Die Dame kann auch Heldin sein - Michaela Dornberg - E-Book

Die Dame kann auch Heldin sein E-Book

Michaela Dornberg

5,0

Beschreibung

Im Sonnenwinkel ist eine Familienroman-Serie. Schauplätze sind der am Sternsee gelegene Sonnenwinkel und die Felsenburg, eine beachtliche Ruine von geschichtlicher Bedeutung. Mit Michaela Dornberg übernimmt eine sehr erfolgreiche Serienautorin, die Fortsetzung der beliebten Familienserie "Im Sonnenwinkel". Michaela Dornberg ist mit ganzem Herzen in die bezaubernde Welt des Sonnenwinkels eingedrungen. Sie kennt den idyllischen Flecken Erlenried und die sympathische Familie Auerbach mit dem Nesthäkchen Bambi. Diese fremde Frau ins Haus zu bitten, dieser Gedanke war Teresa ganz spontan gekommen, allerdings hatte sie sich schon etwas dabei gedacht. Jetzt allerdings musste sie all ihre Sinne beisammen halten, um nur ja keinen Fehler zu machen. Sie spürte, wie die Aufregung sich in ihr ausbreitete, durfte sich nichts anmerken lassen. Ihr fiel auf, dass die Fremde offensichtlich vergessen hatte, dass sie doch leidend war. Davon war nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil, sie schaute sich aufmerksam um, ein wenig zu aufmerksam. Das Haus des Ehepaares von Roth besaß nicht, was Teresa eigentlich viel lieber gewesen wäre, eine richtige Diele, sondern es war eher ein großzügiger Flur, von dem aus die Türen in die einzelnen Zimmer abgingen. Teresas Gedanken überschlugen sich, jetzt kam es darauf an, alles richtig zu machen. Das war leichter gesagt als getan. Sie wusste ja noch nicht einmal, wie sie vorgehen, was sie tun sollte. Manchmal wurde man plötzlich auf die richtige Spur gebracht. Teresas Blick fiel auf die offene Tür zum Abstellraum, der ein richtiger Segen war, denn er besaß eine ordentliche Größe, und man konnte sehr viel darin unterbringen. Was man nicht ständig benötigte und was man nicht immer um sich haben wollte, das aber auch zu schade war, es auszusortieren. »Mein Mann ist ganz schrecklich«, schimpfte Teresa. »Sehen Sie sich das an. Die Tür zu einer Abstellkammer muss man nun wirklich nicht geöffnet halten, nicht wahr? Bitte warten Sie einen Augenblick, damit ich die Tür erst einmal schließen kann, es wäre mir sonst peinlich, würden Sie einen Blick in diesen Raum werfen.« Diese Frau war darauf fixiert, sich aber auch gar nichts entgehen zu lassen, und Teresas Worte motivierten sie, auf jeden Fall mal einen Blick in diesen Raum zu werfen. Viele Leute brachten in solchen Abstellkammern Schätze unter, weil sie glaubten, dort würde ein Einbrecher niemals nachsehen.

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Leseprobe: Am Ende siegt die Liebe

»Morgen früh beginnt für mich wieder der Alltag«, seufzte Peter Schellmann. »Da heißt es, am Zeichentisch zu stehen und die Pläne meines Chefs auszuarbeiten.« »Ist dein Chef ein Ekel?«, erkundigte sich Peters siebenjähriger Bruder Ulrich neugierig. »Nein, Herr Zinner ist kein Ekel. Im Gegenteil, er ist ausgesprochen freundlich. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich in Oswald Zinners Bauun¬ternehmen untergekommen bin, obwohl …« »Obwohl – was?«, fragte Ulrich, als Peter stockte und nicht gesonnen schien weiterzusprechen. »Nichts«, entgegnete der junge Architekt einsilbig. Er fand, es hatte keinen Sinn, dem kleinen Bruder etwas vorzujammern. Während seines Studiums hatte er teils von kühnen Brückenkonstruktionen, die reißende Urwaldflüsse überspannten, geträumt, teils von atemberaubenden Prachtbauten, die weltweite Bewunderung und Anerkennung gefunden hatten. Natürlich hatte er schon damals gewusst, dass seine Chance, diese Träume zu verwirklichen, gering war, und war durchaus bereit gewesen, sich mit weniger anspruchsvollen Aufgaben zufriedenzugeben. Nur hätte er gern irgendeinen greifbaren Erfolg seiner Arbeiten gesehen. Oswald Zinners Bauvorhaben schienen jedoch über das Planungsstadium nicht hinauszukommen. Was will ich eigentlich?, fragte sich Peter. Die Firma war neu, erst vor kurzem gegründet.

Der neue Sonnenwinkel – 62 –

Die Dame kann auch Heldin sein

Vor Teresa muss der ganze Sonnenwinkel den Hut ziehen

Michaela Dornberg

Diese fremde Frau ins Haus zu bitten, dieser Gedanke war Teresa ganz spontan gekommen, allerdings hatte sie sich schon etwas dabei gedacht. Jetzt allerdings musste sie all ihre Sinne beisammen halten, um nur ja keinen Fehler zu machen. Sie spürte, wie die Aufregung sich in ihr ausbreitete, durfte sich nichts anmerken lassen. Ihr fiel auf, dass die Fremde offensichtlich vergessen hatte, dass sie doch leidend war. Davon war nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil, sie schaute sich aufmerksam um, ein wenig zu aufmerksam.

Das Haus des Ehepaares von Roth besaß nicht, was Teresa eigentlich viel lieber gewesen wäre, eine richtige Diele, sondern es war eher ein großzügiger Flur, von dem aus die Türen in die einzelnen Zimmer abgingen.

Teresas Gedanken überschlugen sich, jetzt kam es darauf an, alles richtig zu machen. Das war leichter gesagt als getan. Sie wusste ja noch nicht einmal, wie sie vorgehen, was sie tun sollte. Manchmal wurde man plötzlich auf die richtige Spur gebracht. Teresas Blick fiel auf die offene Tür zum Abstellraum, der ein richtiger Segen war, denn er besaß eine ordentliche Größe, und man konnte sehr viel darin unterbringen. Was man nicht ständig benötigte und was man nicht immer um sich haben wollte, das aber auch zu schade war, es auszusortieren.

»Mein Mann ist ganz schrecklich«, schimpfte Teresa. »Sehen Sie sich das an. Die Tür zu einer Abstellkammer muss man nun wirklich nicht geöffnet halten, nicht wahr? Bitte warten Sie einen Augenblick, damit ich die Tür erst einmal schließen kann, es wäre mir sonst peinlich, würden Sie einen Blick in diesen Raum werfen.«

Diese Frau war darauf fixiert, sich aber auch gar nichts entgehen zu lassen, und Teresas Worte motivierten sie, auf jeden Fall mal einen Blick in diesen Raum zu werfen. Viele Leute brachten in solchen Abstellkammern Schätze unter, weil sie glaubten, dort würde ein Einbrecher niemals nachsehen. Das war ein Irrtum, wenn sich jemand in Verhaltensweisen von Menschen auskannte, dann waren das Einbrecher.

Die Fremde trat einen Schritt vor, und Teresa dachte, jetzt oder nie. Sie gab der Frau einen Schubs, die stolperte in den Abstellraum, Teresa machte die Tür blitzschnell zu und schloss sie ab. Diese Aktion hatte keine Sekunden gedauert, und Teresa war schweißgebadet. Die Fremde erholte sich schnell von ihrer Überraschung, dann begann sie gegen die Tür zu hämmern und zu rufen: »Was soll das? Machen Sie sofort die Tür auf, oder ich …, oder ich trete sie ein.«

Tessa wusste, dass sie nicht viel Zeit hatte, also rannte sie zum Telefon, rief die Polizei an.

»Sie sprechen mit Teresa von Roth«, sie nannte die Adresse, und dann schilderte sie, dass es ihr gelungen war, eine Frau einzusperren, von der sie glaubte, dass sie zu den Einbrechern gehörte, die im Sonnenwinkel ihr Unwesen trieben.

Der Polizeibeamte versuchte, Fragen zu stellen, ihr Belehrungen zu geben. Das jetzt wirklich nicht. Teresas Nerven waren zum Zerreißen gespannt, und sie hatte überhaupt keine Ahnung, wie lange sie diese Frau noch in Schach halten konnte.

»Ich kann all Ihre Fragen beantworten, wenn Sie vor Ort sind. Es handelt sich um die Frau, von der Ihnen ein Phantombild vorliegt, die zu der Bande gehört, die bei Rückert eingebrochen ist. Wollen Sie bitte veranlassen, dass jemand herkommt?«

Der Mann glaubte ihr irgendwie nicht, und das machte Teresa wütend.

»Verbinden Sie mich bitte mit Kriminalhauptkommissar Fangmann, der kennt mich, meine Tochter Inge Auerbach arbeitet ehrenamtlich gemeinsam mit ihm in der Jugendstrafanstalt.«

»Herr Fangmann arbeitet aber bei der Mordkommission«, bemerkte der Mann.

Nun riss Teresa der Geduldsfaden, zumal sie immer nervöser wurde, weil die Frau Gegenstände herumwarf, versuchte, wie auch immer, die Tür zu öffnen.

»Das weiß ich«, schrie Teresa, »doch wenn Sie weiterhin so lahmarschig sind, dann kommt er vielleicht sogar zum Einsatz, weil die Verbrecherin, sollte es ihr gelingen, aus dem Zimmer zu kommen, mich umbringt.«

Endlich zeigte der Mann eine Reaktion.

»Bleiben Sie ruhig, wir kommen.«

Teresa zitterte am ganzen Körper, sie ließ sich auf einen in der Nähe stehenden Stuhl fallen, hielt sich die Ohren zu, weil sie die unflätigen Worte, die die Frau ausstieß, nicht mehr hören wollte. Und sie hatte Angst, so, wie diese Person in der Abstellkammer herumtobte, konnte man nicht wissen, ob es ihr gelingen würde, die Tür zu öffnen. Sie war ja nicht irgendeine liebenswerte Person, sondern Teil einer skrupellosen Verbrecherbande, und wer weiß, wie oft sie diese Masche bereits abgezogen hatte.

Für einen Augenblick überlegte Teresa, Inge anzurufen, sie zu bitten, zu kommen. Doch das verwarf sie so rasch, wie es ihr in den Sinn gekommen war. Inge würde herumjammern, ihr Vorwürfe machen, weil sie sich in eine derartige Situation begeben hatte, die auch einen ganz anderen Verlauf hätte nehmen können.

Ja, das traf zu, denn wäre es ihr nicht gelungen, diese Frau in die Abstellkammer zu schubsen ….

Nein!

Das wollte Teresa sich einfach nicht ausmalen. Sie gehörte nicht zu den Menschen, die sich Gedanken darüber machten, was geschehen wäre, wenn … Sie hatte Glück gehabt, und nun musste nur noch die Polizei kommen, die Frau herausholen und dann verhaften.

Sie traute dem Polizeibeamten nicht, mit dem sie telefoniert hatte, und sie wusste auch nicht, wie auf der Station alles organisiert war, wenn der kam … Nein, danke.

Teresa nahm sich zusammen, wählte erneut die Nummer der Polizei, doch diesmal ließ sie sich direkt mit Henry Fangmann verbinden, der sich freute, Teresas Stimme zu hören. Sie mochte ihn ebenfalls, doch das war jetzt nicht der Moment, um Small Talk zu machen, sie erzählte ihm rasch, was geschehen war, sprach über den Beamten, der ein wenig langatmig kam.

»Ehrlich gesagt, Herr Fangmann, mir wäre es lieber, Sie würden ebenfalls kommen, und das so schnell wie möglich, ich weiß nicht, wozu diese Frau fähig ist, das Phantombild habe ich übrigens hier, das hat Inge mir gegeben. Es ist fast so, als habe sie geahnt, das man uns einen Besuch abstatten würde. Nun ja, alte Leute, die allein im Haus leben, das können gute Opfer sein, und wenn …«

Henry Fangmann unterbrach sie.

»Frau von Roth, bleiben Sie ganz ruhig, ich komme.«

Diese Worte klangen in Teresas Ohren wie Musik. Sie hatte von Henry Fangmann eine sehr hohe Meinung, und ein bisschen von ihrer Anspannung fiel von ihr ab, von ihrer Angst, nun, das war vielleicht ein wenig übertrieben, von ihrem Unbehagen, das war zutreffend.

»Halten Sie die Klappe«, sagte mit erstaunlich autoritär klingender Stimme, »Sie haben eh keine Chance, denn die Polizei wird gleich hier sein, und Sie kommen dann auch noch wegen Sachbeschädigung dran, wenn Sie noch mehr zertrümmern.« Sie wollte noch mehr sagen, als ihr auf einmal einfiel, dass die Frau Dr. Scheibler davon gesprochen hatte, dass die Frau in einen Sportwagen gestiegen war. Wenn die Polizei eintraf, würde der natürlich sofort wegfahren, aber so …

Teresa erhob sich, nahm vorsichtshalber sofort ihr Smart­phone mit, und dann ging sie von Fenster zu Fenster, darauf bedacht, nicht aufzufallen. Verbrecher waren gewieft, die hatten alles im Blick und machten sich in der kleinsten brenzligen Situation aus dem Staub.

Enttäuscht wollte sie schon wieder in den Flur gehen, als eine innere Stimme ihr sagte, es doch auch noch im Arbeitszimmer ihres Mannes zu versuchen. Und sie hatte Glück. Es stand der von Ulrike Scheibler beschriebene Sportwagen in der Nähe, nahe und deutlich genug, dass sie vorsichtshalber direkt mehrere Fotos machen konnte, eines nur von dem Nummernschild, das hoffentlich nicht gefälscht war, sonst wäre alle Mühe umsonst gewesen.

Sie war gerade fertig mit den Fotos, wollte sich wieder vor der Abstellkammer postieren, als die Polizei ankam, dummerweise mit Blaulicht, und das nahm der Fahrer des Sportwagens zum Anlass, ganz schnell davonzufahren.

Insgeheim gratulierte Teresa sich für ihre Geistesgegenwart, hätte sie die Fotos nicht gemacht, hätte auch sie bloß eine vage Beschreibung geben können. Nun war es anders gekommen, Teresa war ein wenig ungehalten. Warum mussten Einsatzwagen der Polizei eigentlich immer mit ihrem lauten Ta Tü Ta Ta angebraust kommen? In diesem Fall war es auf jeden Fall unnötig, und das würde sie auch gleich sagen, wenn diese Person erst einmal Handschellen angelegt bekommen hatte. Sie ging zur Tür, um die zu öffnen, und da sah sie, dass gleichzeitig Kriminalhauptkommissar Fangmann angekommen war, der allerdings ohne Blaulicht.

Was für ein Glück, dass Teresa den zuerst begrüßen konnte, denn die anderen Beamten waren bereits drauf und dran, das Haus zu stürmen, woran er sie hinderte.

Die Klopferei hatte aufgehört, Teresa erzählte noch einmal, was sich ereignet und wie sie die Frau überlistet hatte, dann griff sie nach dem Phantombild, das sie sich bereitgelegt hatte.

»Das ist die Person. Ich habe sie, damit sie nicht weglaufen kann, in den Abstellraum gesperrt. Es ging nicht anders, sie hätte mich sonst überlistet, und einmal muss es doch ein Ende haben. So, wie sie zu Frau Dr. Scheibler ins Haus wollte, hat sie es mir bei versucht, mit genau dieser Masche, nur habe ich sie bewusst ins Haus gelassen. Ich wusste ja, wer sie ist.«

Jetzt hatte sogar so etwas wie Stolz aus ihrer Stimme geklungen, und sie war ja so froh, dass sie geistesgegenwärtig Henry Fangmann angerufen hatte, auch wenn er eigentlich zur Mordkommission gehörte, übernahm er das Kommando, und offensichtlich war er ranghöher als seine Kollegen, denn sie ordneten sich ihm unter. Außerdem war es im Polizeidienst ja auch nicht so, dass man nur in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich arbeitete, beim Bereitschaftsdienst kam es durchaus vor, dass beispielsweise Beamte vom Einbruch oder von der Sitte zu einer Mordermittlung gerufen wurden.

Darum musste Teresa sich allerdings keine Gedanken machen, die Frau wurde aus dem Raum geholt, sie schaute Teresa wutentbrannt an. Wenn Blicke töten könnten, dann wäre die arme Teresa jetzt eine Leiche.

»Ich bat bloß um ein Glas Wasser, und diese Irre hat mich ein gesperrt«, kreischte die Frau, »ich möchte sie anzeigen wegen Freiheitsberaubung.« Sie tobte und schrie.

»Sie kommen jetzt erst einmal mit uns«, sagte Henry Fangmann, bat seine Kollegen, der Frau Handschellen anzulegen.

»Und warum? Wir leben in einem Rechtsstaat, da kann man nicht einfach festgenommen werden, nur, weil eine durchgeknallte Alte das so will. Machen Sie die Handschellen ab, ich möchte einen Anwalt.«

»Das bekommen Sie alles, doch erst einmal kommen Sie mit«, sagte einer der Beamten, zeigte ihr das Phantombild, das wirklich sehr realitätsnah war. »Und dann nehmen wir Ihre Personalien auf, danach sehen wir weiter.«

Die Frau schaute auf das Bild, schluckte, wirkte plötzlich ziemlich verunsichert.

Henry Fangmann bat seine Kollegen, die Frau abzuführen, versprach, gleich auch noch mal kurz im Dezernat für Einbruch vorbeizuschauen.

Die Beamten waren mit der Frau gerade weg, als Inge ins Haus gestürmt kam.

»Was ist hier los?«, erkundigte sie sich ganz besorgt. »Warum war die Polizei hier?«

Henry grinste. »Ach, deine Mutter hat gerade eine gesuchte Verbrecherin gefangen.«

Und dann erzählte er Inge, die vollkommen außer sich war, was geschehen war.

»Mama, warst du von Sinnen?«, ereiferte Inge sich. »Wie konntest du so etwas tun? Mit Menschen dieser Art ist nicht zu spaßen, die nehmen auf nichts Rücksicht. Erinnere dich bitte daran, was mit der armen Rosmarie geschehen ist. Und die ist eine Ecke jünger als du und leidet noch heute unter diesem traumatischen Erlebnis, obwohl sie sich bemüht, sich das nicht anmerken zu lassen. Außerdem, warum hast du mich nicht gerufen? Ich wäre doch direkt gekommen.«

Teresa winkte ab.

»Und du hättest vermutlich alles vermasselt. Außerdem, was soll das alles? Warum ereiferst du dich jetzt noch? Alles ist gut.«

Teresa wandte sich an Henry.

»Ach, übrigens, Herr Fangmann. Da ich ja wusste, dass die Späherin ganz vornehm mit einem Sportwagen herumkutschiert wird, habe ich mich mal umgesehen. Und ich habe Fotos gemacht von dem Wagen, der sofort abbrauste, als ihre Kollegen mit Blaulicht und Getöse angefahren kamen. Ein wenig unauffälliger wäre es auch gegangen, dann hätte die Polizei vielleicht sogar die Chance gehabt, den Mann zu fangen. Das Nummernschild habe ich ebenfalls und hoffe jetzt nur, dass es nicht falsch ist.« Sie zeigte Henry die geschossenen Fotos, und der war vollkommen beeindruckt.

»Sagen Sie mal, Frau von Roth, wollen Sie nicht bei uns anfangen? In ihnen steckt doch ganz eindeutig eine ganze Menge von einer Miss Marple.«

Teresa fühlte sich geschmeichelt. Solche Worte aus dem Munde eines Kriminalhauptkommissars, das war schon was.

»Man muss nicht Miss Marple sein, obwohl ich die sehr bewundere. Es ist eine ganz großartige Schauspielerin, und pfiffig ist sie ebenfalls. Nein, ich finde, wir alle sollten mit offenen Augen durch die Welt gehen und unseren Verstand gebrauchen. Wenn mir diese Frau gewissermaßen auf dem silbernen Tablett serviert wird, dann kann ich doch nicht anders, da muss ich zugreifen, und, wie man sieht, hat es auch geklappt.«

Das bestätigte Henry Fangmann, fügte jedoch ernst hinzu: »Frau von Roth, es war schon ein Vabanquespiel, und es hätte auch ins Auge gehen können. Doch unglaublich war es schon, und es ist sehr zu bewundern, wie geistesgegenwärtig Sie vorgegangen sind.«

»Und ein zweites Mal machst du so etwas bitte nicht, Mama, nicht auszudenken, was alles hätte passieren können.«

»Inge, es ist aber nichts passiert, und es ist nicht davon auszugehen, dass noch mal jemand vorbeikommt, zumal diese Spionin erst mal gefasst ist, den Sportwagenfahrer wird man ebenfalls kriegen, und wenn die beiden erst einmal anfangen zu singen, und das werden sie tun, wenn man ihnen Strafmilderung zusichert, wird auch der Rest der Bande dingfest gemacht werden. Also, Inge, entspann dich.«

Teresa überspielte die Fotos auf sein Handy, versicherte, vorbeikommen zu wollen für eine schriftliche Aussage, und danach war sie froh, dass Inge und Henry gemeinsam das Haus verließen. Jetzt hatte Teresa doch ziemlich weiche Knie. Es hätte ja wirklich anders kommen können. Ihr Schutzengel war eindeutig auf ihrer Seite gewesen, und wer weiß, wer sonst noch seine Hand im Spiel gehabt hatte. Es hatte einfach zu gut geklappt. Doch natürlich konnte das durchaus auch daran liegen, dass diese Frau ziemlich sorglos gewesen war, weil sie nicht im Traum daran gedacht hatte, dass diese zarte, alte Dame eine Gefahr für sie werden könnte. Falsch gedacht …, und da gab es ja auch noch diesen treffenden Satz – der Mensch denkt, und Gott lenkt.

Teresa blickte gen Himmel und murmelte: »Danke, lieber Gott.« Das musste sie jetzt tun, und in Hohenborn würde sie auch noch in die Kirche gehen und ein Kerzchen anzünden.

Und jetzt?

Jetzt würde sie sich ein kleines Gläschen Sherry genehmigen. Das musste sein. Doch ehe Teresa ihr Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, kam Inge erneut ins Haus gestürzt, sie rannte auf ihre Mutter zu, umarmte sie und rief: »Mama, ich will überhaupt nicht darüber nachdenken, was alles hätte passieren können. In deinem Alter muss man sich doch nicht solchen Gefahren aussetzen.«

Teresa machte sich von der Umklammerung ihrer Tochter frei und bemerkte: »Inge, das ist keine Frage des Alters, sondern eine Frage der Zivilcourage. Was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen?«

»Mama, die Frau einfach nicht ins Haus lassen.«

Teresa schüttelte den Kopf.

»Inge, ich bitte dich, wie bist du denn drauf? Ich wusste doch, wer sie ist. Da konnte ich sie nicht einfach gehen lassen. Jetzt kehrt wenigstens Ruhe ein, weil ich davon überzeugt bin, dass man auch noch den Rest der Bande dingfest machen wird, auch die Verbrecher, die Rosmarie in Angst und Schrecken versetzt haben.«

Inge ließ sich auf einen Stuhl sinken, bei ihr begann ein Kopfkino, und plötzlich musste sie weinen, sie durfte wirklich nicht daran denken, was alles hätte passieren können. Ihre Mutter war wirklich unglaublich. »Mama, ich bitte dich noch einmal, tue so etwas nie wieder, man soll sein Schicksal nicht zum zweiten Male herausfordern.«

Teresa blickte ihre Tochter an.

»Und was soll ich deiner Meinung nach tun, Inge? Zum Seniorentreffen gehen, dort Kuchen essen und Kaffee trinken?«

»Mama, du bist unmöglich.«

Teresa warf ihrer Tochter beinahe einen mitleidigen Blick zu, als sie bemerkte: »Wohl nur in deinen Augen, mein Kind. Anderen Menschen gefällt schon, wie ich bin. Du solltest endlich auch mal damit beginnen, in irgendeiner Weise Initiativen zu ergreifen.« Sie verkniff es sich, jetzt zu erwähnen, dass ihre Inge leider auf Oma Henriette kam, die Großmutter väterlicherseits, doch das wäre gemein. Inge war gestraft genug damit, dass sie wirklich auf Oma Henriette kam.

»Komm, Inge, Schwamm darüber, lass es uns vergessen, es ist vorbei. Ich wollte mir gerade ein kleines Gläschen Sherry genehmigen. Hast du auch Lust darauf?«

Sherry war nicht gerade Inges bevorzugtes Getränk, doch sie wollte das ihrer Mutter jetzt nicht abschlagen und sagte deswegen: »Eine fabelhafte Idee, Mama.«

Kaum ausgesprochen, ärgerte Inge sich. Das war nun schon wieder einmal ganz typisch für sie, sie stimmte etwas zu, was sie eigentlich nicht wollte. Und diese zögerliche Einstellung zog sich wie ein roter Faden durch ihr ganzes Leben. Sie wünschte sich wirklich, wenigstens ein bisschen von ihrer Mutter zu haben, denn insgeheim bewunderte sie auch, was ihre Mutter da gerade veranstaltet hatte, halt typisch Teresa …

Und die kam mit dem Sherry zurück, wunderschön geschliffenen Sherrygläsern, und dann schenkte sie ein, ein wenig mehr als nur ein bisschen.

»Darauf, Mama, dass alles einen guten Ausgang genommen hat«, rief Inge, und Teresa antwortete: »Ja, mein Kind, darauf trinken wir. Ich kann dir ja verraten, dass ich einen ganz schönen Bammel hatte, als diese Frau anfing, in der Abstellkammer zu toben.«

Inge lächelte.

»Ehrlich mal, Mama, ich wäre überhaupt nicht auf die Idee gekommen, diese Frau dort einzusperren.«

»Inge, das war nicht mein Plan, es hat sich halt so ergeben, und es hat funktioniert. Aber nun lass uns wirklich damit aufhören, manches kann man zerreden.«