Ein Haus am See - Michaela Dornberg - E-Book

Ein Haus am See E-Book

Michaela Dornberg

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Beschreibung

Im Sonnenwinkel ist eine Familienroman-Serie. Schauplätze sind der am Sternsee gelegene Sonnenwinkel und die Felsenburg, eine beachtliche Ruine von geschichtlicher Bedeutung. Mit Michaela Dornberg übernimmt eine sehr erfolgreiche Serienautorin, die Fortsetzung der beliebten Familienserie "Im Sonnenwinkel". Michaela Dornberg ist mit ganzem Herzen in die bezaubernde Welt des Sonnenwinkels eingedrungen. Sie kennt den idyllischen Flecken Erlenried und die sympathische Familie Auerbach mit dem Nesthäkchen Bambi. »Simone, ich muss dir was sagen …« Simone hatte das Gefühl, sich im freien Fall zu befinden. Nach den Augenblicken der Magie, des wortlosen Verstehens, hatte seine Stimme einfach zu ernsthaft geklungen. Es konnte allerdings auch sein, dass sie es nur so empfunden hatte. Und während Daniel sich zurückgelehnt hatte, locker schien, merkte Simone, dass sich alles in ihr anspannte. Sie spürte, wie Angst in ihr hochkroch, und ihre Gedanken überschlugen sich. Wollte er ihr jetzt verkünden, dass er verheiratet war, vielleicht sogar Kinder hatte und deswegen mit ihr nur ein oberflächliches Techtelmechtel haben konnte? Klar, diese Gefahr bestand durchaus, denn um sich jemanden sicherzustellen, in einer scheinbaren Sicherheit zu wiegen, musste man dick auftragen. Doch war Daniel so ein mieser Typ? Simone wagte einen schiefen Blick, fing sein Lächeln auf. Sie hielt es nicht mehr aus, und dann platzte es auch schon aus ihr heraus: »Und was willst du mir sagen? Dass es eine Frau Breksitter gibt, mit der du dich schon lange auseinandergelebt hast und mit der du nur noch wegen der Kinder zusammen bist, weil …« Er unterbrach sie und wirkte sehr betreten. »Simone, was redest du da für einen Unsinn.« Seine Stimme klang ungehalten, und ihr dämmerte es, dass sie da vermutlich zu schnell mit ihren Behauptungen vorgeprescht war. Wie peinlich! Jetzt hatte sie vermutlich alles vermasselt, warum hatte sie nicht einfach zunächst einmal ihren Verstand gebraucht. Er konnte ja nicht wissen, dass ihre Verletzungen, was Männer betraf, sehr tief saßen und dass sie sofort Unheil witterte. Oder doch? Seine Stimme klang erstaunlich sanft, als er sagte: »Mein Gott, Simone, dir muss sehr übel mitgespielt worden sein, dass du direkt Unheil witterst, zum Angriff übergehst.

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Der neue Sonnenwinkel – 92 –

Ein Haus am See

Aber wo ist dein Traumprinz, Nicki?

Michaela Dornberg

»Simone, ich muss dir was sagen …«

Simone hatte das Gefühl, sich im freien Fall zu befinden. Nach den Augenblicken der Magie, des wortlosen Verstehens, hatte seine Stimme einfach zu ernsthaft geklungen. Es konnte allerdings auch sein, dass sie es nur so empfunden hatte. Und während Daniel sich zurückgelehnt hatte, locker schien, merkte Simone, dass sich alles in ihr anspannte. Sie spürte, wie Angst in ihr hochkroch, und ihre Gedanken überschlugen sich. Wollte er ihr jetzt verkünden, dass er verheiratet war, vielleicht sogar Kinder hatte und deswegen mit ihr nur ein oberflächliches Techtelmechtel haben konnte? Klar, diese Gefahr bestand durchaus, denn um sich jemanden sicherzustellen, in einer scheinbaren Sicherheit zu wiegen, musste man dick auftragen. Doch war Daniel so ein mieser Typ?

Simone wagte einen schiefen Blick, fing sein Lächeln auf. Sie hielt es nicht mehr aus, und dann platzte es auch schon aus ihr heraus: »Und was willst du mir sagen? Dass es eine Frau Breksitter gibt, mit der du dich schon lange auseinandergelebt hast und mit der du nur noch wegen der Kinder zusammen bist, weil …«

Er unterbrach sie und wirkte sehr betreten.

»Simone, was redest du da für einen Unsinn.« Seine Stimme klang ungehalten, und ihr dämmerte es, dass sie da vermutlich zu schnell mit ihren Behauptungen vorgeprescht war. Wie peinlich! Jetzt hatte sie vermutlich alles vermasselt, warum hatte sie nicht einfach zunächst einmal ihren Verstand gebraucht. Er konnte ja nicht wissen, dass ihre Verletzungen, was Männer betraf, sehr tief saßen und dass sie sofort Unheil witterte.

Oder doch?

Seine Stimme klang erstaunlich sanft, als er sagte: »Mein Gott, Simone, dir muss sehr übel mitgespielt worden sein, dass du direkt Unheil witterst, zum Angriff übergehst. Es ist doch nichts weiter passiert. Ich habe dir lediglich gesagt, dass ich dir etwas sagen muss, weil ich nicht möchte, dass etwas zwischen uns steht. Du bist mir sehr wichtig, ich möchte dich kennenlernen, und ich möchte vor allem, dass du auch alles über mich weißt, weil es da nämlich tatsächlich etwas gibt. Doch eine Frau und Kinder …«, seine Stimme wurde sehr ernst, er schaute sie an, und sie konnte seinem Blick nicht ausweichen. »Simone, glaubst du wirklich, dass ich zu den Männern gehöre, die über die Dörfer ziehen, obwohl sie Frau und Kinder haben?«

Sie wurde puterrot und schämte sich.

»Daniel, es tut mir leid«, murmelte sie, »ich wollte, ich könnte diese Worte ungeschehen machen. Sie sind einfach so aus mir herausgeplatzt … ich … die Männer und ich … es ist nicht gut gelaufen.«

»Das tut mir leid, Simone. Offensichtlich bist du an die falschen Männer geraten, denn du bist eine ganz wundervolle Frau, und wenn man dir einmal begegnet ist, dann möchte man dich niemals mehr loslassen. Du bist etwas Besonderes. Ich möchte dich niemals im Leben mehr verlieren.«

Normalerweise gingen solche Worte bei einer Frau herunter wie Öl. Bei Simone war das jetzt nicht der Fall. Sie wäre am liebsten im Erdboden versunken. Es war ihr unendlich peinlich, sie schämte sich.

Sie schaute ihn an, zuckte die Achseln.

»Daniel, ich kann mich nur noch einmal entschuldigen. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen.«

Er machte eine abwehrende Handbewegung.

»Simone, da gibt es nichts zu verzeihen, für die Zukunft wünsche ich mir einfach nur, dass du mir vertraust. Du bedeutest mir unendlich viel. Ich würde dich niemals bewusst verletzen.« Er machte eine kleine Pause, bevor er weitersprach.

»Simone, ich habe dir erzählt, dass ich als freier Grafiker arbeite. Das stimmt, und ich liebe diese Arbeit über alles, aber …«

Sie merkte, dass sie innerlich schon wieder unruhig wurde. Sie konnte ihre Gefühle nicht vor Daniel verbergen.

»Ich habe auch Betriebswirtschaft studiert, meinen Abschluss gemacht und in BWL sogar promoviert. Das war eine Art Voraussetzung, um mich danach als Grafiker zu versuchen, die Ausbildung habe ich nebenbei gemacht.«

Jetzt verstand sie überhaupt nichts mehr.

»Daniel, das ist großartig, vor allem, dass du dich letztlich für das entschieden hast, was dir offensichtlich wichtiger ist, mehr Spaß macht. Ich kann das verstehen, ich habe zwar nicht studiert, doch eine Ausbildung in einem Notariat gemacht. Das wollte ich unbedingt, weil die Arbeit interessant und abwechslungsreich ist, was auf den ersten Blick überhaupt nicht so aussieht. Später machte ich andere Jobs, weil sich das so ergeben hat. Jetzt bin ich wieder in einem Notariat angekommen und überaus glücklich. Und ich finde, das ist es doch, was entscheidend ist, nicht wahr? Und wenn du als Grafiker arbeiten willst und glücklich bist … Das ist es doch, worauf es im Leben ankommt.«

Er zögerte kurz.

»Tja, die Sache hat aber einen Haken … ich hatte mit meinem Vater eine Vereinbarung. Ich kann meinem Hobby, wie er es nennt, nur so lange nachgehen, bis ich gebraucht werde.«

Ihr war anzusehen, dass sie jetzt nicht mehr so ganz mitkam. Was wollte er ihr eigentlich sagen?

»Simone, da ist noch etwas, mein Vater ist Besitzer der Breksitter-Werke, und ich soll sein Nachfolger werden. Unglücklicherweise bekam mein Vater einen Schlaganfall, der zwar glimpflich für ihn verlaufen ist, aber er ist längst nicht mehr der, der er einmal war. Er braucht meine Hilfe, und ich muss zu meinem ihm gegebenen Wort stehen … leider viel früher als gedacht.«

Daniel blickte in sein Glas, ehe er es zum Mund führte, um etwas von dem köstlichen Rotwein zu trinken, den sie mittlerweile genossen.

Simone hätte mit allem gerechnet, damit allerdings nicht.

Die Breksitter-Werke, die waren schon eine Hausnummer. Und Daniel war der Erbe dieses gigantischen Unternehmens? Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, sie schaute ihn nur ziemlich hilflos an.

»Simone, es ist mir wichtig, dass du das weißt. Zwischen uns ändert sich nichts, warum auch. Wir haben uns ineinander verliebt, du in mich, ich in dich, na ja, ein bisschen verliebt habe ich mich auch in Bella, in dein Honigtöpfchen«, versuchte er, dem Augenblick die Schwere zu nehmen, die auf ihm lag. Zumindest empfand sie das so, denn auf einmal hatte sich das Blatt gewendet. Daniel war nicht mehr der Grafiker, der jedem Auftrag nachjagen musste. Er war der Erbe eines superreichen Unternehmers. Wenn sie ehrlich war, der Grafiker wäre ihr lieber gewesen. Sie konnte dazu nichts sagen, und er ließ ihr Zeit, was sie ihm hoch anrechnete.

Keine Frage, es war ihm hoch anzurechnen, dass er ihr die Wahrheit gesagt hatte. Doch was änderte das?

Simone zuckte zusammen!

Was für eine dumme Frage, es änderte alles. Er musste in die Firma eintreten, weil er es seinem Vater versprochen hatte. Er würde wegziehen, und zwischen ihnen, ihren Leben lagen Welten. Wahrscheinlich scharrten die heiratswilligen und heiratsfähigen Töchter der feinen Gesellschaft bereits mit den Hufen, um sich diesen attraktiven Junggesellen zu angeln. Ihr wurde ganz schlecht bei diesem Gedanken, und sie biss sich auf die Lippen, um jetzt nicht noch eine weitere unbedachte Bemerkung zu machen, das hatte sie ja bereits getan.

Auch sie griff erst mal nach ihrem Glas, um etwas zu trinken und merkte, dass vor lauter Aufregung ihre Hand leicht zitterte.

Sie schwiegen beide, doch irgendwann hielt sie es nicht länger aus: »Und ab wann wird sich diese Veränderung vollziehen, Daniel?«

An dieser Frage war nichts auszusetzen, die war berechtigt, und er antwortete auch sofort.

»In der Firma bricht im Moment noch nicht alles zusammen, es gibt Direktoren, die für meinen Vater einspringen können, und nach der Reha wird auch er wieder bedingt arbeitsfähig sein. Er hat mir keinen Druck gemacht.« Er wagte ein schiefes Lächeln in ihre Richtung. »Aber er erwartet schon, dass ich … mein Hobby zeitnah aufgebe.«

Sie und die Männer …

Es war vertrackt. Sie hatte mit ihnen einfach kein Glück. Da gab es endlich jemanden, dem ihr Herz sofort zugeflogen war, von dem sie geglaubt hatte, er sei der Richtige, und schon war das Märchen wieder zu Ende, ehe es begonnen hatte.

Simone hatte alle Mühe, jetzt nicht in Tränen der Enttäuschung auszubrechen. Auch Bella spürte, dass etwas nicht in Ordnung war, sie hatte sich auf ihr Kissen zurückgezogen und beobachtete die beiden ganz genau.

Simone wollte gern etwas sagen, aber was? Sollte sie ihm zu dem neuen Job gratulieren? Sollte sie ihn bedauern, weil er das aufgeben musste, was er offensichtlich liebte?

Das Kopfkino spulte ab, und sie konnte nichts dagegen tun.

Es war Daniel, der glücklicherweise das Wort ergriff: »Simone, ich merke, wie durcheinander du bist. Doch dazu besteht überhaupt kein Grund. Ich habe mich in dich verliebt, und das ist mir wichtiger als alles andere. Was mehr zählt als alles andere ist unsere Liebe. Wir sind beide erfahren genug, um zu wissen, dass man sich, übermannt von seinen Gefühlen, nicht einfach nach Dänemark aufmacht, um sofort zu heiraten. Aber eines ist gewiss, ich möchte mit keiner anderen als mit dir mein Leben verbringen, da ist etwas, was sich nicht in Worte kleiden lässt. Es hört sich wahrscheinlich altmodisch für dich an, aber es ist die Liebe, die uns verbindet. Wir sollten dieses Wort ungeniert aussprechen. Simone, es tut mir so unendlich leid, dass wir nicht die Zeit haben, einander behutsam zu nähern. Das wäre mir sehr viel lieber gewesen.«

Sie bekam einen Stich im Herzen. Was bedeutete das nun schon wieder? Dass sich nichts zwischen ihnen entwickeln konnte, weil er seine Zelte abbrechen musste?

Er erhob sich plötzlich, kam auf sie zu, zog sie zu sich empor.

»Dann können wir halt nicht auf dem Bahnhof stehen und gemächlich einsteigen, wenn der Zug einläuft, sondern wir müssen auf den Zug springen. Eines ist gewiss, ohne dich läuft überhaupt nichts, und ohne dich gehe ich nirgendwo hin.«

Dann küsste er sie, und alle Ängste flatterten davon. Es gab keine Breksitter-Werke, es gab nur noch sie und ja, natürlich gab es auch Bella, die plötzlich zwischen ihnen war.

*

Nicki hielt überhaupt nichts davon! Doch sie konnte es unmöglich Roberta sagen und auch nicht Alma, die ganz entzückt von dem Gedanken war, sie und besonders die kleine Liv für immer in der Nähe zu haben.

Ach, wäre es bloß umgekehrt. Warum hatte Roberta auch nur die Praxis im Sonnenwinkel übernehmen müssen, eine Ärztin mit all diesen Ausbildungen, mit ihrer Fähigkeit. Es lohnte sich nicht, derartige Gedanken fortzuspinnen, es ging nicht, und außerdem wäre Roberta dazu niemals bereit, sie liebte ihre Praxis viel zu sehr, sie liebte ihr Leben im Sonnenwinkel, in ihrem Doktorhaus. Das war auch wunderschön, nur der Platz, auf dem es stand, war nicht der richtige, zumindest nicht für Nicki. Es sollte nicht sein, denn auch all ihre Beziehungen mit Männern im Sonnenwinkel und um den Sonnenwinkel herum waren gescheitert. Das konnte kein Zufall sein, und jetzt sollte sie ausgerechnet in dieses Haus ziehen? Roberta bekam jedes Mal glänzende Augen, wenn sie davon sprach.

Nicki hatte keine andere Wahl, ansehen musste sie sich das Haus genau. Sie war zwar schon mal früher bei Maja Greifenfeld in diesem Haus gewesen, doch da hatte sie nicht weiter darauf geachtet, da waren die Gespräche mit Maja viel wichtiger gewesen.

Roberta hatte voller Eifer einen Besichtigungstermin für sie gemacht, und nun war Nicki auf dem Weg. Sie ließ sich Zeit, sie war nicht etwa aufgeregt. Nicht die Spur.

Als sie Hals über Kopf nach New York geflogen war, um die kleine Olivia, genannt Liv, abzuholen, da war sie nur hingerissen gewesen von dem Gedanken, plötzlich ein Kind zu haben, durch das ihr Leben endlich einen Sinn bekommen würde. Sie war traurig gewesen, hatte viel um Vera geweint, die Kindesmutter, ihre alte Freundin. Und sie war nicht nur unglaublich stolz gewesen, dass Vera ihr, obwohl sie sich mehr oder weniger aus den Augen verloren hatten, ihr Olivia anvertraut hatte, vorsorglich, denn sie hatte natürlich nicht geahnt, dass es mal bittere Wirklichkeit werden würde. Oder hatte Vera es doch geahnt, dass sie bald sterben würde? Nein, darüber wollte Nicki jetzt nicht nachdenken, das würde sie nur dazu bringen, wieder in Tränen auszubrechen. Und was sollte diese Frau von Kramp denn von ihr denken, wenn sie dort verheult ankam.

Liv war ihr ganz großes Glück geworden, doch es war auch eine sehr große Verantwortung, die sie jetzt trug.

Nicki näherte sich dem Haus, ihre Schritte wurden langsamer, schließlich blieb sie stehen.

Nicki, redegewandt, sonst nicht auf den Mund gefallen, war froh, gleich nicht viel sprechen zu müssen, dafür hatte Roberta gesorgt. Sie musste sich das Haus nur ansehen.

Klar, wenn man es vom Verstand her betrachtete, wäre es eine gute Lösung. Alles war noch sehr frisch. Sie hatte überhaupt keine Ahnung, wie ihr Alltag ablaufen würde, vor allem, wo sie Liv unterbringen konnte, wenn sie mal ganz schnell zu einem Auftraggeber musste oder wenn sie als Simultan-Dolmetscherin in anderen Städten oder Ländern angefragt wurde. Ein Kindermädchen ging nicht, sie konnte in ihrem Loft niemanden unterbringen. Es lag nicht an der Größe, sondern daran, wie es angelegt war.

Jetzt passte Alma hingebungsvoll auf die Kleine auf, ja, vom Verstand her betrachtet, wäre es die beste Lösung. Doch vom Gefühl her … das konnte ja nicht die Dauerlösung sein. Roberta benötigte Alma im Sonnenwinkel.

Nicki zuckte zusammen, als eine besorgte Frauenstimme sich erkundigte: »Geht es Ihnen nicht gut? Kann ich Ihnen helfen?«

Nicki riss sich zusammen.

»Danke, alles in Ordnung«, schwindelte sie, »ich habe nur einen Augenblick darüber nachgedacht, ob ich … äh … mein Auto abgeschlossen habe.«

Die Frau lachte sie an.

»Das kenne ich, da schießt einem plötzlich etwas in den Kopf, das einen total verunsichert. Ich war einmal beinahe schon in Hohenborn, als ich zurückfahren musste, weil ich fest davon überzeugt war, die Herdplatte nicht ausgemacht zu haben. Sie war aus.«

Nicki zwang sich ebenfalls zu einem Lachen.

»Ja, es ist verrückt, das mit dem Herd hatte ich übrigens auch schon. Aber jetzt muss ich weiter. Ich gehe ganz bewusst nicht zurück, das Auto wird mir schon niemand klauen.«

»Sagen Sie das nicht, seit hier so viel gebaut wurde, hat sich manches verändert. Da tauchen auch Leute auf, die man lieber nicht sehen möchte.«

Die Frau hatte Lust auf ein Schwätzchen, das war nicht zu übersehen.

»Ich muss es riskieren, denn ich habe einen Termin und muss eilen. Danke, dass Sie so nett waren, mir Hilfe anzubieten … haben Sie noch einen schönen Tag.«

Die Frau war enttäuscht, keine Frage. »Den wünsche ich Ihnen auch«, sagte sie, und dann gingen die beiden Frauen in verschiedene Richtungen davon.

Nett waren sie ja hier im Sonnenwinkel, in der Stadt hätte niemand sie angesprochen und sich nach ihrem Befinden erkundigt, dachte Nicki, doch dann verdrängte sie solche Gedanken sehr konsequent wieder. Diese Gedanken waren unnütz. Es war ein Zufall gewesen, mehr nicht, und demzufolge war ihm nicht viel Bedeutung beizumessen. Außerdem war sie an ihrem Ziel angekommen. Sie atmete noch einmal ganz tief durch, dann stieß sie das Gartentörchen auf, lief durch den Vorgarten auf das Haus zu und klingelte nach kurzem Zögern.

Offensichtlich war sie bereits erwartet worden, denn sie hatte kaum geklingelt, als ihr auch schon geöffnet wurde.

Sie stand Leonore von Kramp gegenüber, die sie ebenfalls flüchtig kannte. Wenn man mit der Ärztin des Ortes befreundet war, war das gar nicht zu vermeiden.

»Guten Tag, Frau Beck«, sagte Leonore freundlich, reichte Nicki die Hand und bat die Besucherin ins Haus. »Wenn Sie mögen, trinken wir erst einen Kaffee zusammen, ehe wir das Haus besichtigen.«

»Ich möchte Ihnen aber keine Umstände machen, Frau von Kramp«, sagte Nicki, obwohl sie gegen einen Kaffee überhaupt nichts einzuwenden hatte, den trank sie gern und oft.

Leonore lächelte.

»Sie machen mir keine Umstände, denn der Kaffee ist bereits gekocht.«

»Dann nehme ich ihn gern, Frau von Kramp«, sagte Nicki artig, bot ihre Hilfe an, und weil die nicht angenommen wurde, sah Nicki sich schon mal im dem Wohnzimmer während Leonores Abwesenheit flüchtig um. Sie hatte den Raum anders in Erinnerung. Das war allerdings kein Wunder, denn es war inzwischen einiges verändert worden.

Außerdem, es war halt ein Wohnzimmer mit Blick in einen gepflegten Garten. Der Anblick riss sie nicht vom Hocker, sie hatte es nicht so mit Gärten, die machten nur Arbeit.

Leonore kam mit dem Kaffee zurück, und Nicki sprang auf, um ihr wenigstens das Tablett abzunehmen.

»Ich habe uns gleich auch noch ein paar Kekse mitgebracht, die habe ich sogar selbst gebacken.«

»Dann werde ich sie mit besonderem Vergnügen essen, Frau von Kramp«, entgegnete Nicki lächelnd, und das war nicht nur so dahergesagt.

Sie wusste nicht, woran es lag, doch die feinen adeligen Damen waren schon besonders, und irgendwie hatte man Respekt vor ihnen.

Manchmal fragte sie sich, ob diese Damen eigentlich stolz darauf waren, einen großen Namen zu tragen oder ob das eher eine Last für sie war. Bei Teresa von Roth glaubte sie, die Antwort zu kennen. Ja, sie war stolz darauf, aus einer uralten Adelsfamilie zu stammen, doch das machte sie in keiner Weise überheblich. Teresa von Roth war so herrlich normal, Nicki bewunderte sie sehr, und Nicki war stolz darauf zu wissen, dass sie mit jedem Anliegen oder Problem zu ihr kommen konnte.

Nicki war ein wenig abgelenkt und zuckte zusammen, als Leonore von Kramp sagte: »Es wäre schön, wenn Sie sich für das Haus hier entscheiden würden. Es ist für Kinder ideal, und von der Frau Doktor weiß ich, dass Sie das Kind einer verstorbenen Freundin adoptiert haben. Frau Beck, das verdient alle Hochachtung. Es ist kein Spaziergang durch einen Rosengarten, sondern eine große Herausforderung, bedeutet Verzicht, das ganze Leben wird umgekrempelt. Ich weiß, wovon ich rede, und obwohl ich ja bereits einmal Mutter war, änderte sich alles auf einen Schlag, als ich für meine Enkelin Sandra die Verantwortung tragen musste. Aber ich kann Sie trösten, liebe Frau Beck, die Freude, die man bei allem hat, die überwiegt. Das habe ich selbst so erfahren.«