Der revolutionäre Charakter - Erich Fromm - E-Book

Der revolutionäre Charakter E-Book

Erich Fromm

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Beschreibung

Der Artikel "Der revolutionäre Charakter" nimmt in Fromms Werk einen besonderen Platz ein: Der revolutionäre Charakter ist nicht die Negation, nicht der Rebell gegen das Autoritäre, sondern die „Aufhebung“ des autoritätsfixierten Menschen, die Negation der Negation. Der revolutionäre Charakter ist der Freie, der sich vom Sein und nicht mehr vom Haben oder Nicht-Haben von Autorität her definiert. Fromm macht deutlich, dass der Begriff des revolutionären Charakters dem Begriff des psychologisch „produktiven“ Menschen entspricht, der gerade deswegen produktiv sein kann, weil er von den ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturen nicht fremdbestimmt wird.

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Seitenzahl: 34

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Der revolutionäre Charakter

(The Revolutionary Charakter)

Erich Fromm(1963b)

Als E-Book herausgegeben und kommentiert von Rainer Funkaus dem Amerikanischen Carola Dietlmeier, überarbeitet von Rainer Funk

Erstveröffentlichung unter dem Titel The Revolutionary Character in: E. Fromm, The Dogma of Christ and Other Essays on Religion, Psychology and Culture, New York 1963 (Holt, Rinehart and Winston); eine erste deutsche Übersetzung erschien unter dem Titel Der revolutionäre Charakter in: E. Fromm, Das Christusdogma und andere Essays, München 1965, beim Szczesny Verlag; mit überarbeiteter Übersetzung wiederabgedruckt in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zehn Bänden, Stuttgart (Deutsche Verlags-Anstalt) 1981, Band IX, S. 343-353.

Die E-Book-Ausgabe orientiert sich an der von Rainer Funk herausgegebenen und kommentierten Textfassung der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden, München (Deutsche Verlags-Anstalt und Deutscher Taschenbuch Verlag) 1999, Band IX, S. 343-353.

Die Zahlen in [eckigen Klammern] geben die Seitenwechsel in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden wieder.

Copyright © 1963 by Erich Fromm; Copyright © als E-Book 2015 by The Estate of Erich Fromm. Copyright © Edition Erich Fromm 2015 by Rainer Funk.

Der Begriff des „revolutionären Charakters“ ist ein politisch-psychologischer.[1] In dieser Hinsicht ähnelt er dem Begriff des autoritären Charakters, der in den dreißiger Jahren in der Psychologie eingeführt wurde. Letzterer verband eine politische Kategorie, die der autoritären Struktur in Staat und Familie, mit einer psychologischen Kategorie, der Charakterstruktur, die die Grundlage für eine derartige politische und soziale Struktur schafft.

Der Begriff des autoritären Charakters wurde im Zusammenhang mit politischen Interessen formuliert. Um das Jahr 1930 fand unter meiner Leitung eine Untersuchung bei deutschen Arbeitern und Angestellten statt, die auch darüber Auskunft geben sollte, welche Chancen bestünden, dass Hitler bei einer Wahl von der Mehrheit der Deutschen abgelehnt würde.[2] 1930 sprach sich die Mehrheit des deutschen Volkes – vor allem die Arbeiter und Angestellten – gegen den Nazismus aus. Wie sich bei den politischen Wahlen und bei Betriebsratswahlen gezeigt hatte, standen sie auf der Seite der Demokratie. Die Frage aber war, ob sie auch für ihre Ideen kämpfen würden, falls es zum Kampf käme. Wir gingen davon aus, dass es zwei verschiedene Dinge sind, ob jemand eine bestimmte politische Meinung bekundet, und ob diese auch eine tief sitzende Überzeugung ist. Jeder kann sich zwar eine Meinung bilden, ebenso wie man eine fremde Sprache erlernen oder eine fremde Sitte annehmen kann, aber nur Meinungen, die in der Charakterstruktur des Menschen verwurzelt sind und hinter denen die Energie seines Charakters steht, werden zu Überzeugungen. Ideen werden leicht übernommen, wenn die Mehrheit sie vertritt, ihre Auswirkungen aber sind weitgehend von der Charakterstruktur des Menschen in einer kritischen Situation abhängig. Wie Heraklit sagte und Freud bewies, ist der Charakter des Menschen sein Schicksal. Die Charakterstruktur bestimmt, welche Ideen ein Mensch wählt, und sie bestimmt auch die Kraft der Idee, die er wählt. Darin liegt in der Tat die große Bedeutung des Freudschen Charakterbegriffs, dass er über die traditionelle Auffassung des Verhaltens hinausgeht und sich mit jenem Verhalten befasst, das dynamisch bestimmt ist, so dass der Mensch nicht nur in gewissen Bahnen denkt, sondern schon der Gedanke in seinen Neigungen und Emotionen verwurzelt ist.

Die Frage, die wir uns damals stellten, lautete: Inwieweit haben die deutschen [IX-344] Arbeiter und Angestellten eine Charakterstruktur, die der autoritären Idee des Nazismus widerstrebt? Das schloss eine weitere Frage ein: Inwieweit werden die deutschen Arbeiter und Angestellten im kritischen Augenblick gegen den Nazismus kämpfen? Die Studie ergab, dass etwa zehn Prozent der deutschen Arbeiter und Angestellten das besaßen, was wir eine autoritäre Charakterstruktur nennen; etwa 15 Prozent hatten eine demokratische Charakterstruktur, und die große Mehrheit – etwa 75 Prozent – waren Menschen, deren Struktur eine Mischung aus beiden Extremen darstellte.[3]

Die theoretische Annahme war, dass die Autoritären glühende Nazis, die „Demokratischen“ militante Antinazis und die Mehrheit weder das eine noch das andere sein würden. Sie war mehr oder minder zutreffend, wie die Ereignisse in den Jahren zwischen 1933 und 1945 gezeigt haben. (Die Frage wurde von Th. W. Adorno et al. (1950) mit wesentlich verfeinerten Methoden untersucht.)