Wenn die Sonne scheint - Michaela Dornberg - E-Book

Wenn die Sonne scheint E-Book

Michaela Dornberg

0,0

Beschreibung

Im Sonnenwinkel ist eine Familienroman-Serie. Schauplätze sind der am Sternsee gelegene Sonnenwinkel und die Felsenburg, eine beachtliche Ruine von geschichtlicher Bedeutung. Mit Michaela Dornberg übernimmt eine sehr erfolgreiche Serienautorin, die Fortsetzung der beliebten Familienserie "Im Sonnenwinkel". Michaela Dornberg ist mit ganzem Herzen in die bezaubernde Welt des Sonnenwinkels eingedrungen. Sie kennt den idyllischen Flecken Erlenried und die sympathische Familie Auerbach mit dem Nesthäkchen Bambi. Gundula Breksitter, Daniels Mutter, hatte Simone wirklich vollkommen aus der Spur gebracht. Sie war keines klaren Gedankens fähig, sonst hätte sie sich gesagt, dass nach dem unliebsamen Besuch nicht direkt ein Anruf erfolgen würde, zumal sie doch, wie diese schreckliche Frau mit schneidender Stimme gesagt hatte, vierundzwanzig Stunden Zeit hatte, sich zu entscheiden, zweihunderttausend Euro zu nehmen! Es klingelte weiter, Simone schluckte, nahm das Telefon in die Hand, und dann sah sie, dass Daniel der Anrufer war. Das war etwas, was sie normalerweise überglücklich gemacht hätte, dass ihr Liebster noch von unterwegs zu einem Freund an sie dachte, ihre Stimme hören wollte. Jetzt machte sie sein Anruf panisch, sie spürte, wie ihre Hände schweißnass wurden, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. Ihr Herz rief nach ihm, doch sie wusste nur zu genau, dass er sofort spüren würde, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Daniel war sensibel, er hatte einen ganz besonderen Draht zu ihr. Simone konnte unmöglich ans Telefon gehen! Nicht nach allem, was sich gerade wie ein böser Albtraum bei ihr ereignet hatte. Es klingelte und klingelte, doch sie meldete sich nicht, weil es nicht ging. Sogar das Honigtöpfchen war irritiert, spang auf, schaute Simone an. Die bildschöne Hündin besaß natürlich keine hellseherischen Fähigkeiten und wusste, wer da am anderen Ende der Leitung war, nämlich jemand, den sie hingebungsvoll liebte. Bella liebte Daniel so sehr, dass Simone manchmal richtig eifersüchtig wurde. Weil Simone sich noch immer nicht meldete, wie erstarrt auf ihrem Platz saß, kam von Bella ein ›wuff‹. Das Hundemädchen verstand die Welt nicht mehr. Bella war ein kluges Tier und wusste, dass sich Frauchen doch sonst immer meldete, wenn das Telefon klingelte. Wenn Bella wüsste! Sie hatte den unangenehmen Zwischenfall im Badezimmer hinter verschlossener Tür zugebracht, unfreiwillig eingeschlossen, wohlgemerkt! Es nervte, zumal das jetzt eine Situation war, in der Simone sich normalerweise ganz anders verhalten hätte. Sie hätte sich beim ersten Klingelton gemeldet und atemlos seiner Stimme gelauscht.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 137

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der neue Sonnenwinkel – 95 –

Wenn die Sonne scheint

Die kleine Olivia macht alle glücklich

Michaela Dornberg

Gundula Breksitter, Daniels Mutter, hatte Simone wirklich vollkommen aus der Spur gebracht. Sie war keines klaren Gedankens fähig, sonst hätte sie sich gesagt, dass nach dem unliebsamen Besuch nicht direkt ein Anruf erfolgen würde, zumal sie doch, wie diese schreckliche Frau mit schneidender Stimme gesagt hatte, vierundzwanzig Stunden Zeit hatte, sich zu entscheiden, zweihunderttausend Euro zu nehmen!

Es klingelte weiter, Simone schluckte, nahm das Telefon in die Hand, und dann sah sie, dass Daniel der Anrufer war. Das war etwas, was sie normalerweise überglücklich gemacht hätte, dass ihr Liebster noch von unterwegs zu einem Freund an sie dachte, ihre Stimme hören wollte.

Jetzt machte sie sein Anruf panisch, sie spürte, wie ihre Hände schweißnass wurden, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte.

Daniel …

Ihr Herz rief nach ihm, doch sie wusste nur zu genau, dass er sofort spüren würde, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Daniel war sensibel, er hatte einen ganz besonderen Draht zu ihr.

Simone konnte unmöglich ans Telefon gehen! Nicht nach allem, was sich gerade wie ein böser Albtraum bei ihr ereignet hatte.

Es klingelte und klingelte, doch sie meldete sich nicht, weil es nicht ging. Sogar das Honigtöpfchen war irritiert, spang auf, schaute Simone an.

Die bildschöne Hündin besaß natürlich keine hellseherischen Fähigkeiten und wusste, wer da am anderen Ende der Leitung war, nämlich jemand, den sie hingebungsvoll liebte. Bella liebte Daniel so sehr, dass Simone manchmal richtig eifersüchtig wurde.

Weil Simone sich noch immer nicht meldete, wie erstarrt auf ihrem Platz saß, kam von Bella ein ›wuff‹. Das Hundemädchen verstand die Welt nicht mehr. Bella war ein kluges Tier und wusste, dass sich Frauchen doch sonst immer meldete, wenn das Telefon klingelte.

Wenn Bella wüsste!

Sie hatte den unangenehmen Zwischenfall im Badezimmer hinter verschlossener Tür zugebracht, unfreiwillig eingeschlossen, wohlgemerkt!

Es nervte, zumal das jetzt eine Situation war, in der Simone sich normalerweise ganz anders verhalten hätte. Sie hätte sich beim ersten Klingelton gemeldet und atemlos seiner Stimme gelauscht. Dass es einmal so weit kommen würde, dass sie nicht ans Telefon ging, wenn Daniel anrief, daran hätte Simone nicht einmal im Traum gedacht, weil es eigentlich unmöglich war. Alles hatte sich verändert und sie in eine Lage gebracht, in der sie sich sehr unwohl fühlte.

Das Klingeln hörte irgendwann abrupt auf.

Simone atmete insgeheim erleichtert auf. Für einen Augenblick hatte sie Ruhe. Natürlich wusste sie, dass das keine Dauerlösung sein konnte, einfach nicht ans Telefon zu gehen. Sie konnte Daniel nicht ausweichen, nur weil seine Mutter sich bei ihr wie eine Furie aufgeführt hatte. Es war schon ziemlich grenzwertig gewesen, wie abfällig sie sich ihr gegenüber verhalten hatte. Doch dann dieses unmoralische Angebot hatte wirklich dem Fass den Boden ausgeschlagen.

Ihr hunderttausend Euro, weil sie nicht sofort zugeschlagen hatte, zweihunderttausend Euro zu bieten, damit sie aus Daniels Leben für immer verschwand. Das war einfach entwürdigend.

Simone begann am ganzen Körper zu zittern.

Sie wollte sich nicht an diesen Auftritt der Frau erinnern, der so unglaublich verletzend für sie gewesen war. Doch wundern durfte sie das eigentlich nicht, denn bereits bei dem so in die Hose gegangenen Wochenendbesuch bei den Breksitters hatte man ihr gezeigt, was man von ihr hielt, nämlich überhaupt nichts. Sie hatte nicht umsonst beinahe fluchtartig diese prachtvolle Villa verlassen. Richtig ausgedrückt, sie war geflohen, hatte nicht einmal Daniel etwas davon gesagt.

Schwamm darüber!

Sie und Daniel hatten sich miteinander versöhnt. Dass er sich von seinen Eltern lossagen, auf das riesige Erbe verzichten wollte, hatte sie nicht gewollt. Sie hatte ihm zugeredet, und sie hätte auch nicht damit aufgehört, es weiterhin zu tun, weil Eltern und Kinder sich nicht feindlich gegenüberstehen sollten.

Damit war es ja jetzt wohl vorbei, ja, das war es, und Simone würde keinen Finger mehr rühren, Daniel davon zu überzeugen, alles rückgängig zu machen, sich mit seinen Eltern auszusöhnen. Dieser Zug war abgefahren, wenigstens für sie. Sie würde es ihm nicht ausreden, wenn es ihm einmal in den Sinn kommen sollte, sein Erbe doch anzutreten. Das war etwas, was einzig und allein die Breksitters betraf. Doch so weit war es lange noch nicht. Jetzt musste sie sich erst einmal ernsthafte Gedanken darüber machen, ob sie Daniel von dem unliebsamen Zwischenfall erzählen sollte.

Simone war da sehr zwiegespalten.

Sie war keine Klatschtante, die alles gleich hinausposaunte. Vor allem wollte sie den Keil zwischen ihm und seinen Eltern nicht noch tiefer treiben.

Doch durfte sie es für sich behalten?

Daniel und sie waren sehr offen miteinander, und sie hatten sich ganz fest vorgenommen, dass das auch immer so bleiben sollte. Also hatte sie doch überhaupt keine andere Wahl. Sie musste es ihm erzählen, und davor graute Simone jetzt bereits.

Sie vergaß ganz ihren Kaffee, der längst kalt geworden war. Und so sehr sie Daniel bereits jetzt vermisste, war sie insgeheim froh, das Wochenende für sich zu haben, um überlegen zu können, wie sie sich verhalten, was sie ihm erzählen sollte.

Ihr Honigtöpfchen war unglaublich sensibel, hatte vergessen, dass es eigentlich schmollte. Die wunderschöne Hündin kam ganz nah an Simone heran, legte das Köpfchen auf deren Schoß und verhielt sich ganz still.

Simone beugte sich herunter, umarmte Bella, presste ihren Kopf gegen den des Tieres und murmelte: »Du glaubst überhaupt nicht, wie sehr ich dich liebe, meine Schöne. Und wie immer es auch mit mir und Ole gelaufen ist, ich werde niemals vergessen, dass er es war, der dich für mich aus dem Tierheim geholt hat.«

Simone hätte noch eine ganze Weile so verharrt, wenn da nicht eine Nachricht für sie auf ihr Handy gekommen wäre.

Sie streichelte Bella noch einmal ganz zärtlich, dann richtete sie sich auf und griff nach ihrem Handy.

Die Nachricht kam von Daniel.

»Schade, dass ich dich telefonisch nicht erreichen konnte. So muss ich dir auf diesem Wege sagen, wie sehr ich dich liebe und bereits jetzt vermisse.

Je t’embrasse, ich umarme dich, Daniel.«

Simone schluckte. Und ob sie es wollte oder nicht, die Tränen rannen ihr nur so übers Gesicht. Und ihr Herz wurde ganz weit vor lauter Liebe. Simone schämte sich, bekam ein schlechtes Gewissen, weil sie nicht ans Telefon gegangen war, obwohl sie wusste, wer der Anrufer war.

Daniel …

Dieser wundervolle Mann konnte doch unmöglich der Sohn dieser hartherzigen Menschen sein. Man musste Daniel im Krankenhaus irgendwie vertauscht haben.

Simone seufzte.

Natürlich wusste sie, dass das nicht der Fall war und dass man leider auf diese Weise keine Probleme löste.

Die dunklen Wolken schwanden, wenigstens vorübergehend, das Problem blieb.

Sollte sie es vergessen? Nein, korrigierte Simone sich sofort, so etwas vergaß man nicht, man konnte es allenfalls verdrängen. Und genau das war keine Lösung, denn irgendwann suchte sich alles, was verdrängt worden war, einen Weg nach oben.

Sie würde es Daniel erzählen und dabei versuchen, so behutsam wie nur möglich zu sein, obwohl diese Frau es wahrhaftig nicht verdient hatte, geschont zu werden. Doch sie war seine Mutter, das durfte Simone nicht vergessen.

Bella hatte sich wieder auf die Decke verzogen, döste mit geschlossenen Augen vor sich hin, und Simone betrachtete voller Verzücken ihre Hundedame, in die sie sich sofort schockverliebt hatte, ohne auch nur die leistete Ahnung davon zu haben, dass sie einmal ihr gehören würde.

Sie griff nach ihrem Kaffeebecher, nahm einen Schluck, verzog angewidert das Gesicht. Kalter Kaffee schmeckte gruselig. Sie stand auf, ging zum Spülbecken, schüttete den Kaffee weg, schüttete sich einen neuen ein, und weil sie schon mal stand, nahm sie sich eine Kokosecke, was prompt zur Folge hatte, dass das Honigtöpfen aus der Schläfrigkeit erwachte, den Kopf hob, Anstalten machte, aufzustehen, zum Frauchen zu laufen, in der Hoffnung, auch noch etwas abstauben zu können.

Bella war halt ein sehr kluges Tier und sah ein, dass es nicht klappen würde. Sie machte es sich wieder gemütlich und schloss erneut die Augen, und Simone fragte sich insgeheim, wie sie sich wohl verhalten hätte, wäre Bella bei ihr aufgetaucht. Hätte sie dem bettelnden Blick aus diesen wunderschönen Augen widerstehen können? Wohl kaum. Und so war alles gut.

Simone biss in ihre Nussecke und verdrehte genüsslich ihre Augen. Die war aber auch so was von lecker. Für kurze Zeit verdrängte sie, was geschehen war.

Diesmal trank sie ihren Kaffee aus und widerstand tapfer der Versuchung, sich eine zweite Nussecke zu holen. Man musste ja auch mal stark sein.

*

Simone hatte ja für das Wochenende keine wirklichen Pläne gehabt, aber hier und da hatte sie schon etwas tun wollen. Irgendwie hatte alle Energie sie verlassen, ganz so, als habe da jemand einen Stecker bei ihr herausgezogen. Sie hatte sich gerade mal dazu aufraffen können, aus Hermines Briefkasten die Wochenendausgabe der Tageszeitung zu holen, und das nicht, weil sie begierig darauf war zu erfahren, was sich so in der Welt und im Sonnenwinkel und Umgebung ereignete, sondern weil Hermine es ihr angeboten hatte, und da wollte Simone das Angebot nicht ablehnen, das wäre unhöflich gewesen.

Es stand natürlich etwas über Erlenried in der Zeitung, doch nicht über den liebevoll Sonnenwinkel genannten Teil, sondern es ging in erster Linie um das Neubaugebiet, den Millionenhügel. Dort fand immer etwas statt, und dort war immer jemand begierig darauf, in die Zeitung zu kommen.

Simone interessierte dieser Teil des Ortes nicht. Sie war noch nicht einmal oben, um es sich anzusehen oder um irgendwo einzukehren.

Sie hatte lange in Hohenborn gewohnt, doch der Sonnenwinkel war für sie immer etwas Besonderes gewesen, und daran hatte sich bis heute nichts geändert.

Sie war glücklich in ihrer Wohnung, und die Hausgemeinschaft mit ihrer Vermieterin Hermine Steinhoff war geradezu perfekt.

Hätte Ole sich nicht in diese andere Frau verliebt, wäre sie zu ihm gezogen und hätte den Sonnenwinkel verlassen. So schrecklich es auch für sie gewesen war, denn wer wurde schon gern im Stich gelassen. Später hatte es sie gefreut, ihre gemütliche Wohnung behalten zu haben.

Und mit ihr und Daniel?

Sie hatte sich deswegen bereits eine Menge Gedanken gemacht, denn natürlich hatte sie mit ihm zusammenziehen wollen, doch für einen Soloselbständigen, der Daniel nun mal als Grafiker war, war ihre Wohnung zu eng, und seine war nicht das, was sie sich für ein Zusammenleben vorstellte.

Es hatte sich erst einmal erledigt.

Dieser Zwischenfall in seinem Elternhaus hatte gereicht, um ihr bewusst werden zu lassen, dass es gut war wie es sich derzeit verhielt. Jeder hatte seine eigene Wohnung, und die Wochenenden oder wenn man mal Lust auf Nähe werktags hatte, dann trafen sie sich halt, entweder bei ihm oder bei ihr. Die Treffen fanden meistens bei ihr statt, und das nicht, weil es ja für Bella besser war, in der gewohnten Umgebung zu bleiben. Die konnte Simone sehr gut bei Hermine unterbringen, die ihr Glück kaum fassen konnte, weil sie Bella über alles liebte und sie sehr gern bei sich hatte.

Daniel kam gern in den Sonnenwinkel, weil nichts in ihrer Wohnung ihn an seine Arbeit erinnerte. Wenn sie sich bei ihm aufhielt, dann kam ihm hier und da mal etwas in den Sinn, das er unbedingt festhalten wollte, und dann konnte das bedeuten, dass er stundenlang in seinem Arbeitszimmer verschwand und alles um sich herum vergaß, auch seine Freundin.

Nein, wie es war, war es gut!

Aber was sollte sie jetzt machen?

Sich doch dem Korb mit der Bügelwäsche zuwenden? Oder sollte sie bei diesem schönen Wetter mit dem Honigtöpfchen nach draußen gehen? Bewegung konnte ja nie schaden.

Vielleicht wurde sie von Bella angesteckt, die weiter herumdöste. Warum legte sie sich nicht für kurze Zeit auf ihr Sofa? Oder, um ihren Geist wenigstens ein wenig anzustrengen, könnte sie sich dazu aufraffen, das bereits lustlos angefangene Wochenend-Kreuzworträtsel zu beenden.

Simone rätselte gern, sehr gern sogar, das war eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen. Stundenlang konne sie sich damit aufhalten.

Also gut, dann würde sie also rätseln. Mal sehen, wie lange sie sich heute damit unterhalten würde.

Sie breitete die Zeitung aus, blätterte um, bis sie zu der Rätselseite kam, griff nach ihrem Kugelschreiber.

Mal sehen …

Womit sollte sie anfangen? Diese Frage stellte Simone sich jedes Mal, wenn sie rätselte. Sie gehörte nicht zu den Menschen, die ganz ordentlich oben links begannen oder, wie manche Leute es taten, unten rechts. Sie machte es, wie sie Lust hatte. Sie schaute über das Rätsel, ihr Blick blieb an etwas hängen, irgendwo. Bewohner eines Staates in Südwest-Afrika, neun Buchstaben senkrecht. Da musste sie erst mal sehen, ob sie Worte waagerecht fand, und die hatte sie sehr schnell, in der gleichen Weise, das war einfach, wirklich simpel.

Dann kam die dänische Schlagersängerin, das war Gitte, und der italienische Regisseur Sergio, klar, dass das Leone war. Also, der erste Buchstabe ihres Wortes fehlte, der zweite war ›N‹, der dritte ›G‹, der fünfte Buchstabe war das ›L‹ von Leone. Es dauerte nicht lange, da hatte sie das Wort, es war einfach, sie musste ›Angolaner‹ eintragen.

Simone war gerade damit fertig, als es laut und fordernd an ihrer Haustür klingelte.

Das Honigtöpfchen sprang auf, rannte zur Wohnungstür, begann aufgeregt zu bellen.

Simone fiel der Kugelschreiber aus der Hand, vergessen war das Kreuzworträtsel.

Simone merkte, wie sie erstarrte.

Und auch wenn es eigentlich völlig ausgeschlossen war, schoss ihr nur ein einziger Gedanke durch den Kopf, und der lautete … Gundula Breksitter war zurückgekommen, sie hatte es sich anders überlegt.

Es klingelte erneut, diesmal heftiger.

Bella wurde aufgeregter, bellte lauter, rannte zu ihr, dann wieder zurück zur Wohnungstür, begann an ihr zu kratzen.

Ein nochmaliges Treffen mit dieser Person würde sie wirklich nicht verkraften. Und sie würde sie auch nicht ein zweites Mal in die Wohnung lassen.

Simone stand auf, lief zur Wohnungstür, öffnete sie, Bella schoss an ihr vorbei, rannte die Treppe hinunter.

Unten angekommen, war Bella außer Rand und Band, doch das nahm Simone bewusst überhaupt nicht wahr. Sie war in ihren Gedanken gefangen, die sich einzig und allein um Gundula Breksitter drehten. Sie war darin so festgefahren, dass sie wirklich glaubte, sie sei zurückgekehrt, um ihr eine weitere Gemeinheit entgegenzuschleudern. Sie traute dieser Frau inzwischen alle zu.

Simone war nicht mehr sie selbst, als sie unten angekommen war, und was sie zuerst tat, war ihr Honigtöpfchen anzuherrschen, indem sie barsch sagte: »Sei endlich still, sonst sperre ich dich beim nächsten Mal wieder im Badezimmer ein.«

Badezimmer …

Verflixt noch mal, sie hatte nicht daran gedacht. Gundula Breksitter mochte doch keine Hunde. So, wie diese Frau drauf war, hasste sie die vielleicht. Gundula Breksitter war bestimmt keine Tierfreundin.

Zu spät, resigniert öffnete sie die Haustür, Bella schoss an ihr vorbei, und dann erklang zuerst die vertraute, geliebte Stimme, ehe Simone begriff, was da gerade geschah.

Daniel …

Er stand vor der Haustür, obwohl er doch eigentlich zu einem Freund fahren wollte.

Daniel lachte sie an, begrüßte erst einmal, weil er auch überhaupt keine andere Wahl hatte, weil sie sich vorgedrängelt hatte, die vor Freude jaulende Bella. Das Tier war völlig aus dem Häuschen.

Unter normalen Umständen wäre Simone jetzt gerührt. Es waren keine normalen Umstände, das konnte, nach allem, was geschehen war, auch überhaupt nicht sein.

Simone stand an den Türrahmen gelehnt da, einfach so. Daniel war gekommen!

Hatte er von dem Überfall seiner Mutter erfahren?

Simone merkte, dass das unsinnig war. Daniel freute sich einfach nur, und das sollte sie vielleicht auch erst mal tun, statt sich jetzt schon Gedanken darüber zu machen, was sie ihm wann sagen sollte.

Irgendwann schob Daniel Bella energisch beiseite und sagte: »So, mein Fräulein, jetzt ist aber mal gut, du bist nicht allein auf der Welt, verstanden?, da gibt es noch jemanden, den ich unbedingt begrüßen möchte.« Er strahlte Simone an, und dann breitete er seine Arme aus, und sie konnte nicht anders, sie flog einfach hinein. Sie waren sich nahe, küssten sich, und erstaunlicherweise hatte Bella nichts dagegen, sondern verhielt sich still.

Für einen Augenblick war alles gut, stand die Welt still, da gab es nur noch sie und Daniel. Simone genoss es nach allem, was geschehen war. Dicke, schwere Steine purzelten von ihrer Seele. Daniel, Daniel, Daniel rief eine Stimme in ihr, und sie war so erleichtert, dass sie sich seufzend mit geschlossenen Augen an ihn lehnte, seine Gegenwart genoss, sein Rasierwasser wahrnahm, diesen Duft nach Tabak und Citrusfrüchten, herb und männlich.

Irgendwann war dieser Moment vorbei, und vermutlich lag das daran, dass Bella sich einfach zwischen sie schob.

Daniel reagierte zuerst darauf. Lachend sagte er: »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Begreif endlich, dass du zwar wichtig für mich bist, doch dass es da jemanden gibt, der noch wichtiger ist.« Er schaute Simone an. »Der wichtigste Mensch überhaupt auf der ganzen Welt«, fügte er mit leiser Stimme hinzu.