Der neue Sonnenwinkel 8 – Familienroman - Michaela Dornberg - E-Book

Der neue Sonnenwinkel 8 – Familienroman E-Book

Michaela Dornberg

0,0

Beschreibung

Im Sonnenwinkel ist eine Familienroman-Serie. Schauplätze sind der am Sternsee gelegene Sonnenwinkel und die Felsenburg, eine beachtliche Ruine von geschichtlicher Bedeutung. Mit Michaela Dornberg übernimmt eine sehr erfolgreiche Serienautorin, die Fortsetzung der beliebten Familienserie "Im Sonnenwinkel". Michaela Dornberg ist mit ganzem Herzen in die bezaubernde Welt des Sonnenwinkels eingedrungen. Sie kennt den idyllischen Flecken Erlenried und die sympathische Familie Auerbach mit dem Nesthäkchen Bambi. Bambi Auerbach war wie erstarrt. Sie sah nicht mehr ihren Überraschungseisbecher, von dem sie zuvor so entzückt war, nein. Sie versuchte, sich an das zu erinnern, worüber die beiden Frauen nebenan gesprochen hatten, unter anderem, musste man sagen. Die beiden Frauen hatten ohne Punkt und Komma geredet und wirklich alles durchgehechelt. Aufmerksam geworden war Bambi eigentlich erst, als zuerst der Name Auerbach gefallen war, und dann sogar ihr Name, ganz eindeutig Bambi Auerbach. Das konnte sie sich doch nicht ausgedacht haben, weil sie wegen der Abreise von Hannes so durcheinander war. Ja sicher, das war sie, und wie. Ihr Herz tat weh, aber das bedeutete doch nicht, dass auch mit ihrem Kopf etwas nicht stimmte. Sie hatte ihren Namen gehört! Am liebsten wäre Bambi jetzt aufgestanden, in die Nische nach nebenan gegangen, um sich die Frauen anzusehen. Die Stimmen kannte sie auf jeden Fall nicht. Gerade als sie noch darüber nachdachte, sprach eine der Frauen, und das, was sie sagte, hielt Bambi auf ihrem Stuhl fest. »Du kannst sagen was du willst, meine Liebe. Ich wette dagegen. Adoptierte Kinder haben es schwer, und sie werden von ihren Adoptiveltern niemals so geliebt wie ihre eigenen Kinder. So, und bei dieser Aussage bleibe ich.« »Und ich wiederhole noch einmal, dass man das nicht so pauschal sagen kann. Sicher hast du in dem einen oder anderen Fall recht. Aber es gibt Adoptiveltern, die ihr adoptiertes Kind vergöttern. Und da führe ich noch einmal die Auerbachs aus dem Sonnenwinkel an. Die lieben diese Bambi über alles.« »Ja, das stimmt«, gab die

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 147

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der neue Sonnenwinkel – 8 –

Bitte verzeih uns, Bambi!

Ein junges Mädchen ist enttäuscht von der Welt

Michaela Dornberg

Bambi Auerbach war wie erstarrt. Sie sah nicht mehr ihren Überraschungseisbecher, von dem sie zuvor so entzückt war, nein. Sie versuchte, sich an das zu erinnern, worüber die beiden Frauen nebenan gesprochen hatten, unter anderem, musste man sagen. Die beiden Frauen hatten ohne Punkt und Komma geredet und wirklich alles durchgehechelt. Aufmerksam geworden war Bambi eigentlich erst, als zuerst der Name Auerbach gefallen war, und dann sogar ihr Name, ganz eindeutig Bambi Auerbach.

Das konnte sie sich doch nicht ausgedacht haben, weil sie wegen der Abreise von Hannes so durcheinander war. Ja sicher, das war sie, und wie. Ihr Herz tat weh, aber das bedeutete doch nicht, dass auch mit ihrem Kopf etwas nicht stimmte.

Sie hatte ihren Namen gehört!

Am liebsten wäre Bambi jetzt aufgestanden, in die Nische nach nebenan gegangen, um sich die Frauen anzusehen. Die Stimmen kannte sie auf jeden Fall nicht.

Gerade als sie noch darüber nachdachte, sprach eine der Frauen, und das, was sie sagte, hielt Bambi auf ihrem Stuhl fest.

»Du kannst sagen was du willst, meine Liebe. Ich wette dagegen. Adoptierte Kinder haben es schwer, und sie werden von ihren Adoptiveltern niemals so geliebt wie ihre eigenen Kinder. So, und bei dieser Aussage bleibe ich.«

»Und ich wiederhole noch einmal, dass man das nicht so pauschal sagen kann. Sicher hast du in dem einen oder anderen Fall recht. Aber es gibt Adoptiveltern, die ihr adoptiertes Kind vergöttern. Und da führe ich noch einmal die Auerbachs aus dem Sonnenwinkel an. Die lieben diese Bambi über alles.«

»Ja, das stimmt«, gab die andere Frau zu. »Es ist aber auch ein entzückendes Ding. Die Auerbachs haben prächtige Kinder, alle sind wohlgeraten. Hör mit dem Unsinn auf, die Jüngste sei adoptiert. Weißt du, Hulda, ich kann dich richtig gut leiden, aber manchmal übertreibst du einfach, weil du dich wichtig machen willst.«

Bambi kam nicht mehr mit.

Was redeten die Frauen da? Natürlich war sie eine Auerbach, das sah man doch. Wie kamen sie überhaupt auf sie?

Hulda, wer immer es auch war, triumphierte: »Ich kann es beweisen. Ich habe beim Umzug der Verwaltung geholfen, und von den unter Verschluss gehaltenen Akten sind irgendeinem Trottel welche heruntergefallen. Ich habe geholfen, die aufzuheben, und da entdeckte ich zufällig eine Akte mit dem Namen Auerbach. Du kannst dir ja wohl vorstellen, wie neugierig mich das gemacht hat. Die Auerbachs sind schließlich wer im Sonnenwinkel, und dann von denen eine Akte unter Verschluss …, hoppla. Ich habe diesem Mann, der die Arbeit wirklich nicht erfunden hat, gesagt, dass er ruhig seine Zigarettenpause machen kann, dass ich alles ordentlich zusammentragen werde.« Sie machte eine kurze bedeutsame Pause, und Bambi hielt sich an der Tischkante fest, ohne es zu merken.

»Und, was weiter?«, wollte die andere Frau wissen, die nun doch interessiert war. Klatsch war immer gut, und sie kannte die Auerbachs auch, leider nicht persönlich. Und wenn es etwas über die gab: Gut zu wissen.

»Viel Zeit hatte ich ja nicht, denn eine Zigarette zu rauchen dauert nicht lange, aber ich habe das Wichtigste gelesen, und das ist …«, wieder eine Pause, ehe die Sensation kam, »die kleine Auerbach wurde adoptiert, als sie ein Jahr alt war, ihre leiblichen Eltern kamen bei einem Autounfall ums Leben.«

»Das finde ich sehr nobel von den Leuten, da merkt man wirklich nicht, dass die Kleine nicht ihr eigen Blut ist. Da hat sie aber Glück gehabt, zu so netten Leuten zu kommen. Also wirklich, ich muss dir Abbitte leisten. Manno, manno, das ist ein Ding.«

»Du darfst mit niemandem darüber reden, du bist die Einzige, der ich das anvertraut habe. Wenn das herauskommt, verliere ich meinen Job.«

Die andere Frau versprach nichts zu sagen, wenngleich es natürlich schade war, dass man eine solche Sensation nicht verbreiten durfte.

Adoptiert …

Die kleine Auerbach war tatsächlich adoptiert. Gut, dass sie nicht gewettet hatte. Diese Wette hätte sie verloren. Ein Handy klingelte.

Eine der Frauen meldete sich, sagte: »Ja, natürlich, ich komme sofort.«

Dann wandte sie sich an die andere.

»Tut mir leid, ich muss weg.«

Die andere Frau hatte offensichtlich keine Lust, allein zurückzubleiben, sie entschied sich, ebenfalls zu gehen. Sie riefen die Bedienung, zahlten, dann gab es ein Stühlerücken, die Frauen gingen.

Bambi, ohnehin angeschlagen, weil ihr geliebter Bruder Hannes, auf dem Weg nach Australien war, hätte am liebsten angefangen zu schreien.

Dann wurde ihr bewusst, dass Hannes ja überhaupt nicht ihr Bruder war, Ricky und Jörg waren auch nicht ihre Geschwister.

Sie hatte keine Omi und keinen Opi, und was am aller-, allerschlimmsten war, die Auerbachs waren auch nicht ihre geliebte Mami und ihr geliebter Papi.

Sie war eine Fremde!

Doch wer war sie?

Ihre Eltern waren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, das hatte sie gehört. Aber hatte es sonst niemanden gegeben? Keine Großeltern? Keine Tante oder keinen Onkel?

Hatten die sie alle nicht gewollt, und die Auerbachs hatten sich ihrer erbarmt?

Bambi biss sich auf die Lippen, um nicht zu schreien.

Und sie hatte immer damit angegeben, eine Auerbach zu sein.

Wie peinlich!

Warum hatte ihr niemand gesagt, dass sie nicht zu den Auerbachs gehörte, dass man sie nur aufgenommen hatte, weil sonst niemand es wollte?

Hatte sie nicht ein Recht darauf zu erfahren, wer sie wirklich war?

Warum hatte niemand es ihr gesagt?

Bambi hielt es im Kopf kaum mehr aus, weil ihre Gedanken durcheinanderschwirrten und sich ein stechender Schmerz in ihr ausbreitete.

Dagegen war der Kummer um Hannes überhaupt nichts.

Alle hatten sie belogen, niemand hatte sie korrigiert, als sie mal glaubte, auf ihren Vater zu kommen, dann mal wieder auf ihre Mutter. Sie hatte Ähnlichkeiten mit Ricky entdeckt, manchmal mit Jörg, mit Hannes sowieso.

Niemand hatte sie korrigiert!

Oder wussten Ricky, Jörg und Hannes überhaupt nicht, dass sie nicht zu den Auerbachs gehörte?

Es zerriss sie beinahe.

Bambi vergaß ihren Eisbecher, der sich mittlerweile in eine undefinierbare Pappe verwandelt hatte.

Die Bedienung kam vorbei, sah den kaum berührten Eisbecher, erkundigte sich besorgt. »Ist etwas nicht in Ordnung?« Bambi bekam nichts mit. Sie bemerkte weder die Frau, noch verstand sie deren Frage.

Die Bedienung wiederholte ihre Frage, und als sie wieder keine Antwort bekam, ging sie achselzuckend weiter.

Ein bisschen komisch war es schon. Was war mit der Kleinen los? Die gehörte auch zu den Jugendlichen, die in Windeseile ihre Becher auslöffelten.

Und wie war sie überhaupt drauf? Überhaupt nicht ansprechbar! Für die Bedienung gab es nur eine Erklärung. Wahrscheinlich hatte sie eine Arbeit versemmelt und überlegte nun, wie sie das ihren Eltern beibringen sollte. Kam öfter vor.

Bambi hatte von nichts eine Ahnung.

Sie dachte noch immer an die Worte der Frauen, die sich schmerzhaft in ihr eingebrannt hatten.

Sie war keine Auerbach!

Irgendwann stellte sie sich die Frage, ob es irgendwie vorbestimmt gewesen war, dass sie ausgerechnet zu der Zeit zu »Calamini« gegangen war, als die Frauen sich nebenan über Adoption unterhalten hatten und als zufällig ihr Name gefallen war.

Ja, es hatte so sein müssen!

Und es war gut so!

Sonst wäre sie noch immer in dem Glauben, eine typische Auerbach zu sein und würde weiterhin peinliche Ähnlichkeiten aufstellen, die es ja überhaupt nicht geben konnte, weil sie eben keine Auerbach war, sondern jemand, den man aus lauter Mitleid bei sich aufgenommen hatte.

War sie eine Deutsche, oder kam sie aus dem Ausland?

Alles war möglich.

Bambi schreckte zusammen, als sie eine Stimme vernahm: »Entschuldigung, ist hier noch frei?«

Sie bemerkte erst jetzt, dass sich das »Calamini« mittlerweile noch mehr gefüllt hatte. Nun ja, es war Kaffeezeit, und die Waffeln hier waren legendär und auch die anderen süßen Köstlichkeiten, die nachmittags neben dem Eis geboten wurden.

Vor ihrem Tisch standen zwei Frauen mittleren Alters.

Sie starrte sie an, was eine der Frauen bemüßigte zu sagen: »Ich möchte nur gern wissen, ob wir uns zu dir an den Tisch setzen können.«

Bambi nickte, und als die Bedienung vorbeikam, rief sie diese, um zu bezahlen.

»Oh, wir wollen dich aber nicht vertreiben«, sagte eine der Frauen.

Bambi winkte ab, murmelte etwas von eh weg müssen.

Sie stand auf und wäre davongelaufen, wenn die Bedienung sie nicht zurückgehalten hätte, um ihr das Wechselgeld zu geben, immerhin hatte sie ja mit zwanzig Euro bezahlt, dem Geld, das ihr Bruder Hannes ihr zugesteckt hatte. Ach ja, er war ja nicht mehr ihr Bruder, und das löste eine erneute Schmerzwelle in ihr aus.

Die Bedienung räumte den Überraschungsbecher ab, von dem sie gerade mal zwei oder drei Löffel gegessen hatte.

Überraschungsbecher …

Sie hatte eine Überraschung erlebt, und was für eine! Das war so bitter, dass es ihr nicht einmal leidtat, diesen Becher nicht gegessen zu haben, wo sie doch eine so große Naschkatze war.

Und mitleidig waren sie, die Auerbachs. Sie spendeten großzügig für Kinder in der Not, für Hungerleidende, für Tiere, für in Seenot geratene, für Erdbebenopfer. Die Liste ließe sich fortführen. Sie spendeten, wenn es eine Katastrophe gab, und wenn sie der Meinung waren, da helfen zu müssen.

Bambi hatte ihre Eltern dafür immer bewundert und sich vorgenommen, es ihnen gleichzutun.

Sie gehörte auch in diese Liste, und das zu wissen, war ganz schrecklich.

Wer war sie, fragte sie sich erneut.

Bambi, hatte sie den Namen von den Auerbachs bekommen, oder hatten ihre Eltern sie schon so genannt? Und Pamela, wie sie eigentlich hieß, wie verhielt es sich damit?

Bambi begann zu zittern.

Was sollte sie jetzt tun?

Sie konnte doch nicht in den Sonnenwinkel zurückkehren und so tun als sei nichts geschehen, dann wäre sie eine Verräterin, und das würde sie auch nicht aushalten.

Manuel kam ihr in den Sinn, ihr Freund seit frühester Kindheit.

Was würde der zu allem sagen?

Für ihn gehörte sie, wie für alle anderen Leute ja auch, zu den angesehenen Auerbachs, dem weltbekannten Professor und seiner liebenswürdigen Frau.

Es hatte sich immer so gut angefühlt, und jetzt wusste sie, dass sie mit ihnen nichts, aber überhaupt nichts gemein hatte.

Wieder die nächste Frage, die in ihr kreiste.

Wer waren ihre Eltern?

Im Hinausgehen hörte sie ein »Hallo, Bambi.«

Sie hatte die Mädchen bemerkt, die an einem der Tische sassen und Waffeln aßen. Die waren aus einer Parallelklasse, aber sie verstanden sich gut, und normalerweise hätte Bambi sich zu ihnen gesetzt.

Das ging nun überhaupt nicht, sie tat so, als habe sie nichts gehört und stürmte hinaus.

Es hatte sich noch mehr zugezogen, und gleich würde es anfangen zu regnen. Na prima! Und nun?

Bambi hatte keine Ahnung. Auch wenn es schrecklich war, so etwas überhaupt ansatzweise zu denken. Sie wusste es, aber in diesem Augenblick wünschte sie sich, sie wäre tot.

*

Bambi wusste nicht, was sie tun sollte. Sie rannte durch die Straßen, ohne überhaupt richtig wahrzunehmen, wo sie war.

Als sie den Marktplatz überqueren wollte, entdeckte sie Rosmarie Rückert.

Rasch presste sie sich an die Seitenwand eines Zeitungsstandes.

Rosmarie Rückert war die Letzte, die sie sehen wollte. Die tat zwar immer ganz freundlich, aber Bambi mochte die Frau nicht.

Dabei war Rosmarie mit ihren Geschwistern …, nein, sie war mit Ricky und Jörg verbandelt, die, es war kaum zu glauben, die Geschwister Stella und Fabian Rückert geheiratet hatten. Bambi hatte das immer lustig gefunden, doch jetzt ging es sie ja nichts mehr an. Nichts ging sie mehr etwas an, weil sie nicht dazugehörte.

Würde Rosmarie überhaupt noch mit ihr sprechen, wenn sie erfahren würde, dass sie keine Auerbach war? Wusste sie es gar und war deswegen so herablassend?

Bambi wischte sich die Tränen weg, die, ob sie es nun wollte oder nicht, über das Gesicht liefen, dann wagte sie einen vorsichtigen Blick um die Ecke. Von Rosmarie war zum Glück nichts mehr zu sehen.

Und was nun?

Es fing an zu tröpfeln, sie konnte sich in Hohenborn schon irgendwo unterstellen, doch das war keine Lösung. Sie musste eine Lösung finden, aber mit den ihr verbliebenen Euro kam sie nicht weit.

Als sie ein Hinweisschild sah, ging sie dem nach.

Für die nächsten ein, zwei Stunden, vielleicht auch mehr, war sie untergebracht, und dann musste sie weitersehen.

Als sie vor dem großen grünen Tor stand, klingelte sie.

Sie befand sich vor der Tür des Tierheims des Hohenborner Tierschutzvereins, in dem sie ihre Luna geholt hatte, nachdem ihr geliebter Jonny gestorben war.

Jonny war älter geworden, als es Collies normalerweise wurden, aber dennoch.

Sie war untröstlich gewesen, und als ihr die Großeltern vorgeschlagen hatten, im Tierheim nach einem Nachfolger für Jonny zu suchen, hatte sie nur widerwillig nachgegeben.

Anfangs hatte es auch überhaupt nicht so ausgesehen, dass sie für ein Tier ihr Herz entdecken könnte, obwohl es viele, teils auch ganz wunderbare Hunde im Tierheim gab, die alle eine Heimat suchten.

Es müsste verboten sein, an jeden X-beliebigen einen Hund zu verkaufen, ohne den zu überprüfen.

Tiere waren keine Wegwerfartikel!

Nun, auf jeden Fall war es etwas ganz Besonderes gewesen, wie Luna auf ihren Weg gekommen war.

Eigentlich hatten sie schon wieder gehen wollen, als ein putziges weißes Etwas auf sie zugestürzt kam als sei das ganz selbstverständlich.

Luna hatte sie gefunden und hatte sie ausgesucht, nicht umgekehrt, und die Omi hatte gesagt, dass ganz bestimmt Jonny ihr diesen entzückenden Labrador-Welpen geschickt hatte.

Bambi seufzte abgrundtief.

Sie liebte Luna sehr, beinahe schon wie Jonny, und den hatte sie mehr geliebt, als man sich denken konnte.

Gehörte Luna eigentlich jetzt ihr, oder gehörte sie den Auerbachs?

Sie konnte nicht länger darüber nachdenken, weil die Tür geöffnet wurde, und Frau Doktor Fischer, die Leiterin des Tierheims, stand ihr gegenüber.

»Hallo, Bambi, das ist aber eine schöne Überraschung, willst du ein wenig mit den Tieren spielen? Einen neuen Hund wirst du dir ja nicht aussuchen wollen, denn von deiner Omi weiß ich, dass du und Luna ein Herz und eine Seele seid.«

Die Großeltern waren große Unterstützer des Tierheims. Größer noch als ihre Eltern.

Eltern … Großeltern …

Sie waren es ja nicht wirklich, das konnten Hannes, Ricky und Jörg sagen.

Bambi nickte.

»Ich liebe Luna sehr und würde sie niemals hergeben, nein, ich …«

Sie brach ihren Satz ab, weil sie nicht wusste, was sie der netten Frau Doktor Fischer sagen sollte, die allerdings in keiner Weise irritiert zu sein schien.

»Komm rein, Bambi, wenn du magst, kannst du jetzt mit mir das Futter für später zurechtmachen. Ich kann Hilfe gut gebrauchen, weil zwei meiner Mitarbeiterinnen krank sind. Da kommst du mir gerade recht.«

Wieder konnte Bambi nur nicken, aber sie hatte schon einmal dabei geholfen, das Futter herzurichten, und das hatte ihr sehr viel Spaß gemacht. Sie konnte nur hoffen, dass es sie ablenkte, und danach …

Nein! Daran wollte sie jetzt nicht denken.

Zunächst einmal war es eine gute Idee, hergekommen zu sein.

*

Teresa und Magnus von Roth hatten, zusammen mit der ganzen Familie, ihren Enkel Hannes am Flughafen verabschiedet, und das war ganz schön emotional gewesen.

Hannes war ja gerade erst einmal beinahe ein Jahr auf Weltreise gewesen, und dass er nach einer kurzen Stippvisite im Sonnenwinkel ausgerechnet nach Australien wollte … Australien war ja nicht gerade um die Ecke.

Das war es auch, was sie alle am meisten bewegte, nicht die Tatsache, dass er dort ausgerechnet als Surf- und Tauchlehrer arbeiten wollte.

Die von Roths waren sich sicher, dass Hannes seinen Weg gehen würde und dass dieser Job nicht die Endstation für ihn war. Nicht für jemanden mit diesem Abitur und den glänzendsten Zukunftsaussichten.

Hannes war auch ganz schön gerührt gewesen. Beinahe hätte man den Eindruck haben können, dass er sich nicht sicher war, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Nun, sich so geballt der ganzen Familie gegenüberzusehen, die alle zum Abschied gekommen waren, die Großeltern, die Eltern, Schwester Ricky samt Ehemann Fabian und den Kindern, Bruder Jörg mit Ehefrau Stella und den Kindern.

Das ging schon ganz schön an die Substanz, zumal sie wirklich alle aneinander hingen.

Bambi hatte gefehlt, und das wurde von allen sehr bedauert. Aber sie hatte nicht gewollt, und das musste man akzeptieren.

Magnus und Teresa hatten eigentlich vorgehabt, die Verabschiedung mit einem Bummel durch die Großstadt zu verbinden, doch das hatten sie dann doch gelassen, weil das Wetter nicht dazu einlud zu flanieren.

Sie waren nach Hause gefahren, und dort empfing sie als Erstes Luna, die am Zaun der Auerbachvilla stand und kläglich bellte.

Das war ja merkwürdig.

Wo war Bambi?

Die würde Luna niemals allein lassen.

Während Magnus von Roth seinen Wagen in die Garage fuhr, begab Teresa sich zu Luna, die sie freudig begrüßte.

Es war schon praktisch, nebenan zu wohnen, sonst hätten sie das überhaupt nicht mitbekommen.

Teresa beugte sich zu dem Hündchen hinunter, begann es hingebungsvoll zu streicheln.

»Luna, wo ist denn die Bambi?«

Als Teresa den Namen nannte, begann Luna zu winseln.

»Weißt du was, die suchen wir jetzt.«

Als Teresa allerdings in ihr Haus gehen wollte, um den Schlüssel zum Haus ihrer Tochter zu holen, begann Luna laut zu bellen. Sie war außer sich, und das irritierte Teresa noch mehr.

Luna war ein ausgeglichener Hund, und wenn sie sich jetzt so gebärdete, deutete das darauf hin, dass sie schon länger allein war, was sie nicht kannte.

Merkwürdig.

Sie öffnete die Tür, und Luna kam herausgeschossen und heftete sich an ihre Seite, und das änderte sich auch nicht, als Teresa in ihr Haus ging, um den Schlüssel von nebenan zu holen.

Als Luna sie anstupste und erwartungsvoll ansah, konnte Teresa sich ein Lächeln nicht verkneifen.

Sie wusste, was Luna wollte.

»Du möchtest jetzt ein Leckerli, nicht wahr. Aber das hätte ich dir doch auch so gegeben, dafür hättest du mich nicht anstupsen müssen.«

Teresa ging in die Küche, Luna folgte ihr auf den Fersen.