Eine Dame von Format - Michaela Dornberg - E-Book

Eine Dame von Format E-Book

Michaela Dornberg

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Beschreibung

Im Sonnenwinkel ist eine Familienroman-Serie. Schauplätze sind der am Sternsee gelegene Sonnenwinkel und die Felsenburg, eine beachtliche Ruine von geschichtlicher Bedeutung. Mit Michaela Dornberg übernimmt eine sehr erfolgreiche Serienautorin, die Fortsetzung der beliebten Familienserie "Im Sonnenwinkel". Michaela Dornberg ist mit ganzem Herzen in die bezaubernde Welt des Sonnenwinkels eingedrungen. Sie kennt den idyllischen Flecken Erlenried und die sympathische Familie Auerbach mit dem Nesthäkchen Bambi. Es war unglaublich! Manchmal hatte man so etwas wie eine Eingebung, verspürte eine Gewissheit. Dabei hatte Teresa nur flüchtig in die Gesichter der vorübergehenden Passantinnen und Passanten geschaut, während sie den Marktplatz überquerte. Und dann war ihr Blick an dem Gesicht einer schlanken, eher unscheinbar wirkenden jungen Frau hängen geblieben. Und da waren alle Alarmglocken bei ihr angegangen, und sie erinnerte sich sofort, wo sie diese Frau schon mal gesehen hatte. Sie hatte sich im Internat als Bürokraft beworben, doch sie war abgewiesen worden, weil es Bewerberinnen gab, die qualifizierter gewesen waren. So war es nun mal, und als Arbeitgeber hatte man die freie Auswahl und die freie Entscheidung, im Internat war es ein Team, doch niemand hatte diese Frau haben wollen. Doch das war jetzt nicht entscheidend. Darüber musste sie sich wirklich nicht den Kopf zerbrechen. Teresa spürte, wie ihr Blutdruck in die Höhe schellte, sie begann, schneller zu atmen. Dann atmete sie ganz tief durch. Teresa war sich so sicher, dass sie nach einem kurzen Augenblick des Zögerns auf die Frau zusteuerte. Sie ansprach, und dabei beobachtete Teresa die Frau ganz genau. Die wurde verlegen, wechselte die Gesichtsfarbe, wollte davoneilen, doch Teresa hielt sie entschlossen zurück. Das Verhalten der Frau war so eindeutig, dass bei Teresa auch die allerletzten Zweifel schwanden. Und aus diesem Grunde kam sie auch direkt zur Sache. »Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, mir diesen unverschämten, auch noch anonymen Drohbrief zu schicken?«, erkundigte sie sich barsch. Die Frau zuckte zusammen. Ihre Verlegenheit steigerte sich, sie versuchte, sich herauszureden.

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Der neue Sonnenwinkel – 76 –

Eine Dame von Format

Teresa von Roth lässt sich nicht einschüchtern

Michaela Dornberg

Es war unglaublich!

Manchmal hatte man so etwas wie eine Eingebung, verspürte eine Gewissheit. Dabei hatte Teresa nur flüchtig in die Gesichter der vorübergehenden Passantinnen und Passanten geschaut, während sie den Marktplatz überquerte. Und dann war ihr Blick an dem Gesicht einer schlanken, eher unscheinbar wirkenden jungen Frau hängen geblieben. Und da waren alle Alarmglocken bei ihr angegangen, und sie erinnerte sich sofort, wo sie diese Frau schon mal gesehen hatte. Sie hatte sich im Internat als Bürokraft beworben, doch sie war abgewiesen worden, weil es Bewerberinnen gab, die qualifizierter gewesen waren. So war es nun mal, und als Arbeitgeber hatte man die freie Auswahl und die freie Entscheidung, im Internat war es ein Team, doch niemand hatte diese Frau haben wollen. Doch das war jetzt nicht entscheidend. Darüber musste sie sich wirklich nicht den Kopf zerbrechen.

Teresa spürte, wie ihr Blutdruck in die Höhe schellte, sie begann, schneller zu atmen. Dann atmete sie ganz tief durch. Teresa war sich so sicher, dass sie nach einem kurzen Augenblick des Zögerns auf die Frau zusteuerte. Sie ansprach, und dabei beobachtete Teresa die Frau ganz genau.

Die wurde verlegen, wechselte die Gesichtsfarbe, wollte davoneilen, doch Teresa hielt sie entschlossen zurück.

Das Verhalten der Frau war so eindeutig, dass bei Teresa auch die allerletzten Zweifel schwanden. Und aus diesem Grunde kam sie auch direkt zur Sache.

»Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, mir diesen unverschämten, auch noch anonymen Drohbrief zu schicken?«, erkundigte sie sich barsch.

Die Frau zuckte zusammen. Ihre Verlegenheit steigerte sich, sie versuchte, sich herauszureden.

»Was wollen Sie eigentlich von mir? Und über was für einen Brief sprechen Sie? Sie müssen mich verwechseln.«

Für solche Worte hatte Teresa nur ein müdes Lächeln, denn Teresa wurde sich immer sicherer, die Richtige getroffen zu haben. Sie hatte jetzt keine Lust, diese Fragen zu beantworten, schließlich machte sie mit dieser Person keinen Small Talk. Und aufhalten wollte sie sich auch nicht ewig.

»Hören Sie auf, jetzt hier herumzueiern. Sie wissen nur zu genau, worum es geht. Ich schlage vor, dass wir uns jetzt dort drüben auf die Bank setzen und miteinander reden. Wenn Sie dazu nicht bereit sind, werde ich unverzüglich die Polizei einschalten, besser gesagt, ihr sagen, wer die Urheberin des Drohbriefes ist. Der liegt nämlich dort bereits vor. Selbst wenn Sie jetzt davonlaufen, bringt es Ihnen überhaupt nichts. Sie haben sich um einen Job im Internat beworben, und dort liegen Ihr Name und Ihre Adresse vor. Ich muss es nur heraussuchen lassen. Also, machen Sie keinen Blödsinn, gehen Sie auf meinen Vorschlag ein. Es ist nur zu Ihren Gunsten.«

Teresa hätte das alles jetzt überhaupt nicht sagen müssen. Allein das Wort Polizei hatte genügt, um die Frau zusammenzucken zu lassen.

Ohne Widerrede folgte sie Teresa zu der am Rande des Marktplatzes stehenden Bank.

Sie setzten sich, die Frau war vollkommen durch den Wind. Sie zitterte am ganzen Körper, dass man beinahe schon Mitleid mit ihr bekommen konnte. Doch es war eine Straftat, die diese Frau begangen hatte, und dieser Brief hätte manch anderer Person, die es nicht so locker nahm, wie Teresa es getan hatte, viele schlaflose Nächte bereitet. Eines wurde Teresa allerdings auch klar, diese Frau war niemand, der so etwas berufsmäßig machte. Sie hatte sich zu etwas hinreißen lassen, und deswegen wollte Teresa ihr auch eine Chance geben.

Sie ließ der Frau Zeit, doch weil die noch immer nichts sagte, erkundigte Teresa sich: »Und können Sie mir jetzt bitte sagen, was Sie dazu bewogen hat, mir diesen Brief zu schreiben, Frau …«

»Rettinger … Simone Rettinger.«

Nachdem sie ihren Namen genannt hatte, versank die Frau erst wieder in Schweigen. Diesmal hielt Teresa sich zurück, sie spürte, wie es in der anderen arbeitete und ahnte, dass da mehr dahintersteckte. Erst als ihr das Schweigen zu lange dauerte, mahnte Teresa: »Frau Rettinger, ich warte noch immer auf eine Antwort.«

Die zuckte zusammen, sie musste mit ihren Gedanken ganz weit weg gewesen sein. Deswegen wiederholte Teresa: »Ich hätte gern eine Erklärung dafür, warum Sie mir diesen Drohbrief geschrieben haben.«

Simone Rettinger wandte sich ihr zu, schaute Teresa an. Sie wirkte unglücklich, schuldbewusst, dann flüsterte sie so leise, dass man Mühe hatte, sie zu verstehen: »Ich … ich weiß es nicht …, ich war …, ich … war wie von Sinnen.«

Daraus konnte man sich nun wirklich keinen Reim machen, nur weil man von Sinnen war, schrieb man nicht an irgendeine Person einen Drohbrief, nicht einfach so, sondern jedes Wort, jeder Buchstabe waren aus der Zeitung ausgeschnitten worden. Das sagte Teresa ihr auch und fügte hinzu: »Ich finde diese Erklärung mehr als nur dürftig. Da muss schon wesentlich mehr kommen. Sehen Sie, ich will Ihnen nichts Böses, wenn das der Fall wäre, hätte ich Sie sofort der Polizei übergeben. Aber um es verstehen zu können, muss ich schon mehr erfahren.«

Oh Gott!

Hätte sie das jetzt bloß nicht gesagt!

Simone Rettinger wurde von einem Weinkrampf geschüttelt, sie war überhaupt nicht dazu in der Lage, etwas zu erklären.

Und Teresa hatte keine andere Wahl, als erneut zu warten. Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Nach einer Weile beruhigte Simone sich wieder, und dann begann sie endlich, ihre Geschichte zu erzählen.

Doch sie begann mit einer schluchzenden Entschuldigung: »Es …, ich …, es tut mir so unendlich leid …, ich schäme mich so sehr …, und ich …«, sie brach ab. Zum Glück ermunterte Teresa sie jetzt nicht, endlich zu beginnen. Simone fing von sich aus an, und dann erfuhr Teresa, dass Simone Rettinger ihren Job verloren hatte, weil die Firma in Konkurs gegangen war, ihr Ehemann hatte sie wegen einer anderen Frau verlassen, und als sei das nicht schon genug, wurde ihr auch noch wegen Eigenbedarfs die Wohnung gekündigt.

Sie hielt inne, schluckte.

»Ich hätte den Job im Internat so gern gehabt. Eigentlich hatte ich mir sogar Chancen ausgerechnet, denn ich habe Zeugnisse, die man vorweisen kann …«

Sie machte erneut eine Pause, wippte unruhig mit dem rechten Fuß. Sie war ein Nervenbündel.

Sie blickte Teresa an. Die arme Frau sah so unglücklich aus, dass Teresa sie am liebsten ganz spontan tröstend in die Arme genommen hätte. Unter anderen Umständen hätte sie es vermutlich sogar getan, doch jetzt hielt sie sich zurück. Wenn jeder, der Probleme hatte, direkt Drohbriefe schrieb, dann würde die Welt darunter zusammenbrechen. Traurig war es aber schon. Und sie konnte sich keinen Reim daraus machen, warum ausgerechnet sie den Brief erhalten hatte. Das musste sie jetzt wissen.

»Und warum haben Sie mir diesen bösen Brief geschrieben?«

Simone schluckte.

»Sie saßen so souverän da, ganz feine Dame. Ich war und bin sehr beeindruckt von Ihnen, doch es hat mich auch wütend gemacht, weil jemand wie Sie es doch überhaupt nicht nötig hat zu arbeiten …, ich dachte nicht darüber nach, in mir war nur ganz viel Wut. Und die habe ich an Ihnen ausgelassen, ohne nachzudenken.«

»Und das alles ganz vergebens«, erwiderte Teresa, »weil ich nämlich überhaupt nichts mit der Entscheidung zu tun habe, ob jemand eingestellt wird oder nicht.«

Simones Kopf ruckte hoch.

»Aber Sie saßen doch dabei.«

Das bestätigte Teresa. »Weil man mich gern dabeihaben möchte, mehr oder weniger als stille Beobachterin. Und man holt schon meinen Rat ein, allerdings nur, wenn man sich nicht einig ist, will man eine weitere Meinung hören. Das war in Ihrem Fall nicht der Fall. Man war sich einig, einer anderen Bewerberin den Vorzug zu geben.«

Wieder war es still, dann kam ein geradezu verschrecktes: »Dann habe ich Sie umsonst … angegriffen?«

»Das haben Sie, andererseits können Sie froh sein, dass es mich getroffen habe. Ich werde das nicht weiter verfolgen. Doch Ihnen rate ich, künftig Ihren Zorn unter Kontrolle zu halten, oder lassen Sie sich, wenn Sie die Probleme nicht in den Griff bekommen, psychologisch beraten. Es ist schon tragisch, dass Sie alles auf einmal getroffen hat. Doch Sie sind damit nicht allein auf der Welt. Es gibt Schicksale, die sind härter.«

Simone nickte, saß da wie ein Häufchen Elend.

»Hat sich denn mittlerweile eines Ihrer Probleme gelöst?«, erkundigte Teresa sich.

Simone schüttelte den Kopf.

»Mit meinem Mann ist es endgültig vorbei, er hat seine Sachen bereits alle aus der Wohnung geholt. Mit der habe ich allerdings ein wenig Glück. Der Vermieter hat mir gesagt, dass er mich nicht vor die Tür setzen will, nicht unbedingt auf der Einhaltung der Kündigungsfrist bestehen wird.«

»Das ist doch schon mal etwas Gutes. Und einen Job, den werden Sie auch finden, davon bin ich überzeugt. Da ich nicht richtig involviert bin, weiß ich nicht, was in Ihren Bewerbungsunterlagen steht. Was haben Sie den zuletzt gemacht? Haben Sie Bürokauffrau oder so etwas gelernt?«

Simone erklärte ihr, dass sie als Sekretärin gearbeitet hatte. »Gelernt habe ich allerdings bei einem Notar, und da habe ich auch meine Prüfung mit sehr gut gemacht. Und eigentlich würde ich am liebsten auch wieder in einem Notariat arbeiten. Das hat mir am meisten Spaß gemacht. Doch als wir nach Hohenborn gezogen sind, weil mein Mann hier eine Arbeit gefunden hat, gab es keine passende Stelle für mich und ich nahm die bei der Firma an, für die ich zuletzt gearbeitet habe. Und da bin ich auch bis zum Schluss geblieben. Und da wäre ich auch heute noch, wenn nicht …«

Teresa winkte ab.

»Ich weiß.« Sie wollte es nicht noch einmal hören. Im Grunde genommen war diese Simone Rettinger eine sympathische Frau, und ein wenig unscheinbar zu sein, das musste ja nichts Negatives bedeuten.

Während Simone gesprochen hatte, war Teresa etwas eingefallen, was sie eigentlich angesichts des Geschehens nicht aussprechen sollte. Sie tat es, weil sie nicht anders konnte.

»Frau Rettinger, ich weiß, dass im Notariat Dr. Rückert gerade jemand gesucht wird. Das wäre doch ideal für Sie, wenn Sie also möchten, dann mache ich einen Termin für Sie. Ich kenne Herrn Dr. Rückert sehr gut.« Sie erzählte jetzt nicht, dass sie mit ihm sogar familiär verbandelt war.

Simone Rettinger drehte sich zur Seite, starrte Teresa an, als habe die gerade Suaheli gesprochen. Simone schnappte nach Luft. Es dauerte eine ganze Weile, ehe sie sich erkundigte: »Das würden Sie für mich tun? Nach allem, was ich gemacht habe?« Sie konnte es nicht glauben, sie schluckte, schüttelte den Kopf, hob die Schultern hoch. Sie war durch den Wind!

Es gingen Teresa viele Gedanken durch den Kopf, und ein wenig mulmig war ihr schon zumute. Sie hatte von dieser Frau einen dreisten Drohbrief erhalten, und nun war sie drauf und dran, ihr einen Job zu besorgen. Das durfte sie wirklich niemandem erzählen. Man würde an ihrem Verstand zweifeln.

Irgendwann nickte Teresa. Sie gehörte zu den Menschen, die sich zwar auf Fakten, aber auch sehr auf ihre Intuition verließen. Diese Simone Rettinger hatte ihr Ding gemacht, hatte sich in ihrer kleinen Welt sicher gefühlt, und dann war alles auf einmal bei ihr zusammengebrochen. Das konnte einem schon den Boden unter den Füßen wegziehen. Eine Entschuldigung für den Drohbrief war es allerdings noch immer nicht. Doch hatte nicht jeder eine zweite Chance verdient?

»Ja, das würde ich tun. Wenn Sie die Prüfung mit sehr gut bestanden haben, dann kann man voraussetzen, dass Sie wissen, was in einem Notariat zu tun ist, und dass Sie bei dieser letzten Firma in all den Jahren geblieben sind, spricht dafür, dass man dort mit Ihnen zufrieden war und für Sie, dass Sie den Arbeitsplatz nicht ständig gewechselt haben, um mehr Gehalt zu bekommen.« Sie blickte Simone sehr ernst an, die überhaupt nicht wusste, wie ihr geschah. »Ich kann Ihnen einen Termin machen, versprechen kann ich Ihnen nichts …, und wenn es zu einer Einstellung kommt … Versprechen Sie mir in die Hand, dass Sie so etwas Unbedachtes niemals mehr tun werden, keine Drohbriefe mehr, nichts, was gegen die Gesetze verstößt oder sonst jemandem schadet.«

Simone begann zu weinen. Teresa ließ es geschehen.

»Frau von Roth, natürlich müssen Sie jetzt einen ganz schlechten Eindruck von mir haben. Aber ich bin nicht so, bei mir sind einfach alle Sicherungen durchgebrannt. Ich weiß nicht einmal mehr, wie ich auf diesen Schwachsinn gekommen bin. Vielleicht habe ich es mal im Fernsehen in einem Krimi gesehen.«

»Vermutlich, Frau Rettinger. Es ist geschehen, und jetzt machen Sie einen ganz dicken Strich darunter, wie ich es ebenfalls tun werde. Wir werden es für uns behalten. Dass der Brief existiert, das wissen viele Menschen, auch die Polizei, nicht, weil ich es wollte, sondern weil meine Tochter den Brief zufällig fand.«

Weil Simone bei dem Wort Polizei erneut zusammengezuckt war, beruhigte Teresa sie. »Die wird der Sache nicht nachgehen, es ist ja kein Kapitalverbrechen. Irgendwann werde ich die Information bekommen, dass das Verfahren eingestellt ist …, dass dieser Brief von Ihnen geschrieben wurde, das wissen nur Sie und ich. Und es soll unser Geheimnis bleiben.«

Simone nickte, bedankte sich noch einmal, und dann wollte sie wissen: »Wie sind Sie denn auf mich gekommen?«

Eine berechtigte Frage, die Teresa nicht einmal richtig beantworten konnte. »Ich weiß nicht, als ich Sie zufällig erblickte, wusste ich, dass nur Sie es sein konnten, und so ist es ja auch, nicht wahr?«

Simone schluckte.

»Eine Hellseherin sind Sie aber nicht, oder doch?«

Teresa musste lachen, und das entspannte die Lage plötzlich.

»Ganz gewiss nicht«, sagte sie irgendwann, »und ich gehöre auch nicht zu den Menschen, die sich in die Zukunft sehen lassen oder sich Rat holen. Da verlasse ich mich lieber auf meinen gesunden Menschenverstand.« Sie schaute Simone an. »Wissen Sie was? Ich bin froh, dass das jetzt geklärt ist, dass ich es aus dem Kopf herausbekomme. Und nun zu Ihnen, Frau Rettinger. Wenn Sie möchten, versuche ich direkt jetzt, Herrn Dr. Rückert zu erreichen.«

Simone konnte darauf nicht sofort eine Antwort geben, weil sie zunächst einmal noch eine Runde weinen musste. Ihre Hochachtung, ihre Bewunderung für die Frau an ihrer Seite wuchs ins Unendliche. Dass es so etwas überhaupt gab!

Weil sie vor lauter Rührung nichts sagen konnte, nickte sie, und das nahm Teresa als Aufforderung. Sie griff in ihre Tasche, holte ihr Handy heraus. Und wenig später hatte sie Heinz Rückert am Ohr.

»Teresa, das ist aber eine Überraschung«, rief er, nachdem sie sich begrüßt hatten. »Wenn du mich im Notariat anrufst, bedeutet das, dass es da ein Problem gibt? Du rufst doch nicht an, weil du Sehnsucht nach meiner Stimme hast, oder?«

Sieh mal an, der dröge Heinz konnte sogar witzig sein, staunte Teresa.

»Es ist bei uns alles in Ordnung, Heinz«, antwortete Teresa. »Ich rufe aus einem bestimmten Grund an. Rosmarie erwähnte, dass du dringend Personal suchst, und ich kenne da eine junge Dame, die gelernte Notariatsgehilfin ist und seinerzeit die Prüfung sogar mit sehr gut gemacht hat. Wenn das noch …«

Er ließ sie überhaupt nicht aussprechen.

»Ich suche händeringend jemanden. Wann kann die Dame vorbeikommen? Sofort?«

Teresa hatte das Telefon auf laut gestellt, damit Simone alles mithören konnte, und die nickte sofort. Doch das ignorierte Teresa. »Nein, heute nicht, Heinz. Was hältst du von morgen?«

Heinz Rückert war damit einverstanden, sie vereinbarten einen Termin für den Nachmittag, ehe sie das Gespräch beendeten, sagte Teresa: »Die junge Dame heißt übrigens Simone Rettinger, ich sag ihr, dass sie sich bei dir melden soll.«

»Einverstanden, ich freue mich. Und wenn es klappt, bekommst du einen dicken Blumenstrauß von mir, Teresa, oder du hast einen anderen Wunsch frei. Du liebe Güte, ich wage nicht daran zu denken, dass das klappen könnte, und dann noch eine gelernte Kraft. Besser geht es wirklich nicht. Teresa, du hast so oder so etwas gut bei mir, egal, ob es klappt oder nicht. Es ist es schon wert, weil du daran gedacht hast.«

Vielleicht hätten sie noch ein paar Worte miteinander gewechselt, doch Heinz wurde abgerufen. Er war halt ein viel beschäftigter Mann, und das in erster Linie, weil er sich für unentbehrlich hielt und sich deswegen auch viel Arbeit aufhalste.

Nachdem das Telefonat beendet war, steckte Teresa ihr Hand wieder weg.

Simone bedankte sich und sagte: »Ich hätte auch heute in das Notariat gehen können.«

»So, wie Sie drauf sind? Kommen Sie erst einmal herunter, genießen Sie den Rest des Tages, suchen Sie die Unterlagen zusammen.«

Simone nickte.

»Frau von Roth, ich kann mich nicht oft genug bei Ihnen bedanken, und eigentlich ist es sehr schade, dass ich es nicht in die Welt hinausposaunen kann. Aber das wäre eh etwas, was niemand glauben würde …, ich bedrohe Sie auf schlimmste Weise, Sie verzeihen mir, nicht nur das, Sie wollen mir sogar einen neuen Job besorgen … Sie können kein Mensch sein …, darf ich Sie mal anfassen, um mich davon zu überzeugen, dass Sie tatsächlich jemand aus Fleisch und Blut sind und nicht doch ein Engel, den der liebe Gott auf Erden geschickt hat, um Gutes zu tun?«

Das Kompliment machte Teresa ein wenig verlegen.

»Glauben Sie mir, ich bin ein Mensch aus Fleisch und Blut, und weil das so ist, muss ich mich jetzt auch verabschieden. Ich habe noch etwas zu besorgen, und später habe ich einen wichtigen Termin.«

»Ich will Sie nicht länger aufhalten, danke, tausend Dank, Frau von Roth. Ich glaube, dass es noch eine Weile brauchen wird, bis ich das alles verinnerlicht habe. Es ist wirklich nicht zu fassen. Sie sind etwas ganz Besonderes, vielleicht war ja auch das der Grund, weswegen ich meine Wut an Ihnen ausgelassen habe, ich wollte jemanden treffen, der anders ist, halt besonders, und ich …«

»Stopp, Frau Rettinger, manches kann man wirklich zerreden, es ist vorbei. Blicken Sie nach vorne, und halten Sie mich auf dem Laufenden, ja?«

Das versprach Simone.

»Liebend gern, Frau von Roth, und ich werde Ihnen auf ewig dankbar sein, und danke auch dafür, dass ich in Ihrem Leben bleiben darf.«

Das war jetzt genug. Teresa erhob sich.

»Das werden Sie, ich muss doch auf Sie aufpassen, damit Sie nicht wieder irgendwelchen Unsinn machen. Ach, und noch etwas. In der kleinen Boutique neben dem Brunnen habe ich vorhin in der Auslage ein sehr hübsches Shirt gesehen, überhaupt nicht teuer. Ich denke, das würde Ihnen sehr gut stehen, Sie vor allem ein wenig beleben.«

Sie hoffte, es diplomatisch unüberlegt zu haben, denn am liebsten hätte sie gesagt ein Shirt, das ein bisschen Farbe ins Gesicht bringt.

Aus Angst, Simone könne noch einmal anfangen, sich zu be­danken, verabschiedete Teresa sich und ging über den Marktplatz, eine schlanke, stolze Frau, der so manch bewundernder Blick nachgeworfen wurde. So etwas nahm Teresa gern zur Kenntnis. Bewunderung gefiel allen Frauen. Doch heute bekam sie davon nichts mit. In Gedanken war sie noch immer bei dem, was geschehen war und wofür sie keine Erklärung hatte.

War sie von Sinnen?

Die Frau hatte ihr einen unangenehmen Drohbrief geschrieben. Und was tat sie? Sie versuchte, ihr einen Job zu besorgen.