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Der junge Arped, einst ein reicher Kaufmann, hat seinen Besitz und seine Familie verloren. Heimatlos und verzweifelt irrt er jetzt - auf der Suche nach seiner jungen Ehefrau - durch das Königreich Zarador. Da erfährt er von einem geheimnisvollen Tal in der Wüste. Verzweifelt wie er ist, schlägt er sämtliche Warnungen in den Wind und macht sich auf die Suche nach dem Tal. Aber wird er dort eine Spur seiner Frau finden?
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Veröffentlichungsjahr: 2013
Das Königreich Zarador, einst ein reiches, blühendes Gebiet, trocknet allmählich aus und verwandelt sich langsam in eine Wüste. In dieser Situation, in der die Menschen zunehmend verarmen, ist der Wettbewerb um die wenigen verbliebenen Reichtümer sehr hart geworden. Der junge Arped, einst ein wohlhabender Kaufmann, ist eines der Opfer dieses gnadenlosen Kampfes. Verzweifelt und heimatlos irrt er jetzt auf der Suche nach seiner jungen Frau durch das ausgedörrte Land. Da hört er von einem geheimnisvollen Tal in der Wüste und schlägt alle Warnungen in den Wind ...
Müde lenkte Arped seine Stute nach Osten, dorthin, wo er das geheimnisvolle Tal in der Wüste zu finden hoffte. Ob er dort eine Spur seiner Familie finden würde? Tränen traten in seine Augen, als ihm Desira, seine junge Lieblingsfrau, in den Sinn kam.
Was war nur aus ihr und ihrem Kind geworden? Und wo waren seine anderen Frauen, seine Verwandten? Verzweifelt ballte er die Fäuste. Er wäre doch schon zufrieden gewesen, hätte er nur Desira und ihr gemeinsames Kind gefunden.
Vor sieben Monden war es geschehen: Er war von einer längeren Handelsreise zurückgekehrt und hatte sein Haus von Fremden bewohnt vorgefunden. Die Obrigkeit hatte seinen gesamten Besitz beschlagnahmt. Und seine Dienerschaft, seine Angehörigen, all die Menschen, die er liebgewonnen hatte, waren spurlos verschwunden.
Seitdem war er ruhelos durch das Land gezogen. Aber nirgends hatte er auch nur den geringsten Hinweis auf den Verbleib seiner Angehörigen finden können.
Nahezu blind vor Tränen, trieb er seine Stute zu schnellerer Gangart an. Doch plötzlich begann das Pferd aufgeregt zu schnauben, scheute und blieb schließlich mit hängendem Kopf stehen.
Verwundert blickte Arped hoch. Doch erst, nachdem sich sein Blick geklärt hatte, erkannte er den Grund für das merkwürdige Verhalten seines Reittiers: Nur wenige Schritte vor den beiden gähnte ein gewaltiger Abgrund, der so groß war, dass sein jenseitiger Rand im bläulichen Morgendunst kaum erkennbar war.
In seinem Kummer hätte er sich und sein Pferd um ein Haar ins sichere Verderben getrieben. Aber die treue Stute hatte ihn auch dieses Mal nicht im Stich gelassen. Dankbar tätschelte er den Hals des Tieres und stieg aus dem Sattel. „Meine Morgenröte“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Ohne deine Hilfe lägen wir beide jetzt zerschmettert dort unten.“
„Aber auch aller Kummer und alle Mühsal hätten dann ein schnelles Ende gefunden“, seufzte er und seine Augen füllten sich abermals mit Tränen. „Nein!“, rief er dem Tier schließlich mit neu gewonnener Kraft zu. „So lange mir die Götter erlauben zu leben, so lange werde ich nicht ruhen, bis ich meine junge Frau und unser gemeinsames Kind gefunden habe!“
Vorsichtig näherte er sich der Steilkante, wich jedoch erschrocken zurück. Ohne Übergang, wie mit einem schartigen Messer abgeschnitten, fiel die Felswand nahezu lotrecht in Schwindel erregende Tiefe. Aber dicker, gelblicher Nebel verdeckte die Sicht auf den Grund des Tals.
Und als wäre er lebendig, wallte der Nebel auf, formte groteske Figuren und begann, an der steilen Felswand emporzukriechen. Und immer wieder streckte er bleiche Finger in die Höhe, die mit zunehmender Länge durchscheinend wurden. Doch ehe sie den Rand des Tals erreichten, sog die wabernde Masse ihre Ausläufer wieder auf.
Zögernd riskierte Arped einen zweiten Blick in den Abgrund. Dunkle Schatten huschten über die Oberfläche des Nebels, überkreuzten und brachen sich, um danach ihren Weg in anderer Richtung fortzusetzen. Seine Vorstellung gaukelte ihm dämonische Fratzen vor, die höhnisch grinsend darauf warteten, ihn zu verschlingen.
Schaudernd trat er wieder ein Stück von der Kante zurück. Sollte er wirklich in diesen Schlund hinuntersteigen? Welche Gefahren würden dort unten lauern, unter der Oberfläche dieses merkwürdigen, für Blicke vollkommen undurchdringlichen Dunstes?
„Es ist der Nebel des Vergessens“ hatte der geheimnisvolle alte Mann erklärt, den er tags zuvor in der kleinen Oase getroffen hatte, wo er seinen Wasservorrat ergänzt hatte. „Gebt Euch unter keinen Umständen seinen Verlockungen hin!“, hatte ihn der Mann wiederholt ermahnt.
„Er wird nicht müde werden, Euren Geist zu umschmeicheln und Euch wundersame Dinge vorzugaukeln. Gebt Ihr diesen Illusionen nach, seid Ihr unrettbar verloren, denn in diesem Fall seid Ihr ihm hilflos ausgeliefert. Dann wird er damit beginnen, Eure Geisteskraft aus Eurem Körper zu saugen. Der wird dann als leere Hülle so lange im Tal umherirren, bis er vor Entkräftung zusammenbricht. Der Nebel lebt. Er ernährt sich von den Seelen unwissender Reisender, die wähnen, dort unten das Paradies gefunden zu haben.“
Er hatte den Mann bestürmt, ihm mehr darüber zu erzählen, doch der Alte hatte abgewinkt: „Zahllose Menschen habe ich hinuntergehen sehen. Es sind ihrer vielleicht so viele gewesen wie eine Sanddüne Körner enthalten mag. Aber lediglich drei Männer sind während dieser langen Zeit lebend aus dem Tal zurückgekehrt. Doch ihr Geist ist verwirrt gewesen.
Ich weiß nicht, was danach aus ihnen geworden ist, denn ich bin es leid, mir den Kopf über all die Narren zu zerbrechen, die ernst gemeinte Warnungen leichtfertig in den Wind schlagen. Wer den Tod sucht, wird dort unten seine Erfüllung finden! Geht hinunter oder bleibt hier. Was kümmert es mich? Ist nicht jeder Mensch Herr über sein eigenes Leben? Ihr seid noch so jung und wollt schon sterben? Also mag Euer Wunsch in Erfüllung gehen. Und jetzt lasst mich zufrieden!“
Danach war der Mann aus der Hütte geschlurft. „Aber so wartet doch noch einen Augenblick lang! Könnt Ihr mir noch sagen …?“ Er hatte sich beeilt, dem Mann ins Freie zu folgen, doch er hatte den Alten nicht mehr finden können. Dabei war es heller Tag gewesen. Es hatte tatsächlich so ausgesehen, als sei der alte Mann vom Erdboden verschluckt worden.