Eine bittere Enttäuschung - Michaela Dornberg - E-Book

Eine bittere Enttäuschung E-Book

Michaela Dornberg

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Beschreibung

Im Sonnenwinkel ist eine Familienroman-Serie. Schauplätze sind der am Sternsee gelegene Sonnenwinkel und die Felsenburg, eine beachtliche Ruine von geschichtlicher Bedeutung. Mit Michaela Dornberg übernimmt eine sehr erfolgreiche Serienautorin, die Fortsetzung der beliebten Familienserie "Im Sonnenwinkel". Michaela Dornberg ist mit ganzem Herzen in die bezaubernde Welt des Sonnenwinkels eingedrungen. Sie kennt den idyllischen Flecken Erlenried und die sympathische Familie Auerbach mit dem Nesthäkchen Bambi. Simone griff nach ihrem Telefon, ganz ohne Eile. Sie erwartete keine wichtigen Anrufe. Als sie jedoch sah, wer der Anrufer war, begann ihr Herz stürmisch zu klopfen, verspürte sie eine gewisse Aufgeregtheit. Simone war außer sich vor Glück. Sie freute sich. Vermutlich wollte er wissen, wann sie bei ihm sein würde, wollte er ihr gleich sagen, was er alles mit ihr unternehmen wollte, wie sehr er sich auf ihr Kommen freue, dass er ihr Eintreffen kaum abwarten konnte. Und dann würden halt all die wundervollen Worte folgen, die Liebende sich zu sagen pflegen und von denen man nicht genug bekommen kann. Sie meldete sich und sprudelte auch sofort los: »Hallo, Ole, mein Schatz. Wie schön, dass du anrufst. Meine Reisetasche ist gepackt, und ich kann es kaum erwarten, zu dir zu kommen. Ich vermisse dich ja so sehr. Du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, wie sehr du mir fehlst.« Zunächst einmal kam nichts, doch das irritierte Simone nicht besonders. Sie war im Überschwang ihrer Gefühle wieder einmal zu schnell vorgeprescht, dabei wusste sie doch, dass Ole eher zu den Bedächtigen gehörte. Aus ihm sprudelten die Worte nicht so heraus. Doch als es nach einer Weile noch immer still war, erkundigte Simone sich ganz besorgt: »Hallo … Ole … bist du noch da?« War die Leitung gar unterbrochen? Das war sie nicht, denn endlich sagte Ole etwas. »Simone … ich … äh … nun, du kannst nicht kommen.« Sie schluckte.

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Der neue Sonnenwinkel – 87 –

Eine bittere Enttäuschung

Die schöne Simone ist wieder allein

Michaela Dornberg

Simone griff nach ihrem Telefon, ganz ohne Eile. Sie erwartete keine wichtigen Anrufe. Als sie jedoch sah, wer der Anrufer war, begann ihr Herz stürmisch zu klopfen, verspürte sie eine gewisse Aufgeregtheit.

Ole …

Simone war außer sich vor Glück. Sie freute sich. Vermutlich wollte er wissen, wann sie bei ihm sein würde, wollte er ihr gleich sagen, was er alles mit ihr unternehmen wollte, wie sehr er sich auf ihr Kommen freue, dass er ihr Eintreffen kaum abwarten konnte. Und dann würden halt all die wundervollen Worte folgen, die Liebende sich zu sagen pflegen und von denen man nicht genug bekommen kann.

Sie meldete sich und sprudelte auch sofort los: »Hallo, Ole, mein Schatz. Wie schön, dass du anrufst. Meine Reisetasche ist gepackt, und ich kann es kaum erwarten, zu dir zu kommen. Ich vermisse dich ja so sehr. Du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, wie sehr du mir fehlst.«

Zunächst einmal kam nichts, doch das irritierte Simone nicht besonders. Sie war im Überschwang ihrer Gefühle wieder einmal zu schnell vorgeprescht, dabei wusste sie doch, dass Ole eher zu den Bedächtigen gehörte. Aus ihm sprudelten die Worte nicht so heraus.

Doch als es nach einer Weile noch immer still war, erkundigte Simone sich ganz besorgt: »Hallo … Ole … bist du noch da?«

War die Leitung gar unterbrochen? Das war sie nicht, denn endlich sagte Ole etwas. »Simone … ich … äh … nun, du kannst nicht kommen.«

Sie schluckte. Was hatte er da gesagt? Das konnte doch nicht wahr sein. Wellen der Enttäuschung überfluteten sie.

»Ole, aber ich … wir …«

Er unterbrach sie.

»Simone, ich komme zu dir.«

Sofort war sie erleichtert. Warum hatte er das denn nicht gleich gesagt? Diese Lösung war ihr sogar viel lieber, denn sie hasste lange Autofahrten, und das blieb ihr nun erspart. Simone war einfach nur froh, und sie merkte überhaupt nicht, dass er verändert wirkte, dass seine Stimme merkwürdig belegt geklungen hatte, beinahe verlegen.

»Ole, Lieber, das ist ja ganz wunderbar«, sprudelte es aus ihr heraus. »Bella wird sich sehr freuen, dass sie das ganze Wochenende über mit uns zusammen sein kann, dass sie nicht zu Hermine muss. Dort hält sie sich zwar sehr gern auf, aber so wird es schöner sein, zumal Bella dich ja, wie du weißt, sehr gern hat. Das Honigtöpfchen weiß sehr genau, wem es ein Leben in Freiheit zu verdanken hat, sie mag dich wirklich sehr. Aber was sage ich da, ich kenne niemanden, der dich nicht mag, und in der Reihe deiner Bewunderer fädele ich mich selbst ganz weit vorne ein. Es ist mir erst jetzt so richtig bewusst geworden, wie sehr ich dich liebe, Ole, wie sehr ich dich vermisse, wie sehr du mir fehlst. Ich kann es kaum aushalten. Und deswegen habe ich mir auch etwas ausgedacht, was ich dir eigentlich erst bei unserem Treffen persönlich erzählen wollte. Doch was soll es, dann kannst du dich jetzt schon freuen. So sehr ich meinen Job im Notariat Rückert auch liebe, so gern ich hier bei Hermine im Haus wohne … ich liebe dich, und deswegen möchte ich auch mit dir zusammen sein, nicht hin und wieder, sondern immer. Deswegen werde ich meine Zelte hier abbrechen und zu dir ziehen. Vergiss alles, was ich dir jemals gesagt habe zu diesem Thema. Wenn man jemanden liebt, und das tun wir ja, muss man seine Liebe auch leben, miteinander. Da braucht es keinen Termin, wann und wie das zu erfolgen hat. Ich habe meine Angst, meine Bedenken überwunden. Das Fehlverhalten meines Exmannes in der Vergangenheit darf ich nicht dem Mann, mit dem ich eine beglückende Gegenwart genieße, anlasten. Wer sich nichts wünscht, braucht nichts und kriegt auch nichts … ich aber wünsche mir ein Leben mit dir, weil ich dich brauche, denn ich liebe dich.«

Wieder Stille am anderen Ende der Leitung! Simone war arglos, sie lachte.

»Ach, mein Liebster, ich kann es nicht lassen. Jetzt habe ich schon wieder ohne Punkt und Komma geredet und dich überrumpelt. Es tut mir ja so leid, doch du weißt ja, wie es ist, wenn das Herz übervoll ist …«

Er unterbrach sie erneut, ging nicht auf all das ein, was sie ihm gerade erzählt hatte. Eigentlich hätte es ihn doch erfreuen müssen, es war ja genau das, was er immer gewollt hatte.

»Simone, ich werde am Samstag in aller Frühe bei dir sein, mach dir keine Umstände, bereite bitte nichts vor. Jetzt muss ich aufhören, denn ich habe noch einen sehr wichtigen Termin, und auf den muss ich mich entsprechend vorbereiten. Das verstehst du doch, oder?«

Sie schluckte, sie hatte eine andere Reaktion von ihm erwartet, aber andererseits war er neu in seinem Job, musste sich erst richtig einarbeiten. Und er war ehrgeizig, wollte alle Erwartungen erfüllen, die man in ihn setzte.

»Aber ja, Ole«, antwortete sie, »ich freue mich, ich freue mich sogar sehr.«

»Bis Samstag dann, Simone«, erwiderte er, dann beendete er abrupt das Gespräch.

Irritiert legte Simone das Telefon beiseite. Was war denn mit Ole auf einmal los? Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass er sehr kurz angebunden gewesen war, kaum etwas gesagt hatte. Doch sie war noch immer arglos, sie redete sich ein, dass er ganz furchtbar im Stress sein musste. Das erklärte auch, warum er sich kaum gemeldet hatte, warum er ihre letzten Treffen kurzfristig abgesagt hatte. Es wurde allerhöchste Zeit, dass sie ihr gemeinsames Leben begannen. Auch wenn es ihr sehr schwerfiel, hier alles aufzugeben, war es die richtige Entscheidung. Man konnte nicht alles haben, und dieses Leben auf Distanz war nichts für sie und für Ole ebenfalls nicht. Der brauchte nach einem anstrengenden Arbeitstag seine Ordnung, er brauchte Nähe, und all das würde sie ihm geben. Sie machte sich Vorwürfe, dass sie zu zögerlich gewesen war, dabei musste sie sich doch nur an die magischen Augenblicke erinnern, die sie mit Ole erlebt hatte.

Sie lächelte, ignorierte, was er ihr gesagt hatte, sie solle nichts vorbereiten. Von wegen, sie würde alles tun, um ihn zu verwöhnen, um es ihm gemütlich zu machen. Wenigstens an diesem Wochenende sollte er das genießen, was er künftig jeden Tag haben würde. Ja, sie konnte eine ganze Menge auffangen, ihm einiges abnehmen. Es war ja auch überhaupt nicht einfach für ihn, wieder entschuldigte sie ihn eifrig bei sich. Sie sah die Verantwortung, die er zu tragen hatte, und abends hing er allein herum. Er hatte niemanden, mit dem er reden konnte. Nein, es ging wirklich nicht. Auch wenn sie in den sauren Apfel beißen musste, für ihn ihr eigenes Leben irgendwie aufzugeben. Manchmal musste man sich halt entscheiden, hatte keine andere Wahl. Sie würde für ihn loslassen, den Job, die Wohnung, das Tierheim. Sie hatte es sich lange überlegt. Sie hätte sofort mit ihm gehen sollen, dann wäre Ole jetzt nicht so gestresst. Eine Fernbeziehung konnte ja wirklich gewisse Vorteile haben, für sie und Ole war sie jedoch nichts, höchste Zeit also, die Reißleine zu ziehen.

Simone blickte auf ihre Uhr. Ein bisschen Zeit hatte sie noch, um einen Kaffee zu trinken. Und als sie das tat, wunderte sie sich schon ein wenig, weil Ole zu so früher Morgenstunde angerufen hatte. Lag es daran, dass er einen strammen Arbeitstag vor sich hatte oder weil er den Anruf nur irgendwie hinter sich bringen wollte?

Nein, so zu denken war gemein. Er hatte den Anruf nicht vergessen wollen. Und warum war er nicht liebevoll und zärtlich gewesen? Du liebe Güte! Morgens um sieben war nicht die richtige Zeit dafür, außerdem hatte sie unentwegt auf ihn eingeredet.

Es war aber schon merkwürdig!

Simone hatte plötzlich ein ungutes Gefühl, doch dem wollte sie jetzt keinen Raum geben. Immerhin hatte Ole nicht abgesagt, sondern er wollte zu ihr kommen. Und dass sie nichts vorbereiten sollte, war im Grunde genommen ein Indiz dafür, dass er die knapp bemessene Zeit ausschließlich mit ihr verbringen wollte, er wollte sie immerfort bei sich haben und ihr nicht dabei zusehen, wie sie in der Küche den Kochlöffel schwang.

Sie verdrängte die Gedanken, dachte positiv. Sie würden es sich schön machen, sie, Ole und Bella. Sie würden ihre Zweisamkeit genießen und Pläne für die gemeinsame Zukunft machen, die greifbar nahe war, die sie sich in den rosigsten Farben ausmalte.

Ole … Honigtöpfchen … sie …

Traurig würde Hermine Steinhoff sein, ihre liebenswerte Vermieterin, zunächst einmal am Wochenende, weil sie auf Bella verzichten musste. Hermine liebte die wunderschöne Hündin über alles, und Simone war Hermine unendlich dankbar dafür, dass sie sich so rührend um das Honigtöpfchen kümmerte, wenn sie arbeitete oder einen Termin hatte. Simone hätte Bella problemlos mit ins Notariat nehmen können, doch da hatte sie keine Chance, Hermine wehrte sich mit Händen und Füßen dagegen. Simone musste schon aufpassen, dass Bella ihr Hund blieb. Doch an so etwas dachte sie nicht ernsthaft, das erwähnte sie allenfalls mal im Spaß, und dann mussten sie beide lachen, die Hermine und sie. Für beide Frauen zählte in erster Linie das Wohl des Tieres, da zogen sie beide an einem Strang. Auf jeden Fall konnte man eines sagen – Bella führte ein wunderschönes Hundeleben. Doch das hatte sie auch verdient nach ihrer traurigen Vergangenheit, die ihren Höhepunkt im Tierheim gefunden hatte.

Als habe sie geahnt, dass Simone sich gerade mit ihr beschäftigt hatte, kam Bella zu ihr, schaute sie mit ihren wunderschönen Augen an. Simone wusste, was ihr Honigtöpfchen wollte, doch sie blieb hart. Sie hatte überhaupt nichts gegen die begehrten Leckerli, sie verwöhnte Bella, wo sie nur konnte, doch das musste nicht in aller Herrgottsfrühe sein.

»Später, mein Mädchen, und da kannst du mich mit deinen wunderschönen Hundeaugen noch so treu ansehen. Aber ich habe eine Neuigkeit für dich. Wir werden umziehen, hörst du? Und dann wird auch Ole für immer in deiner Nähe sein, und den magst du doch, nicht wahr, meine Schöne?«

Bella war ja so klug, sie hatte sie verstanden, wedelte mit dem Schwanz und machte »wuff«, Simone war entzückt. Und beinahe, aber nur beinahe, wäre sie jetzt aufgestanden und hätte dieses kluge Tierchen belohnt.

Sie trank ihren Kaffee, bummelte noch ein wenig herum, und dann war es auch an der Zeit, sich für die Arbeit fertig zu machen. Die Arbeit im Notariat … ein bisschen wehmutsvoll war ihr schon zumute, wenn sie daran dachte, dass sie diesen Traumjob aufgeben musste. Aber so war es halt im Leben, man musste manchmal Entscheidungen treffen, die einem nicht behagten. Ole war wichtiger als jeder noch so schöne Job. Sie musste sich jetzt nur überlegen, wann sie es sagen sollte, dass sie wegziehen würde und deswegen ihre Stelle aufgeben musste. Eigentlich musste sie es sofort tun, damit man hinreichend Zeit hatte, Ersatz für sie zu finden. Oder sollte sie damit warten bis nach Oles Besuch?

Ole …

Ihr Herz begann sofort vor lauter Freude und Glück zu hüpfen, wenn sie an ihn dachte. Und als sie auf den wunderschönen Ring schaute, den er ihr einfach mal so zwischendurch geschenkt hatte, weil er ihn schön für sie fand, war sie voller Dankbarkeit. Ole war wirklich der großzügigste Mensch auf der ganzen Welt. Diamonds are the girls best friends, sagte man allgemein. So war sie nicht, sie hätte sich auch über einen Ring aus einem Kaugummiautomaten gefreut. Schon allein der Gedanke, dass er an sie gedacht hatte, beglückte sie. Es war kein Verlobungsring, das hatte Ole ausdrücklich betont, als er ihr den Ring geschenkt hatte. Und das hatte er getan, um sie nicht zu verschrecken, weil sie ja das Tempo vorgegeben hatte und erst einmal abwarten wollte. Sie war töricht gewesen, doch wie auch immer, sie fühlte sich durch diesen Ring jetzt noch mehr an ihn gebunden. Es war ein Geschenk für die Ewigkeit. Und was immer sie in ihrem künftigen Leben für Schmuck von ihm bekommen würde, dieser Ring würde immer etwas Besonderes für sie bleiben, ihr ganzes Leben lang. Doch sie würde verdrängen, wie töricht sie sich verhalten hatte. Ole war der Mann ihres Lebens, es hatte magische Momente gegeben, und dennoch war sie zögerlich gewesen. Was für ein Glück, dass Ole kein nachtragender Mensch war und dass er sich letztlich ihren Wünschen gebeugt hatte, törichten Wünschen, die letztlich aus einer Angst vor dem Glück entstanden waren. Sie wusste, dass sie dumm gewesen war, doch das ließ sich jetzt nicht mehr rückgängig machen, und so konnte sie sich nur noch auf das Wochenende freuen, auf ihn, und dabei konnten sie alle Weichen für ein gemeinsames Leben stellen.

Aber jetzt musste sie erst einmal zur Arbeit, und das bedeutete, alles auszuschließen, was sie davon ablenkte.

»Komm, mein Honigtöpfchen, ich bringe dich jetzt zu Hermine, die gewiss schon sehnsuchtsvoll auf dich wartet.«

Bella sprang auf, lief schon mal die Treppe herunter. Bella mochte Hermine sehr, und das nicht nur, weil sie dort das bekam, was sie am meisten mochte … Leckerli!

Was für ein Glück, dass Simone davon nichts wusste. Hermine war klug genug, dieses kleine Geheimnis zu wahren. Als Simone unten ankam, hatte Hermine ihre Wohnungstür bereits geöffnet. Bella sprang an ihr hoch, und Hermine streichelte das wunderschöne Tier hingebungsvoll.

»Da bist du ja endlich, meine Schöne. Ich habe bereits auf dich gewartet. Und ich weiß auch schon, was wir gleich machen werden, einen wunderschönen Spaziergang zum See.«

»Und wo bleibt meine Begrüßung?« erkundigte Simone sich, »wann bekomme ich meine Streicheleinheiten?«

Hermine Steinhoff lachte.

»Das überlasse ich deinem Ole, der es gewiss kaum erwarten kann, dass du zu ihm kommst.«

»Ich werde nicht zu ihm fahren«, antwortete Simone, und als sie Hermines entsetzten Gesichtsausdruck bemerkte, ergänzte sie rasch: »Ole kommt zu mir.«

Dann erzählte sie Hermine von dem Telefonat, und die begriff, dass aus dem gemütlichen Wochenende mit Bella nichts werden würde, doch natürlich freute sie sich für Simone.

Simone verabschiedete sich von Hermine und Bella, und dann musste sie sich sputen, irgendwie hatte sie sich vertrödelt, und zu spät kommen wollte sie auf keinen Fall. Also rannte sie los, und wenig später fuhr sie mit ihrem kleinen Auto davon.

*

Simone hätte sich überhaupt nicht so zu beeilen brauchen, sie hatte noch Zeit satt. Ein wenig verwunderte sie, dass ihr Chef Dr. Rückert auch schon so früh ins Notariat wollte. Das war nicht mehr so häufig der Fall, er kam nur noch selten und überließ einen Großteil seiner Arbeit Dr. Nils Tannhoff, dem er vertraute und dem er irgendwann wohl das Notariat ganz überlassen würde. Wann das der Fall sein würde, das würde Simone nun ja nicht mehr erfahren. Doch auch wenn sie geblieben wäre, hätte es kein Problem geben. Sie verstand sich auch mit Dr. Tannhoff sehr gut, überhaupt mit allen. Dr. Rückert, den bewunderte sie sehr, und das lag gewiss nicht daran, dass er sich freiwillig im Tierheim mit viel Erfolg einbrachte. Nein, sie bewunderte ihn für sein unglaubliches ­Wissen, für seine Souveränität, und, nun ja, einen Vorschussbonus hatte er bei ihr, weil er sie eingestellt hatte.

Als Heinz Rückert seine Mitarbeiterin erblickte, blieb er stehen, er mochte die junge Frau, die war nicht nur sehr ehrgeizig, sondern auch richtig gut. Die machte ihren Job mit Leidenschaft, und so etwas gefiel Heinz Rückert.

»Guten Morgen, Frau Rettinger«, begrüßte er seine fleißige Mitarbeiterin, »immer sind Sie eine der Ersten, Sie nehmen die Worte wohl sehr ernst, dass es der frühe Vogel ist, der das Korn pickt.« Er lachte sie wohlwollend an, und Simone wurde vor lauter Verlegenheit rot.

»Dann trifft das auch auf Sie zu, Herr Dr. Rückert, schließlich treffen wir uns hier ja immer so früh.«

Das gefiel ihm, doch er korrigierte es auch sofort, indem er bemerkte, dass es durchaus möglich sei, dass er erst sehr viel später käme oder überhaupt nicht.

»Wissen Sie, Frau Rettinger, das ist ein Privileg des Alters, und ich muss zugeben, dass ich mich nicht nur immer mehr daran gewöhne, sondern dass es mir auch gefällt. Aber schön, dass ich Sie treffe. Am Wochenende findet im Tierheim ja so etwas statt wie ein Haus der offenen Tür, mit Führungen, mit Erklärungen. Und hoffentlich haben die Leute auch den Geldbeutel locker sitzen und spenden eifrig. Das Tierheim hat’s, wie Sie ja ebenfalls wissen, sehr nötig. Sie werden doch ebenfalls da sein?«

Simone wurde sichtlich verlegen, natürlich wusste sie von dem Projekt und hatte es auch eifrig mit vorbereitet, doch dann war ja der Anruf von Ole gekommen wegen des gemeinsamen Wochenendes, und da hatte sie alles andere vergessen, was natürlich absolut verständlich war. Aber wenn er nun zu ihr kam … konnte sie da nicht wenigstens ein paar Stündchen abzwacken und im Tierheim aushelfen? Sie verwarf diesen Gedanken sofort wieder. Es war ein Ding der Unmöglichkeit. Sie hatten sich wochenlang nicht gesehen, sie wollten ihre gemeinsame Zukunft besprechen, zumindest war es ihr Wunsch, da konnte man nicht einfach für eine gewisse Zeit verschwinden, auch wenn es lobenswert war und für einen guten Zweck geschah.

»Das geht … äh … ich bekomme Besuch, sonst würde ich natürlich gern kommen. Ich habe es Frau Dr. Fischer auch bereits gesagt, dass sie mit mir nicht rechnen kann …, es ist mein …«, wie sollte sie das, was sie mit Ole verband, eigentlich nennen?

Heinz Rückert erwartete keine Erklärung von ihr.

»Frau Rettinger, ich bitte Sie, Sie müssen sich doch nicht entschuldigen, weil Sie mal nicht können. Es ist alles freiwillig, und die gute Frau Dr. Fischer ist des Lobes voll, wenn über Sie gesprochen wird. Sie sind wirklich eine ganz große Hilfe für sie, vor allem kann man sich auf Sie verlassen, Sie kommen nicht nur einmal kurz vorbei und verschwinden ebenso schnell wieder, wenn Sie merken, dass damit richtig Arbeit verbunden ist. Die meisten Leute tun erst ganz begeistert, und wenn sie dann merken, wie mühsam die Arbeit werden könnte, suchen sie schleunigst das Weite. Frau Rettinger, Sie können stolz auf sich sein, und das sind wir übrigens ebenfalls. Wir sind alle froh, jemanden wie Sie in unseren Reihen zu haben. Hoffentlich bleiben Sie uns noch recht lange erhalten.«

Das durfte sie nicht ignorieren, jetzt musste sie Farbe bekennen, auch wenn ihr das sehr schwerfiel.

»Herr Dr. Rückert, ich möchte gern mit Ihnen sprechen«, begann sie vorsichtig, doch in diesem Augenblick klingelte sein Telefon, er entschuldigte sich bei ihr, meldete sich, und dann gab es etwas offensichtlich sehr Wichtiges zu besprechen.