras Schwangerschaft«, er machte eine Pause, schluckte, seine Gedanken gingen in die Vergangenheit zurück. Auch wenn Nicki darauf brannte, mehr zu erfahren, hielt sie sich zurück, wartete gespannt. Was sich hier abspielte, war spannend wie ein Roman, dessen Ende sie allerdings ahnte, ohne ihn gelesen zu haben.

Irgendwann fuhr er mit leiser Stimme fort: »Diese Freundin war sehr hilfreich, sie half mir bei der Suche, und sie war es auch, die herausfand, dass Vera nach New York gegangen war, ausgerechnet New York«, seine Stimme nahm einen bitteren Klang an, »wohin sie nicht wollte, als wir noch zusammen waren.«

Er trank den Rest seines Kaffees, wollte sich neu einschenken, stellte fest, dass die Kanne leer war. Das nahm Nicki zum Anlass, aufzuspringen.

»Ich koche uns einen neuen Kaffee«, rief sie, und sie hoffte, man möge ihrer Stimme nicht anmerken, wie froh sie darüber war, den Raum kurz verlassen zu können.

»Danke, das ist eine gute Idee«, stimmte Christopher Klingenberg dankbar zu, und mit einem kleinen Lächeln fügte er hinzu, »vielleicht haben Sie ja auch noch von diesen köstlichen Keksen.«

Sie warf ihm einen Blick zu, und das hätte Nicki besser nicht getan, denn in ihr begann bereits ein winziger Schmetterling zu flattern. Verflixt noch mal, hatte sie den Verstand verloren? Sie war drauf und dran den Kerl anzumachen, der ihr noch eine ganze Menge Ärger bereiten konnte, das ahnte sie, ohne das Ende zu kennen.

Sie lächelte, dann sagte sie unverbindlich: »Gern, ich habe genug von den Keksen.«

Dann verließ sie das Wohnzimmer, und sie war sie ganz sicher, dass er sie mit seinen Blicken verfolgte. So, jetzt war es aber gut, ehe sie ganz den Verstand verlor, versuchte sie, ihre Gedanken in eine andere Richtung zu bringen.

Vera …

Das war ihr Rettungsanker, denn als sie an die dachte, waren auch all die vorwitzigen keinen Schmetterlinge alle verschwunden.

Sie kochte Kaffee, packte mit zitternden Fingern Kekse auf den Teller, diesmal fügte sie auch ein paar von einer anderen Sorte hinzu.

Nicki zuckte zusammen, als sie plötzlich Schritte hinter sich vernahm. Sie drehte sich um und schaute direkt in seine Augen hinein, warme Augen. Für einen Augenblick verloren sich ihre Blicke ineinander.

»Sie müssen nicht alles allein machen und mich bedienen, ich bin gekommen, um Ihnen zu helfen«, sagte er. Auch seine Stimme besaß einen sehr angenehmen Klang, über mehr wollte Nicki gar nicht erst nachdenken, sie würde an diesem Mann, diesem Christopher Klingenberg, nichts auszusetzen haben, weil er in ihr Beuteschema passte wie die Faust auf ein Auge.

Was für Gedanken kamen ihr da plötzlich in den Sinn!

Von denen musste sie sich augenblicklich befreien, um nicht noch mehr ins Strudeln zu geraten. Was sich da gerade in ihr abspielte, darüber durfte sie mit niemandem reden, nicht einmal mit ihrer allerbesten Freundin Roberta, vor der sie nicht das klitzekleinste Geheimnis hatte. Na ja, wenn sie ehrlich war, so ganz stimmte es nicht, hier und da behielt sie schon etwas für sich, aber nicht, um Roberta etwas zu verschweigen, sondern weil sie sie nicht verärgern wollte, wie beispielsweise, dass sie schon manchmal das Bedürfnis hatte, sich von jemandem einen Blick in die Zukunft werfen zu lassen. Das verstand Roberta nicht, würde sie niemals verstehen, weil sie überhaupt nichts von so etwas hielt.

»Sie haben ein sehr hübsches Haus«, bemerkte er, und sie antwortete, obwohl sie überhaupt nicht dazu verpflichtet war, ihm die Wahrheit zu sagen: »Es gehört meiner Freundin, Olivia und ich wohnen hier, weil es praktisch ist, ich finde den Sonnenwinkel furchtbar, früher wollte ich hier nicht einmal tot über dem Zaun hängen.«

»Wenn es so schlimm ist, warum sind Sie dann hergezogen?«, erkundigte er sich ein wenig irritiert.

Nicki hätte diese Frage am liebsten nicht beantwortet. Was war bloß in sie gefahren? Sie war dabei, sich um Kopf und Kragen zu reden. Aber nun hatte sie keine andere Wahl. Sie begann von dem Loft in der alten Fabrik zu sprechen, nein, sie schwärmte geradezu davon.

»Für mich war es ein Traum, und freiwillig hätte ich das nie verlassen, doch dann kam die Nachricht von dem New Yorker Anwaltsbüro, Vera wollte mir ihre Tochter anvertrauen …« Sie machte eine kurze Pause, jetzt überwältigt von Gefühlen, die allerdings nichts mit diesem Mann, der neben ihr stand, zu tun hatten.

Für einen Augenblick war es still im Raum, auch er sagte nichts, schaute sie an.

Nicki riss sich zusammen, sie war drauf und dran, ihm zu verraten, welche Gefühle in ihr waren, wie sie tickte, was alles mit ihr gemacht hatte. Da konnte sie ihm doch gleich ihren Lebenslauf vorlegen.

»Für ein kleines Mädchen war es kein Ort, um dort zu leben, glücklich zu sein. Für Olivia ist das hier ein sehr guter Platz, sie fühlt sich wohl im Haus, auch bei meiner Freundin, die hier eine niedergelassene Ärztin ist, und deren Haushälterin ist ein Goldstück, sie liebt Olivia über alles ….«, eigentlich wollte sie es nicht sagen, doch irgendwie kam es aus ihr heraus, »ich werde den Sonnenwinkel niemals lieben, spätestens wenn Olivia, ich nenne sie übrigens gern Liv, mit der Schule fertig ist, wenn sie mich nicht mehr braucht, dann bin ich hier weg.«

Er hatte herausgehört, dass sie den Sonnenwinkel nicht mochte.

»Sie haben für Olivia sehr viel aufgegeben, Sie scheinen sie sehr zu lieben«, bemerkte er gerührt.

In diesem Augenblick war etwas Unbeschreibliches zwischen ihnen, was nichts mit ihnen selbst zu tun hatte, sondern mit dem entzückenden kleinen Mädchen, das nicht die geringste Ahnung davon hatte, dass es im Mittelpunkt stand. Und selbst wenn, Olivia war noch viel zu jung, um das alles zu begreifen.

Aber eines traf auf jeden Fall zu, zwischen Kindern und den Eltern, ob nun mit der Mutter, dem Vater, mit beiden schien es so etwas wie ein unsichtbares Band zu geben, denn Olivia war von Anfang an von dem Fremden angetan gewesen.

Nicki schluckte.

»Ja, ich liebe sie sehr, sie hat mein Leben nicht nur bereichert, sondern ihm einen Sinn gegeben. Kinder sind etwas so Wunderbares, Vera hat mir ein sehr kostbares Geschenk gemacht.«

Vera.

Er war mit seinen Erzählungen, wie es weitergegangen war, längst noch nicht fertig. Ihm war anzusehen, wie emotional auch er bewegt war.

Der Kaffee war längst fertig, sie nahmen es nicht wahr, sie standen in der Küche, zunächst still, doch dann brach es aus ihm heraus, er konnte es nicht länger zurückhalten.

»Ich bin Olivias Vater, daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Eigentlich war es schon klar, nachdem ich mit den Anwälten gesprochen hatte. Doch ich habe hier Verschiedenes von Olivia aufgesammelt und habe einen DNA-Test machen lassen, es gibt eine 99-prozentige Übereinstimmung.«

Es war ja vorher schon nicht laut gewesen, doch jetzt war es so still, dass man eine Stecknadel hätte herunterfallen hören.

Sie hatte es geahnt, mehr noch, sie hatte es gewusst, und dennoch zog es Nicki jetzt den Boden unter den Füßen weg.

Sie begann zu taumeln, und wäre er nicht beherzt zugesprungen und hätte sie in seine Arme genommen, wäre sie unsanft auf den Boden gestürzt.

Ihr wurde schwarz vor Augen, ihr Herz begann wie verrückt zu schlagen.

Er hielt sie behutsam fest, eine ganze Weile, dann sagte er mit leiser Stimme: »Alles ist gut, ich bin nicht hier, um Ihnen Olivia wegzunehmen. Ich möchte sie nur kennenlernen, Zeit mit ihr verbringen, ehe ich nach Amerika zurückfliegen muss, wo meine Arbeit auf mich wartet. Und es wäre schön, wenn sie ein Teil meines Lebens werden könnte.«

Seine Worte waren wie süßes Gift, seine Umarmung hüllte sie ein wie ein warmes, weiches Tuch.

Sie konnte, sie durfte dem nicht erliegen, so wie sie gerade drauf war, fehlte nicht viel, und sie würde ihn küssen, würde sich von ihm küssen lassen.

Hastig befreite Nicki sich aus seiner Umarmung, dann sagte sie: »Der Kaffee ist fertig.«

Er griff nach dem Tablett, sah ihr zu, wie sie Kaffee, Tassen, diesmal keinen Zucker und keine Sahne, mit zitternden Fingern auf das Tablett stellte, dann füllte sie die Schale mit Keksen.