Der Osten - Andrzej Stasiuk - E-Book

Der Osten E-Book

Andrzej Stasiuk

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Beschreibung

Andrzej Stasiuks großes Buch über »den Osten«: eine Summe seines Reisens und Schreibens – niedergelegt in einem epischen Strom, hinreißend erzählten Episoden und Epiphanien. Er reist von Polen über Russland bis nach China und blickt auf sein Leben, das Gewirr aus Wegen und Routen, in dem ein Kindertraum sich mit dem Glücksgefühl kreuzt, das er in der Wüste Gobi empfindet.
Was ist das, der Osten, dieses »Reich der Wunder«, das Andrzej Stasiuk immer wieder magisch anzieht? Dieses Kontinuum, dessen Erschütterungen von Kamtschatka bis an die Elbe zu spüren sind. Ostpolen, die Heimat, aus der seine Eltern vertrieben wurden? Der Osten namens Sowjetkommunismus, dessen Präsenz die Gesellschaft, in der er aufwuchs, kontaminiert hatte? Osten – so könnte eine Quintessenz des Buches lauten – ist keine Himmelsrichtung, sondern die Verheißung einer Dimension jenseits der vom Grauen der Vergangenheit unterminierten europäischen Landschaften.

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Seitenzahl: 371

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Zurück von der Reise, lauscht Andrzej Stasiuk des Nachts hinaus in die Weite: Was ist das, der Osten, dieses »Reich der Wunder«, das ihn magisch anzieht? Dieses Kontinuum, dessen Erschütterungen von Kamtschatka bis an die Elbe zu spüren sind. Ostpolen, die Heimat, aus der seine Eltern vertrieben wurden? Der Sowjetkommunismus, dessen Präsenz die Gesellschaft, in der er aufwuchs, kontaminiert hatte?

Nach Jahren des Wartens liegt sie nun vor: Stasiuks große Erzählung über »den Osten«: eine Summe seines Reisens und Schreibens, eine Selbstbefragung. Lange Verborgenes tritt aus der Unsichtbarkeit: das Leben der Eltern, der Großeltern. Nie hat er bitterer über den »deutschen Osten« im eigenen Land geschrieben: jenes Territorium, auf dem die Nazis Gaskammern errichteten.

»Ich musste mich überzeugen, dass meine Geschichte Teil eines größeren Ganzen war.«

Aus der Vogelschau blickt Stasiuk auf sein Leben, dieses Gewirr aus Wegen und Routen, in dem ein Kindertraum von China sich mit dem Glücksgefühl in der Wüste Gobi kreuzt. Osten – so könnte eine Quintessenz lauten – ist keine Himmelsrichtung, sondern die Verheißung einer Dimension jenseits der vom Grauen der Vergangenheit unterminierten Landschaften Europas. Wie Stasiuk die Strahlkraft der Transzendenz beschwört, erinnert an die poetische Kraft der Welt hinter Dukla – nur dass diese Welt weiter geworden ist.

Andrzej Stasiuk, 1960 geboren, lebt seit 1986 in den Beskiden und bereist seit Jahren nicht nur den europäischen Südosten, sondern auch Russland, Zentralasien, die Mongolei und China. Sein vielfach ausgezeichnetes Werk wird in 30 Ländern publiziert. Zuletzt erschienen Hinter der Blechwand (st 4405), Kurzes Buch über das Sterben (st 4421), Der Stich im Herzen. Geschichten vom Fernweh (st 4577).

Renate Schmidgall, 1955 geboren, studierte Slawistik und Germanistik und übersetzt aus dem Polnischen, neben Andrzej Stasiuk auch Werke von Stefan Chwin, Zbigniew Herbert, Paweł Huelle, Maciej Niemiec, Wisława Szymborska und Adam Zagajewski. Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Sie lebt in Darmstadt.

Andrzej Stasiuk

DER OSTEN

Roman

Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall

Suhrkamp

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2016

Der vorliegende Text folgt der Erstausgabe, 2016

© Suhrkamp Verlag Berlin 2016

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

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Umschlagfoto: Martine Franck / Magnum Photos /FORUM

Umschlaggestaltung: Hermann Michels und Regina Göllner

eISBN 978-3-518-74518-2

www.suhrkamp.de

Für A.

Letzten Sommer kaufte Jerry die Einrichtung eines LPG-Ladens. Alles: Ladentische, Regale, irgendwelche Vitrinen und eine altertümliche Waage mit Schalen und einem Zeiger, der hinter Glas wandert. Wir packten die kommunistischen Antiquitäten auf die Tenne eines hundertjährigen Lemkenhauses. Die Ladentische und die Regale musste man ein Stück abschneiden. So groß waren sie. Fünfzig Jahre lang hatten sie an derselben Stelle gestanden, und niemand hatte sie angerührt. 1983, am ruthenischen Osterfest, habe ich sie zum ersten Mal gesehen, da stellte ich mich zum ersten Mal in die Schlange, und später stand ich immer wieder da, bis zum Schluss, die ganze Zeit in diesem vertrauten Geruch. Was war das? Süßigkeiten, Zimt, Marmelade, Vanillezucker, Räucherspeck, die Ausdünstung leerer Bierflaschen, Zigarettenrauch, die Körper der wartenden Menschen? Alles zusammen. Die Ware traf dienstags und freitags ein. Man musste sehr früh da sein und anstehen, um etwas zu bekommen. Die Ökonomie des Mangels. Der Laden gehörte zur LPG und bediente eigentlich nur ihre Mitarbeiter. Der Verkäufer war der Chef des Landwirtschaftsbetriebs. Die Mehrzahl der LPG-Arbeiter brauchte in der Regel kein Bargeld. Der Chef hatte ein dickes Heft, in dem er die Einkäufe namentlich auflistete, am Zahltag zog er die Summe dann vom Lohn ab. Manche Arbeiter bekamen wahrscheinlich nie Geld zu Gesicht. Sie arbeiteten und bekamen dafür einfach Essen, Seife, Bier. Die Schlange der fügsamen Frauen hatte etwas Feudales. Schweigend standen sie da oder redeten leise. Zwei, drei, vier Stunden. Zeit gab es damals mehr als genug. Die Waren brachte ein beigefarbener Żuk. Man sah ihn schon aus zwei Kilometern Entfernung. Neben der alten orthodoxen Kirche tauchte er auf und zog eine große Staubwolke hinter sich her, danach fuhr er bergab, verschwand für zwei Minuten und erschien dann wieder auf der letzten, einen halben Kilometer langen Geraden.

Ich stand am Ende der Frauenschlange und fühlte mich in dieser kollektivistischen und zugleich patriarchalischen Welt wie ein Dahergelaufener. Der Chef stand in dunkelblauem Kittel und weißem Helm hinter dem Ladentisch. Er wies mit dem Finger mal auf die eine, dann auf die andere Kundin und sprach sie an. Die Reihenfolge in der Schlange hatte keinerlei Bedeutung. Diejenigen, auf die er zeigte, bekamen etwas. Es ist mir nie gelungen, das Prinzip dieser Auswahl zu enträtseln. Belohnte der Chef vielleicht die besten Arbeiterinnen? Waren es vielleicht diejenigen, die es am weitesten nach Hause hatten? Oder zeigte er einfach seine absolute Macht, die er in Wirklichkeit über dieses Volk ausübte? Die Leute waren sein Eigentum. Sie konnten nicht fortgehen. Die Tycowa hatte neun Kinder. Um Brot zu holen, kam sie mit einem Sack, in einem Drillichanzug, direkt von den Schafen oder Pferden. Gebückt trug sie den Sack über die Schwelle, als schleppte sie einen Sack Kartoffeln. Die Gesindehäuser standen auf der Anhöhe, sie musste mit ihrem Bündel bergauf. Es hieß, sie bekomme mehr Kindergeld als Lohn. Die Kiesstraße lief mitten durch die Siedlung, und außer dem Żuk fuhren dort nur hin und wieder mit Holz beladene Lastwagen, der Förster mit seinem UAZ und die Patrouillen der Grenzschützer. Ein Auto hatte niemand. Der Bus hielt sechs Kilometer entfernt. Mit neun Kindern konnte man wahrhaftig nicht fortgehen. Außerdem wartete auch niemand. Ich stand am Ende der Frauenschlange und fühlte mich wie ein Dahergelaufener.

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