Der Ruul-Konflikt 8: Zwischen Ehre und Pflicht - Stefan Burban - E-Book

Der Ruul-Konflikt 8: Zwischen Ehre und Pflicht E-Book

Stefan Burban

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Beschreibung

Das 2. Bataillon des 105. Rangerregiments ist eine auf Guerillataktiken trainierte Eliteeinheit im Kampf gegen die Ruul. Auf unzähligen Welten haben die Berufssoldaten unter dem Kommando von Major Ryan Flynn ihren Wert und ihren Mut unter Beweis gestellt. Umso frustrierter sind die Rangers, als sie dazu abkommandiert werden, die Miliz auf der abgelegenen Maguire-Kolonie auszubilden. Trotz ihrer Abneigung und Verachtung für die schlecht ausgebildeten Soldaten des Hinterwäldlerplaneten kommen sie ihrer Verpflichtung – wenn auch widerwillig – nach, nicht ahnend, dass der Tod auf den Planeten zurollt.

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Inhalt

Prolog

1

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Zwischenspiel

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Epilog

Weitere Atlantis-Titel

Eine Veröffentlichung des Atlantis-Verlages, Stolberg März 2015 Alle Rechte vorbehalten. Druck: Schaltungsdienst Lange, Berlin Titelbild: Allan J. Stark Umschlaggestaltung: Timo Kümmel Lektorat und Satz: André Piotrowski ISBN: 978-3-86402-247-0 Dieses E-Book ist auch als Paperback überall im Handel erhältlich sowie als Hardcover direkt beim Verlag. Besuchen Sie uns im Internet:www.atlantis-verlag.de

Prolog

Gefechtsaufzeichnung 301des 2. Bataillons, 105. Rangerregiment, TKA28. Juni 2152Kommandierender Offizier: Major Ryan Flynn

Das 2. Bataillon ist heute auf dem Planeten Nebula Centauri eingetroffen. Das Erste, was mir spontan durch den Kopf schoss, als ich von der Rampe trat, war: Was für ein Dreckloch! Die vorherrschende Farbe hier scheint Grün zu sein, und das auch noch in den unterschiedlichsten Schattierungen. Bei so viel Grün möchte man am liebsten kotzen.

Anmerkung für die Akten: Der Planet befindet sich knapp neunzig Lichtjahre südlich von Fortress, liegt dadurch also im Operationsgebiet ruulanischer Überfallkommandos.

Kaum war das Bataillon ausgeschifft, standen wir auch schon im Kampfeinsatz. Die Koalition führt derzeit mehrere Operationen rund um das umkämpfte Serena-System durch, wodurch die Flotten- und Truppenkontingente auf Fortress und Starlight geschwächt sind. Aus diesen Systemen wurden zahlreiche Einheiten abkommandiert, um die Offensive zu unterstützen.

Für die Ruul ist dies immer der perfekte Augenblick, um ihre gefürchteten Ex-und-hopp-Angriffe durchzuführen. Sie sind ständig auf der Jagd nach Ressourcen und Sklaven. Seit Serena umkämpft wird, mehr denn je.

Diesmal haben sie ein Auge auf Nebula Centauri geworfen. Abgesehen von der Bevölkerung gibt es nichts von Interesse, was mich unweigerlich zu dem Schluss führt, dass sie es ausschließlich auf Sklaven abgesehen haben. Das 2. Bataillon war zufällig nah genug, um zeitnah auf den Notruf der Kolonie zu reagieren. Leider waren wir trotzdem nicht schnell genug. Vier Siedlungen auf der südlichen Hemisphäre sind schon in Feindeshand. Drei der fünf Milizregimenter auf dem Planeten waren bei unserer Ankunft bereits aufgerieben. Keine große Überraschung. Alles, was über das Bewachen eines Kühlschranks in der Antarktis hinausgeht, übersteigt die Fähigkeiten von Milizen bei Weitem. Weitere TKA-Einheiten oder Marines sind auf Nebula Centauri derzeit leider nicht präsent. Aus diesem Grund muss das 2. Bataillon mal wieder die Kastanien aus dem Feuer holen. Ist ja ganz was Neues. (Die letzten beiden Sätze – und diese Notiz – zur Löschung vormerken, bevor der Bericht zu den Akten geht.)

Das 2. Bataillon ist eine hervorragende Einheit, allerdings nur sechshundert Mann stark. Alleine schaffen wir es auch nicht gegen die Übermacht. Derzeit stehen geschätzte viertausend Ruul auf dem Planeten. Vermutlich bereiten sich gerade weitere Truppen in den ruulanischen Schiffen im Orbit auf die Landung vor.

Daher habe ich dem planetaren Gouverneur die Evakuierung der Zivilbevölkerung empfohlen. Er hat eingewilligt – wenn auch widerwillig. Ich kann ihm daraus keinen Vorwurf machen. Die Überreste des Wachgeschwaders, das mit dem Schutz des Systems betraut ist, hält derzeit noch eine Lücke offen, durch die die Evakuierungsschiffe schlüpfen können – wenn sie schnell genug sind. Die Ruul rücken in diesem Moment auf die Hauptstadt vor. Sie ist bereits von drei Seiten eingeschlossen, die vierte wird bald folgen. Falls die Ruul ihrem gewohnten Muster folgen – und ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln –, werden sie versuchen, möglichst schnell den Raumhafen unter Kontrolle zu bringen, um die Bevölkerung an der Flucht zu hindern. Diesen Schritt voraussehend, habe ich das Bataillon in Stellung gebracht, um den Gegner in Empfang zu nehmen und seinen Vormarsch zu verzögern.

Das 2. Bataillon wird seine Stärke ausspielen: Guerillataktik und Dschungelkriegsführung.

Gez. Major Ryan Flynn

Sergeant Major Lian Xu betrat den Schauplatz des Gefechts mit einer Mischung aus unheilvollen Erwartungen und grausamer Gewissheit. Den Rauch hatte er bereits von Weitem gerochen. Er überdeckte den unverwechselbaren Geruch des Dschungels in einem Umkreis von mehreren Kilometern.

Als Lian Xu die kleine Lichtung betrat, sah er seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Die Miliz von Nebula Centauri hatte schlicht keine Chance gehabt. Die Schlacht war kurz und brutal gewesen und am Ende war die Miliz von den kampferprobten ruulanischen Kriegern regelrecht überrollt worden. Mitleid stieg in dem erfahrenen Berufssoldaten hoch.

Lian Xu ließ sich auf ein Knie nieder und lockerte den Kragen seines in Grüntönen gehaltenen Tarnanzugs. Die hohe Luftfeuchtigkeit machte das Atmen zur Tortur und selbst kleinste Entfernungen hatten die nervtötende Angewohnheit, schweißtreibende Angelegenheiten zu werden.

Er gab der Einheit hinter sich ein knappes Handsignal und die Männer und Frauen des Aufklärungstrupps verteilten sich fächerförmig auf dem kleinen Schlachtfeld. Lian Xu schätzte, dass auf der Lichtung die Überreste mindestens eines Bataillons verstreut lagen. Der Dschungel verbarg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Überreste weiterer einheimischer Truppen. Über fünfhundert Leben nutzlos vergeudet. Für den erfahrenen Unteroffizier war es nicht schwer, anhand der Spuren den Kampfverlauf im Geiste zu rekonstruieren.

Die Ruul waren von Osten in die Lichtung eingebrochen, während die Miliz noch dabei war, ihre Stellung auszubauen. Die Milizionäre waren zwar nicht völlig unvorbereitet überrumpelt worden, aber doch überraschend genug, dass das Gefecht nicht länger als dreißig oder vierzig Minuten gedauert haben konnte.

Selbst für planetare Milizen ein beschämendes Ergebnis.

Die ausgebrannten Gerippe von fünf alten Goliath-Kampfpanzern und einem halben Dutzend Geländewagen schwelten noch zwischen den Überresten zweier MG-Nester. Vereinzelt lagen auch ruulanische Leichen zwischen den Gefallenen, für Lian Xus Geschmack jedoch deutlich zu wenig.

Ein Feuersalamander lag in einem kleinen Schützengraben, den die Milizionäre gerade ausgehoben hatten, als der Angriff erfolgte. Die gepanzerte Oberfläche strotzte vor Dellen, wie sie nur von großkalibriger MG-Munition geschlagen wurden. Doch zwei Granaten aus den Geschützen der Goliath-Panzer waren für das Ende des ruulanischen Fahrzeugs verantwortlich. Den Ausgang des ungleichen Kampfes hatte dies jedoch nicht wesentlich beeinflusst.

Sergeant Major Lian Xu seufzte, dann aktivierte er sein HelmCom. »Kundschafter zwei-eins an Kommando zwei-sechs.«

»Hier Kommando zwei-sechs«, erfolgte nahezu ohne spürbare Verzögerung die Antwort von Major Ryan Flynn, dem Kommandeur des 2. Bataillons des 105. Rangerregiments. Lian Xu schmunzelte. Die Schnelligkeit der Antwort ließ den Sergeant Major vermuten, der Major habe bereits auf seine Meldung gewartet.

»Was haben Sie gefunden, Sergeant Major?«, fragte die befehlsgewohnte Stimme des Majors.

»Das übertrifft unsere Prognosen bei Weitem, Major«, erwiderte Lian Xu. »Die Slugs rücken schneller als erwartet vor. Wir sind auf den Schauplatz eines Gefechts gestoßen. Ein Bataillon der Miliz wurde ausradiert, etwa dreißig Kilometer südöstlich ihrer Position. Die Ruul bewegen sich in direkter Linie auf die Hauptstadt zu und zerschlagen auf ihrem Weg jeglichen Widerstand.«

Schweigen antwortete auf seinen Bericht. Der Sergeant Major stellte sich vor seinem inneren Auge vor, wie der Major Befehle an die einzelnen Kompaniekommandeure gab, damit diese ihre jeweilige Taktik an die veränderte Sachlage anpassen konnten.

»Lian Xu?«, meldete sich der Major erneut.

»Sir?«

»Damit stehen die Ruul weniger als vierzig Kilometer vor der Hauptstadt und knapp fünfzig Kilometer vom Raumhafen entfernt. Ihre Fortschritte bereiten mir ernste Sorgen.«

»Die Miliz hat versucht, sie aufzuhalten, doch der Erfolg ist eher verhalten.«

»Wundert mich gar nicht. Bewegen Sie Ihre Truppe nun auf die Hauptstadt zu. Sie müssten irgendwo hinter der feindlichen Haupttruppe sein. Melden Sie es sofort, wenn sie auf die gegnerische Nachhut stoßen, und auch jede andere Veränderung der aktuellen Situation.«

»Verstanden.« Lian Xu zögerte. »Sir?«

»Ja?«

»Wie lange dauert die Evakuierung noch? Ich meine, wie lange müssen wir die Slugs aufhalten?« Lian Xu war lange genug Soldat, der an mehreren Feldzügen und Dutzenden von Schlachten teilgenommen hatte. Es war keine aus Angst gestellte Frage, sondern lediglich eine Bitte um wichtige Informationen. Sein Vorgesetzter wusste dies sehr genau, wie seine Antwort bewies.

»Es geht langsamer voran, als ich es gern sehen würde. Immerhin sind bereits einige Fluchtschiffe gestartet, doch fast zwei Dutzend sind immer noch am Boden. Der Gouverneur ist auch keine große Hilfe. Ich befürchte, wir werden die Slugs mindestens für eine weitere Stunde beschäftigen müssen.«

»Unterstützung der Miliz?«

»So gut wie gar nicht vorhanden. Soweit sie nicht aufgerieben wurde, hilft sie bei der Evakuierung. Ist mir auch lieber so. Dann stehen sie uns wenigstens nicht im Weg herum. Wir erledigen das lieber im Alleingang.«

»Auf Rangerart?«, Lian Xu schmunzelte erneut, als er den offiziellen Slogan des 105. Regiments erwähnte.

»Auf Rangerart«, bestätigte sein Vorgesetzter, dessen Lachen sogar über die Funkverbindung durchdrang.

Lian Xu beendete die Verbindung und winkte seine Leute zu sich. Es wurde nicht viel gesprochen. Wozu auch? Die Männer und Frauen kannten ihre Aufgabe.

In lockerer Formation drangen die Rangers erneut in den Dschungel ein und nahmen die Verfolgung der Ruul auf.

Major Ryan Flynn unterbrach die Verbindung im selben Moment und kratzte sich das unrasierte Kinn. Das Bataillon stand seit fünf Tagen auf dem Planeten und in dieser Zeit hatten sie kaum Schlaf oder auch nur einen Moment Ruhe gefunden, von Körperhygiene oder einer anständigen Rasur ganz zu schweigen.

Ryan erhob sich aus der Bodensenke, die mit einer Plane und Tarnmaterial abgedeckt worden war und ihm als Kommandostand diente. Ryan Flynn diente seit über elf Jahren bei den Rangern und er hatte schon so einiges gesehen, doch dieser Krieg nahm immer öfters Ausmaße an, die selbst ihn als hartgesottenen Veteran erschreckten.

Im Vorbeigehen fischte er sich ein hartes, drei Tage altes Brötchen aus dem Verpflegungswagen und begann, lustlos daran herumzukauen. Ryan war eins achtzig groß und dabei leicht massig, ohne muskulös zu sein. Für einen Mann seiner Statur stellte es sich mitunter als recht schwierig heraus, sich durch den Dschungel von Nebula Centauri zu quetschen. Andere Mitglieder seiner Einheit hatten es da schon deutlich einfacher.

Captain T. J. Dupree, die zierliche Befehlshaberin der A-Kompanie, trat mit einer Aura unterdrückter Emotion an ihn heran. Ihr sonst ordentlich frisiertes, langes blondes Haar hing strähnig zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden über ihre linke Schulter herab.

»Neuigkeiten?«

Ryan schenkte ihr ein schmales Lächeln. »Sie kommen.«

»Wird auch langsam Zeit«, betonte T. J.

Normalerweise waren Marine-, TKA- und Milizregimenter nach dem selben Prinzip aufgebaut. Vier, manchmal fünf Kompanien zu je hundert Mann bildeten ein Bataillon, also insgesamt zwischen vier- und fünfhundert Soldaten. Die Rangers bildeten die einzige Ausnahme von der Regel.

Da Rangers oftmals fern jeder Unterstützung operierten, waren ihre Bataillone aus vier Kompanien zu je hundertfünfzig Mann, also aus insgesamt sechshundert Mann aufgebaut, was für einen gewissen Rückhalt sorgte.

Das 105. Regiment diente nur äußerst selten als einheitliche Truppe. Meistens waren die Bataillone über mehrere Welten verstreut und verfolgten dort oftmals hinter den feindlichen Linien ihre Einsatzziele. Das 2. Bataillon stand seit beinahe neun Monaten ununterbrochen im Kampfeinsatz und fungierte entlang der bröckelnden Fortress-Linie als Feuerwehr, um immer wieder einbrechende ruulanische Überfallkommandos zur Strecke zu bringen oder wie in diesem Fall bei der Evakuierung einer nicht mehr zu haltenden, aber von ihrer Wichtigkeit vernachlässigbaren, Kolonie zu helfen. Für eine Elitetruppe nicht gerade befriedigende Aufgaben, doch sie mussten getan werden, vor allem, seit sich das umkämpfte Serena-System zum Dreh- und Angelpunkt dieses Frontabschnittes entwickelte.

Ryan ging im Kopf die Stellungen seiner Kompanien durch. Gemäß ihrer Doktrin von Guerillataktik und überfallartigen Angriffen bot das Bataillon dem Feind keine einheitliche Front, die er bedrängen und durchbrechen konnte, sondern vielmehr eine Reihe von versetzt angeordneten Auffangstellungen, die den Feind zermürben sollten.

Captain Caleb Dillane und die B-Kompanie lagen nordöstlich. Captain Lukas Nemec und die C-Kompanie lagen an dessen rechter Flanke in einer vorgelagerten Stellung. Die A-Kompanie hatte sich an der linken Flanke der B-Kompanie eingegraben, während Captain Mia Cumberland und die D-Kompanie wiederum an Duprees linker Flanke in einer vorgelagerten Stellung lagen. Dies ergab ein grobes Hufeisen und die Ruul marschierten geradewegs auf das Zentrum zu.

»Machen Sie Ihre Leute bereit, Dupree. Irgendwie müssen wir eine Stunde für die Evakuierung herausschlagen. Das dürfte interessant werden.«

Die ersten Ruul waren in ihrer grüngrauen Farbe kaum zwischen den Baumstämmen auszumachen. Sie verfügten über eine natürliche Tarnung in dieser Umgebung. Nur ihre Rüstungen blitzten hin und wieder metallisch auf und verrieten den Standort des Feindes. Ryan kniff die Augen zusammen. Nun erkannte er die Vorhut des Feindes. Sie bewegten sich überraschend vorsichtig. Die Slugs schienen es nicht eilig zu haben.

Hinter der Vorhut erkannte Ryan weitere Bewegung. Schnell schien der ganze Dschungel lebendig zu werden. Hinter den ruulanischen Kriegertrupps bewegten sich klobige Metallungetüme durch das unwegsame Gelände. Das unverwechselbare Donnern ruulanischer Panzer erfüllte die Luft. Ryan duckte sich unwillkürlich tiefer in sein Versteck. Das Gewehr presste er an sich, als wäre es aus purem Gold.

Die Ruul bewegten sich in einer tiefen gestaffelten Linie auf seine Auffangstellung zu. Und es waren viele. Verdammt viele.

Die Ruul waren sich ihrer Anwesenheit nicht bewusst, dessen war sich Ryan sicher. Anderenfalls hätten diese garantiert augenblicklich angegriffen. Das schwüle Klima ließ ihm dicke Schweißtropfen über die Stirn laufen. Einige rannen in seine Augen. Ungeduldig blinzelte er sie weg.

Die vordersten ruulanischen Krieger waren keine dreihundert Meter mehr entfernt. Er wartete noch ein Dutzend Herzschläge ab, bevor er das Zeichen ab.

Aus ihren versteckten Stellungen eröffneten die Rangers der A-Kompanie das Feuer. Das stakkatohafte Röhren eines schweren MGs gesellte sich nur wenige Sekunden später hinzu. Die ersten zwei Linien der ruulanischen Streitmacht, wurden praktisch noch in derselben Sekunde zu Hackfleisch verarbeitet. Ein ruulanischer Krieger besaß die Geistesgegenwart und hechtete in Deckung, geriet dabei jedoch versehentlich in den Feuerbereich zwei weiterer versteckter MG-Stellungen. Die großkalibrige Munition riss den Slug förmlich in zwei Teile. Bruchstücke seiner Panzerung flogen beinahe bis Ryans Position.

So weit, so gut, dachte Ryan.

Das unbarmherzige Feuer der Rangers mähte die Ruul reihenweise nieder und in einem Siebzig-Grad-Winkel ausgehend von Ryans Stellung wurde der Dschungel auf Hüfthöhe gerodet. Baumstämme zersplitterten unter den Einschlägen Tausender Projektile und brachen schließlich ab. Innerhalb der ersten Minuten des Gefechts zogen sich die Slugs sogar ein Stück weit zurück. Ryan glaubte für einen Moment tatsächlich, das Gefecht für sich entscheiden zu können – bis der ruulanische Gegenschlag erfolgte.

Vier Feuersalamander donnerten auf ihren Ketten heran und kümmerten sich nicht um die dicht stehenden Bäume. Sie rissen sie kurzerhand um. Die Panzer schwenkten ihre Geschütztürme herum …

Oh, Scheiße!

… und feuerten.

Wenige Meter hinter Ryan schlugen die Granaten ein, in einem Bereich von vielleicht zwanzig Metern im Durchmesser. Ryan spürte die Hitze der Explosionen sogar noch durch den Kampfanzug im Rücken. Eine seiner Feuerstellungen verstummte augenblicklich.

Ein Schützentrupp brachte einen Raketenwerfer in Position und jagte zwei panzerbrechende Geschosse in einen der Feuersalamander. Die Panzerung leistete nur geringfügigen Widerstand. Aus der Bruchstelle brach eine Stichflamme ins Freie, nur Sekunden bevor das Feuer die eingelagerte Munition zur Explosion brachte und den Panzer in Stücke riss.

Einer weniger, dachte Ryan und zog den Kopf ein, als eine zweite Salve Granaten über ihn hinwegpfiff.

»Das könnte heute doch noch ein übler Tag werden«, sagte er zu niemand Bestimmtem.

Captain Jérôme Cahill, Kommandant des Schweren Kreuzers der Sioux-Klasse TKS Chattanooga, wurde buchstäblich in seine Sicherheitsgurte gepresst, als eine Salve dreier Typ-8-Kreuzer die Außenhülle seines Schiffes malträtierte.

Das Wrack der Puma-Fregatte TKS Merlin glitt an seinem Brückenfenster vorbei. Zertrümmert, zerschlagen, mit Dutzenden Bruchstellen, die über den ganzen zylindrischen Rumpf verteilt waren. Der halbmondförmige Aufbau mit der Brücke vorne am Bug fehlte ganz. Das Schiff war einem feindlichen Kreuzer der Firewall-Klasse zu nahe gekommen und hatte einen hohen Preis dafür bezahlt.

Jérôme bemühte sich, das, was von dem Wachgeschwader Nebula Centauri übrig war, zusammenzuhalten, doch mit jeder Minute, die verstrich, wurde es schwieriger. Seine XO, Commander Natalja Nemerov, wurde von zwei Sanitätern soeben auf einer Trage von seiner Brücke getragen. Er fluchte innerlich. Ihre Hilfe hätte er jetzt gut gebrauchen können. Die letzte Salve hatte die Chattanooga schwer getroffen und selbst eine oberflächliche Begutachtung der Schadensliste, die über sein Display lief, bewies, sie waren in ernsten Schwierigkeiten. Er wünschte insgeheim, er hätte die Verantwortung an jemanden abtreten können, nur leider gab es über ihm niemanden mehr.

Eigentlich hätte er gar nicht das Kommando innehaben sollen. Nur leider war die TKS Paris, ein Schlachtschiff der alten Hades-Klasse, zwei Stunden zuvor verloren gegangen – zusammen mit Commodore Yablonski. Als dienstältestem Captain oblag Jérôme die Aufgabe, zu retten, was zu retten war.

Er wünschte, dieser Kelch wäre an ihm vorübergegangen.

»Es ist mir egal wie, aber schalten sie mindestens zwei dieser verdammten Kreuzer aus.«

»Aye, Skipper«, bestätigte Ned Stiles, sein taktischer Offizier, und tippte mehrere Befehle in seine Konsole ein.

Das Feuer der schweren 5-Zoll-Batterien der Chattanooga verlagerte sich auf die Backbordseite eines der feindlichen Kreuzer. Die Schilde des Feinschiffs schillerten in allen Regenbogenfarben, nur um schlagartig zu erlöschen, als die Generatoren überlasteten. Die Strahlbahnen der schweren Schiffsgeschütze der Chattanooga trafen sich auf der Außenhülle des feindlichen Kreuzers. Bei der bloßen Berührung warf die Panzerung Blasen, die im Vakuum sofort erkalteten. Nur wenige Sekunden später war die Panzerung geknackt und der feindliche Kreuzer drehte mit einer schwärenden Wunden in der Seite ab, aus der Qualm drang und Atmosphäre ins All entwich.

»Bringen Sie uns zwischen die verbliebenen beiden Kreuzer«, ordnete Jérôme an.

Der Schwere Kreuzer setzte sich gehorsam in Bewegung, als Guan Akuma, der Lieutenant an der Navigation, einen neuen Kurs setzte.

Jérôme überprüfte auf seinem taktischen Hologramm den Status seines restlichen Kommandos. Zwölf Schiffe waren noch intakt. Das war nicht viel, würde vielleicht jedoch reichen, einen begrenzten Gegenschlag zu führen. Damit rechneten die Slugs ganz sicher nicht und es würde ihnen möglicherweise zu denken geben. Das verschaffte den Truppen am Boden einige kostbare Minuten.

Der klobige, schwer gepanzerte Rumpf der Chattanooga schob sich wie ein Schwert zwischen die beiden verbliebenen Feindschiffe. Der Schwere Kreuzer schlug mit seinen gewaltigen Breitseiten gegen den Feind los und Explosionen peitschten über den Rumpf beider Schiffe.

Auf seinem taktischen Hologramm bemerkte er, wie sich die TKS Ivanhoe, ein weiterer Kreuzer der Sioux-Klasse, und die TKS Agincourt, ein Night-Klasse-Kreuzer, seinem Angriff anschlossen.

Die beiden Night-Kreuzer TKS Baton Rouge und TKS Ghettysburgh blieben zurück, um ihrem letzten Trägerschiff der Achilles-Klasse, TKS Khartum, Feuerschutz zu geben.

Die übrigen Schiffe seines dezimierten Kommandos verteilten sich in einem hohen Orbit, um die Ruul von der Landung weiterer Truppen abzuhalten.

In Gemeinschaftsarbeit zerlegten die drei Schweren Kreuzer einen der ruulanischen Typ-8-Kreuzer regelrecht in seine Einzelteile. Seiner Unterstützung beraubt, gab der verbliebene Typ-8 Gegenschub und versuchte, aus dem Schussfeld seiner drei Kontrahenten zu entkommen. Jérôme hatte nicht die Absicht, es so weit kommen zu lassen.

»Torpedosalve vorbereiten.«

»Bereit, Sir«, informierte ihn sein taktischer Offizier nur Sekunden später.

»Feuer!«

Stichflammen schossen die geöffneten Torpedoluken hinaus, als die Chattanooga aus allen Rohren das Feuer eröffnete.

Ruulanische Flakbatterien antworteten und fegten die Hälfte der Geschosse aus dem All. Die übrigen trafen jedoch auf einen bereits geschwächten Schutzschild. Der Schild versagte bereits unter dem Aufprall des ersten Projektils. Die anderen Geschosse rissen die Panzerung vom Bug bis zum Heck auf, zertrümmerten den Antrieb, die komplette Fernkampfbewaffnung und öffneten die Brücke zum Vakuum hin. Ein breiter Riss zog sich vom Bug bis hin zum Heck. Dieses Schiff würde für niemanden mehr eine Bedrohung darstellen.

Jérôme bekam jedoch keine Gelegenheit, sich für diesen Erfolg auf die Schulter zu klopfen.

Warnsirenen heulten über die Brücke der Chattanooga; rote Warnleuchten tauchten die Konsolen in eine gespenstische Atmosphäre. Jérôme blieben nur Sekunden, um den Grund zu erkennen. Drei ruulanische Firewall-Kreuzer näherten sich unter der Deckung eines halben Dutzends kleinerer Schiffe. Ihre Torpedobreitseite hatte Jérômes kleines Kommando bereits fast erreicht.

»Beidrehen!«, ordnete er augenblicklich an. »Wir müssen ihnen den Bug zuwenden. Feindliche Anflugvektoren an die Flakbesatzungen melden.«

Er gab seine Befehle, so schnell er nur konnte, doch tief in seinem Inneren wusste er, dass es nicht ausreichen würde.

Die Chattanooga und die sie begleitenden Kreuzer schwenkten gehorsam herum. Die Flaks aller drei Schiffe eröffneten das Feuer, kaum dass die feindlichen Geschosse in Reichweite waren. Siebzehn Projektile wurden noch im Anflug zerstört. Fünfundzwanzig kamen durch.

Die Chattanooga bockte unter den Einschlägen. Der Schild am Bug schillerte und die Geschosse fanden mehrere Lücken, durch die sie ihre Zerstörungskraft entfalten konnten. Auf Jérômes taktischem Hologramm baute sich ein Bild des Schweren Kreuzers auf. Der Bug glänzte karmesinrot, was auf schwere Schäden der Panzerung hinwies. Ein Abschnitt wurde besonders hervorgehoben. Nur noch einen oder zwei weitere Treffer an dieser Stelle und die Panzerung würde bersten.

Die Chattanooga hatte den Großteil des Beschusses auf sich gezogen, doch auch die Ivanhoe und die Agincourt bekamen ihren Teil der Aufmerksamkeit ab. Die Agincourt behielt nur mit Mühe ihre Position innerhalb der Formation bei. Zwei Treffer öffneten für einen Sekundenbruchteil eine Lücke im Schutzschild oberhalb der Bugpanzerung und ein feindlicher Torpedo – wohl eher ein Glückstreffer als wirklich gezielt – schaltete fast die Hälfte der dortigen Langstreckenbewaffnung des Kreuzers aus. Die Ivanhoe hingegen büßte zwei ihrer schweren 5-Zoll-Laserbatterien und eine 3-Zoll-Laserbatterie ein, kam also trotz allem noch einmal mit einem blauen Auge davon.

Jérôme registrierte die Schäden seiner begleitenden Kreuzer lediglich beiläufig. Er ließ die feindliche Kampfgruppe, angeführt von den drei Firewall-Kreuzern, keine Sekunde aus den Augen. Diese Anhäufung von Feuerkraft bereitete ihm ernsthafte Sorgen. Er bezweifelte, dass er die gegnerischen Schiffe würde aufhalten können.

Ein Ruf seines taktischen Offiziers lenkte sein Augenmerk auf den Orbit des Planeten. Ein halbes Dutzend feindlicher Schiffe waren dabei, seine dünner werdende Linie zu bedrängen. Es handelte sich hauptsächlich um Typ-8-Kreuzer, doch sie genügten, seinen Einheiten ernsthaft zuzusetzen. Noch während er zusah, explodierte der Zerstörer TKS Oslo, dicht gefolgt von einem Kreuzer der Hermes-Klasse, der Beaumont. Mit diesem Erfolg rissen die Ruul eine Bresche in seine Linie, die sie augenblicklich ausnutzten, um von ihren drei Trägerschiffen Mantas mit frischen Truppen in Richtung Planeten abzusetzen.

Die Mantas passierten das Wrack der Beaumont, das gerade dabei war, in die Atmosphäre zu stürzen, und dessen zerschmetterter Rumpf vor Reibungshitze rot aufglühte.

Die Rangers sollten sich lieber beeilen, sonst wird Nebula Centauri zu ihrem Grab.

Sergeant Major Lian Xu zog das Messer aus der Kehle des Slug und ließ den erschlafften Leichnam ins Dickicht gleiten.

Der Kampflärm übertönte alle Geräusche des Dschungels bei Weitem. Die Ruul waren so auf den Feind voraus konzentriert, dass sie die Möglichkeit eines Feindes im Rücken vernachlässigten. Nur mehrere kleine Trupps bildeten die Nachhut der Slugs.

Lian Xu gab mehrere kurze Signale. Die ihm unterstellten Leute verteilten sich nach beiden Seiten. Dies war bereits der zweite feindliche Trupp, auf den sie trafen. Etwa zweihundert Meter voraus, befanden sich die feindlichen Panzer. Er konnte sie zwar noch nicht sehen, wohl aber deutlich hören.

Sein Trupp bestand aus erfahrenen Profis und sie schalteten die übrigen Soldaten der feindlichen Nachhut problemlos aus. Am Ende lagen ein Dutzend Ruul tot zwischen den Bäumen.

Die Gruppe schlich sich geduckt weiter. Ab jetzt wurde es gefährlich. Lian Xu wollte schließlich nicht ins Feuer der eigenen Truppen geraten. Doch seine Beute entkommen lassen stand außer Frage. Drei Feuersalamander beharkten immer wieder die Stellungen der menschlichen Verteidiger aus ihren Geschützen. Auch die Rangers konnten einer solchen Feuerkraft ohne Unterstützung nicht lange standhalten. Lian Xu würde diese Unterstützung sein.

Gutturale, hart klingende Laute ließen ihn innehalten. Mehrere Ruul unterhielten sich unweit seiner Position. Er tauschte verstohlene Blicke mit den Rangers, die unweit seiner Position zwischen den Bäumen kauerten. Entschlossenes Nicken antwortete ihm. Die Rangers erhoben sich nahezu gleichzeitig aus dem Gras. Ihre Sturmgewehre spuckten Tod und Vernichtung unter die völlig überraschten Ruul. Gleichzeitig sprangen mehrere Rangers mit Rucksäcken auf.

Die Rucksäcke enthielten mehrere Blöcke C-25-Sprengstoff. Die Männer warfen die Rucksäcke auf die Geschütztürme der Panzer oder ihr Chassis und machten sie per Knopfdruck auf eine Fernbedienung scharf. Einer der Männer wurde von der Entladung einer Blitzschleuder getroffen und ging zu Boden.

Lian Xu knirschte mit den Zähnen. Ein Feuerstoß aus seinem Sturmgewehr schickte den Ruul, der geschossen hatte, ins Jenseits. Der Sergeant Major fluchte unterdrückt und griff sich die am Boden liegende Fernbedienung.

»Rückzug!«, schrie er. Sein Team gehorchte und man erkannte die erfahrenen Soldaten an der Art, wie sie sich zurückzogen. Sie drehten sich nicht einfach um und gaben Fersengeld, sie wandten dem Gegner jederzeit das Gesicht zu und trieben feindliche Krieger mit knappen, kontrollierten Feuerstößen in Deckung.

Als Lian Xus Team außer Sichtweite des Gegners war, schnippte er den Kippschalter seiner Fernbedienung um. Die anderen Mitglieder seines Teams taten es ihm gleich. Mehrere Explosionen blühten auf und zerrissen Feuersalamander und ruulanische Krieger gleichermaßen.

Lian Xu atmete mehrmals tief durch. Er hörte, wie hinter ihm das Gefecht langsam an Intensität verlor, als die Rangers die überlebenden Slugs erledigten. Der Sergeant Major wusste jedoch, dass ihr Auftrag noch längst nicht erledigt war. Diese ruulanische Truppe war nicht die einzige auf dem Planeten und noch nicht einmal die größte gewesen. Es gab noch jede Menge Arbeit, und obwohl die Rangers hervorragend darin waren auszuteilen, würden sie über kurz oder lang den Kampf um diese Welt verlieren, völlig gleichgültig wie viele Schlachten sie auch gewannen.

Ein Knall durchzog die Atmosphäre und lenkte Lian Xus Blick nach oben. Etwas rot Glühendes durchpflügte die oberen Schichten der Lufthülle. Er kniff die Augen zusammen. Es hatte verdächtig Ähnlichkeit mit den Überresten eines Schiffes – eines terranischen Schiffes.

Mehrere kleinere Objekte schienen das Schiffswrack zu eskortieren. Nein, nicht eskortieren, korrigierte sich Lian Xu. Sie kreuzten nur seinen Kurs und befanden sich ohne Zweifel im Landeanflug.

Oh Mann!

Er aktivierte sein HelmCom. »Kundschafter zwei-eins an Kommando zwei-sechs.«

»Kommando zwei-sechs hört?«

»Major, sehen Sie mal nach oben. Wir kriegen Besuch.«

»Schon gesehen, Sergeant Major. Bringen Sie Ihre Truppe rüber. Die Evakuierung ist so gut wie abgeschlossen. Wir verschwinden.«

Lian Xu atmete hörbar erleichtert auf.

Gott sei Dank!

»Packt zusammen!«, brüllte er seinem Team zu. »Wir werden kein Blut mehr vergießen, um diesen Dreckklumpen zu verteidigen.«

An Bord seines Truppentransporters betrachtete Major Ryan Flynn die Welt Nebula Centauri, die unter ihnen zurückblieb. Einundachtzig Rangers waren auf dieser Welt gefallen. Einundachtzig.

Und wofür?

Nur, um einige Minuten zu erkaufen. Der Krieg schien derzeit nur aus einer Verkettung von Rückzügen zu bestehen. Langsam vergaß er, wofür er eigentlich kämpfte. Jeder Sieg am Boden war bedeutungslos, wenn man letztendlich die Schlacht im All verlor. Das Terranische Konglomerat verzettelte sich an Dutzenden Fronten in Hunderten von Schlachten. Auch ihre Verbündeten waren keine große Hilfe, denn die litten schließlich unter denselben Problemen. Einmal. Einmal nur wollte Ryan das Gefühl haben, für etwas Wertvolles, etwas Schützenswertes zu kämpfen. Einmal nur wollte er das Gefühl haben, auf der Gewinnerseite dieses verdammten Krieges zu stehen.

Die Chattanooga führte den Ausbruch aus dem Nebula-Centauri-System an, mit der Ivanhoe auf der Steuerbord- und der Ghettysburg auf der Backbordseite. Die angeschlagene Agincourt folgte in deren Kielwasser.

Das dezimierte Wachgeschwader formierte sich um die drei Truppentransporter der Rangers sowie etwa dreißig Evakuierungsschiffe der Kolonie.

Jérôme verfolgte auf seinem taktischen Hologramm, wie gerade die letzten Arrow- und Zerberus-Jäger auf dem Träger Khartum landeten, damit sich dieser zum Sprung fertig machen konnte.

Ohne es zu wissen, bewegten sich seine Gedanken in ähnlichen Bahnen wie die Ryans. Mit Schaudern erinnerte er sich an die letzten Augenblicke des Gefechts. Sie hatten einen der Firewall-Kreuzer ausschalten können, im Gegenzug jedoch den Zerstörer Crawler und den Schweren Kreuzer der Hermes-Klasse Cornwall verloren. Die Slugs verfolgten sie nun nicht weiter. Der Großteil der Kolonie war evakuiert und in Sicherheit. Es würden jedoch genügend zurückgeblieben sein, um den Planeten für die Slugs weiterhin interessant zu machen. Was für ein Scheißkrieg. Wenn man sich nur noch dafür interessierte, die meisten Menschen zu retten, anstatt sich zu bemühen, alle zu retten, dann war die Menschheit möglicherweise wirklich dem Ende nah.

Und vielleicht zu Recht.

Er war sich sicher, dass die Ruul in den nächsten Stunden wieder abziehen würden. Sie waren gekommen, um Sklaven zu erbeuten, nicht um das System in Besitz zu nehmen. Innerhalb der nächsten Tage würde ein terranisches Aufklärungskommando auf der Bildfläche erscheinen und die Lage sondieren. Falls noch genug vom Planeten übrig war, um eine erneute Besiedelung zu rechtfertigen, würde man dies in Erwägung ziehen. Und falls man genügend freiwillige Vollidioten fand, die dies auch durchführen wollten, doch da sah Jérôme keinerlei Schwierigkeiten. Die Regierung schuf immer genügend Anreiz, dass sich einige fanden, die kein Problem damit hatten, unter der Nase der Slugs zu leben.

Wirklich ein Scheißkrieg.

Sollte die Menschheit tatsächlich noch eine Chance haben, musste der Krieg eine entscheidende Wende nehmen, und zwar bald.

Seine Kriegsschiffe und die Transporter unter deren Schutz näherten sich rapide der Nullgrenze. Bald würde es Zeit für den Sprung werden. Und dann auf ins nächste Gefecht.

Jérôme sackte frustriert in seinem Sessel zusammen.

1

Fortress hatte sich seit Kriegsbeginn enorm verändert. Was anfangs als provisorischer Stützpunkt gedacht war, hatte sich im Lauf der Jahre zu einem Hauptquartier nicht nur für das terranische Militär, sondern auch für die Til-Nara entwickelt. Der Planet selbst war nicht mehr wiederzuerkennen.

Das Netz aus Schützengräben, Geschützstellungen und Depots war ausgebaut und erweitert worden und umgab jetzt das Hauptquartier des Systems in einer tiefengestaffelten Verteidigung. Die Wichtigkeit des Systems rechtfertigte nun sogar ein eigenes MAD-Büro, in dem die Geheimdienst- und Aufklärungsberichte aller angrenzenden Sektoren zusammengetragen und analysiert wurden. Zu jedem Zeitpunkt befanden sich zwischen sechshundert und tausend Kriegsschiffe im System. Dazu zählten inzwischen nicht nur Schiffe der Menschen und Til-Nara, sondern auch der Nerai, Sca’rith, Meskalno und hin und wieder sogar Kreuzer der Asalti.

Major Ryan Flynn ging nervös vor dem Büro seines Vorgesetzten, Major General Kelvin MacClintock, auf und ab. Er trug immer noch die Uniform in den Tarnfarben, die seiner Einheit in den Dschungeln von Nebula Centauri so gute Dienste geleistet hatte. Ihm stieg unangenehm sein eigener Körpergeruch in die Nase. Nicht einmal Zeit zum Duschen hatte er gehabt. Ein Adjutant des Generals hatte ihn noch am Raumhafen abgefangen und ohne Umschweife hierher bugsiert.

Er unterbrach seinen unruhigen Gang, um sich die Zeit zu nehmen, durch das Fenster die Aktivitäten auf einer der Landeplattformen zu beobachten.

Gerade eben hoben wieder einige Transportshuttles ab, um Soldaten zu den wartenden Großraumtruppentransportern zu bringen, die in der Umlaufbahn warteten. So wie es aussah, wurde dort draußen eine ganze TKA-Division verladen. Und das war noch längst nicht alles. Weitere Einheiten warteten mehr oder weniger geduldig auf ihren Transport. Dazu zählte nicht nur Infanterie, sondern auch in hohem Umfang motorisierte und gepanzerte Einheiten.

Ryan fielen die ganzen Gerüchte wieder ein, die er erst auf dem Flug hierher und später auch hier auf Fortress aufgeschnappt hatte. Es hieß, irgendetwas Großes ging vor. Das Konglomerat verlegte wie wild Truppen, teilweise sogar von weit hinter der Front. Man munkelte von massiven Verschiebungen von Til-Nara- und Nerai-Truppen nach Fortress und MacAllister. Ein Aufgebot dieser Größenordnung konnte eigentlich nur auf eine Großoffensive hindeuten. Die hohen Admiräle und Generäle planten definitiv etwas. Und was immer das war, Ryan wollte unbedingt dabei sein.

Die Tür des Generals flog auf und ein gehetzt wirkender Adjutant – derselbe, der ihn vom Raumhafen abgeholt hatte – winkte ihn durch den Vorraum in einen angrenzenden Raum, bei dem es sich um das Büro Generals MacClintocks handelte. Ryan folgte dem Wink mit einem Anflug von Nervosität und der Adjutant schloss die Tür des Generals, sobald Ryan sie passiert hatte. In Gegenwart des Generals stand er unwillkürlich stramm und wartete darauf, dass der General seine Gegenwart zur Kenntnis nahm. Dieser stöberte in einigen Dokumenten, nahm einen Stift zur Hand und zeichnete sie ab. Schließlich sah er auf.

Die kantigen Gesichtszüge General MacClintocks erinnerten Ryan immer wieder an einen Geier. Auch der stechende Blick, mit dem MacClintock ihn bedachte, half nicht, diesen Eindruck zu zerstreuen. MacClintocks Haupt war bis auf einen Halbkreis grauer Haare kahl. Ein schmales Lächeln umspielte seine Mundwinkel, bei dem es sich lediglich um einen Ausdruck der Höflichkeit handelte, als er auf einen Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches deutete.

»Setzen Sie sich, Major, und entspannen Sie sich.«

Ryan stieß leise den angehaltenen Atem aus, zog den Stuhl zurück und nahm Platz. Sein Rückgrat blieb jedoch durchgedrückt. Für einen Mann wie ihn, der mehr Jahre beim Militär als im Zivilleben verbracht hatte, war es schwer, sich zu entspannen. Manchmal fragte er sich selbst, ob er überhaupt wusste, wie das ging.

MacClintock lehnte sich in seinem Stuhl zurück und musterte Ryan einen unangenehmen Augenblick lang, bevor er sich räusperte.

»Das war gute Arbeit auf Nebula Centauri«, eröffnete er das Gespräch.

Ryan nickte lediglich als Erwiderung auf das unerwartete Lob. »Ich wünschte, wir hätten mehr tun können.«

MacClintock schürzte die Lippen. »Niemand hätte mehr tun können, Major. Trösten Sie sich mit diesem Wissen. Der Planet war in dem Moment verloren, in dem die Slugs landeten. Ohne TKA-Soldaten oder Marines und nur mit Miliz zur Verteidigung war es überhaupt ein Wunder, dass die Bevölkerung lange genug durchhielt, damit wenigstens ein annehmbarer Prozentsatz gerettet werden konnte.«

Ryan nickte verstehend. Auch wenn er es vielleicht weniger unverblümt ausgedrückt hätte, so verstand er jedoch durchaus die Haltung des Generals. Wie die meisten Berufssoldaten verachtete der alternde Offizier planetare Milizen, empfand sie bestenfalls als unnötig und schlimmstenfalls als Sicherheitsrisiko für eigene Truppen.

Der General stand auf und begab sich zu einer Sternenkarte, die hinter ihm an der Wand hing. »Aber genug von Vergangenem. Reden wir über Ihren neuen Auftrag.«

Ryan zog fragend eine Augenbraue hoch. »Sir?«

MacClintock deutete auf die Sternenkarte. »Was sehen Sie?«

Ryan betrachtete eingehend die Karte. Sie zeigte den kompletten Frontverlauf und mehrere Sektoren sowohl des eigenen als auch des feindlichen Hinterlandes. Es waren Versorgungsbasen und Stützpunkte markiert, soweit bekannt auch die des Feindes. Allerdings war er nicht in der Lage, etwas Ungewöhnliches auszumachen.

»Ich bin mir nicht sicher, worauf Ihre Frage abzielt, General.«

»Wollen Sie wissen, was ich sehe?« Da es sich offensichtlich um eine rhetorische Frage handelte, nickte Ryan zurückhaltend.

»Ich sehe Schwachstellen. Eine ganze Menge Schwachstellen.« MacClintock nahm einen Zeigestock zur Hand und deutete nacheinander auf mehrere Systeme. »Seit Serena als umkämpftes System gilt, sickern immer wieder kleine Kampfgruppen der Ruul durch die Maschen und greifen Kolonien hinter der Front an. Angriffe, um die wir uns natürlich kümmern müssen.« Er schnalzte zufrieden mit der Zunge. »So war das jedenfalls bisher.«

Ryan stutzte. »Ich befürchte, ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«

»Das Oberkommando folgt einer Initiative, die ich eingereicht habe. Zukünftig wird die Verteidigung für die Kriegsanstrengungen nicht zwangsläufig benötigter Planeten vollständig den örtlichen Behörden überlassen. Damit werden wichtige TKA- und Marine-Einheiten freigestellt, die wir an die Front verlegen werden.«

Ryans Gedanken überschlugen sich. Das war ein äußerst radikaler Schritt. Natürlich bedeutete es für das reguläre Militär eine gewisse Entlastung, nicht mehr überall präsent sein zu müssen. Für einige Kolonien wäre dieser Schritt jedoch katastrophal, vor allem, nachdem das Programm der Freiwilligenregimenter nach den ruulanischen Angriffen auf Alacantor und andere Kolonien vor einigen Monaten derzeit überarbeitet und nachgebessert wurde.

»General, bedeutet das, die Verteidigung dieser Systeme wird ausschließlich von Milizen übernommen? Die werden vom ersten ruulanischen Überfallkommando in Stücke gerissen.«

»Es kann natürlich möglich sein, dass einige kleinere Kolonien durch diese Maßnahme auf der Strecke bleiben werden, doch wenn wir die Bresche, die die Ruul in unsere Frontlinie geschlagen haben, nicht bald in den Griff kriegen, wird das alles keine Rolle mehr spielen.«

Ryan bedachte den General mit einem fassungslosen Blick. Der Mann sprach so beiläufig über den Tod Tausender Menschen, als würde er über das Wetter sprechen. Seine Gedanken mussten sich auf seinem Gesicht abgezeichnet haben, denn der General schüttelte den Kopf.

»Ich weiß, was Sie denken, aber wir leben in schwierigen Zeiten und müssen schwierige Entscheidungen treffen. Wir haben keine andere Wahl, wenn wir diesen Krieg gewinnen wollen.«

Ryan senkte betreten den Blick, um seine Gedanken zu ordnen. Schließlich blickte er auf. »Ich nehme an, die infrage kommenden Systeme wurden bereits ausgewählt?«

»In der Tat«, bestätigte MacClintock.

»Und warum erzählen Sie mir das alles? Was hat das mit den Rangers zu tun?«

Erstmals seit Beginn des Gesprächs wirkte der General tatsächlich verlegen. Über den möglichen Tod unzähliger Menschen hatte er ungerührter gesprochen. »Das Oberkommando hat meinen Plan ein wenig abgeändert und um ein, zwei Details erweitert.«

»Ja?«

»Bevor wir aus diesen Systeme sämtliche regulären Truppen abziehen, entsenden wir Einheiten, um die örtliche Miliz auszubilden. Außerdem erhalten die Milizen Lieferungen hochwertigen Kriegsmaterials: Infanteriewaffen, Artillerie, Panzer, Flugzeuge und Hubschrauber. Wir leiden leider unter Personalmangel, aber unsere Rüstungsfirmen arbeiten mit hundertprozentiger Auslastung. Unsere Depots sind prall gefüllt und das Oberkommando ist der Meinung, es sei nur recht und billig, wenn wir die Milizen etwas aufrüsten, bevor wir sie sich selbst überlassen.«

Die letzten Worte hatte Ryan gar nicht mehr mitbekommen, denn seine Gedanken kreisten nur um ein Wort: Ausbildung.

»Entschuldigen Sie, Sir, aber das kann nicht wirklich Ihr Ernst sein. Sie degradieren eine Einheit wie mein Bataillon zu einer Ausbildungseinheit?«

»Von Degradierung kann keine Rede sein«, hielt MacClintock dagegen. »Der Einsatz ist lediglich temporär. Sie fliegen dorthin, zeigen den Milizionären ein paar Tricks, unterweisen sie im Umgang mit dem neuen Kriegsgerät und fliegen wieder ab.«

»Bei allem Respekt, das kann doch nur ein schlechter Witz sein«, fuhr Ryan auf.

»Ich kann Ihnen versichern, das ist kein Witz und diese Entscheidung ist auch nicht auf meinem Mist gewachsen. Mein ursprünglicher Plan sah nichts dergleichen vor, aber – ob Sie es glauben oder nicht – auch ich habe Vorgesetzte, vor denen ich mich rechtfertigen muss, und die haben nun mal anders entschieden.«

»General, meine Einheit wäre an der Front bedeutend besser aufgehoben. Auf dem Flugfeld werden gerade Truppen in Marsch gesetzt, dort ist unser Platz. Das 2. Bataillon ist zu … zu …«

»Ja?«

Ryan holte tief Luft. »Offen gestanden, das Bataillon ist zu wertvoll, um es bei einer solchen Mission zu verschwenden.«

MacClintock kicherte leise. Es war die erste echte Gefühlsregung, die Ryan an dem Mann wahrnahm. »Mit dieser Einstellung rennen Sie bei mir offene Türen ein, Major. Genau dasselbe habe ich auch zu meinen Vorgesetzten gesagt, aber die waren in Ihrer Haltung unerbittlich. Und falls Ihnen das irgendwie hilft, der Befehl wurde von der Präsidentin persönlich gebilligt. Es scheint wohl die einhellige Meinung zu sein, dass wir nicht abziehen dürfen, ohne zumindest einen symbolischen Akt der Solidarität zu leisten.«

»Das ist Schwachsinn. Ein paar Wochen Ausbildung werden aus einer Miliz keine Eliteeinheit machen.«

»Oder ein paar Monate«, fügte MacClintock süffisant hinzu.

»Monate?!«

»Ja, Sie haben richtig gehört. Der Einsatz ist auf sechs Monate ausgelegt.«

Ryan hatte alle Mühe, seine Fassung zu bewahren, als er steif nickte. »Ich gehe davon aus, dass ich wohl keine Möglichkeit habe, mich dagegen zu wehren.«

MacClintock schüttelte den Kopf. »Befehle sind Befehle.« Er umrundete den Tisch und klopfte Ryan kameradschaftlich auf die Schulter. »Nehmen Sie es gelassen, Major. Sehen Sie die ganze Sache als längst überfälligen Urlaub. Das Ganze wird ein Kinderspiel, und eh Sie sichs versehen, stecken Sie schon wieder im Kampfeinsatz. Nur diesmal wird es ein Planet sein, den zu verteidigen sich wirklich lohnt. Vielleicht sogar Serena.«

Ryan schluckte schwer. »Gibt es für diese Operation Regeln für einen möglichen Feindkontakt.«

MacClintock ging an seinen Platz zurück und zog die oberste Schublade seines Schreibtisches auf. Er holte einen versiegelten Umschlag hervor, den er vor Ryan auf den Tisch legte. »Die gibt es in der Tat. Öffnen Sie diesen Umschlag nur – und ich betone das ausdrücklich –, nur, falls Sie mit ruulanischen Einheiten in Kontakt kommen. Die Möglichkeit ist recht unwahrscheinlich, aber wir müssen uns für diese Fall absichern.«

»Ich verstehe.«

»Da wären noch zwei Dinge. Die Schiffe, die Sie von Nebula Centauri mitgebracht haben, die Überreste dieses Wachgeschwaders, werden Sie dorthin eskortieren und für die Dauer der Operation im Orbit um Ihre Zielwelt verweilen. Das Geschwader wurde um ein paar Schiffe aufgestockt, um die Verluste auszugleichen. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung der Miliz werden die Schiffe Ihr Bataillon nach MacAllister eskortieren, wo sowohl Ihre Einheit als auch das Geschwader einer neuen Mission zugeteilt werden.«

MacAllister, überlegte Ryan angestrengt. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es anschließend nach Serena geht. Es gibt keinen Kriegsschauplatz in Reichweite von MacAllister, der derzeit wichtiger wäre.

»Und der zweite Punkt?«

»Ihrer Einheit wird ein Trupp Pioniere zugeteilt. Sie sollen die Arbeit an Verteidigungsanlagen koordinieren.«

Ryan nickte und stand auf. »Wäre das alles, Sir?«

»Allerdings.« MacClintock reichte Ryan einen weiteren Umschlag. »Hier sind Ihre Einsatzbefehle. Viel Glück, Major.«

Ryan salutierte steif und hielt die Position, bis MacClintock die Ehrenbezeugung erwiderte. Er wollte sich bereits umdrehen und den Raum verlassen, als ihm noch eine letzte Frage einfiel.

»Wie heißt eigentlich das System, zu dem wir geschickt werden?«

MacClintock zuckte die Achseln. »Sie werden vermutlich noch nie davon gehört haben. Das System heißt Maguire.«

Ryan hatte tatsächlich noch nie davon gehört.

2

Gefechtsaufzeichnung 308des 2. Bataillons, 105. Rangerregiment, TKA31. Juli 2152Kommandierender Offizier: Major Ryan Flynn

Meine Unzufriedenheit lässt sich nicht in Worte fassen. Das 2. Bataillon wird tatsächlich zum Ausbildungsdienst abkommandiert. Eigentlich eine Beleidigung. Vielleicht sollte ich solche Gedanken für mich behalten und nicht in einen offiziellen Bericht einfließen lassen, doch im Moment kümmert mich das wenig. Sollen doch die hohen Generäle erfahren, wie ich mich fühle.

Als ich meine Offiziere über unsere Mission informierte, schlug mir eisiges Schweigen entgegen. Meine Leute sind ähnlich geschockt wie ich. Inzwischen hat sich tiefe Frustration breitgemacht. Es ist unsere Aufgabe, Slugs zu jagen, nicht, Milizen auszubilden. Gut möglich, dass wir den Milizionären einiges beibringen können, eigentlich sogar überaus wahrscheinlich. Aber nichts, was wir ihnen zeigen könnten, würde sie darauf vorbereiten, sich mit einem ruulanischen Überfallkommando anzulegen. Unsere ganze Mission dient doch einzig und allein der Beruhigung der örtlichen Bevölkerung, der Zivilregierung von Maguire und der planetaren Miliz. Eine Alibimission, nichts weiter. Sollte die Maguire-Kolonie tatsächlich das Pech haben, ins Visier der Ruul zu geraten, gibt es nichts, was die örtlichen Kräfte tun könnten. Rein gar nichts.

Wir bewegen uns in einem Konvoi aus zwei Dutzend Schiffen. Die zwölf Kriegsschiffe, die uns begleiten, werden von Captain – nein, inzwischen Commodore – Jérôme Cahill auf dem Schweren Kreuzer TKS Chattanooga befehligt. Als wir auf Nebula Centauri landeten und uns später aus dem System zurückzogen, hatte ich keine Gelegenheit, den Mann kennenzulernen. Es ging alles drunter und drüber. Der Flottenoffizier macht jedoch einen kompetenten Eindruck. Ich habe das Gefühl, auch er sieht dieser Mission mit gemischten Gefühlen entgegen.

Dann gibt es natürlich noch die zwei Truppentransporter des Bataillons. Die Revenge und die Sun Dancer, beides ältere Schiffe der Starfighter-Klasse. Jedes der Schiffe kann etwa die Hälfte des Bataillons plus Waffen und Ausrüstung aufnehmen.

Zu guter Letzt befinden sich noch zehn Frachter mit dem Kriegsmaterial, das MacClintock versprochen hat, in unserer Gesellschaft. Die Lage muss wirklich schlecht stehen. Vor dem Krieg hätte man nie auch nur in Erwägung gezogen, derart hoch entwickeltes Material an Milizen zu verschwenden.

Inzwischen habe ich mir die Daten zur Kolonie angesehen. Es ist sogar noch ein gutes Stück furchtbarer, als ich in Erwägung gezogen habe. Der Planet liegt wirklich am Arsch des Universums, knapp einhundertfünfzig Lichtjahre südlich von Serena. Die Bevölkerung zählt knapp dreihunderttausend Menschen, die sich zum Großteil über die nördliche Hemisphäre verteilen.

Sie leben entweder in der planetaren Hauptstadt Corwyn oder in Hunderten kleiner Farmen und Gehöfte, die mehr oder weniger planlos verteilt sind. Die meisten Farmen beschäftigen sich mit dem Anbau von Cof, einer Art einheimischen Kaffeebohne. Beim Cof handelt es sich auch um das einzige Exportgut von Maguire. Der Anbau von Cof scheint relativ schwierig zu sein, doch wenn er gelingt, kann es ein lohnenswertes Geschäft sein. Die Besonderheit der Pflanze ist nämlich, dass sie bei jedem Wetter gedeiht, sogar im Winter, wodurch die Ernte mehrmals jährlich eingefahren werden kann.

Es gibt aber auch gewaltige Nachteile. Die Kaffebohne scheidet von Zeit zu Zeit eine Sporenwolke aus, und falls die Wetterbedingungen günstig (oder besser gesagt ungünstig) sind, verbinden sich kleinere Sporenwolken zu einer großen. Man nennt dies einen Sporensturm.

Sollte dies eintreten, ist sogar der Luftverkehr gefährdet, denn die Sporen können Luftfilter und Ansaugstutzen von Hubschraubern und sogar Kampffliegern verstopfen und dadurch Abstürze verursachen. Ich muss das vor der Landung noch einmal den Fluglehrern sagen, die uns begleiten. Sie müssen unbedingt darauf achten. Sie sollen die Piloten der Miliz im Umgang mit den Helikoptern und modernen Jägern unterweisen. Es wäre überaus ärgerlich, sollte es zu Unfällen kommen. Die Maschinen sind schließlich teuer.

Was für ein Dreckloch, auf dem man Angst haben muss, in einem Hubschrauber durch die Gegend zu fliegen.

Ich bezweifle, dass es überhaupt jemandem auffallen würde, falls die Kolonie tatsächlich von den Slugs ausradiert werden würde.

Ich gebe zu, das ist ein unwürdiger Gedanke, aber ich kann ihn leider nicht unterdrücken.

Die Maguire-Kolonie befindet sich auf dem fünften Planeten. Dieser liegt ungewöhnlich tief im Schwerkraftfeld des Systems. Sobald wir die Nullgrenze hinter uns haben, brauchen wir vier Tage, um die Kolonie zu erreichen.

Großartig, meine Leute sind auch so schon gelangweilt genug.

Das einzig Interessante am Maguire-System ist, dass der fünfte Planet mit der Kolonie von einem dichten Asteroidengürtel umschlossen ist. Diesen Punkt des Dossiers habe ich tatsächlich recht interessant gefunden. Wissenschaftler glauben, die Trümmer stammen aus einer Planetenkollision und wären nun im Gravitationsfeld des Planeten gefangen. Interessanterweise leidet der Planet keineswegs unter Meteoriteneinschlägen, wie man bei einer solchen Konstellation eigentlich erwarten würde.

Dadurch wird die Annäherung allerdings nicht nur riskant, sondern auch in höchstem Maße gefährlich. Es gibt nämlich keine konstante Anflugroute, die wir benutzen könnten. Die Trümmer driften umher und ändern ständig ihre Position.

Aus diesem Grund setzt die Maguire-Kolonie Lotsenboote ein, um Neuankömmlinge sicher durch das Asteroidenfeld zu geleiten. Das gelingt nicht immer. Machen die Lotsen einen Fehler oder sind Schiffskommandeure so ungeduldig, es selbst zu versuchen, enden diese Schiffe oftmals als Wracks. Soweit ich das verstanden habe, gibt es Dutzende, wenn nicht Hunderte, Schiffswracks im Asteroidenfeld, was das Navigieren nicht unbedingt einfacher macht.

Im Asteroidengürtel sind Tausende kleiner Sonden und Satelliten platziert, die die Lotsenboote ständig mit Informationen über freie und blockierte Flugrouten durch das Feld versorgen. Der Datenstrom wird ständig aktualisiert. Ohne diese Hilfe wäre es sogar für die Lotsen sehr riskant, sich gefahrlos in dem Feld zu bewegen.

Es gibt eine kleine auf einem Asteroiden gelegene Basis, auf der die Lotsenboote stationiert sind und von der sie starten.

Aus militärischer Sicht ist dieses Trümmerfeld durchaus wünschenswert, bietet es der Kolonie doch einen gewissen Schutz vor Angreifern. Auf die Asteroidenbasis trifft dies leider nicht zu. Ein einzelner ruulanischer Kreuzer könnte die Basis mit einem halben Dutzend Torpedos in Stücke schießen.

Wir erreichen das Maguire-System in knapp einer Woche. Ich bete darum, dass diese sechs Monate schnell vergehen. Ich kann es kaum erwarten, wieder gegen die Slugs anzutreten.

Wie ich meine Leute kenne, sehen das mit Sicherheit viele ähnlich.

Gez. Major Ryan Flynn

Ryan duckte sich unter dem Zugang zum nächsten Mannschaftsabteil hindurch. Diese Bewegung war ihm so in Fleisch und Blut übergegangen, dass er gar nicht mehr darüber nachdachte. Die Zeit, in der er sich den Kopf an der Luke gestoßen hatte, gehörte längst der Vergangenheit an.

Sein Begleiter hatte da erheblich größere Schwierigkeiten. Major Dimitri Putka schlug sich so stark den Kopf an, dass das Metall beinahe spöttisch schepperte und lautstarkes Fluchen des Russen auslöste.

Bei einigen der recht blumigen Flüche stahl sich ein Lächeln auf Ryans Gesicht. Major Putka kommandierte die Pioniere, die das Bataillon nach Maguire begleiteten. Trotz der etwas groben Art Putkas hatte Ryan sofort Sympathie für den Mann entwickelt. Er war erfrischend offen und ehrlich. Für die beengten Verhältnisse an Bord der Revenge allerdings war sein klobiger Körperbau eher ungeeignet. Der Major überragte den größten Ranger sogar noch um Haupteslänge.

»Alles in Ordnung?«, fragte Ryan schmunzelnd.

»Njet«, erwiderte Putka und rieb sich die schmerzende Stelle an der Stirn. »Wie kann man nur unter solchen Bedingungen leben? Eingepfercht in eine solche Konservenbüchse.«

»Das ist sicher nicht Ihr erster Flug in einem Truppentransporter.«

»Njet, aber die Transporter, in denen ich bisher geflogen bin, waren um einiges größer.«

»Trösten Sie sich damit, dass es nicht mehr weit ist.«

»Eine Woche ist schon eine Woche zu viel.«

Das Duo kam an mehreren Pritschen vorbei, auf denen Soldaten sich mit Karten spielen oder Dösen die Zeit vertrieben. Sie gaben sich gar nicht erst damit ab, aufzustehen und Haltung anzunehmen. Bei so beengten Verhältnissen wäre das eine Verschwendung an Energie gewesen. Die Männer und Frauen nickten Ryan lediglich respektvoll zu, während sie sich wieder ihren jeweiligen Beschäftigungen widmeten.

Ryan und Dimitri Putka erreichten eine weitere Luke. Ryan betätigte den Öffner und sie schwang nahezu geräuschlos nach innen auf. Sie betraten einen kleinen Besprechungsraum, in dem bereits die Kommandeure der einzelnen Kompanien des 2. Bataillons auf sie warteten. Ryan wartete, bis Dimitri seinen Platz eingenommen hatte, und schloss die Luke wieder. Er nahm sich einen Moment Zeit, die Offiziere der Reihe nach zu mustern.

Captain T. J. Dupree von der A-Kompanie lümmelte sich auf einem der Stühle und starrte gelangweilt an die Decke. Ihr gegenüber saß Captain Caleb Dillane von der B-Kompanie, der mit den Fingern unruhig auf den Tisch trommelte. Der Mann war spindeldürr und trug einen Dreitagebart zur Schau, auch wenn er sich regelmäßig rasierte. Außerdem war er immer ein Ausbund an unterdrückter Energie, und tatenlos herumzusitzen, schmeckte ihm überhaupt nicht. Die A- und die B-Kompanie teilten sich die Quartiere auf der Revenge.

Die beiden Captains der C- und D-Kompanie hingegen teilten sich die Quartiere auf der Sun Dancer und waren für diese Besprechung per Shuttle herübergeflogen worden. Im Hyperraum war dies zwar nicht gerade gefährlich, jedoch auch nicht unbedingt ratsam. Doch Ryan hielt es für unumgänglich, noch eine letzte Besprechung abzuhalten, bevor sie das Maguire-System erreichten.

Captain Lukas Nemec von der C-Kompanie stellte das genaue Gegenteil von Dillane dar: groß, breite Schultern, mit einem leichten Hang zum Doppelkinn. Über ihn hatte sich Ryan noch kein endgültiges Urteil gebildet. Er schien auf jeden Fall ein solider Offizier zu sein. Bei seinen Soldaten war er überaus beliebt. Es gab Offiziere, die missbilligten es, wenn ein Offizier zu beliebt bei den Truppen war. Ryan gehörte nicht dazu.

Lukas hatte noch vor relativ kurzer Zeit in einem regulären TKA-Infanterieregiment gedient und gehörte erst seit einem knappen halben Jahr zum Rangerbataillon. Er war im Zuge der Neuausrüstung nach der verhängnisvollen zweiten Schlacht um das Delta-Corona-System zu den Rangers gewechselt.

Die Schlacht stellte eine der verheerendsten Niederlagen der Allianz in der jüngsten Vergangenheit dar. Eine Menge guter Leute waren dort gefallen, unter anderem fast ein Drittel des zweiten Bataillons. Dabei hatten die Rangers sogar noch Glück gehabt. Andere Einheiten waren ausradiert worden.

Captain Mia Cumberland führte die D-Kompanie an. Bei dieser Soldatin handelte es sich um eine einen Meter achtzig große Schönheit mit großen braunen Augen und einem Engelsgesicht. Viele neigten dazu, sie nicht ernst zu nehmen, wenn sie sie das erste Mal sahen. Mia neigte allerdings dazu, ihre Kritiker recht bald eines Besseren zu belehren. Sie diente bereits seit fünf Jahren in seiner Einheit und hatte ein halbes Dutzend Feldzüge, darunter mehrere planetare Invasionen und Dutzende kleinerer Missionen und Operationen, er- und überlebt. Ryan war beruhigt, ihren scharfen Verstand und taktischen Instinkte auf seiner Seite zu wissen.

Sergeant Major Lian Xu rundete das Gesamtbild ab. Lian Xu war nicht nur der ranghöchste Unteroffizier unter Ryans Kommando, sondern befehligte auch die Kundschafter der Rangers. Mit seinem bronzefarbenen Hautton stellte er einen markanten Kontrast zu den hauptsächlich helleren Hautteints der anwesenden Offiziere dar.

Ryan nickte zufrieden und setzte sich ans Kopfende des Tisches. Er nahm sich die Zeit, noch einmal jeden Einzelnen mit einem persönlichen Nicken zu begrüßen.

»Zunächst würde ich gern einmal hören, wie es um die Moral bestellt ist.« Ryan blickte auffordernd in die Runde. Der Einfachheit halber waren Ryan und seine Offiziere bereits vor langer Zeit übereingekommen, dass irgendein Protokoll zu viel des Guten wäre, also sagte jeder einfach frei seine Meinung, ohne sich vorher zu melden oder um Erlaubnis bitten zu müssen. Lukas tat sich noch etwas schwer mit dieser Vorgehensweise, da in seiner alten Einheit die Dinge etwas straffer gehandhabt wurden. Die Rangers gehörten zur sogenannten irregulären Infanterie. Das bezog sich nicht nur auf Organisation und Taktik, sondern auch auf ihr Verhalten untereinander. Wer die meiste Zeit damit beschäftigt war, durch den Schlamm zu robben und Hinterhalte für Slug-Truppen zu legen, sah das Universum bald schon mit ganz anderen Augen. Ryan war überzeugt, dass der Mann sich in näherer Zukunft anpassen würde.

Caleb war der Erste, der sprach. »Die Moral ist den Umständen entsprechend gut. Es gab nur drei Schlägereien gestern.«

Die Bemerkung löste allgemeines Kichern aus und auch Ryan verzog amüsiert die Miene. Die Leute standen unter Dampf. Wie hatte Dimitri das noch gleich genannt? Eingepfercht? Das traf es ziemlich gut. Auf so engem Raum entluden sich die erhitzten Gemüter eben manchmal. Solche Reibereien blieben jedoch meist ohne Strafen – falls niemand ernstlich verletzt wurde. Die Soldaten waren dankbar dafür, dass sie derlei Dinge unter sich regeln durften, ohne Einmischung durch die Offiziere.

»So amüsant das jetzt auch war«, bemerkte Mia, »so kritisch betrachte ich die Situation insgeheim. Die Leute haben zu viel Zeit zum Nachdenken. Seit bekannt ist, worin unser nächster Auftrag besteht, sind viele von ihnen sehr gereizt. Sie brauchen dringend etwas Ablenkung.«

»Was schlägst du also vor?«

Mia überlegte kurz. »Eine Feuer- oder Dekompressionsübung könnte da etwas Abhilfe schaffen und sie kommen endlich mal wieder in Bewegung.«

»Ich bin auch dafür«, schaltete sich Lian Xu ein. »Ein bisschen Bewegung könnte keinem von uns schaden.«

»Wollen Sie damit etwa andeuten, wir werden langsam fett, Sergeant Major?«, wollte T. J. wissen.

»Sie doch auf keinen Fall, Captain«, gab der Sergeant Major zurück, ohne die Miene zu verziehen. In seinen Augen jedoch blitzte der Schalk.

»Gut, die Idee gefällt mir«, stimmte Ryan zu. »Dann setzen wir für morgen für beide Schiffe eine Dekompressionsübung an. Ich glaube, das wird uns allen guttun.«

»Ich kann es kaum erwarten, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren«, sagte Caleb mit genussvoll geschlossenen Augen. »Und richtige Luft, nicht dieses wiederaufbereitete, sterile Gas, das hier als Sauerstoff durchgeht.«

»Halt noch etwas durch«, richtete Ryan ihn moralisch auf. »Nicht mehr lange, mein Freund.« Er ordnete die Notizen, die er sich vor der Besprechung gemacht hatte, und fand auch alsbald das Gesuchte.

»Als nächster Punkt …«

»Sir?«, unterbrach ihn die Stimme des Piloten aus dem Com.

Ryan betätigte auf dem Tisch einen Knopf, um die Verbindung herzustellen.

»Ja? Was gibt es?«

»Commodore Cahill möchte Sie gerne sprechen. Ich stelle durch, Sir.«

In der Leitung knackte es mehrmals, während Ryan geduldig wartete.

»Major? Hören Sie mich?«

»Ja, Commodore.«

»Wir haben einen Notruf aufgefangen.«

Ryan runzelte die Stirn. »Von wem?«

»Keine Ahnung, aber es ist eindeutig ein terranisches Signal. Wir werden in den nächsten Minuten unseren Überlichtflug beenden und in den Normalraum zurückkehren, um der Sache auf den Grund zu gehen.«

»Wird uns das lange im Zeitplan zurückwerfen?«

»Kommt drauf an, was wir vorfinden, aber wir sind verpflichtet, jedem Notsignal nachzugehen.«

Ryan kam sich vor wie ein Schuljunge, der von einem Erwachsenen belehrt wird. Natürlich musste einem Notsignal nachgegangen werden, das war ihm durchaus klar. Sein Einwand hatte lediglich die Absicht verfolgt, sich nach wichtigen Informationen zu erkundigen.

»Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden, Commodore.«

»Verstanden. Cahill Ende.«

Ryan beendete die Verbindung. »Also dann zum nächsten Punkt. Ausbildungspläne für die Miliz.«

»Wie lange noch bis Eintritt in den Normalraum?«, erkundigte sich Commodore Jérôme Cahill.

Commander Natalja Nemerov, die XO der Chattanooga, konsultierte umgehend ihr tragbares Datenterminal. »Weniger als fünf Minuten, Commodore.«

»Ausgezeichnet. Stellen Sie sicher, dass alle Schiffe ihre Positionen einnehmen und beibehalten. Ich will auf alle Überraschungen gefasst sein. Die Ruul benutzen manchmal falsche Notsignale als Köder für Hinterhalte.«

»Aye, Sir.«

Auf seinem taktischen Hologramm beobachtete er, wie sich die Symbole der Schiffe unter seinem Kommando, ihren Positionen näherten. Außer den acht Schiffen, die er aus dem Nebula-Centauri-System hatte retten können, waren ihm vier weitere Schiffe zugewiesen worden, was die Kampfkraft seines Geschwaders auf zwölf Schiffe erhöhte. Es handelte sich um den Achilles-Träger TKS Patton, den Sioux-Kreuzer TKS Bern, den Norfolk-Zerstörer TKS Aladin und die Puma-Fregatte TKS Ryder.

Obwohl die Schiffe noch nie zuvor mit dem Rest des Geschwaders zusammengearbeitet hatten, nahmen sie problemlos ihre Positionen innerhalb der Formation ein. Cahill war sehr zufrieden. Je nachdem, womit sie es zu tun bekamen, konnten sie entweder schnellstens in den Hyperraum fliehen oder den Feind bekämpfen. Cahill hoffte, dass es nicht notwendig werden würde. Gut möglich, dass sie mit einer ganz anderen Situation konfrontiert wurden. Es konnte an Bord eines Schiffes zu einem Unglück gekommen sein. Vielleicht war ein Feuer ausgebrochen oder der Antrieb hatte versagt. Wie dem auch sei, bald würden sie es wissen.

Auf seinem taktischen Hologramm zählte eine Uhr langsam rückwarts. Als das Zählwerk bei null angekommen war, verschwamm die Sicht vor dem Brückenfenster unvermittelt und die mit hellen Lichtpunkten gesprenkelte Schwärze des Alls empfing sie.

Cahill löste die Sicherheitsgurte und sprang von seinem Kommandosessel auf. Auf der Brücke der Chattanooga breitete sich betäubtes Schweigen aus.

Commander Nemerov trat an die Seite ihres Kommandanten und hauchte: »Gütiger Himmel!«